Seine Hände

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asterisk

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Seine Hände


„Bitte schlag mich nicht.“ Sie flüsterte fast, traute sich nicht ihn anzusehen uns starrte stattdessen auf den Teppich, der sich dort, wo er mit der Tapete zusammen traf, vom Boden abzulösen begann. „Bitte nicht schlagen“ Er trat einen Schritt zurück, ließ die Hand sinken und sein Gesicht wurde ganz müde. Dass brauchte sie nicht zu sehen, dass wusste sie. Bewegungslos stand sie da, wartend, hoffend dass die Wut jetzt weg war und dass sie nicht wieder kam, wie ein Raubtier dass sich nur kurz zurückzog um mit neuer Kraft wiederzukommen, zuzuschlagen. Nein, er drehte sich um, ging weg. Nun ging auch sie, auf den kleinen engen Flur, ins Bad. Dort stand sie dann und starrte sich im Spiegel an.
Erst mal durchatmen, tief durchatmen. Ruhig. Sie war sich so fremd, erkannte sich in dem blassem Gesicht mit den dunklen Augenringen gar nicht wieder. Die Tür konnte sie nicht abschließen, er würde nur wütend werden. Sie drehte den Wasserhahn auf, ließ kaltes Wasser über ihre Hände ins Waschbecken laufen.
Hoffentlich stand er nicht auf dem Flur und lauschte dem Rauschen. Es würde ihn sicher wütend machen, dass sie soviel Wasser verschwendete, wo sie doch so knapp waren, grade jetzt. Aber sie hörte keine Bewegung auf dem Flur. Sicher saß er in der Küche, auf einem der Holzstühle die sie zusammen vom Sperrmüll gerettet und farbig lackiert hatten, und starrte auf seine großen groben Hände, wie so oft.
Manchmal streckte er ihr seine Hände hin, als sollte sie sie nehmen und aufbewahren, bis er wieder etwas mit ihnen anfangen konnte. „Die sind fürs arbeiten da“ sagte er dann, und sein unkontrolliert hilfloser Gesichtsausdruck ließ irgendwas ganz tief in ihr drin zerreißen, „Die müssen was zu tun haben. Ganz egal was, es muss nur gute, ehrliche Arbeit sein.“ Und seine Stimme zitterte.
Sie drehte den Wasserhahn wieder zu, trocknete ihre Hände gründlich mit einem Handtuch ab. Mit der Hand schon auf der Klinke stand sie an der Tür, horchte in die Stille der Wohnung hinein. Sie konnte sich nicht gegen die Angst wehren, dass er vor der Tür stand und auf sie wartete, zuschlagen würde sobald sie sich aus der Sicherheit des kleinen Badezimmers entfernte. Aber sie hörte nur die leisen Schritte aus der Wohnung über ihnen und irgendwo ein kleines Kind schreien.
„Er ist doch gar nicht so,“ versuchte sie sich in Gedanken zu beruhigen. „Es ist nur diese Wut, die ihn so werden lässt. Diese beschissene Wut.“
Sie atmete tief durch und biss sich auf die Lippen, versuchte die Tränen zurückzuhalten. Nicht weinen. Nur nicht weinen.
Sie war doch heute mit einer Freundin verabredet, mit Michaela. Schon lange hatten sie sich nicht mehr gesehen, überhaupt hatte sie sich schon lange mit niemandem mehr getroffen, die Scham war zu groß, und die Angst dass jemand es bemerkte. Er war doch eigentlich nicht so, nur im Moment war es so schwierig. Sie hatten ein paar Schwierigkeiten, dachte sie, ja, Schwierigkeiten, dass klang gut, lösbar.
Aber nun wollte sie sich mit ihr treffen, dass hatte sie sich schon lange vorgenommen, früher waren sie mal so gute Freundinnen gewesen.
Er saß tatsächlich in der Küche auf einem der Holzstühle. Er sah nicht auf als sie reinkam. „Ich geh jetzt.“ Sie versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben „Ich hab mich doch mit der Michaela verabredet, du weißt schon.“ Er reagierte nicht. Sie zögerte noch ein bisschen, unsicher. „Also...bis später“ Sie ging wieder in den Flur, zog sich ihre Jacke an und suchte nach ihrem Schlüssel.
Als sie ihn fand hörte sie den Holzstuhl über den Boden schrammen und seine schweren Schritte näherten sich bedrohlich schnell der Tür.
„ Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen“ Sein Gesicht war eine Maske aus Angst und Wut geworden. „Aber ich kann doch jetzt nicht mehr absagen, sie wartet sicher schon.“ Sie versuchte ihn zu beruhigen, konnte doch verstehen dass er nicht alleine bleiben wollte in der Wohnung, alleine mit seinen großen Händen und all seiner Hilflosigkeit.
Nachts weinte er manchmal wie ein kleiner Junge und sie musste ihm im Arm halten und gut zureden, stundenlang, bis er wieder einschlief. Nachts brauchte sie ihn nicht zu fürchten, nur tagsüber wurde die Angst zur Wut, die Angst nichts mehr wert zu sein, nie mehr etwas wert zu sein.
„Du wirst jetzt nicht einfach gehen.“ Die immer größer werdende Wut ließ seine Gesichtszüge entgleisen, sie erkannte ihn nicht mehr, dass war doch nicht mehr der den sie kennen gelernt und geliebt hatte, das war doch ein Fremder, sie stand mit einem Fremden in ihrer Wohnung.
Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken aufzugeben, einfach nicht wegzugehen, vielleicht war es noch nicht zu spät und er würde sich wieder beruhigen wenn sie jetzt einfach nicht gehen würde.
Aber dann umfasste sie den Schlüssel fester, so dass seine Spitze sich in ihre Hand bohrte, „Es dauert doch nicht lang, ich komm schnell wieder, versprochen, aber ich kann sie doch jetzt nicht warten lassen....“
Sie war entschlossen zu gehen. Schon so lange hatten sie sich nicht mehr gesehen, und sie hatten sich doch immer so gut verstanden. Sie griff zur Klinke der Wohnungstür, versuchte sie zu öffnen, aber er war schneller. Mit einem Knall fiel die Tür zu und er riss sie zurück, schlug ihr ins Gesicht so dass sie gegen die Garderobe fiel.
„ Du wirst jetzt nicht gehen, du Schlampe bleibst hier, wenn du denkst das du jetzt einfach so abhauen kannst, hast du dich aber mächtig geschnitten, du verdammte Hure!“ Sie verbarg ihr Gesicht hinter ihren Händen, zog ihre Knie bis zum Kinn hoch und versuchte sich so vor weiteren Schlägen zu schützen. „Und ich gehe doch“ dachte sich trotzig und konzentrierte sich so auf diesen Gedanken, dass sie schon fast glaubte ihn anfassen und sich an ihm festhalten zu können. Alles andere trat in den Hintergrund, sie versuchte sich einzureden seine Schläge gar nicht mehr zu spüren, und blieb einfach liegen, sie wusste dass ihn das hilflos machte, wusste dass er damit nicht umgehen konnte.
Irgendwann ließ die Wut nach und zog sich wie ein gesättigtes Raubtier in seine Höhle zurück. Sie wagte erst wieder die Augen zu öffnen und die Hände vom Gesicht zu nehmen nachdem er ins Schlafzimmer verschwunden war.
Leise stand sie auf, hob den Schlüssel der ihr beim Sturz aus der Hand gefallen war vom Boden auf und öffnete die Wohnungstür, bemüht kein Geräusch zu machen. Nachdem sie die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, lief sie so schnell sie konnte die Treppen hinunter, draußen blieb sie kurz stehen und atmete die frische Winterluft ein. Dann ging sie mit schnellen Schritten nah an der Hauswand entlang, damit er sie nicht vom Fenster aus sehen konnte.
Wie sie wohl aussehen mochte? Sie tastete ihr schmerzendes Gesicht ab. Kein Blut, dass war schon mal gut. Sie hoffte dass es noch dauern würde, bis blaue Flecken sichtbar werden würde, und dass Michaela bloß nichts bemerkte.
Aber jetzt konnte sie eh nichts mehr ändern.
In dem Cafe´ in dem sie sich verabredet hatten, saß Michaela schon an einem kleinem Tisch und wartete. Sie hätte sie fast nicht wiedererkann, sie sah gut aus, erfolgreich und zufrieden in jeder Hinsicht mit ihren rötlich gefärbten Haaren und dem modischen Blazer. Für einen Moment verunsicherte sie das, sie zögerte einen Moment, aber dann hatte Michaela sie auch schon gesehen.
„Hallo Katharina, schön dich zu sehen, dass ist ja nun schon so lange her“ Sie war aufgestanden und umarmte sie freudig. „Aber was ist denn.....was ist denn mit dir passiert....“ Erschrocken sah sie aus, als sie ihr Gesicht genauer betrachtete.
Man sah es also doch dachte Katharina und fuhr sich erschrocken mit der Hand durchs Gesicht. „Nichts...das ist nichts...ich bin eine Treppe runtergefallen...einfach gestolpert und ...gefallen.“ Sie versuchte ein hilfloses Lachen. Michaela sah sie durchdringend an. Sie glaubt mir nicht, resignierte Katharina. Warum sollte sie mir auch glauben. Wie viele Frauen fallen wohl einfach so eine Treppe runter? Ihr war das alles zuviel. Es war eine dumme Idee gewesen, hierher zu kommen. Sie hatte keine Kraft mehr, keine Kraft mehr zum Lügen. Sie hielt sich eine Hand vors Gesicht, um die Tränen zu versteckten, die ganz plötzlich und ohne dass sie etwas dagegen tun konnte ihre Augen überschwemmten. Sie schämte sich so, aber Michaela nahm sie einfach in den Arm, dabei hatten sie sich schon so lange nicht mehr gesehen.
Ja früher, da waren sie einmal Freundinnen gewesen, aber das war schon so unendlich lange her. Und nun standen sie in diesem dummen Cafe´ und sie heulte und Michaela hielt sie in ihrem Arm. Einfach so.

asterisk
 
Hallo asterisk,

du solltest mal die Kommas und Punkte überprüfen, da könnte man bestimmt was verbessern.

Eine schöne Momentaufnahme, nur der letzte Absatz ruft in mir Unverständnis hervor, was willst du damit sagen?

Bis bald,
Michael
 

Zefira

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Ich denke, es ist einfach ein Plädoyer für die schlichte Emotionalität der Freundschaft: sich ohne Wenn und Aber und lange Fragerei einfach in den Arm zu nehmen. Sehr schön, vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß sich die beiden so lange nicht gesehen haben - und die Gefühle trotzdem unverändert sind.

Wenn ich das so richtig verstehe, setzt aber der Titel einen falschen Akzent. Im Mittelpunkt sollte nicht der Mann stehen, sondern die Schlußszene - ich würde etwa "Wiesersehen" titeln oder so ähnlich.

Lieben Gruß,
Zefira
 

asterisk

Mitglied
vielen dank für eure antworten.
ich werde über eure vorschläge nachdenken und mich sobald ich zeit habe nochmal an die geschichte setzten.

mir war das wichtigste eigentlich darzustellen, wie die frau, die eigentlich schon resigniert hat, es dochnoch schafft sich aus dieser situation und der abhängigkeit zu ihrem partner zu befreien.

asterisk
 

Zefira

Mitglied
Schafft sie das wirklich?

Sie setzt durch, daß sie zu ihrer Verabredung gehen kann (aber ganz leise, damit er es möglichst nicht merkt). Und sie entschließt sich, ihrer Freundin nichts über ihre Verletzungen vorzulügen (nachdem sie erkannt hat, daß die ihr sowieso nicht glaubt).

Daß sie sich wirklich aus der Situation befreit, läßt der Text jetzt noch nicht erkennen. Da müßte noch einiges mehr hinzukommen.

lG, Zefira
 



 
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