Single-WG

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anbas

Mitglied
Single-WG

Harry telefoniert mal wieder mit einer der Mülltonnen, die bei uns auf dem Hinterhof stehen. Sie sprechen über die Leere, die regelmäßig in ihr Leben tritt. Harry tun diese Gespräche gut. Er kann danach viel befreiter mit seinen Alpenveilchen auf dem Fensterbrett flirten. Man sieht es ihnen an, wie sehr sie seine Aufmerksamkeit genießen.

Ines kuschelt währenddessen mit ihrem Föhn. Die beiden sind unzertrennlich. Während ihr es immer wieder gelingt, ihn auf unterschiedlichste Art und Weise so richtig anzumachen, bringt er zuverlässig frischen Wind in ihre Beziehung. Bei denen wird es wirklich nie langweilig, obwohl sie schon so lange zusammen sind.

Mark dagegen hat sich letzte Woche von seinem Bügelbrett getrennt. Man stand sich zum Schluss nur noch im Wege, fiel übereinander her und hat dann oft wochenlang nicht mehr miteinander gesprochen. Mark lässt jetzt bügeln und hat endlich mehr Zeit für die kleine Kasserolle in unserer Gemeinschaftsküche. - Ja, der Mark, der lässt so schnell nichts anbrennen.

Jutta kommt nach Hause. Sie ist völlig aufgeregt. Vor einiger Zeit hat sie sich bei Karstadt mit einem Mixer angefreundet. Es war abzusehen, dass daraus irgendwann mehr wird. Heute ist es nun soweit - sie hat ihn mit nach Hause gebracht und ist gleich mit ihm auf ihrem Zimmer verschwunden. Nicht einmal richtig vorgestellt hat sie ihn. Wir gehen davon aus, dass der nicht nur über Nacht bleiben wird. Ich denke, er wird Juttas festgefahrenes Leben so richtig durcheinanderwirbeln. Das kann ihr nur gut tun - wo sie doch immer noch ein wenig ihrer Beziehung mit dem Eisfach nachtrauert.

Irene weint sich dagegen schon seit Stunden bei ihrer Stehlampe aus. Der Staubsauger hat sie verlassen. Er sagt, er hätte die Schnauze voll davon, ständig ihren Dreck wegmachen zu müssen. Nachdem bereits vor ein paar Tagen der Schrubber und das Staubtuch das Weite gesucht haben, ist dies für Irene der dritte herbe Verlust innerhalb kürzester Zeit. Sie weiß, dass sie ohne die drei nicht leben kann. Die Stehlampe rät Irene, sich ihr Leben einmal genauer anzuschauen, und empfiehlt ihr hierzu ein paar Gespräche mit den Deckenstrahlern im Flur.

Gleich wird noch Claudia vorbeikommen. Sie will ihre letzten Sachen packen und die Schlüssel abgeben. Claudia zieht aus. Uns allen tut das sehr leid. Besonders die Badewanne und der Badezimmerspiegel werden sie vermissen. Allerdings war Claudia in den letzten Monaten sowieso kaum noch hier, erzählte etwas von "Verabredungen", "Ausflügen" und "tollen Bekanntschaften mit anderen Leuten". Nein, irgendwie passte sie nicht mehr zu uns. Da ist es schon besser, wenn man getrennte Wege geht, bevor man sich so richtig in die Haare bekommt.

Im Vergleich zu den anderen verläuft mein Leben derzeit relativ normal. Zwar habe ich gestern erneut meinen Jalousien eine Gardinenpredigt halten müssen, weil sie trotz Absprache wieder alles an Staub angesammelt haben, was sie nur so kriegen konnten - diese Messies - doch nehme ich es ihnen im Grunde gar nicht übel. Jeder hat nun mal so seine kleinen Macken. Das sagte mir übrigens auch der Kühlschrank, während ich vorhin das Abendbrot für die Waschmaschine und mich zubereitet habe.
 
A

aksapo

Gast
Hallo Anbas,
Deine Single-WG amüsiert mich, ist originell, ja gefällt mir sehr.
Eine Kleinigkeit möchte ich jedoch dazu sagen, : "man" stört den Lesefluss in seiner Lebendigkeit.
Einen schönen Nachmittag,
Aksapo (Maike)
 

anbas

Mitglied
Liebe Estrella, liebe aksapo,

vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Über das "man" werde ich noch mal nachdenken.

Liebe Grüße

Andreas
 

Sperber

Mitglied
Eine Kleinigkeit möchte ich jedoch dazu sagen, : "man" stört den Lesefluss in seiner Lebendigkeit.
Um mal eine Gegenstimme einzubringen: ich finde, dass das "man" dem Text eine quasi-dokumentarische Note verleiht, die den absurden Humor noch verstärkt. Ich würde es so lassen.
 

anbas

Mitglied
Single-WG

Harry telefoniert mal wieder mit einer der Mülltonnen, die bei uns auf dem Hinterhof stehen. Sie sprechen über die Leere, die regelmäßig in ihr Leben tritt. Harry tun diese Gespräche gut. Er kann danach viel befreiter mit seinen Alpenveilchen auf dem Fensterbrett flirten. Es ist ihnen anzusehen, wie sehr sie seine Aufmerksamkeit genießen.

Ines kuschelt währenddessen mit ihrem Föhn. Die beiden sind unzertrennlich. Während ihr es immer wieder gelingt, ihn auf unterschiedlichste Art und Weise so richtig anzumachen, bringt er zuverlässig frischen Wind in ihre Beziehung. Bei denen wird es wirklich nie langweilig, obwohl sie schon so lange zusammen sind.

Mark dagegen hat sich letzte Woche von seinem Bügelbrett getrennt. Man stand sich zum Schluss nur noch im Wege, fiel übereinander her und hat dann oft wochenlang nicht mehr miteinander gesprochen. Mark lässt jetzt bügeln und hat endlich mehr Zeit für die kleine Kasserolle in unserer Gemeinschaftsküche. - Ja, der Mark, der lässt so schnell nichts anbrennen.

Jutta kommt nach Hause. Sie ist völlig aufgeregt. Vor einiger Zeit hat sie sich bei Karstadt mit einem Mixer angefreundet. Es war abzusehen, dass daraus irgendwann mehr wird. Heute ist es nun soweit - sie hat ihn mit nach Hause gebracht. Die beiden sind sofort in Juttas Zimmer verschwunden. Nicht einmal richtig vorgestellt hat sie ihn uns. Wir gehen davon aus, dass der nicht nur über Nacht bleiben wird. Ich denke, er wird Juttas festgefahrenes Leben ziemlich durcheinanderwirbeln. Das kann ihr nur gut tun - wo sie doch immer noch ein wenig ihrer Beziehung mit dem Eisfach nachtrauert.

Irene weint sich dagegen schon seit Stunden bei ihrer Stehlampe aus: Der Staubsauger hat sie verlassen. Er sagt, er hätte die Schnauze voll davon, ständig ihren Dreck wegmachen zu müssen. Nachdem sich bereits vor ein paar Tagen das Staubtuch und der Schrubber aus dem Staub gemacht haben, ist dies für Irene der dritte herbe Verlust innerhalb kürzester Zeit. Sie weiß, dass sie ohne die drei nicht leben kann. Die Stehlampe rät Irene, sich ihr Leben einmal genauer anzuschauen, und empfiehlt ihr hierzu ein paar Gespräche mit den Deckenstrahlern im Flur.

Gleich wird noch Claudia vorbeikommen. Sie will ihre letzten Sachen packen und die Schlüssel abgeben. Claudia zieht aus. Uns allen tut das sehr leid. Besonders die Badewanne und der Badezimmerspiegel werden sie vermissen. Allerdings war Claudia in den letzten Monaten sowieso kaum noch hier, erzählte etwas von "Verabredungen", "Ausflügen" und "tollen Bekanntschaften mit anderen Leuten". Nein, irgendwie passte sie nicht mehr zu uns. Da ist es schon besser, getrennte Wege zu gehen, bevor man sich in die Haare bekommt.

Im Vergleich zu den anderen verläuft mein Leben derzeit relativ normal. Zwar habe ich gestern erneut meinen Jalousien eine Gardinenpredigt halten müssen, weil sie trotz Absprache wieder alles an Staub angesammelt haben, was sie nur so kriegen konnten - diese Messies - doch nehme ich es ihnen im Grunde gar nicht übel. Jeder hat nun mal so seine kleinen Macken. Das sagte mir übrigens auch der Kühlschrank, während ich vorhin das Abendbrot für die Waschmaschine und mich zubereitet habe.
 

anbas

Mitglied
Hallo Sperber,

danke für Deine Rückmeldung.

Ich habe jetzt aber doch den Text weitgehend "entmant":D und auch sonst noch an ein paar Stellen überarbeitet.

Liebe Grüße

Andreas
 
R

Rose

Gast
Hallo Andreas,

was für herrliche Einfälle!! Habe mich weggelacht.

Freudige Grüße
Rose
 

MarenS

Mitglied
;-) Wie schön doch so enge Beziehungen zu Sachen sind, um zwischenmenschliche zu umgehen! Humorvoll ironisch, gefällt mir gut!

es grüßt die Maren
 

anbas

Mitglied
Hallo Rose, Lena Luna und MarenS,

schön, dass Euch gefallen hat, was ihr hier gelesen habt.

@ MarenS
Ja, die Beziehung zu technischen Geräten... Wieviele Autos habe einen Namen. Ich kenne sogar jemanden, der eine Zeitlang einem Teil seiner Haushaltsgeräte Namen gegeben hat. Als er eines Tages sagte, dass Rosi krank wäre, wußte ich, die Maus von seinem PC ist dabei, den Geist aufzugeben :D. - Aber das ist eine andere Geschichte...

Liebe Grüße an Euch alle

Andreas
 

anbas

Mitglied
Single-WG

Harry telefoniert mal wieder mit einer der Mülltonnen, die bei uns auf dem Hinterhof stehen. Sie sprechen über die Leere, die regelmäßig in ihr Leben tritt. Harry tun diese Gespräche gut. Er kann danach viel befreiter mit seinem Alpenveilchen auf dem Fensterbrett flirten. Es ist ihm anzusehen, wie sehr es seine Aufmerksamkeit genießt.

Ines kuschelt währenddessen mit ihrem Föhn. Die beiden sind unzertrennlich. Während ihr es immer wieder gelingt, ihn auf unterschiedlichste Art und Weise so richtig anzumachen, bringt er zuverlässig frischen Wind in die Beziehung. Bei denen wird es wirklich nie langweilig, obwohl sie schon so lange zusammen sind.

Mark dagegen hat sich letzte Woche von seinem Bügelbrett getrennt. Man stand sich zum Schluss nur noch im Wege, fiel übereinander her und hat dann oft wochenlang nicht mehr miteinander gesprochen. Mark lässt jetzt bügeln und hat endlich mehr Zeit für die kleine Kasserolle in unserer Gemeinschaftsküche. – Ja, der Mark, der lässt so schnell nichts anbrennen.

Jutta kommt nach Hause. Sie ist völlig aufgeregt. Vor einiger Zeit hat sie sich bei Karstadt mit einem Mixer angefreundet. Es war abzusehen, dass daraus irgendwann mehr werden würde. Heute ist es nun soweit – sie hat ihn mit nach Hause gebracht. Die beiden sind sofort in Juttas Zimmer verschwunden. Nicht einmal richtig vorgestellt hat sie ihn uns. Wir gehen davon aus, dass der nicht nur über Nacht bleiben wird. Ich denke ja, er ist genau der Richtige, um Juttas festgefahrenes Leben mal so richtig durcheinanderzuwirbeln. Das kann ihr nur gut tun – wo sie doch immer noch ein wenig ihrer Beziehung mit der Garderobe nachtrauert.

Irene weint sich dagegen schon seit Stunden bei ihrer Stehlampe aus: Der Staubsauger hat sie verlassen – er hätte die Schnauze voll davon gehabt, ständig ihren Dreck wegmachen zu müssen. Nachdem sich bereits vor ein paar Tagen das Staubtuch und der Schrubber aus dem Staub gemacht haben, ist dies für Irene der dritte herbe Verlust innerhalb kürzester Zeit. Sie weiß, dass sie ohne die drei nicht leben kann. Die Stehlampe rät Irene, sich ihr Leben einmal genauer anzuschauen, und empfiehlt ein paar Gespräche mit den Deckenstrahlern im Flur.

Gleich wird noch Claudia vorbeikommen. Sie will ihre letzten Sachen packen und die Schlüssel abgeben. Claudia zieht aus. Uns allen tut das sehr leid. Besonders die Badewanne und der Badezimmerspiegel werden sie vermissen. Allerdings war Claudia in den letzten Monaten sowieso kaum noch hier, erzählte etwas von „Verabredungen“, „Ausflügen“ und „tollen Bekanntschaften mit anderen Leuten“. Nein, irgendwie passte sie nicht mehr zu uns. Da ist es schon besser, getrennte Wege zu gehen, bevor man sich in die Haare bekommt.

Im Vergleich zu den anderen verläuft mein Leben derzeit relativ normal. Zwar habe ich gestern erneut meinen Jalousien eine Gardinenpredigt halten müssen, weil sie trotz gegenteiliger Absprache wieder alles an Staub angesammelt haben, was sie nur so kriegen konnten – diese Messies – doch nehme ich es ihnen im Grunde nicht übel. Jeder hat nun mal so seine kleinen Macken. Das sagte mir übrigens auch der Kühlschrank, während ich vorhin das Abendbrot für die Waschmaschine und mich zubereitet habe.
 



 
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