Sommergewitter

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Estella

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Sommergewitter

Der Getränkeautomat streikt wieder einmal. Roman bearbeitet ihn kräftig mit den Fäusten. Eine Getränkedose landet schließlich mit Gepolter im Ausgabefach. Als er sich umdreht steht er, mit seinen 180 und 95 kg Lebendgewicht vor mir.
Ich mag diesen jungen Mann, dem ich seit einigen Wochen in regelmäßigen Abständen begegne. Das Gelände der Universität ist weitverzweigt, die Hörsäle auf unterschiedlichen Etagen verstreut. Es ist schon fast ein Wunder, daß Roman nun, mit einer Dose Coca Cola vor mir steht und mich mit seinen blenden weißen Zähnen anlacht.

Es ist einer dieser unerträglich heißen Tage, an denen die Kleider am Leib kleben und man drei mal unter der kalten Dusche steht. Im Hörsaal dämmerten die Studenten dahin, während der Dozent lustlos sein Pensum absolvierte. Ich hatte große Mühe der bleiernen Müdigkeit Herr zu werden, die mich ohne Gnade zu überfallen drohte.
Jetzt, wo ich zuschaue, wie Roman die Dose schlürfend an seinen Mund hält, werde ich allerdings wieder munter.

"Roman, was machst du heute Nachmittag, bei der Hitze?" frage ich, bemüht recht harmlos zu klingen.

Roman wischt sich die Feuchtigkeit, die an seinem Mund klebt, mit dem Handrücken ab und diesen dann an seinen Bermuda Jeans.

"Hab mir darüber noch keine Gedanken gemacht." sagt er.

Dabei sehe ich diesen winzigen, klitzekleinen Funken in seinen Augen blitzen. Ich rappel meine letzten Reserven von Energie zusammen und wage den direkten Angriff.

"Schwimmen gehen, wäre schön. Oder nicht ?"

Ich verströme mein süßestes Lächeln und hoffe, daß er anbeißt.

Roman erwidert nicht gleich etwas. Er scheint nachzudenken.

" Warum nicht? "

Jetzt bewegt er sich einen Schritt auf mich zu. Ja warum nicht, das frage ich mich auch.

" Du meinst wir beide?"

Mein Herz schlägt etwas schneller. Nervös streiche ich eine vorwitzige Locke aus der Stirn.

"Ja, Roman, so hab ich mir das vorgestellt. Du kannst doch schwimmen?"

Jetzt lacht er.

"Natürlich nicht, Estella. So heißt du doch? Ich denke, du wirst mich retten."

Gemeinsam schlendern wir zum Parkplatz. Roman zu seinem Motorrad, ich zu meinem Mini.

"Also dann um drei im Waldschwimmbad !"

Die zwei Stunden die dazwischen liegen verbringe ich in einer Boutique, um mir einen Bikini zu kaufen, in einer Eisdiele und schließlich fahre ich noch schnell zu meiner Studentenbude, um Handtücher, Getränke und Sonnenmilch einzupacken.

Als ich, genau um fünf Minuten nach drei Uhr mit meinem roten Mini auf dem Parkplatz des Waldschwimmbades ankomme, sehe ich ihn schon stehen. Roman läuft mir entgegen und zeigt mir eine freie Parknische. Er begrüßt mich mit einer leichten Umarmung. In dem weißen T-Shirt und den nackten Füßen in den Sandalen sieht er einfach zum Knuddeln aus. Der Fahrtwind hat sein Haar zerzaust. Zu gerne wäre ich mit zehn Fingern hineingefahren.
Roman schultert eine große Badetasche und klemmt sich die bunt karierte Wolldecke unter den Arm.

Das Geschrei der Badegäste weist uns den sicheren Weg zum Eingang. Im Schwimmbecken tummeln sich hunderte von Menschen. Aus dem Wasser steigt Chlorgeruch, der sich schnell mit dem nussigen Duft von Sonnenmilch vermischt. Wir steigen über Decken, Beine und Kinderspielzeug, bis wir ganz hinten am Zaun, einen freien Platz unter den Bäumen finden.

„Hier ist es schön!“ erklärt Roman und breitet die Decke aus.

Er kniet sich hin und zieht sein T-Shirt aus.

„ Mach schnell, Estella!“

Etwas umständlich versuche ich unter meinem hellen Sommerkleid in den neuen weißen Bikini zu schlüpfen. Ich weiß, daß er mir gut steht, zu meiner braunen Haut. Als ich es endlich geschafft habe, lege ich mich bäuchlings neben Roman, der meinen Rücken ausgiebig mit Sonnenmilch verwöhnt. Er hat wundervoll weiche Hände. Ich erinnere mich daran, daß er Medizin studiert.
Lange liegen wir regungslos nebeneinander.

„Du bist süß, Estella“

flüstert er in mein Ohr. Ich drehe mich zu ihm und lächel. Sein Gesicht ist jetzt so nah, daß ich seinen warmen Atem an meinem Hals fühlen kann. Roman schaut mir tief in die Augen. Er hat große braune Augen mit dichten Wimpern.
Als er meine Hand berührt durchzuckt es mich wie ein Blitz. Er hat einen schönen, sinnlichen Mund.
Wir liegen auf der Decke, mitten unter all den Menschen und ich habe plötzlich den Wunsch, diesen Mund zu küssen. Roman betrachtet mich ernst, so als wolle er meine Geheimnisse ergründen. Bemerkt er das leise Zittern meiner Lippen?
Sachte zeichnet er mit seinem Zeigefinger die Konturen meine Mundes nach. Läßt ihn über meinen Hals hinunter gleiten, zu dem kleinen Grübchen, in dem sein Finger Kreise zieht.

Roman flüstert meinen Namen, als sei er in seinen Klang verliebt. Unsere Körper drängen sich aneinander. Wir fangen an, uns zu küssen, falls man so leicht gehauchte Berührungen als Küsse bezeichnen kann.

Längst hat sich der Himmel über uns verdunkelt, ohne daß wir es merkten. Innerhalb weniger Minuten verändert sich die Situation schlagartig. Eine tiefschwarze Wetterwand zieht am Horizont auf. Das Grollen eines nahenden Gewitters vertreibt die letzten Badegäste. Plötzlich sind wir ganz alleine auf der Wiese, ganz hinten am Zaun.

Als seine Hand mich berührt, durchfährt es meinen Körper wie die Entladung der Elektrizität am Himmel.
Ich schließe die Arme eng um ihn und genieße die Wärme und Festigkeit seines Körpers. Ein heftiger Windstoß fährt über unsere Haut. Ich spüre den Funken der Wollust in mir aufsteigen. Unsere Lippen verschmelzen miteinander. Unser Atem geht schnell. Nach Luft ringend öffne ich die Augen. Er schaut mich an und lächelt.

Wir raffen unsere Sachen zusammen und fangen zu rennen an. In meinem Mini finden wir Schutz vor dem heftigen Regen, der sich über der Stadt entlädt.
 

Nieselregen

Mitglied
ja,

Hallo Eastella,
... einfach Charmant.

Ganz am Anfang schreibst du
Als er sich umdreht steht er, mit seinen 180 und 95 kg Lebendgewicht vor mir.
da würde ich mit den "180" noch was machen. Entweder du schreibst "einsachzig" oder "1,80m" oder irgendsowas. Na ja, dir fällt schon was ein.

Liebe Grüße
Nieselregen
 

Rainer

Mitglied
hallo estella,

dein text ist formal sicher auf normalem lupenniveau (die von nieselregen angemerkte stelle hat auch mich etwas gestört), aber inhaltlich...
...erinnert er mich doch sehr an die berühmten "groschenromane". ein klischee folgt auf das andere, ein erstes zwischenhoch ist der hinweis auf sein medizin-studium ("arzt-roman" *gähn*)), das gewitter die krönung des ganzen.

ich weiß, und es stört mich auch nicht, dass groschenheftchen ein enorme akzeptanz finden, und umsatzmäßig sicher besser als manch hochliterarisches werk dastehen - nur mir gefällt soetwas eben nicht; entschuldigung.

viele grüße

rainer
 

Estella

Mitglied
Hallo !

Ich möchte mich bedanken, sowohl bei Dir, Nieselregen, als auch bei Rainer, für die Aufmerksamkeit, die Ihr meiner Geschichte geschenkt habt.

Sowohl die positive, als auch die negative Kritik sind mir sehr willkommen. Besonders letztere scheint mir wichtig zu sein, da ich gerade erst mein Studium zum Schreiben aufgenommen habe. Den Hinweis auf die Groschenheftchen sollte ich ernst nehmen! Danke!

mfg

Estella
 



 
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