Sex mit dem Gott

Odilo Plank

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Amphitryon, ein höchst seltsam betrogener Ehemann der griechischen Sage

Als ich zwölf war, gab es für mich keine Jugendbücher, nur die Bibliothek meines Vaters - Klassiker.
Eines Tages geriet mir das "Lustspiel" des Heinrich von Kleist in die Finger. Noch wenig berührt von der Problematik des Ehebruchs wallte mein Zorn auf gegen diesen allmächtigen Zeus. Dass er sich ab und zu eine menschliche Frau griff, hatte ich nebenbei mitbekommen. Nun hatte er aber ein überaus schwieriges Objekt seiner Begierde gewählt: Alkmene, die schönste und begehrenswerteste Frau, aber auch die treueste.
Also näherte er sich ihr nicht im Goldregen, als Schwan oder Stier. Nein - in der Gestalt ihres Ehemannes, des thebanischen Feldherrn Amphitryon. Der real Existierende kehrt mit seinem Diener Sosias heim von der Schlacht, klopft an sein Tor. Aber niemand öffnet ihm. "Er" ist ja schon drin. - Der Gott eben - bei seiner Frau...

Da malte ich mir einen Zeus auf Pappendeckel, schnitt ihn aus, warf ihn im Hof auf die Erde - und pinkelte drauf.

Die pubertäre Wut hat sich gelegt. Diesem Zeus komm ich heut anders bei.

Bei Kleist verwickelt der hohe Herr in der erschlichenen Liebesnacht die Alkmene in einen seltsamen Disput. Er scheint eifersüchtig, ER, auf den geliebten Ehemann - und entringt ihr, der Lieben, dieses berühmte "Ach!"

"Ach!" - Ich deute es so:

Die Griechen sahen die Götter in Menschengestalt, schufen sie nach ihrem Bilde und Gleichnis; besser: so, wie sie sich selbst träumten.

Wie wäre es, wenn die Sage uns etwas sehr Versöhnliches beibringen möchte?

Alkmene betrügt ihren Mann, gewiss; aber nicht mit dem omnipotenten Potenten.
Sie betrügt ihren Mann mit dem, den sie vor Jahren geliebt und geheiratet hat, dem sie treu bleiben will. In dieser Liebesnacht hält sie den Mann in den Armen, wie er gedacht war, wie er hätte werden können.

Und manchmal soll es ja vorkommen, dass in uns etwas aufblitzt von dem, was die Griechen als göttlich in uns sahen.

Ach! O Alkmene!
 



 
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