Hallo JaneFond,
dein Gedicht
Sommertrunk offenbart einige interessante Ansätze, insgesamt fehlt es mir aber an Ausdrucksstärke und Kohärenz des Textes.
Das Poem beginnt mit einem vielversprechenden Bild (
zwischen reifendem Wein), welches dann aber schnell in einer wenig sagenden Abstraktion verschwimmt (Gedanken / wandeln mitten durch die Zeit). Ich bin der Ansicht, dass Worte wie
Gedanken,
Zeit, und später dann
Träume und
Wünsche Begriffe sind, die ob ihrer Unkonkretheit in ein Gedicht nicht so ohne Weiteres einzubauen sind. Sie bergen die Gefahr, als leere Worthülsen aufgefasst zu werden, sodass einem Leser das Gedicht schnell fad erscheinen kann.
Interessant finde ich die Idee der Erwartungen, die in den Neckar stürzen. Die Umsetzung aber wirft Fragen bei mir auf, weil du in meinen Augen eine unlogische Dopplung verwendet hast. So heißt es:
abgestürzte Erwartungen
fallen in den Neckar
Wenn die Erwartungen jedoch bereits abgestürzt sind, können sie dann noch in den Neckar fallen?
Am Ende deines Gedichtes habe ich größte Probleme mit der Dichtheit des Textes. Einerseits scheinst du zu versuchen, eine logische Abfolge der Handlung aufrecht zu erhalten, in dem du die Verse jeweils mit einem Verb, das sich auf
Erwartungen bezieht, beginnen lässt:
abgestürzte Erwartungen
fallen in den Neckar
wellen sich über den Flussrand
watscheln im Entendreck
malen mit einer Gänsefeder
Dann jedoch folgt abrupt die Zeile
die Hügel mit wahrem Wein, welche einen zweifelhaften Sinn nur gewänne, wenn man den Vers davor mit
bemalen begänne.
In Anbetracht des Titels könnte meine Kritik natürlich unberechtigt sein, da man von einem Trunkenheitszustand des Lyrischen Ichs ausgehen könnte, welcher die Unklarheiten im Gedicht erklärt, doch für diese Ansicht bilden meiner Meinung nach die benutzten Bilder keine Grundlage, da sie für einen solchen Versuch doch nicht außergewöhnlich genug sind.
Viele Grüße
Frodomir