Selbstportrait

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Walther

Mitglied
Selbstportrait


Ich bin der böse Metrenrichter.
Ja, ich vernichte alle Dichter,
Die dichten wie der Schnabel wächst.
Bei mir wird alles weggeflext,

Was hinten etwas übersteht,
Wenn mal bei Reimen nichts mehr geht:
Nicht drechseln, feilen, auch nicht hämmern.
Wenn umgebrochen Zeilen dämmern,

Weil ihr Erfinder halt nichts kann,
Dann muss ich mit dem Versmaß ran,
Erkläre ich, was freier Rhythmus
Im Kern bedeutet. Musenkuss

Ist bei mir Arbeit, nicht von oben.
Kritik kommt bei mir nicht von Loben:
Hart kommt sie, deutlich und mit Wucht.
Drum werde ich gehasst, verflucht,

Man fühlt sich tief im Ich verletzt
Getroffen und als blöd verpetzt.
Am liebsten würd man mich dann killen,
Mit Worten, Tropfen, Messer, Pillen.

Doch ich bleib da und töte Dichter
Als hässlicher Talentvernichter.
Es hilft am Ende nur das Träumen,
Man könnte mich beiseite räumen.

Und ich? Ich liebe meinen Job.
Ich fühl mich gut, ich fühl mich top!
Wenn Widerstand am stärksten schallt,
Erstrahle ich als Lichtgestalt!

Ich bin der Nörgler, bin der Troll,
Den Mund nehm ich ganz gern zu voll,
Mach mir auf dies und das den Reim:
I gotta go. It is high time.
 

meradis

Mitglied
Hallo Lichtgestalt,

hoffe, es wirft keinen Schatten.
ich haß´ Dich nicht

stolper ein kleines bischen bei:
Erkläre ich, was freier Rhythmus
im Kern bedeutet.Musenkuss
(aber frag´ mich nicht woran es genau liegt, ich bin da kein Experte, nur Leser. Der Rest liest sich runder.)

Liebe Grüße
Conny
 
Dank an den Metrik-Verfechter.

Hi, du hehre Lichtgestalt,
manchmal ist es schon Gewalt,
wenn du mit dem ''Häkelmuster''
sagst bleib bei dem Leisten, Schuster.

Ja, ich tat mich wirklich quälen,
doch dann fing ich an zu zählen.
Hör gut zu und siehe da,
plötzlich war die Metrik da.

Ich danke dir, mein lieber Walter,
hast umgelegt bei mir 'nen Schalter.

Viele Grüße
Marie-Luise
 

Walther

Mitglied
Lb. meradis,

danke für Deinen Eintrag. Das Wichtigste an diesem Dasein ist, daß man sich nie zu ernst nimmt. ;)

LG W. (verkannte Lichtgestalt)

PS.: Der Vers ist metrisch korrekt. Sei dessen versichert. :D

PPS.: Haß ist Energieverschwendung. Wer haßt, ist selbst schuld.

L. Marie-Luise,

danke für Deine Verse. Das sehen durchaus nicht alle so, die unter meinen Verheerungen gelitten haben (und noch leiden werden ;)).

Aber vielen Dank. Es wäre sehr schön, wenn Du wieder in der Lupe schreiben würdest. Ich jedenfalls vermisse Deine Gedichte hier.

LG W.
 

meradis

Mitglied
Hallo Walther,

stimme Dir zu was Haß angeht.
Ich meinte nicht metrisch beim Holpern.

erkläre ihm was freier Rythmus
im Kern bedeutet - Musenkuss

(Wegen Erfinder)

L.G.
Conny

(Nach langem Überlegen warum ich das nicht so rund lesen konnte) Der Rest lief klasse!
 

revilo

Mitglied
hach, das ist der alte, kämpferische Walther, der ordentlich mit Möchtegerndichtern in der LL aufräumt und dafür sorgt, daß die LL beste Qualität hat....genau diesen walther vermisse ich........LG revilo
 

Rhea_Gift

Mitglied
Jau, der nimmt das Blatt vom Mund
und speit fett drauf
wenn gar zu bunt
dem walther wird das metrikmuster -

manchmal, da vergisst der schuster
dann ganz gern, dass unter schutt
ne perle quält sich raus - die glut
muss durchaus angefächelt werden -
doch manchmal brennt der wilde walther
gleich die Reime restlos nieder
wenn zu schief sind ihm die Lieder
bis der Funke ist erloschen
weil zu dicke drauf gedroschen -

drum nehmt ihn ernst, doch scheidet auch
die Goldkritik von Wut im Bauch
ein jeder hat klein angefangen
also - kein zu dolles Bangen
wenn der walther mal das Beil
doch etwas zu schwungvoll schwingt -
im Schwingen doch ein Singen klingt,
man muss nur lernen, es zu hören
statt nun selbst, nun äh tja weil
die zarte Dichterseel - verletzt -
man böse über'n walther hetzt -

so lasst den walther fertig rauchen,
wenn der Rauch sich leis verzogen
ist sein Rat - echt ungelogen
meist dann wirklich auch viel wert -
und wenn man nicht gleich zieht das Schwert
sein Beil - gezielt - auch zu gebrauchen...

:)

dankend für so manche Reime-Kreissägen,
Metrik-Schredderer und Versenäxte

Rhea
 

Leise Wege

Mitglied
:) huch, echtes Schwarz-weiß-bild!

Ganz schön schneidig kommts daher, aber ich bin sehr froh, dass Du hier fundiert kommentierst, denn nur das kann auch weiterbringen und helfen.

Lg Moni
 
M

Marlene M.

Gast
Ich denke nicht, lieber Walther, dass das Lyrikich hier mit dem Dichter identisch sein soll, obwohl sich Dichter Walter gerne kritisch zeigt.
Ich denke, hier wird satirisch aufbereitet, dass grade die, die im schärfsn Tone kritisieren, oftmals leider nicht das Fachwissen haben, das sie vorgeben.
Hier zeigt es sich auch stilistisch an den Metrikholperer:
Erkläre ich, was freier Rhythmus
Im Kern bedeutet. Musenkuss

Klar ist das je ein Jambus, aber durch die unterschiedlichen Endbetonungen passt es nicht,
Ebenso hier:
Ist bei mir Arbeit, nicht von oben.
Kritik kommt bei mir nicht von Loben:

klar zwei Jamben, aber niemand würde auf bei betonen.
dies it gehobene Metrik, die der Grne-Kritiker selber nicht beherrscht.
Passt.

Ebenso die unreinen Reime
Wucht ( kurz) verflucht(lang

Ich denke, stilistisch passt es also.

Persönlich sehe ich diesen ypus durchaus, auch hier in der LL.
Hassen muss man solche Kritiker wohl nicht-lächel.
Ich würdesie eher ignorieren.
Respekt verdienen jedoch all jene, die ihr Wissen gerne und nett weitergeben.
Auf diese positiven Menschen würde ich mich konzentrieren.
Die anderen sind den Ärger nicht wert.
LG von Marlene
 

Walther

Mitglied
Lb. meradis,

es ist schön, daß wir uns in Sachen "Hassen" so einig sind. :)

Zu dem monierten Vers komme ich weiter unten zurück.

Vorerst lieben Dank und Gruß W.

Lb. revilo,

den silbenzählenden W. wird es hier nicht mehr geben, jedenfalls nicht "öffentlich", in PNs da, wo es sinnvoll sein könnte, schon. Diese Art der Kritik ist von der Forenleitung nicht gewünscht, das respektiere ich auf meine Weise.

Danke und Gruß W.

Lb. Rhea_Gift,

Deinen launigen Eintrag habe ich lachend gelesen. Spaß muß sein, und am besten ist es, wenn man ihn auf die eigenen Kosten macht. :) Zur Fortführung habe ich ja bewußt eingeladen. :D

Danke und Gruß W.

Lb. LeiseWege,

es freut mich ungemein, daß nicht alle sich über meine Erbsenzählerei beklagen, sondern erkannt haben, daß diese Hinweise gut gemeint waren (vielleicht nicht immer behutsam genug angebracht, das mag sein). Ich habe einige Male richtig "den Rost runtergemacht" bekommen, bis ich verstanden und eingesehen habe, warum das Beherrschen der Form so wichtig ist.

Diese Geduld mit mir und die Lehren, die man mir gab, habe ich weitergeben wollen. Es ging also immer darum zu helfen, nie darum, zu verletzen und zu behindern.

Danke und lieber Gruß W.

Lb. Marlene,

in der Tat sind alle Verse Jamben. In S3Z3 ist das Silbenbild so xXxXxXxXx (also neunsilbig), in S3Z4 so xXxXxXxX (also achtsilbig). Nun geht es bei Metren um Takte. Daher kann man das machen, wie es geschrieben steht. Aber natürlich ist das eine kleine Ungenauigkeit.

Ebenso ist der Reim "verflucht" auf "Wucht" nicht ganz rein. Und in der Tat rutscht S4Z2 nicht optimal. Aber immer bleiben wir im Bereich des Erlaubten. ;)

Nun muß der Kritiker selbst gar nicht perfekt sein. Er muß nur wissen, was perfekt ist und wie es klingt. Schließlich sind fast alle begabten Kritiker verhinderte Künstler. Vielleicht macht sie das ja so bitter.

Danke und lieber Gruß W.
 
M

Marlene M.

Gast
Nun muß der Kritiker selbst gar nicht perfekt sein. Er muß nur wissen, was perfekt ist und wie es klingt. Schließlich sind fast alle begabten Kritiker verhinderte Künstler. Vielleicht macht sie das ja so bitter.
Ich denke ein bitterer Kritiker ist ein schlecher Kritiker.
Fachwissen,Toleranz und Herz gehören zum guten Kritkker.
Niemand ist perfekt.
Aber der Ton mcht die Musik.

Wer allerdings sehr pingeiig ist und dazu noch gerne mit Lob spart, der ist eher ein verhinderter Künstler als ein begabter Kritker...lächel.
GGGGGGGGGG von Marlene
 

sekers

Mitglied
Spontane Leseeindrücke oder freie Textassoziationen

Hallo Walther,

ich nehme an, Du meinst es lustig. oder glaubst, provokativ zu sein. wahrscheinlich sogar provokativ sein "zu müssen".

Nachdem ich Deinen Text gelesen habe, habe ich Bauchweh bekommen.

Dann habe ich versucht, das Bauchweh in Worte zu fassen.

das funktionierte so, dass ich mir verboten habe, mir ständig zuzureden, das ist alles Humor und total lustig, sondern ich habe Deinen Text ernst genommen. und machte, gemäß der Überschrift, in freier Textassoziation


Also:


Ich bin der böse Metrenrichter.
Ja, ich vernichte alle Dichter,
Die dichten wie der Schnabel wächst.
Bei mir wird alles weggeflext,

aggressive Worte: böse, vernichte, weggeflext
und eine gewisse Unschärfe: ein Richter richtet, doch er vernichtet nicht. hätte ich zumindest gelaubt. auch wenn richten und vernichten sich reimen.
und ein bisschen eine Abwertung der Dichter ist auch dabei ("dichten wie der Schnabel wächst") (a) vorheriges Abwerten macht nachfolgendes Vernichten leichter, b) es drängt sich mir die Frage auf: weiß der Sprecher, dass sich die Mehrzahl der Besucher dieser website als Dichter sehen? wahrscheinlich ist es ihm nicht entgangen, denke ich mir. jetzt sind wir wieder beim provozieren glauben Müssen.)


Was hinten etwas übersteht,
Wenn mal bei Reimen nichts mehr geht:
Nicht drechseln, feilen, auch nicht hämmern.
Wenn umgebrochen Zeilen dämmern,

Diese Strophe ist eine Apotheose des Wegflexens. so in der Art von:
Wegflexen, wegflexen, wegflexen.
Wegflexen, wegflexen, wegflexen.
Wegflexen, wegflexen, wegflexen.
Wegflexen, wegflexen, wegflexen.


Weil ihr Erfinder halt nichts kann,
Dann muss ich mit dem Versmaß ran,
Erkläre ich, was freier Rhythmus
Im Kern bedeutet. Musenkuss

Entwertung des zu vernichtenden ("nichts kann") gefolgt von dem Eingeständnis, dass der Wegflexer nicht ganz frei handelt ("muss ich").
Was bedeutet der freie Rhythmus im Kern? Der Wegflexer wird hier nicht spezifisch. Aber ich denke, wenn ich extrapoliere, von dem was bis jetzt gesagt wurde: der (freie Rhythmus) gehört weggeflext.

(Anmerkung zur Metrik:
-x-x-x-x
-x-x-x-x
-x-x-x-x-
-x-x-x-x
Wegzuflexen ist die letzte Silbe in Zeile drei. correct?)


Ist bei mir Arbeit, nicht von oben.
Kritik kommt bei mir nicht von Loben:
Hart kommt sie, deutlich und mit Wucht.
Drum werde ich gehasst, verflucht,

Aggression: Kritik alleine ist nicht genug. sie muss noch deutlich gemacht werden: "kommt nicht von loben".
aber das alles gilt nur für die anderen.
wenn es zum Wegflexer kommt schwallt das Selbstmitleid ("Drum werde ich gehasst, verflucht,")


Man fühlt sich tief im Ich verletzt
Getroffen und als blöd verpetzt.
Am liebsten würd man mich dann killen,
Mit Worten, Tropfen, Messer, Pillen.

weiter geht es wieder mit den zu Vernichtenden und deren fast zu erwartenden Abwertung: der andere ist nicht verletzt er fühlt sich nur so.
hingegen was den Wegflexer betrifft: (schon wieder und auch zu erwartendes) Selbstmitleid gepaart mit ein bisschen suspense: man will ihn "killen"


Doch ich bleib da und töte Dichter
Als hässlicher Talentvernichter.
Es hilft am Ende nur das Träumen,
Man könnte mich beiseite räumen.

nach einer kurzen Angstperiode also schwelgt der Wegflexer in seiner Allmachtsphantasie: er bleibt Worten, Tropfen, Messer, Pillen zum Trotz und tötet. (muss töten, eh klar, siehe oben) Wen? Dichter. Wir wissen schon von Zeile zwei, das sind die Bösen. Und die haben keine Chance (sie können vom killen nur Träumen, während sie getötet werden). das Adjektiv "hässlicher" könnte man als leise Selbstkritik deuten, ist aber wahrscheinlich ironisch gemeint.


Und ich? Ich liebe meinen Job.
Ich fühl mich gut, ich fühl mich top!
Wenn Widerstand am stärksten schallt,
Erstrahle ich als Lichtgestalt!

Schlechtes Gewissen wg. töten, vernichten, wegf. etc? i wo ("ich liebe meinen Job", "fühle mich gut … top")
Allmachtsphantasie hält an ("Lichtgestalt")


Ich bin der Nörgler, bin der Troll,
Den Mund nehm ich ganz gern zu voll,
Mach mir auf dies und das den Reim:
I gotta go. It is high time.

Und wir enden wieder im Selbstmitleid (bin Nörgler, Troll), Selbstkritik, diesmal sogar eine Spur konkreter ("Mund zu voll"). aber wenn so ein Superdichter, sorry, -flexer den Mund zu voll nimmt, kommt gleich ein Reim raus. und was für einer: Englisch auf Deutsch.

bicos wiahr so weri internäschionll.


OK. mit meinem letzten Satz habe ich eine Metatextassoziation versucht und wollte witzig sein. Aber jetzt habe ich schon wieder Bauchweh.

Liebe Grüße

G.
 

Walther

Mitglied
Hallo Sekers,

danke für die tiefgehende Motivsuche und Analyse der Persönlichkeit des LyrIchs. Ich habe stellenweise wirklicht gelacht.

Man sollte Werken dieser Art nie zuviel Bedeutung beimessen. Letztlich sind Gedichte immer auch Punchingbälle, an denen Autor und Leser sich abarbeiten. Selbstironie, Persiflage: Alles Kunstgriffe, die das Leben erleichtern und Spaß machen sollen.

Dein Bauchweh ist also das Deine und bleibt dies auch. Helfen kannst Du Dir nur selbst in dieser Sache. Da gibt es probate Mittel:

* mehr trinken
* das Richtige essen
* unangenehmen Dingen aus dem Wege gehen
* dieselben wegräumen
* etc.

Gedichte und ihre Interpretation können Dir da nicht weiterhelfen. :D

LG W.
 
H

Heidrun D.

Gast
Mir scheint das ein sehr gelungenes Selbstportrait zu sein, gerade auch, weil LyrI (der Kritiker) nicht im makellosen Glanz erstrahlt, sondern so, wie er vermutlich in seiner Umwelt wahrgenommen wird ... Mein Alt-Liebling, Herr Grillparzer, meint dazu:
Es ist wohl wahr, dass Tadel quält,
Einstimm`ger Beifall schöner:
Doch, was erkennt der Kenner, zählt
Und nicht, was wähnt der Wähner.
In diesem Sinne
Einen frohen 2.

Heidrun
 

Walther

Mitglied
Lb. Heidrun,

das LyrIch versucht, sich selbst zu reflektieren (sozusagen sich den Spiegel vorzuhalten). Gut gereinigte Spiegel haben die Tendenz zur Unerbittlichkeit. :) Darin ähneln sie dem LyrIch frappierend. :D

In der Tat ist Kritik oft deshalb so schmerzlich, weil sie eben doch wenigstens ein Körnchen Wahrheit enthält (und der oder die Kritisierte das natürlich wissen, aber nicht zugeben können bzw. wollen (dürfen]).

Das Leben ist hart aber ungerecht. Es trifft immer den Falschen, den dann jedoch richtig.

Walthers aktuelle Quintessenz des Daseins

Danke und lieber Gruß W.
 

Janosch

Mitglied
"my time" hätte mir am ende besser gefallen und hatte ich auch erwartet. insgesamt amüsant zu lesen, einige stellen regen zum schmunzeln an, hatte ehrlich gesagt nicht allzu viel erwartet, als ich form und reimform sah, aber ich kann meinen kritikus hier getrost beiseite schieben ;)
gruß janosch
 

Walther

Mitglied
Lb. Janosch,

danke für die lobenden Worte. Das LyrIch wollte sich so wichtig nun auch wieder nicht nehmen, daher wurde "high time" genommen. ;)

LG W.
 



 
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