Sisyphos - der Rebell

Sisyphos - Sein Name ist Vorzeichen: ein Schlaumeier - ein überaus Weiser - je nach Betrachtungsweise...
Aus der Sicht der Götter ist er ein Oberschlauer!
Auszug aus seinem Sündenregister:
Er habe den Thanatos, den Tod, gefesselt, so dass dem Hades die Kundschaft zeitweise ausgegangen sei. Geschäftsschädigung. Der Kriegsgott - wer sonst - habe den Ärmsten befreien müssen.
Er habe sich nach seinem Ableben Urlaub aus dem Schattenreich erschlichen und den Rückkehrtermin schuldhaft verstreichen lassen. Merkur musste ihn holen.
Zwei Götter: Anfahrtpauschale. Arbeitszeit...
Er habe dem Vater einer von Zeus verführten Tochter den Namen des Verführers verraten. - Da liegt der Felsblock bereit!

Er muss den riesigen Stein mit all seiner Kraft einen Berg hinaufwälzen. Und wenn er glücklich oben ist, entgleitet ihm der Brocken - und rollt wieder hinunter.
Dann steigt er hinab, atmet ein wenig auf; aber er weiß: Gleich geht die Schinderei von neuem los, immer wieder von neuem. Ewig.

Liebe zum Leben, Hass auf den Tod, Verachtung der Götter: Der Mann ist mir ungeheuer sympathisch!

Ein wirklicher Schlaumeier könnte ja jetzt zur Patentlösung raten: Der Stein gehört eben an den Fuß des Berges, nicht auf den Gipfel. Er soll ihn doch dort lassen, wohin er gerollt ist. Punkt - Schluss - aus. Aber er packt seine Last an, von neuem.
Und das soll ein weiser Mann sein?
Fest steht, er weiß nicht, was dann hinterherkommt. Denen da oben wird schon etwas einfallen. Jede Blöße eines Opfers beflügelt sie neu. Er hat keine Lösung zur Hand, die nachhaltig ändert. Er macht weiter!

Das ist das Schicksal der Rebellen. Sie sind tapfer, stark, begehren auf; sie sind ungeheuer leidensfähig - aber sie ändern nichts.

Albert Camus schreibt in seinem netten Essay: "Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."
Müssen wir?

Hallo Odilo Plank,

das ist für mich dein bisher stärkster Text. Bin neugierig auf das, was dann kommt.

LG Franka

hallo odilo,

ja, wir müssen. sisyphos hat sein schicksal selbst in der hand, welcher seiner zeitgenossen konnte das schon von sich sagen.

und es ist nicht das schicksal der rebellen nichts zu ändern.

grüße
nofrank

Hallo Nofrank,
vielen Dank für die inhaltliche Diskussion!
Mein Anliegen: Wer verändern will, muss Antithesen setzen, muss neue Wirklichkeiten in die Welt bringen, mit denen Menschen leben können, vielleicht sogar besser. Denke an die Bewegung der Grünen. Sie gaben Anstöße für Reformen.
Die Baader - Meinhof - Gruppe begann eine blutige Rebellion im Lande. Sie veränderten es, aber ganz gewiss nicht in ihrem Sinne.
LG Odilo

hallo odilo,

war mir nicht sicher, ob der dank ironisch war, bin aber zu dem schluss gekommen, das dem nicht so ist.

mit den antithesen gehen wir konform. practice what you preach, um's neudeutsch zu sagen. aber ist das nicht auch rebellion?

in der sisyphos analyse bin ich wohl camus "fan", aber es ist richtig, dass er nicht wissen kann, ob die götter ihn wirklich in ruhe ließen, würde er die arbeit verweigern - und damit steht und fällt die camus' argumentation.

die rebellionsthematik ist sicherlich vielschichtig, und es kommt dabei auf genaue begriffsklärung an, eben gerade der bedeutungsinhalte von rebellion, reform, revolution. wobei ich mal unterstelle das ein revolutionär nicht reformieren will und umgekehrt.

liebe grüße
nofrank