So ganz alleine

Schäfer

Mitglied
Calypso blickte in Ganymeds verträumte Augen, doch nicht ihr galt sein Blick. Dieses strahlende, helle Blau glich so sehr der Schrift auf der Tafel, auf der er gerade eine Rechnung durchführte, wie Calypsos weißes Kleid ihren Grund ausgefüllt hätte.
Ihre Augen folgten nun dem blauen Stift, der über die Tafel ging und undeutliche, mathematische Symbole Fußabdrücken gleich hinterließ. Ihre Hände hielt sie fest zusammengefaltet vor lauter Spannung vor ihrem Gesicht und wartete darauf, wie Ganymed ihr Rätsel lösen würde.
Endlich setzte er sein Gleichheitszeichen und präsentierte ihr die Lösung des Rätsels. Lächelnd und voller Freude blickte er sie ganz erwartungsvoll an.
„Richtig?“, fragte er.
„Absolut“, sagte Calypso. „Wie immer.“
Sie fasste ihn an der Hand und führte ihn von der Tafel zum Balkon. Auf dieser einsamen Welt gab es keine Städte, die den Nachthimmel überstrahlen konnten. So hell erleuchtet war der Balkon auf dem Boden, so dunkel und düster das Universum am Himmel, das die einsame Lampe des Balkons nicht besiegen konnte. Doch auch Calypsos Körper warf einen Schatten auf den Boden und auch die Sterne der Milchstraße ragten durch die Dunkelheit wie ein Kerzenlicht in der Nacht. In Ganymeds Augen spiegelten sich die Sterne wieder, als er hinaufblickte.
Kaum senkte sie den Blick, da sah sie schon die Oberfläche des Sees, an dem ihr Refugium gebaut war.
„Hast du dich je gefragt“, sagte Ganymed, dessen verträumter Blick dem ihren folgte. „Wie das so alleine sein muss, so ganz alleine? Ohne andere Menschen.“
Calypso spüre seinen festen Griff auf ihrer blassen Haut. Es schmerzte. Sie lehnte an seine Schulter.
„Nein, Ganymed“, sagte sie. „Ich musste mich das nie fragen. Ich weiß, wie das ist, so ganz alleine zu sein.“
Sie schnaufte.
Der Griff auf ihrer blassen Haut ließ nach und, wenn auch nur für den Moment, glaubte Calypso rote Streifen auf ihr zu sehen. Doch wenn sie da zu sein schienen, dann verschwanden sie jetzt mit dem flackernden Abbild Ganymeds, der sich immer mehr auflöste und dessen Essenz am Ende in den Himmel aufstieg. Und eins mit den Sternen wurde.
Calypso war alleine. Alleine mit dem Universum, den Sternen und den Berechnungen, die nicht mit Ganymed verschwunden waren, und der Träne, die eine dünne Spur der Einsamkeit auf ihrer Wange hinterließ. Sie war so alleine.
So ganz alleine.
 

Schäfer

Mitglied
Calypso blickte in Ganymeds verträumte Augen, doch nicht ihr galt sein Blick. Dieses strahlende, helle Blau glich so sehr der Schrift auf der Tafel, auf der er gerade eine Rechnung durchführte, wie Calypsos weißes Kleid ihren Grund ausgefüllt hätte.
Ihre Augen folgten nun dem blauen Stift, der über die Tafel ging und undeutliche, mathematische Symbole Fußabdrücken gleich hinterließ. Ihre Hände hielt sie fest zusammengefaltet vor lauter Spannung vor ihrem Gesicht und wartete darauf, wie Ganymed ihr Rätsel lösen würde.
Endlich setzte er sein Gleichheitszeichen und präsentierte ihr die Lösung des Rätsels. Lächelnd und voller Freude blickte er sie ganz erwartungsvoll an.
„Richtig?“, fragte er.
„Absolut“, sagte Calypso. „Wie immer.“
Sie fasste ihn an der Hand und führte ihn von der Tafel zum Balkon. Auf dieser einsamen Welt gab es keine Städte, die den Nachthimmel überstrahlen konnten. So hell erleuchtet war der Balkon auf dem Boden, so dunkel und düster das Universum am Himmel, das die einsame Lampe des Balkons nicht besiegen konnte. Doch auch Calypsos Körper warf einen Schatten auf den Boden und auch die Sterne der Milchstraße ragten durch die Dunkelheit wie ein Kerzenlicht in der Nacht. In Ganymeds Augen spiegelten sich die Sterne wieder, als er hinaufblickte.
Kaum senkte sie den Blick, da sah sie schon die Oberfläche des Sees, an dem ihr Refugium gebaut war.
„Hast du dich je gefragt“, sagte Ganymed, dessen verträumter Blick dem ihren folgte. „Wie das so alleine sein muss, so ganz alleine? Ohne andere Menschen.“
Calypso spüre seinen festen Griff auf ihrer blassen Haut. Es schmerzte. Sie lehnte an seine Schulter.
„Nein, Ganymed“, sagte sie voller Bedauern. „Ich musste mich das nie fragen. Ich weiß, wie das ist, so ganz alleine zu sein.“
Sie schnaufte.
Der Griff auf ihrer blassen Haut ließ nach und, wenn auch nur für den Moment, glaubte Calypso rote Streifen auf ihr zu sehen. Doch wenn sie da zu sein schienen, dann verschwanden sie jetzt mit dem flackernden Abbild Ganymeds, der sich immer mehr auflöste und dessen Essenz am Ende in den Himmel aufstieg. Und eins mit den Sternen wurde.
Calypso war alleine. Alleine mit dem Universum, den Sternen und den Berechnungen, die nicht mit Ganymed verschwunden waren, und der Träne, die eine dünne Spur der Einsamkeit auf ihrer Wange hinterließ. Sie war so alleine.
So ganz alleine.
 



 
Oben Unten