Sein und Schein

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

zandalee

Mitglied
Sein und Schein

Endlich zu Hause. Ich werfe meine Aktentasche in die Ecke und schäle mich mühsam aus dem engen Kostüm, das wie Zuckerguss an meinem Körper klebt. Meine Güte, was für eine Hitze! Durch das Küchenfenster beobachte ich voll Mitleid, wie vier schweißgebadete Möbelpacker ein gewaltiges rotes Plüschsofa zum Nachbarhaus schleifen. Ich schaue auf das Thermometer: vierunddreißig Grad im Schatten. So heiß war es das letzte Mal am dreizehnten August letzten Jahres. Das weiß ich so genau, weil ich diesen Tag nicht so schnell vergessen werde.

Alles fing damit an, dass die Fürstenbergs, ein Ehepaar mittleren Alters, zu Beginn des Sommers das Nachbarhaus kauften. Ich traf Frau Fürstenberg nach ihrem Einzug nur hin und wieder beim Friseur, wo sie sich mindestens einmal in der Woche die Haare machen ließ und dem üblichen Vorstadttratsch lauschte; ansonsten hatten wir keinen Kontakt. Das ist auch kein Wunder, denn zwischen ihrem Lebensstil und dem Meinen lagen Welten. Mein Freund und ich arbeiteten beide und mussten trotzdem an allen Ecken und Enden sparen, um das Haus halten zu können. Frau Fürstenberg und ihr Mann dagegen verbrachten die meiste Zeit in ihrem großen Garten und schwammen scheinbar nur so im Geld, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Gleich nach ihrem Einzug hatten sie alle Beete umgraben und Rollrasen verlegen lassen, der aussah, als werde er täglich mit der Nagelschere geschnitten. Nur entlang der Grundstücksgrenze ließen sie hohe Büsche pflanzen, sodass wir zwar noch durch die Äste lugen konnten, aber keinen freien Blick mehr auf ihr Grundstück hatten. Vielleicht wollten sie sich aber auch nur den Anblick unseres kleinen verwilderten Gartens ersparen, für dessen Pflege wir einfach keine Zeit fanden. Jeden Tag, wenn ich aus dem Büro nach Hause kam, lagen die Fürstenbergs bereits unbeweglich in ihren hölzernen Liegestühlen, die exakt in der Mitte des Rasens standen und deren Lehnen sich beinahe berührten. Daneben stand ein Beistelltischchen, auf dem sich Zeitungen stapelten und Getränke standen. Ja, ich gebe es zu – ich war neidisch. Neidisch auf ihr Geld, auf die Freizeit, die sie hatten und neidisch auf die Harmonie, die zwischen den beiden zu herrschen schien.
Selbst äußerlich demonstrierten sie ihre Zusammengehörigkeit, indem sie die gleichen weiten Gewänder, Hüte und Sonnenbrillen trugen, um sich vor der Sonne zu schützen.

Die Missgunst nagte so sehr an mir, dass ich den Fürstenbergs von Herzen die Pest, oder zumindest die Einbrecher an den Hals wünschte, die in letzter Zeit am helllichten Tag unsere Gegend unsicher machten. Aber selbst davor schienen unsere glücklichen Nachbarn gefeit, obwohl sie offensichtlich zu den Wohlhabendsten des Viertels zählten.

Dann kam der Nachmittag des dreizehnten August. Es war außergewöhnlich heiß an diesem Tag – so wie heute. Ich war gerade nach Hause gekommen, warf Schuhe und Aktentasche in die Ecke und ging in den Garten. Ich schnupperte. Irgendwie roch es angebrannt. Schnüffelnd ging ich umher, bis ich bemerkte, dass der Gestank von den Fürstenbergs herüberzog. Ich spähte durch die Zweige eines Busches. Tatsächlich! Die Zeitungen auf dem Beistelltisch brannten lichterloh. Scheinbar hatte die leere Glasflasche auf dem Tisch in der Hitze wie ein Brennglas gewirkt und das trockene Papier entzündet. Die Fürstenbergs lagen in ihren Liegestühlen und rührten sich nicht; offensichtlich schliefen sie wie die Murmeltiere. Ich rief, schrie und gestikulierte. Nichts geschah.
„Das ist alles deine Schuld – du hast ihnen das Unglück an den Hals gewünscht!“ ging es mir durch den Kopf.
Voller Gewissensbisse rannte ich hinüber zum Nachbarhaus, klingelte Sturm, und hämmerte mit den Fäusten an die Tür. Keine Reaktion. Die alte Frau Müller von gegenüber öffnete ihre Haustür und sah neugierig herüber.

„Bei den Fürstenbergs brennt es“ schrie ich atemlos hinüber und hetzte zurück ins Haus.

Frau Müller wollte sich das wohl nicht entgehen lassen und humpelte so schnell sie konnte mir nach. Wieder im Garten sah ich, dass ein Teil der brennenden Zeitungen inzwischen auf den Boden gefallen war und Frau Fürstenbergs Liegestuhl entflammt hatte. Ich konnte es nicht glauben, die beiden schliefen immer noch. Ich hastete zum Telefon und rief die Feuerwehr an. Plötzlich hörte ich einen schrillen Aufschrei und rannte zurück in den Garten. Die Augen weit aufgerissen und die Hände krampfhaft gefaltet, stand dort die alte Frau Müller und starrte entgeistert nach oben.

„Jesus, Maria und Joseph. Die Fürstenbergs steigen in den Himmel auf. Was müssen das für gute Menschen gewesen sein!“, flüsterte sie ehrfürchtig und bekreuzigte sich.

Tatsächlich zischten das Paar raketengleich nach oben, wobei sie immer mehr an Umfang verloren. Mit offenem Mund sah ich ihnen nach. Plötzlich bremsten die Beiden ab und trudelten langsam wieder Richtung Erde. Frau Müller schnappte nach Luft, dann wurde sie ohnmächtig. Ich ließ mich völlig verdattert neben ihr ins Gras fallen. Zum Glück traf in diesem Augenblick die Feuerwehr samt Krankenwagen ein, sodass die arme Frau Müller gleich versorgt werden konnte. Der Brand konnte binnen kurzer Zeit gelöscht werden, ohne dass jemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Es stellte sich nämlich heraus, dass nicht die Fürstenbergs, sondern zwei verkleidete Gummipuppen festgebunden in den Liegestühlen gelegen hatten. Als das Feuer von unten Löcher in den Kunststoff gebrannt hatte, hoben die Doppelgänger ab wie Heißluftballons. Die Polizei wurde durch diesen Vorfall misstrauisch und konnte die Fürstenbergs schließlich als bundesweit gesuchtes Gangsterpärchen identifizieren, das schon seit Jahren sein Unwesen trieb und die Gummipuppen als Alibi benutzte.

Nachdenklich wende ich meine Aufmerksamkeit wieder den Möbelpackern zu, die gerade einen schwarz-glänzenden Flügel in das Haus nebenan tragen.
„Ob der Klang hält, was die Optik verspricht, wird sich noch zeigen“, denke ich laut, und setze mich neidlos an mein altes verschrammtes Klavier.
 
S

suzah

Gast
hallo zandalee,
gefällt mir sehr gut, besonders das überraschende ende.

lg suzah
 
S

Sabine.K

Gast
Eine Geschichte zum Schmunzeln, hat mir gut gefallen. Auch, wenn ich nicht weiß, ob das technisch mit den "Luftballons" funktioniert, wenn sie an die Liegestühle angebunden waren, fand ich besonders die Bemerkung über die "Himmelfahrt" gelungen.

Aus meiner Sicht ein paar kleine Veränderungsvorschläge:

denn zwischen ihrem Lebensstil und dem Meinen lagen Welten
Ich bin nicht hundertprozentig sicher, aber ich würde meinen klein schreiben, weil ich es auf den Lebensstil beziehe. Das dem davor macht mich etwas unsicher, deshalb würde ich es mir wohl leichter machen und "..und meinem.." schreiben.

und schwammen scheinbar nur so im Geld,
Scheinbar würde ich durch offensichtlich ersetzen, weil scheinbar für mich bereits stark andeutet, dass es eine Täuschung ist.

die sie hatten und neidisch auf die Harmonie, die zwischen den beiden zu herrschen schien.
Das "schien" würde ich weglassen, Grund s.o.. Vielleicht: "..die Harmonie, die sie zur Schau stellten.."

Tatsächlich zischte[strike]n[/strike] das Paar
 
S

suzah

Gast
hallo sabine.k,
du hast gründlicher gelesen als ich.
ich stimme deinen anmerkungen zu.
jetzt hab ich mir noch mal überlegt, wie es mit den luftballons funktionieren konnte. eigentlich müßten die ballons schon abgehoben haben, bevor die halteschnüre durchgebrannt sind bzw bis diese durchgebrannt sind, wären die ballons bereits verschmort? vielleicht kann die autorin noch etwas dazu sagen?
aber auf jeden fall eine schöne geschichte.
lg suzah
 

zandalee

Mitglied
Hallo,
schön, dass euch die Geschichte gefällt und vielen Dank für die Anmerkungen!

Das "zischten" habe ich tatsächlich übersehen, als ich "die Fürstenbergs" durch "das Paar" ersetzte. Sozusagen betriebsblind.. ;-)

Was das Wörtchen "scheinen" angeht, so sollte ich es mir tatsächlich besser schenken.. ;-)

Bei dem "meinigen/Meinigen" war ich mir auch etwas unsicher! Aber seit der Rechtschreibreform müsste man es doch groß schreiben???? Ich hatte auch daran gedacht, das Problem einfach zu umgehen, aber die Alternative hat mir einfach nicht so gut gefallen.

Naja, was die "wissenschaftliche" Seite angeht, so kenne ich mich da auch nicht wirklich aus. Keine Ahnung, ob das wirklich funktioniert, ich habe es ehrlich gesagt nicht ausprobiert. Ich hatte auch schon überlegt, dazu zu schreiben, dass die Gummipuppen mit Wolle festgebunden sind - die ist ja nicht so stabil.. Aber festgebunden müssen sie ja sein, sonst wären sie ja spätestens beim ersten kräftigeren Windstoß weg geweht.

LG.. Zandalee

PS: Habe die angesprochenen Punkte geändert. Ich denke, so ist es besser...
 

zandalee

Mitglied
Sein und Schein

Endlich zu Hause. Ich werfe meine Aktentasche in die Ecke und schäle mich mühsam aus dem engen Kostüm, das wie Zuckerguss an meinem Körper klebt. Meine Güte, was für eine Hitze! Durch das Küchenfenster beobachte ich voll Mitleid, wie vier schweißgebadete Möbelpacker ein gewaltiges rotes Plüschsofa zum Nachbarhaus schleifen. Ich schaue auf das Thermometer: vierunddreißig Grad im Schatten. So heiß war es das letzte Mal am dreizehnten August letzten Jahres. Das weiß ich so genau, weil ich diesen Tag nicht so schnell vergessen werde.

Alles fing damit an, dass die Fürstenbergs, ein Ehepaar mittleren Alters, zu Beginn des Sommers das Nachbarhaus kauften. Ich traf Frau Fürstenberg nach ihrem Einzug nur hin und wieder beim Friseur, wo sie sich mindestens einmal in der Woche die Haare machen ließ und dem üblichen Vorstadttratsch lauschte; ansonsten hatten wir keinen Kontakt. Das ist auch kein Wunder, denn zwischen ihrem Lebensstil und dem Meinen lagen Welten. Mein Freund und ich arbeiteten beide und mussten trotzdem an allen Ecken und Enden sparen, um das Haus halten zu können. Frau Fürstenberg und ihr Mann dagegen verbrachten die meiste Zeit in ihrem großen Garten und schwammen offensichtlich nur so im Geld, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Gleich nach ihrem Einzug hatten sie alle Beete umgraben und Rollrasen verlegen lassen, der aussah, als werde er täglich mit der Nagelschere geschnitten. Nur entlang der Grundstücksgrenze ließen sie hohe Büsche pflanzen, sodass wir zwar noch durch die Äste lugen konnten, aber keinen freien Blick mehr auf ihr Grundstück hatten. Vielleicht wollten sie sich aber auch nur den Anblick unseres kleinen verwilderten Gartens ersparen, für dessen Pflege wir einfach keine Zeit fanden. Jeden Tag, wenn ich aus dem Büro nach Hause kam, lagen die Fürstenbergs bereits unbeweglich in ihren hölzernen Liegestühlen, die exakt in der Mitte des Rasens standen und deren Lehnen sich beinahe berührten. Daneben stand ein Beistelltischchen, auf dem sich Zeitungen stapelten und Getränke standen. Ja, ich gebe es zu – ich war neidisch. Neidisch auf ihr Geld, auf die Freizeit, die sie hatten und neidisch auf die Harmonie, die so offenkundig zwischen den beiden herrschte.
Selbst äußerlich demonstrierten sie ihre Zusammengehörigkeit, indem sie die gleichen weiten Gewänder, Hüte und Sonnenbrillen trugen, um sich vor der Sonne zu schützen.

Die Missgunst nagte so sehr an mir, dass ich den Fürstenbergs von Herzen die Pest, oder zumindest die Einbrecher an den Hals wünschte, die in letzter Zeit am helllichten Tag unsere Gegend unsicher machten. Aber selbst davor schienen unsere glücklichen Nachbarn gefeit, obwohl sie offensichtlich zu den Wohlhabendsten des Viertels zählten.

Dann kam der Nachmittag des dreizehnten August. Es war außergewöhnlich heiß an diesem Tag – so wie heute. Ich war gerade nach Hause gekommen, warf Schuhe und Aktentasche in die Ecke und ging in den Garten. Ich schnupperte. Irgendwie roch es angebrannt. Schnüffelnd ging ich umher, bis ich bemerkte, dass der Gestank von den Fürstenbergs herüberzog. Ich spähte durch die Zweige eines Busches. Tatsächlich! Die Zeitungen auf dem Beistelltisch brannten lichterloh. Scheinbar hatte die leere Glasflasche auf dem Tisch in der Hitze wie ein Brennglas gewirkt und das trockene Papier entzündet. Die Fürstenbergs lagen in ihren Liegestühlen und rührten sich nicht; offensichtlich schliefen sie wie die Murmeltiere. Ich rief, schrie und gestikulierte. Nichts geschah.
„Das ist alles deine Schuld – du hast ihnen das Unglück an den Hals gewünscht!“ ging es mir durch den Kopf.
Voller Gewissensbisse rannte ich hinüber zum Nachbarhaus, klingelte Sturm, und hämmerte mit den Fäusten an die Tür. Keine Reaktion. Die alte Frau Müller von gegenüber öffnete ihre Haustür und sah neugierig herüber.

„Bei den Fürstenbergs brennt es“ schrie ich atemlos hinüber und hetzte zurück ins Haus.

Frau Müller wollte sich das wohl nicht entgehen lassen und humpelte so schnell sie konnte mir nach. Wieder im Garten sah ich, dass ein Teil der brennenden Zeitungen inzwischen auf den Boden gefallen war und Frau Fürstenbergs Liegestuhl entflammt hatte. Ich konnte es nicht glauben, die beiden schliefen immer noch. Ich hastete zum Telefon und rief die Feuerwehr an. Plötzlich hörte ich einen schrillen Aufschrei und rannte zurück in den Garten. Die Augen weit aufgerissen und die Hände krampfhaft gefaltet, stand dort die alte Frau Müller und starrte entgeistert nach oben.

„Jesus, Maria und Joseph. Die Fürstenbergs steigen in den Himmel auf. Was müssen das für gute Menschen gewesen sein!“, flüsterte sie ehrfürchtig und bekreuzigte sich.

Tatsächlich zischte das Paar raketengleich nach oben, wobei sie immer mehr an Umfang verloren. Mit offenem Mund sah ich ihnen nach. Plötzlich bremsten die Beiden ab und trudelten langsam wieder Richtung Erde. Frau Müller schnappte nach Luft, dann wurde sie ohnmächtig. Ich ließ mich völlig verdattert neben ihr ins Gras fallen. Zum Glück traf in diesem Augenblick die Feuerwehr samt Krankenwagen ein, sodass die arme Frau Müller gleich versorgt werden konnte. Der Brand konnte binnen kurzer Zeit gelöscht werden, ohne dass jemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Es stellte sich nämlich heraus, dass nicht die Fürstenbergs, sondern zwei verkleidete Gummipuppen festgebunden in den Liegestühlen gelegen hatten. Als das Feuer von unten Löcher in den Kunststoff gebrannt hatte, hoben die Doppelgänger ab wie Heißluftballons. Die Polizei wurde durch diesen Vorfall misstrauisch und konnte die Fürstenbergs schließlich als bundesweit gesuchtes Gangsterpärchen identifizieren, das schon seit Jahren sein Unwesen trieb und die Gummipuppen als Alibi benutzte.

Nachdenklich wende ich meine Aufmerksamkeit wieder den Möbelpackern zu, die gerade einen schwarz-glänzenden Flügel in das Haus nebenan tragen.
„Ob der Klang hält, was die Optik verspricht, wird sich noch zeigen“, denke ich laut, und setze mich neidlos an mein altes verschrammtes Klavier.
 

zandalee

Mitglied
Sein und Schein

Endlich zu Hause. Ich werfe meine Aktentasche in die Ecke und schäle mich mühsam aus dem engen Kostüm, das wie Zuckerguss an meinem Körper klebt. Meine Güte, was für eine Hitze! Durch das Küchenfenster beobachte ich voll Mitleid, wie vier schweißgebadete Möbelpacker ein gewaltiges rotes Plüschsofa zum Nachbarhaus schleifen. Ich schaue auf das Thermometer: vierunddreißig Grad im Schatten. So heiß war es das letzte Mal am dreizehnten August letzten Jahres. Das weiß ich so genau, weil ich diesen Tag nicht so schnell vergessen werde.

Alles fing damit an, dass die Fürstenbergs, ein Ehepaar mittleren Alters, zu Beginn des Sommers das Nachbarhaus kauften. Ich traf Frau Fürstenberg nach ihrem Einzug nur hin und wieder beim Friseur, wo sie sich mindestens einmal in der Woche die Haare machen ließ und dem üblichen Vorstadttratsch lauschte; ansonsten hatten wir keinen Kontakt. Das ist auch kein Wunder, denn zwischen ihrem Lebensstil und dem Meinen lagen Welten. Mein Freund und ich arbeiteten beide und mussten trotzdem an allen Ecken und Enden sparen, um das Haus halten zu können. Frau Fürstenberg und ihr Mann dagegen verbrachten die meiste Zeit in ihrem großen Garten und schwammen offensichtlich nur so im Geld, ohne auch nur einen Finger krumm zu machen. Gleich nach ihrem Einzug hatten sie alle Beete umgraben und Rollrasen verlegen lassen, der aussah, als werde er täglich mit der Nagelschere geschnitten. Nur entlang der Grundstücksgrenze ließen sie hohe Büsche pflanzen, sodass wir zwar noch durch die Äste lugen konnten, aber keinen freien Blick mehr auf ihr Grundstück hatten. Vielleicht wollten sie sich aber auch nur den Anblick unseres kleinen verwilderten Gartens ersparen, für dessen Pflege wir einfach keine Zeit fanden. Jeden Tag, wenn ich aus dem Büro nach Hause kam, lagen die Fürstenbergs bereits unbeweglich in ihren hölzernen Liegestühlen, die exakt in der Mitte des Rasens standen und deren Lehnen sich beinahe berührten. Daneben stand ein Beistelltischchen, auf dem sich Zeitungen stapelten und Getränke standen. Ja, ich gebe es zu – ich war neidisch. Neidisch auf ihr Geld, auf die Freizeit, die sie hatten und neidisch auf die Harmonie, die so offenkundig zwischen den beiden herrschte.
Selbst äußerlich demonstrierten sie ihre Zusammengehörigkeit, indem sie die gleichen weiten Gewänder, Hüte und Sonnenbrillen trugen, um sich vor der Sonne zu schützen.

Die Missgunst nagte so sehr an mir, dass ich den Fürstenbergs von Herzen die Pest, oder zumindest die Einbrecher an den Hals wünschte, die in letzter Zeit am helllichten Tag unsere Gegend unsicher machten. Aber selbst davor schienen unsere glücklichen Nachbarn gefeit, obwohl sie eindeutig zu den Wohlhabendsten des Viertels zählten.

Dann kam der Nachmittag des dreizehnten August. Es war außergewöhnlich heiß an diesem Tag – so wie heute. Ich war gerade nach Hause gekommen, warf Schuhe und Aktentasche in die Ecke und ging in den Garten. Ich schnupperte. Irgendwie roch es angebrannt. Schnüffelnd ging ich umher, bis ich bemerkte, dass der Gestank von den Fürstenbergs herüberzog. Ich spähte durch die Zweige eines Busches. Tatsächlich! Die Zeitungen auf dem Beistelltisch brannten lichterloh. Scheinbar hatte die leere Glasflasche auf dem Tisch in der Hitze wie ein Brennglas gewirkt und das trockene Papier entzündet. Die Fürstenbergs lagen in ihren Liegestühlen und rührten sich nicht; offensichtlich schliefen sie wie die Murmeltiere. Ich rief, schrie und gestikulierte. Nichts geschah.
„Das ist alles deine Schuld – du hast ihnen das Unglück an den Hals gewünscht!“ ging es mir durch den Kopf.
Voller Gewissensbisse rannte ich hinüber zum Nachbarhaus, klingelte Sturm, und hämmerte mit den Fäusten an die Tür. Keine Reaktion. Die alte Frau Müller von gegenüber öffnete ihre Haustür und sah neugierig herüber.

„Bei den Fürstenbergs brennt es“ schrie ich atemlos hinüber und hetzte zurück ins Haus.

Frau Müller wollte sich das wohl nicht entgehen lassen und humpelte so schnell sie konnte mir nach. Wieder im Garten sah ich, dass ein Teil der brennenden Zeitungen inzwischen auf den Boden gefallen war und Frau Fürstenbergs Liegestuhl entflammt hatte. Ich konnte es nicht glauben, die beiden schliefen immer noch. Ich hastete zum Telefon und rief die Feuerwehr an. Plötzlich hörte ich einen schrillen Aufschrei und rannte zurück in den Garten. Die Augen weit aufgerissen und die Hände krampfhaft gefaltet, stand dort die alte Frau Müller und starrte entgeistert nach oben.

„Jesus, Maria und Joseph. Die Fürstenbergs steigen in den Himmel auf. Was müssen das für gute Menschen gewesen sein!“, flüsterte sie ehrfürchtig und bekreuzigte sich.

Tatsächlich zischte das Paar raketengleich nach oben, wobei sie immer mehr an Umfang verloren. Mit offenem Mund sah ich ihnen nach. Plötzlich bremsten die Beiden ab und trudelten langsam wieder Richtung Erde. Frau Müller schnappte nach Luft, dann wurde sie ohnmächtig. Ich ließ mich völlig verdattert neben ihr ins Gras fallen. Zum Glück traf in diesem Augenblick die Feuerwehr samt Krankenwagen ein, sodass die arme Frau Müller gleich versorgt werden konnte. Der Brand konnte binnen kurzer Zeit gelöscht werden, ohne dass jemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Es stellte sich nämlich heraus, dass nicht die Fürstenbergs, sondern zwei verkleidete Gummipuppen festgebunden in den Liegestühlen gelegen hatten. Als das Feuer von unten Löcher in den Kunststoff gebrannt hatte, hoben die Doppelgänger ab wie Heißluftballons. Die Polizei wurde durch diesen Vorfall misstrauisch und konnte die Fürstenbergs schließlich als bundesweit gesuchtes Gangsterpärchen identifizieren, das schon seit Jahren sein Unwesen trieb und die Gummipuppen als Alibi benutzte.

Nachdenklich wende ich meine Aufmerksamkeit wieder den Möbelpackern zu, die gerade einen schwarz-glänzenden Flügel in das Haus nebenan tragen.
„Ob der Klang hält, was die Optik verspricht, wird sich noch zeigen“, denke ich laut, und setze mich neidlos an mein altes verschrammtes Klavier.
 
B

bluefin

Gast
verkleidete(!) puppen bringen nie soviel auftrieb zustande, @zandalee, dass sie gen himmel fahren. das bild ist ein bisschen arg kindisch.

ich würd sie nacheinander mit einem knall platzen lassen - das wäre wesentlich glaubhafter und ließe sich sicher auch ziemlich dramatisch darstellen. und das mit dem verbrechen find ich auch nicht so toll - das ist so bemüht. die nachbarn sollten einfach nur geplatzt sein - peng, spurlos verschwunden, keiner weiß warum und wohin. einfach weg.

das wär schön kryptisch.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

zandalee

Mitglied
Hallo,

Kindisch? Warum? Ist Phantasie nur den Kindern vorbehalten?? Falls ja, dann bin ich gerne kindisch!

Irgendwie kommst du mir ein bisschen vor wie ein notorischer Nörgler. Das Verbrechen ist doof, dass sie abheben ist doof, davon abgesehen würden sie gar nicht abheben u.s.w...

Ich glaube nicht, dass es an leichten, sommerlichen Baumwollüberwürfen läge, wenn es nicht funktioniert.

Die Idee, die Nachbarn platzen zu lassen finde ich ehrlich ganz und gar nicht kryptisch, sondern eher langweilig und ohne die Einbrüche obendrein sinnlos. Besonders in Anbetracht dessen, dass es ja den tollen Spruch "der ist geplatzt" gibt, wenn nach jemandem gefragt wird, der plötzlich verschwunden ist.

Gruß.. Zandalee
 
S

Sabine.K

Gast
Vielleicht wäre es einfach eine ganz andere Geschichte, wenn die Einbrüche fehlen würden. Eine surreale Geschichte, bei der man nie erfährt, wer die Nachbarn wirklich waren oder ob es eine einzige Wahnvorstellung aus Neid geboren war?
Wäre sicher auch interessant, aber eine ganz andere Sichtweise, die dann auch von jemand anderem geschrieben worden wäre.

Jetzt ist es für mich eine lustige Geschichte mit vielleicht nicht hundertprozentig realistischen Elementen. Dafür kann ich sie mir in meiner Phantasie als Leser aber trotzdem gut bildlich vorstellen.
 
B

bluefin

Gast
ich nörgle nicht, @zandalee, sondern mach dir wohlwollende vorschläge.

wenn ich dir sage, dass die nummer mit der "himmelfahrt" nicht funzt und deshalb kindisch ist, meine ich das gut und nicht überheblich (dass nachbarn in persona zerplatzen sollen, hab ich nicht vorgeschlagen. du sprachst doch von puppen, oder nicht?).

und ich mein dir's auch gut, wenn ich dir dazu rate, das mit den "verbrecher tarnen ihr verschwinden dadurch, dass sie tag und nacht reglos als gummipuppen im garten herumliegen" zu knicken: sowas passt vielleicht in ein fix- und foxi-hefterl, hat aber keinen literarischen ansatz.

das schöne an kritik ist, sag ich immer, dass man sie nicht beherzigen muss. jedenfalls nicht gleich.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Zandalee,

ein Vorschlag für ein Ende deiner Story:

Tatsächlich zischte das Paar raketengleich nach oben, wobei sie immer mehr an Umfang verloren. Mit offenem Mund sah ich ihnen nach. Plötzlich bremsten die Beiden ab und trudelten langsam wieder Richtung Erde. Frau Müller schnappte nach Luft, dann wurde sie ohnmächtig [...]

Nachdenklich wende ich meine Aufmerksamkeit wieder den Möbelpackern zu, die gerade einen schwarz-glänzenden Flügel in das Haus nebenan tragen.
„Ob der Klang hält, was die Optik verspricht, wird sich noch zeigen“, denke ich laut, und setze mich [strike]neidlos [/strike]an mein [strike]altes [/strike]verschrammtes Klavier.

Grüße von Zeder
 

zandalee

Mitglied
Hallo Zeder,

möglicherweise hast du Recht, ich muss das nochmal überdenken. Der Schluss hat mir sowieso einiges Kopfzerbrechen bereitet. Irgendwie wollte mir nichts einfallen, mit dem ich richtig zufrieden bin.

@bluefin
Wenn die Puppen platzen würden und kein Verbrechen existierte, dann wäre es einfach eine vollkommen andere Geschichte.

Gruß.. Zandalee
 
B

bluefin

Gast
es wäre keine andere geschichte, @zandalee. nur keine mehr, die man am ende umständlich so erklärt bekommt, wie man's vielleicht gar nicht hören will.

die kunst beim geschichtenerzählen besteht unter anderem auch darin, den lesern die eigene fantasie nicht kaputtzumachen. wenn man versucht, alles zu erklären (nota bene so dröge*), begibt man sich dieser möglichkeit.

tipp: mehr fantasie!

liebe grüße aus münchen

bluefin

*ich nörgle nicht, sondern kritisiere den stil, hm?
 



 
Oben Unten