Sheherezade erzählt

Der Sklave und die Prinzessin

Es ist wieder soweit. Im Palast des Sultans Sheherban haben sich der Herrscher und sein Gefolge versammelt. Sheherezade wird eine Geschichte erzählen. Heute hat sie das Märchen von dem Sklaven und der Prinzessin erdacht.

Tief verschleiert betritt sie den Saal und lässt sich zu Füßen ihres Herrn und Gebieters nieder. Nach kurzer erwartungsvoller Pause beginnt sie:

Es ist noch gar nicht lange her, da wandelte die schöne junge Sultanstochter Amandeep tieftraurig in den herrlichen Gärten ihres Palastes. Ihr Vater hatte ihr angekündigt, dass schon bald aus einem fernen Land der Fürst Wladimir anreisen würde, der ihr als Gemahl bestimmt war. Sie hatte sein Bild auf einer kleinen Miniatur gesehen und war völlig entsetzt über das hohe Alter und das grimmige Antlitz des künftigen Gatten.

„Ach“ seufzte Amandeep, „warum kann er nicht jung und schön sein? Ich fürchte mich vor diesem Fremden.“
In einem abgelegenen verschwiegenen Teil des Gartens ließ sie sich auf einer Bank nieder und weinte bitterlich.

Ein junger Sklave, mit Gartenarbeiten beschäftigt, hört ihr Weinen. Obwohl es ihm bei Todesstrafe verboten war, sich den Damen des Hofes zu nähern, jammerte ihn Amandeeps Kummer, da er sie seit langem bewunderte. Um sie nicht zu erschrecken, trat er langsam und vorsichtig auf Amandeep zu. Sehr behutsam fragte er sie: „Amandeep, du schönster Stern am Abendhimmel, dein strahlendes Licht wärmt mich in der Nacht, wenn ich an dich denke. Deine blitzenden und immer fröhlich glitzendern Augen weinen zu sehen, betrübt mich sehr. Sag mir, warum weinst du? Kann ich dir helfen?“.

Anfangs erschrocken, die sanfte Stimme aber berührte ihr Herz, antwortete sie: „Nein, Sklave, wie willst Du mir helfen. Ich soll einen alten hässlichen Mann heiraten und sehne mich doch so sehr nach jungen Armen, die mich umfangen, nach jungen Lippen, die mich küssen und mir zärtliche Worte zuflüstern. Ich sehe niemanden, der mir helfen könnte.“

Da antwortete der Sklave. „Schau doch, ich stehe vor dir, bin jung und verehre dich. Mein Arm ist stark und meine Lippen solltest du probieren. Erst dann kannst du sagen, ob sie so küssen können, wie du es dir wünscht.“

Amandeep war entsetzt, sie wollte fortlaufen und diesem aufdringlichen Sklaven entfliehen. Doch dann betrachtete sie ihn näher und was sie sah, gefiel ihr, denn vor ihr stand ein gutgewachsener junger Mann. Sein knapper Lendenschurz verhüllte kaum seine prächtig gebaute Männlichkeit. Seine Stimme war sanft und aus seinen Augen strahlte ein Feuer, so funkelnd und blitzend wie die Feuerwerke, die sie bei Festlichkeiten am Hof schon so oft bewundert hatte.

Nur einmal wollte sie es erleben. „Ja, küss mich Sklave“, bat sie. Da ergriff der Sklave die junge Sultanstochter und es begann ein Umarmen, ein Küssen und Liebkosen, dass dir bei diesem Anblick die Lust in die Lenden steigen würde. Du möchtest es sofort selbst erleben.

Plötzlich durchdrang lautes Rufen das verschwiegene Plätzchen, laufende Füße nähern sich dem umschlungenen Paar. Wächter mit gezogenen Schwertern sprangen hinter den Büschen hervor.

Der Sklave, in inniger Umarmung mit Amandeep, wurde entdeckt, gefesselt und abgeführt. Sein Schicksal war besiegelt. Am nächsten Morgen sollte das Urteil gesprochen werden. Amandeep wurde unter Bewachung in ihre Gemächer zurückgeführt. Heftig flossen ihre Tränen und sie überlegte, ob und wie dieser junge Sklave wohl zu retten sei.

Vor den Mauern des Serail ertönten Fanfarenklänge. Der fremde Freier wurde angekündigt, eben dieser, der ihr Gemahl werden sollte. Rasch wurde Amandeep geschmückt und in ihre Festtagsgewänder gekleidet, um den Gast zu begrüßen.

Sultan Sheherban, der Vater des jungen Mädchens, plante aus politischen Gründen diese Heirat unbedingt durchsetzen. Er sah in die verweinten Augen seiner Lieblingstochter. Um ihr das kommende Los zu erleichtern und sie für die bevorstehende Hochzeit gnädig stimmen, versprach er ihr die Erfüllung eines Wunsches, würde sie ohne künftiges Murren und Aufbegehren die Heirat akzeptieren.

Nun, die List der Frauen ist ja bekanntlich grenzenlos und so musste Amandeep nicht lange überlegen: „Ich wünsche mir für diese gefährliche Reise in das fremde Land als persönlichen Beschützer den Sklaven, der morgen zum Tode verurteilt werden soll.“

Der Sultan, durch das Versprechen an sein Wort gebunden, ließ den Sklaven holen, versprach ihm Gnade.

„Du Sklave musst mit dem Einsatz seines Lebens bereit sein, meine Tochter Amandeep jetzt und für alle Ewigkeit zu beschützen und ihr ein treuer Diener sein. Du hast künftig der Prinzessin nicht mehr von der Seite zu weichen, hast in ihren Gemächern zu schlafen und Amandeep jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Damit hast du sofort zu beginnen.“

Welch ein Jauchzen durchfuhr Amandeep. Noch in dieser Nacht beabsichtigte sie alle bereits erahnten Fähigkeiten des Sklaven zu erforschen, wollte seine Lippen auf ihrer Haut spüren, in seinen Küssen versinken, durch seine Umarmung vor Lust fast vergehen und dann um weitere Zärtlichkeiten betteln. Im Rausch dieser Gefühle wird sie dem Himmel nahe sein. Sie wusste auch schon, wie sie ihre Verführung beginnen könnte.

Und damit beendet Scheherezade ihre Geschichte.

„Erzähle weiter,“ bittet der Sultan, „ich möchte wissen, was Amandeep tun wird“.

„Schicke den Hofstab fort,“ bittet Scheherezade, „dann zeige ich es dir.“

Bei leiser betörender Musik aus einem Nachbarraum beginnt Scheherezade sich zu erheben, wiegt kreisend die Hüften, und sie tanzt.
Heute tanzt sie für Ihren Gebieter den Tanz der sieben Schleier.
 



 
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