Skat-Platt(heiten)

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Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Als sich die Eingangstür des ehrwürdigen Ratskellers öffnet, hebt der einsame Gast am Stammtisch den Kopf und blinzelt dem Neuankömmling über die randlose Brille entgegen. Sein müdes Beamtengesicht, das er aus dem Büro der Stadtkämmerei mit hierher gebracht hat, hellt sich ein wenig auf.
"N'Abend Kalle. Bist ja pünktlich, wie ein Mauerer."
Kalle Ziegler war tatsächlich einmal Maurer. Jetzt besitzt er eine eigene Firma. Die tiefen Sorgenfalten auf seiner Stirn sind relativ frisch und haben mit den derzeit so niedrigen Baupreisen zu tun.
"Tach Säckel! Wie geht's? Ein bißchen mehr Farbe könnte Dir auch nicht schaden." lärmt er. In seiner Pranke verschwindet des zarte Pfötchen des Federfuchsers.
Ächzend wuchtet Ziegler seinen massigen Körper neben den Kämmerer, der wirklich Alfred Säckel heißt.
"Fehlt nur noch unser Zahnklemptner - wie immer."
Es vergehen tatsächlich noch fast zehn Minuten, bevor Doktor Günter Speichel mit am Stammtisch Platz nimmt. Sein markantes Gesicht zeigt den Ausdruck gespielter Verlegenheit.
"Tut mir leid, aber ich hatte noch einen Schmerzpatienten, dem ich..."
"Mit deiner Sprechstundenhilfe würden mir die Überstunden auch gefallen!"
Speichel übergeht Zieglers anzügliche Bemerkung, indem er die Kellnerin mit ausgesuchter Höflichkeit um drei Bier bittet.
"Dann kann es ja endlich losgehen!" freut sich Säckel, nachdem er den Aktenstaub aus der Kehle gespült hat. Schon fischt er Skatkarten, Notizblock und Kugelschreiber aus seinem Jackett.
"Gib her. Heute mach ich mal den Aufschreiber:" Ohne eine Antwort abzuwarten, zieht Ziegler die Schreibutensilien an sich.
"Na klar! Wer schreibt, der bleibt", knurrt Säckel pikiert. "Und wer gibt?"
"Immer der, der so saudämlich fragt."
Der Kämmerer nickt ergeben und beginnt mit aufregender Langsamkeit und der ihm eigenen Gründlichkeit zu mischen.
"Hat sich schon mal jemand totgemischt", zischt Ziegler und schaut sichtlich genervt auf Säckels Hände.
"Ich weiß, und dann stellte sich heraus, daß er gar nicht dran war", kichert der Gescholtene und mischt ungerührt weiter.

Die ersten, für ihn bestimmten Karten reißt Ziegler förmlich vom Tisch und beginnt sie hastig zu ordnen. Ganz anders der smarte Doktor Speichel. Mit spitzen, noch immer ein wenig nach Desinfektionsmittel riechenden Fingern hebt er geradezu graziös die Karten auf und steckt sie zu einem formvollendeten Fächer.
"Geben, hören, sagen - ich höre."
"Achtzehn!" knurrt Ziegler, der mit finsterer Miene sein mieses Blatt anstarrt.
"Da gehe ich mit", nickt Speichel freundlich.
"Zwanzig!"
"Nein - die habe ich nicht."
"Mehr als zwanzig?" bellt Ziegler zu Säckel hinüber. Der fährt erschrocken zusammen, prüft hastig sein Blatt, furcht die Stirn und überlegt quälend lange, ehe er sich zu "Zweiundzwanzig" durchringt.
"Nee, die Zweiundzwanzig spielst Du!" Ziegler wirkt sichtlich erleichtert.
Säckel dagegen ist irritiert. Eigentlich wollte er das Spiel gar nicht machen.
"Das fängt ja gut an. Die Kerle mauern schon beim ersten Spiel", sagt er böse.
"Reine Berufsehre," schmunzelt Ziegler. Mißtrauisch verfolgt er, wie Säckel den Skat aufnimmt und muß feststellen, daß dieser erleichtert aufatmet.
"Da lagen garantiert zwei goldene Uhren drin", vermutet Speichel. "Na, wie heißt das Kind?"
"Wir spielen Grün!" kommt es verblüffend schnell zurück.
"Grün scheißen die Gänse im Mai", behauptet der feine Doktor. Er muß es wissen. Sein Bruder ist schließlich Tierarzt.
"Wer kommt? Ach ja. Selbst ist der Mann. Hier - Herz-König. Haste doch mit,Säckel - oder?"
Die erste Karte weht auf den Tisch.
Säckel angelt mißmutig eine Lusche hervor. Als Ziegler sein Herz-As darüber knallt, hellt sich sein Gesicht auf. Speichel registriert es und sieht seinen Partner vorwurfsvoll an.
"Mensch, mußt Du das As nehmen? Wir hätten ihm elegant die Zehn heraus schnippeln können. Siehste, da ist sie schon!"
"Hach! Keine Bange, die steche ich weg. Und jetzt kommt die!" Ziegler ist richtig in Fahrt gekommen. Sein plötzlicher Optimismus überträgt sich zwangsläufig auch auf den Doktor.
"So, nun reicht es aber", giftet Säckel und sticht mit dem Trumpf-As. Dann haut er den Kreuzbuben auf den Tisch. "Wer den kann, der betrügt!" kräht er.
Doch als Speichel nur mit der Schell-Sieben bedient, wird er bleich.
"Was denn? Keinen Trumpf mehr?" fragt er entgeistert.
"Kann er ja nicht, wenn ich die Pfoten davon voll habe", höhnt Ziegler. "Na, komm, Doktorchen, füttere ihn an. Da muß er nämlich stechen. Ja- recht so!"

Immer hektischer wirbeln die Karten auf den Tisch. Der arme Säckel sieht sich mehr und mehr in die Defensive gedrängt, nutzt aber in stummer Verbissenheit jede sich bietende Chance. Als er nur noch zwei Spielkarten auf der Hand hat und ausspielen muß, zögert er lange.
"Na los! Ne Karte oder ein Stück Holz!" donnert der siegessichere Ziegler. "Mal sehen, ob wir dich beim mausen erwischen. Na - hab ich's nicht gesagt?"
"Aber das ist noch meiner", behauptet Säckel trotzig. Und tatsächlich darf er den letzten Stich einstreichen.
"Uii, das wird knapp", vermutet Speichel und lehnt sich gelassen abwartend im Stuhl zurück. Derweil sind die anderen mit dem Auszählen beschäftigt.
"Sechzig!" haucht Säckel tonlos.
"Waaas? Speichel kann es kaum glauben. "Arsch in zwei Hälften? Ich werde verrückt. Jungs - das gibt ne Bockrunde! Apropos Runde! Elvira - noch mal drei Bier - aber fix!"

Gestatten Sie mir, diesen überaus tiefschürfenden Trialog an dieser Stelle abzubrechen. Wir können die drei ehrbaren Skatbrüder jetzt getrost allein lassen. Obwohl es noch ein langer Abend wird, verpassen Sie nichts. Die Herren haben sich alles gesagt. Was nun kommt, ist reine Wiederholung.
 
Die Hand voll Buben, da fehlt der Schuß und die Aussicht auf "Drei Bock und drei Ramsch", ansonsten war es klasse. Geschichte, die das Leben schreibt.

Mit einer Ausnahme : Gibt es wirklich drei Skatbrüder, die allesamt Nichraucher sind?
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Gabi, Hallo Michael,

ich dachte mich tritt ein Pferd, als ich in meiner Mehlkiste den Hinweis fand, es habe jemand auf diesen, nunmehr über zwei Jahre hier herum liegenden Text geantwortet. (War übrigens eine Dialog-Übung aus einem Schreibkurs) Vielen Dank für eure "Gräberei."

Kaum regionale Unterschiede? Tja Gabi - genau das wollte ich wissen, als ich den Text damals einstellte.

Also Michael - die Böcke sind drin. Den Ramsch hab ich glatt vergessen. Allerdings war auch die Zeilenzahl streng vorgegeben. Und ich habe meine Protagonisten (eher unbewusst) wahrscheinlich Nichtraucher sein lassen, weil ich beim Schreiben dieses "Trialogs" selbst schon viel zu viel Glimmstengel konsumierte.

Viele Grüße
Ralph
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hehe,

ich wollte schon fragen, ob du da meine skatbrüder kopiert hast. die waren anfangs auch nichtraucher, weil es mir nur auf die witzigen dialoge ankam. in wahrheit lief der aschenbecher über.
dennoch - saubere arbeit!
ganz lieb grüßt
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Oho, Christa iss am Staubwischen!

Hätte nie gedacht, dass dieses Textchen aus meiner AAA-Zeit noch einmal hervorgekramt wird. Ich danke jedenfalls für deinen Kommentar. Ob ich's von dir kopiert habe? Kann mich nicht erinnern. Ich weiß aber, dass du einen sehr ähnlichen Text verfasst hast. Das zeugt von Seelenverwandschaft - oder?

Lieben Gruß vom Ralph
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
yeeahh,

seelenverwandtschaft! die ham mer.
jedenfalls ist dein werk dem meinen sehr ähnlich, aber meins is länger, viiiiel länger, ätsch!
ganz lieb grüßt
 



 
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