Sonettenkranz

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HerbertH

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Sonettenkranz "Geier und Hyänen"

I

Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis,
Es sind meist große, selten auch mal kleine Runden,
Sie fliegen über Steppen, über Felsenschrunden,
Der Flugwind fächelt ihren Federflügeln leis'.

Meist fliegen sie in kleinen Gruppen wie auf Streife,
Sie patroullieren Riesenflächen als Revier,
Und suchen nach dem kranken Kalb, dem toten Stier,
Was übrigließen Katzenräuber, große Greife.

Und and're hocken auf den Ästen toter Bäume,
Und rings um Aas im Norden, Süden, Osten, Westen,
Sie hopsen hin und her auf Krallenfüßen, Träume

Von reichlich Nahrung, Fleisch, sie wissen es am besten,
Zu nähren sie und ihrer Bäuche weite Räume.
Sie spähen nach den üpp'gen Aaskadaverresten.

II

Sie spähen nach den üpp'gen Aaskadaverresten,
Die Jäger lassen nach dem Raub des Elfenbeins,
Vom Fleisch der grauen Riesen nehmen die sich keins,
Das finden dann die Geier an der Tat am besten.

Zwar müssen sie sich trotz der harten Schnäbel schwer
Bemüh'n, doch reichlich Nahrung winkt für sie als Lohn.
Nur eilen müssen sich die großen Vögel schon,
Sonst kommen ihnen Konkurrenten in die Quer'.

Es heißt, schnell zu den Elefanten hinzufliegen,
Bevor den Löwen in die Nase weht von Westen
Der lockende Geruch, schon ist er aufgestiegen.

Und alle Gäste woll'n sich mästen an dem Besten,
Doch welcher Aspirant wird Fleisch und Knochen kriegen,
Die übrig liegen nach den wüsten Schlachtefesten?

III

Die übrig liegen nach den wüsten Schlachtefesten,
Grad' diese Reste sind der Geier erstes Ziel.
Sie wollen dieses Beste schlingen, möglichst viel,
Es zählen dort für sie nur Kalorien, nicht Gesten.

Denn Gesten sind den Tieren fremd. Nichts wollen sie
Als ihre Existenz und ihre Gene wahren,
Und diese mehren, Nachwuchs grad in schlechten Jahren
Sagt ihr Instinkt, drum dauert sie die Beute nie.

Jetzt sind die ersten Geier bei den grauen Riesen,
Die sind noch warm, der Blutgeruch macht sie so heiß,
Die Mahlzeit kann nicht mal die harte Haut vermiesen,

Sie reißen sie mit Schnäbeln ganz nach ihrer Weis',
Die sind gemacht für schwere Fälle grad' wie diesen,
Und schreien geirig, gierig auf die Leichenspeis'.

IV

Und schreien geirig, gierig auf die Leichenspeis'.
Zumal die ersten Katzen schnell auf ihren Tatzen
Sich nah'n, auch sie sind gierig auf die fetten Batzen,
Die Geier schrei'n Protest und sammeln sich im Kreis,

Vielleicht ist nachher noch ein Bissen für sie drin.
Doch ach, jetzt nah'n der Leoparden scharfe Zähne,
Verscheuchen erst des satten Löwen rote Mähne,
Denn mächtig zieht der Hunger sie zur Beute hin.

Noch weit're Beutesucher gibt es in der Schlange,
Man muss auf jeden Fall Hyänen noch erwähnen,
Und auch die schneidigen Insekten sind nicht bange,

Mit scharfen Beissern, Millionen hausen in Moränen.
Die Wälder nimmt ein and'rer Räuber in die Zange:
Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen.

V

Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen,
Wie Elefanten nimmt der Mensch nur Elfenbein,
So schlägt er Wege in den Regenwald hinein,
Zermalmt mit Raupenketten Bäume gleich zu Spänen,

Die er nicht brauchen will, er schlägt gern Palisander,
Für das er Kohle kriegt, die andern soll'n verkohlen,
Der Wald ist ihm egal, hat er erst Teak gestohlen,
Das Geld ist Gott, und fällt die Welt auch auseinander.

Dem Wanderfeldbau und der Brennholznutzung fallen
Zum Opfer Riesenflächen voller Baum und Laub,
Durch Regenwälder hört man Motorsägen hallen.

Für Gnadenrufe für die Weltenlunge taub,
So gieren sie und jagen weiter, schadend Allen,
Dem Dschungel ab den harten Edelholzschatzraub.

VI

Dem Dschungel, ab dem harten Edelholzschatzraub,
Wie willst Du ihm noch helfen, wie ihn doch noch retten?
Was kann den Wald noch schützen, was, vor Sägeketten?
Es herrscht ein großer Ackerhunger. Mit Verlaub:

Es kommt zuerst das Fressen, später dann Moral,
Im reichen Land, da kann man dies ganz leicht vergessen.
Und ein Gesetz der reichen Welt, das wär' vermessen,
Die arme Welt zu hindern, lindern Hungerqual.

Wer diese Armen wegen Feuerroden schilt,
Weil dann der Wind die Krume weiterweht, den glaub'
Im Unrecht ich, nicht aber Zorn, der Adern quillt,

Wenn reiche Industrie nur für die Gartenlaub',
Parkett die Wälder killt, zu Recht der Richtspruch gilt:
Sie wollen Gold, verwandeln aber Grün zu Staub.

VII

Sie wollen Gold, verwandeln aber Grün zu Staub,
Sie beuten aus und mästen sich auf Andrer Kosten,
Sie kommen meistenteils von Norden oder Osten,
Sie raffen sich den Dollar für den Kurzurlaub.

Sie greifen sich Patente über Urwaldgene,
Sie gehen über Leichen, legen Leichenspuren,
Sie kennen kaum Gebete, Segen oder Suren,
Sie halten sich wie Sklaven Bantus, Indigene.

Sie scheffeln unser Geld und lassen nichts den Armen,
Sie fahren ihre Beut' zu uns in Riesenkähnen,
Verkrüppeln Menschen, Tiere, Wälder ohn' Erbarmen.

Wir wuchten Tonnen Edelholz mit Lastenkränen
In unseren Containern, spotten den Alarmen,
Zerfetzen Urwaldgürtel grob mit Sägezähnen.

VIII

Zerfetzen Urwaldgürtel grob mit Sägezähnen
Denn nur die Holzhyänen? Uns beliefern sie.
Weswegen? Weil wir zahlen. Schuld sind wir und die.
Euch schwirrt der Kopf? Auf, rauft Euch Eure Haaressträhnen.

Verwirrung mögt ihr jetzt empfinden, Euch geschmäht,
"Nein wirklich, Wir hau'n keine Urwaldriesen um,
Wer das behauptet, der verleumdet, der ist dumm!
Wir trennen doch so sorgsam Müll und Altgerät!"

"Wir wollen auch Atomkraftwerke in der Nähe nicht.
Na gut, wenn die in Frankreich steh'n, hierher den Strom,
Die Windkrafträder sind zu häßlich für ihr Geld."

Nun schau nicht so verdrossen, entsetzt mir ins Gesicht!
Nun frag ich Dich und bitt' und setze kein Axiom:
"Und Du, du Gaiajünger? Jetzt, jetzt nimm die Welt!"

IX

"Und Du, du Gaiajünger? Jetzt, jetzt nimm die Welt!"
"Und bitte, wie ist das gemeint?" Ist das die Frage?
Nun gut, ich hole etwas aus, es ist 'ne Plage
Mit uns'rer Gaia, sie ist leicht verschnupft, verprellt.

Was vor Dekaden Du mit ihr hast angestellt,
Welch Unbill Du auf sie gegossen Tag um Tage,
Sie schilt Dich deshalb heut', als Mutter, "Oh, Du Blage,
Vergessen kann ich nichts, zur Hitze wird die Kält'!"

"Und was Du heute tust, wirkt früh'stens übermorgen,
Wenn Flüsse weiter Du ertränkst in Säurelaugen,
Von wem kannst Du Dir morgen reines Wasser borgen?"

"Du wirst die Einzeltropfen bald vom Blatte saugen.
Gesunde jetzt die Welt mit Dir, von ihren Sorgen,
Sie soll nicht einen Tag dem Raubgetier noch taugen!"

X

Sie soll nicht einen Tag dem Raubgetier noch taugen,
So bittet Gaia Dich, Dein einziger Planet,
Der, wenn Du gar nichts tust, sich trotzdem weiterdreht,
Erloschen zwar, wenn dann erloschen alle Augen.

Doch etwas wird Dir folgen, Augen aus Facetten,
Es schaufelt tiefe Gräber Dir von früh bis spät,
Die große Zahl, sie nutzt Chitin als Grabgerät,
Nährt sich von Deinem toten Fleisch, um sich zu retten.

Ich hoffe noch, dass Du nun endlich Dich besinnst,
Dass Du dem Pack Dich stemmst entgegen, das vergällt
Dir Deine Welt, Dich Lust befällt, dass Du beginnst.

Zu säubern Deinen Sinn sei erstes Arbeitsfeld.
Als zweites bringe Klarheit ins Profitgespinst
Und nimm, Hyänen jagend, jenen Pelz und Geld.

XI

Und nimm, Hyänen jagend, jenen Pelz und Geld.
Zumindest gib Dein Geld nicht her zu Gaias Schaden.
Dein Blick sei scharf, durchdringe dichte Nebelschwaden,
entdeckst Du Raub auf Gaias Flanken, den vermeld'!

Benebelt ist, dem Reichtum ist der einzig' Held,
Der Nebelbomben wirft als Schleier seiner Taten,
Den schicke ins Exil aus allen Deinen Staaten,
Noch besser in ein Loch, bevor er mehr anstellt.

Besetze jeden Turm mit Wächtern Deiner Wahl,
Beschütze jedem Baum, und sei er schon fast kahl,
Und suche nach Ideen, und bete, dass sie taugen.

Verzweifle nicht, Du wirst die Rufe And'rer hören,
Denn viele Wächter gibt es schon, ich will's beschwören:
Es kreisen Gaias Geier hoch mit scharfen Augen.

XII

Es kreisen Gaias Geier hoch mit scharfen Augen,
Sie sehen auch der Menschen wechselvolles Treiben,
Wie die um Habgier willen schneiden dicke Scheiben
Aus Lebensräumen, die für alle Arten taugen.

Sie wissen's nicht, doch sie sind Gaias erste Wachen,
Wie auch Polareis wacht und schmilzt, ist's gar zu heiss,
Bis dann der Golfstrom stoppt und Engeland wird weiss
Und kalt, wird's kälter noch, gefriert Europas Lachen.

Es träumen viele noch von kurzen Nordpolrouten,
Ist's dort im Sommer eisfrei, wird sich vorgestellt,
Erhofft man reichen Fischfang bei den Aleuten,

Sie fragen nicht, wem's in den Meeren noch gefällt,
Ob es noch Wasser gibt. Es trinken Blut die Guten,
Sie haben ihre harten Schnäbel vorgeschnellt.

XIII

Sie haben ihre harten Schnäbel vorgeschnellt,
Und harren auf das Blut der armen Opfertiere
Des Mammons, das sind nicht nur wilde Herdenstiere
Und Vögel, Vipern, Fische, das sei festgestellt,

Des Menschen Blut, der zu den Opfern sich gesellt,
Wird auch vergossen werden, fraglos, akzeptiere,
Du Mensch, den harten Urteilsfluch und alarmiere,
Wem noch liegt etwas an dem bess'ren Lauf der Welt.

Der Seuchen Spur, des Mammons Wahn, des Hungers Wut,
Dies Dreigestirn des Elends droht, sei auf der Hut,
Den Leichen End' in Bottichen voll Säurelaugen,

Den Mägen Blähung, Leere, Schmerzen, Hungerschrei,
Aus Gold wird Blei, die Geier machen Schnäbel frei,
Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.

XIV

Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.
Dies ist ihr Motto, zwingt uns endlich zur Vernunft.
Es ist nun mal der Menschen einz'ge Unterkunft
Die Erde, Gaia, Mutter, muss für Leben taugen.

Nur wenig Zeit bleibt zur Entscheidung, zum Beschluss,
Ob dieses letzte Leben auf der Welt nicht stirbt,
Und wer, selbst wenn wer lebt, sich Lebensrecht erwirbt,
Wer Überlebt. Dir, Mensch, droht Gaias Überdruss.

Ergreifen wir die letzten Möglichkeiten schnell,
Besteht noch Hoffnung. Zögern kostet uns das Fell,
Das Leben, mir ist dies ein gar zu hoher Preis.

Doch Gaia, gnadenlos, hält ihre strenge Wacht.
Lasst uns noch träumen von der vollen Erdenpracht.
Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis.


XV - Meistersonett

Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis,
Sie spähen nach den üpp'gen Aaskadaverresten,
Die übrig liegen nach den wüsten Schlachtefesten,
Und schreien geirig, gierig auf die Leichenspeis'.

Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen
Dem Dschungel ab den harten Edelholzschatzraub,
Sie wollen Gold, verwandeln aber Grün zu Staub,
Zerfetzen Urwaldgürtel grob mit Sägezähnen.

Und Du, du Gaiajünger? Jetzt, jetzt nimm die Welt,
Sie soll nicht einen Tag dem Raubgetier noch taugen,
Und nimm, Hyänen jagend, jenen Pelz und Geld.

Es kreisen Gaias Geier hoch mit scharfen Augen,
Sie haben ihre harten Schnäbel vorgeschnellt,
Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Maren,

danke für die Zwischenmeldung. Es hat einige Zeit gedauert, den Kranz zu schreiben, daher wundert es mich nicht, dass es auch Zeit braucht, ihn zu lesen ;)

Liebe Grüße

Herbert
 

presque_rien

Mitglied
Hi Herbert,

ich habe zwar auch noch nicht ganz gelesen, will aber trotzdem meinen Senf dazugeben ;): Erstmal Respekt! Ein Sonettkranz ist harte Arbeit!

Allerdings finde ich es schwierig, deine Sonette zu lesen, wegen der sehr langen Verse: Sie müssten mit Mittelzäsur gelesn werden, wenn's flüssig werden soll - aber die fällt bei dir leider meistens in die Mitte eines Wortes...

Lg presque
 

HerbertH

Mitglied
Liebe presque,

erstmal vielen Dank für's Lesen! Ich bin auch an Zwischenresultaten sehr interessiert ;).

Hinsichtlich der langen Verse: Hier bin ich eventuell von altsprachlicher Schulzeit noch "verseucht" - für mich sind sechs Hebungen nicht wirklich lang. Eine Umarbeitung in eine Form mit Mittelzäsur stelle ich mir als zu aufwendig vor. Ich werde diese Idee aber sicherlich in einem meiner nächsten Sonette mal ausprobieren. Hab Dank für den Hinweis.

Dass es keine fünfhebige Form wurde, liegt auch daran, dass das Meistersonett schon weit vor der Idee entstand, das Ganze in einen Kranz zu flechten.
Siehe http://www.leselupe.de/lw/titel-Geier-und-Hyaenen-89396.htm

Viel Spass noch beim Lesen

Liebe Grüße

Herbert
 

presque_rien

Mitglied
Lieber Herbert,

könntest du mir bitte ein Beispiel eines Sonetts mit sechshebigen Versen ohne Mittelzäsur geben? Das ist jetzt ernst gemeint, mich interessiert's, da ich's so nicht kenne.

Lg presque
 

HerbertH

Mitglied
Das 66. Sonett (Wolf Biermann)

Müd müd von all dem schrei ich nach dem Schlaf im Tod
Weil ich ja seh: Verdienst geht betteln hier im Staat
Seh Nichtigkeit getrimmt auf Frohsinn in der Not
Und reinster Glaube landet elend im Verrat.
Und Ehre ist ein goldnes Wort, das nichts mehr gilt
Und einer Jungfrau Tugend wird verkauft wie'n Schwein
Und weil Vollkommenheit man einen Krüppel schilt
Und weil die Kraft dahinkriecht auf dem Humpelbein
Gelehrte Narrn bestimmen, was als Weisheit gilt
Und Kunst seh ich geknebelt von der Obrigkeit
Und simple Wahrheit, die man simpel Einfalt schilt
Und Güte, die in Ketten unterm Stiefel schreit
Von all dem müde, wär ich lieber tot, ließ ich
In dieser Welt dabei mein Liebchen nicht im Stich.
Zitiert nach http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=7524

Liebe presque,

Hier sind zwar Mittelzäsuren, aber nicht durchgängig.

Inwieweit das Beispiel Deine Frage beantwortet, weiss ich nicht, zumal Biermanns Übersetzung aaO arg zerrissen wird.

Stillleben mit Flaschen
(St. Marie, Provence)
2. Fassung

Auf einem Zeltplatz in der Haut-Provence:
Lavendelduft weht von den Feldern her.
Zur Mittagszeit verliert sich der Verkehr,
jetzt geht das Leben langsam, schläfrig, wie in Trance.

Vom opulenten Picknick blieben nur die Flaschen,
da jedermann es vorzog, sich nun abzukühlen.
So liegt man in den Zelten oder Wohnmobilen,
lässt sich von keinem stören oder überraschen.

Gibt’s denn ein Foto von dem schönen Essen?
Zu spät. Die Tafel aufgehoben. Ausgelassenheit
und Stimmung längst passé. Und bald ists schon vergessen.

Viel später tauchte doch ein Foto auf. Wie groß
war das Erstaunen über jene Nachbarin, die seinerzeit
das Flaschenbild belebte, selber ahnungslos.


Dirk Schindelbeck 2008
Vgl. http://www.sonett-archiv.com/forum/archive/index.php/thread-956.html.

Diese Beispiel ist ggf. auch diskussionswürdig, mischt es doch
Fünf- und Sechshebiges (und ...). Wo allerdings sechshebiges zu finden ist, sehe ich nur selten eine Mittelzäsur.

Die beiden Beispiele waren Ergebnisse einer schnellen Internetrecherche. Vielleicht gibt es noch "Bessere" ;)

Ich hatte mir ehrlich gesagt vor dem Schreiben nicht die Mühe gemacht, nach sechshebigen Beispielen zu suchen.

Liebe Grüße

Herbert
 

Walther

Mitglied
Hi Herbert,

ein Gewaltswerk. Hier mußt Du noch feilen:
Nun schau nicht so verdrossen, entsetzt mir ins Gesicht!
und
Wer Überlebt. Dir, Mensch, droht Gaias Überdruss.
Das waren die echten "Fehler". Sonst ist alles im Lot. Eine Anmerkung, die auch meine bisherigen Sonettkränze beschreibt. Es gibt einfach Sonette, wo die Form den Inhalt ein wenig überwältigt. Das läßt sich im ersten, zweiten und dritten Wurf kaum vermeiden, und Du als Autor selbst weißt am besten, welche ich meine (das weiß man nämlich eigentlich immer). ;)

Ich beglückwünsche Dich zu diesem Werk, das man leider nicht so bewerten kann, wie man es gerne wollte:

* eine 10 für den Mut und den Fleiß
* eine 8 für die Form
* eine 6 für den Inhalt, weil doch einige Längen und weniger gelungene Sonette dabei sind.

Lieber Gruß

W., voller Hochachtung
 

HerbertH

Mitglied
Sonettenkranz "Geier und Hyänen"

I

Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis,
Es sind meist große, selten auch mal kleine Runden,
Sie fliegen über Steppen, über Felsenschrunden,
Der Flugwind fächelt ihren Federflügeln leis'.

Meist fliegen sie in kleinen Gruppen wie auf Streife,
Sie patroullieren Riesenflächen als Revier,
Und suchen nach dem kranken Kalb, dem toten Stier,
Was übrigließen Katzenräuber, große Greife.

Und and're hocken auf den Ästen toter Bäume,
Und rings um Aas im Norden, Süden, Osten, Westen,
Sie hopsen hin und her auf Krallenfüßen, Träume

Von reichlich Nahrung, Fleisch, sie wissen es am besten,
Zu nähren sie und ihrer Bäuche weite Räume.
Sie spähen nach den üpp'gen Aaskadaverresten.

II

Sie spähen nach den üpp'gen Aaskadaverresten,
Die Jäger lassen nach dem Raub des Elfenbeins,
Vom Fleisch der grauen Riesen nehmen die sich keins,
Das finden dann die Geier an der Tat am besten.

Zwar müssen sie sich trotz der harten Schnäbel schwer
Bemüh'n, doch reichlich Nahrung winkt für sie als Lohn.
Nur eilen müssen sich die großen Vögel schon,
Sonst kommen ihnen Konkurrenten in die Quer'.

Es heißt, schnell zu den Elefanten hinzufliegen,
Bevor den Löwen in die Nase weht von Westen
Der lockende Geruch, schon ist er aufgestiegen.

Und alle Gäste woll'n sich mästen an dem Besten,
Doch welcher Aspirant wird Fleisch und Knochen kriegen,
Die übrig liegen nach den wüsten Schlachtefesten?

III

Die übrig liegen nach den wüsten Schlachtefesten,
Grad' diese Reste sind der Geier erstes Ziel.
Sie wollen dieses Beste schlingen, möglichst viel,
Es zählen dort für sie nur Kalorien, nicht Gesten.

Denn Gesten sind den Tieren fremd. Nichts wollen sie
Als ihre Existenz und ihre Gene wahren,
Und diese mehren, Nachwuchs grad in schlechten Jahren
Sagt ihr Instinkt, drum dauert sie die Beute nie.

Jetzt sind die ersten Geier bei den grauen Riesen,
Die sind noch warm, der Blutgeruch macht sie so heiß,
Die Mahlzeit kann nicht mal die harte Haut vermiesen,

Sie reißen sie mit Schnäbeln ganz nach ihrer Weis',
Die sind gemacht für schwere Fälle grad' wie diesen,
Und schreien geirig, gierig auf die Leichenspeis'.

IV

Und schreien geirig, gierig auf die Leichenspeis'.
Zumal die ersten Katzen schnell auf ihren Tatzen
Sich nah'n, auch sie sind gierig auf die fetten Batzen,
Die Geier schrei'n Protest und sammeln sich im Kreis,

Vielleicht ist nachher noch ein Bissen für sie drin.
Doch ach, jetzt nah'n der Leoparden scharfe Zähne,
Verscheuchen erst des satten Löwen rote Mähne,
Denn mächtig zieht der Hunger sie zur Beute hin.

Noch weit're Beutesucher gibt es in der Schlange,
Man muss auf jeden Fall Hyänen noch erwähnen,
Und auch die schneidigen Insekten sind nicht bange,

Mit scharfen Beissern, Millionen hausen in Moränen.
Die Wälder nimmt ein and'rer Räuber in die Zange:
Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen.

V

Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen,
Wie Elefanten nimmt der Mensch nur Elfenbein,
So schlägt er Wege in den Regenwald hinein,
Zermalmt mit Raupenketten Bäume gleich zu Spänen,

Die er nicht brauchen will, er schlägt gern Palisander,
Für das er Kohle kriegt, die andern soll'n verkohlen,
Der Wald ist ihm egal, hat er erst Teak gestohlen,
Das Geld ist Gott, und fällt die Welt auch auseinander.

Dem Wanderfeldbau und der Brennholznutzung fallen
Zum Opfer Riesenflächen voller Baum und Laub,
Durch Regenwälder hört man Motorsägen hallen.

Für Gnadenrufe für die Weltenlunge taub,
So gieren sie und jagen weiter, schadend Allen,
Dem Dschungel ab den harten Edelholzschatzraub.

VI

Dem Dschungel, ab dem harten Edelholzschatzraub,
Wie willst Du ihm noch helfen, wie ihn doch noch retten?
Was kann den Wald noch schützen, was, vor Sägeketten?
Es herrscht ein großer Ackerhunger. Mit Verlaub:

Es kommt zuerst das Fressen, später dann Moral,
Im reichen Land, da kann man dies ganz leicht vergessen.
Und ein Gesetz der reichen Welt, das wär' vermessen,
Die arme Welt zu hindern, lindern Hungerqual.

Wer diese Armen wegen Feuerroden schilt,
Weil dann der Wind die Krume weiterweht, den glaub'
Im Unrecht ich, nicht aber Zorn, der Adern quillt,

Wenn reiche Industrie nur für die Gartenlaub',
Parkett die Wälder killt, zu Recht der Richtspruch gilt:
Sie wollen Gold, verwandeln aber Grün zu Staub.

VII

Sie wollen Gold, verwandeln aber Grün zu Staub,
Sie beuten aus und mästen sich auf Andrer Kosten,
Sie kommen meistenteils von Norden oder Osten,
Sie raffen sich den Dollar für den Kurzurlaub.

Sie greifen sich Patente über Urwaldgene,
Sie gehen über Leichen, legen Leichenspuren,
Sie kennen kaum Gebete, Segen oder Suren,
Sie halten sich wie Sklaven Bantus, Indigene.

Sie scheffeln unser Geld und lassen nichts den Armen,
Sie fahren ihre Beut' zu uns in Riesenkähnen,
Verkrüppeln Menschen, Tiere, Wälder ohn' Erbarmen.

Wir wuchten Tonnen Edelholz mit Lastenkränen
In unseren Containern, spotten den Alarmen,
Zerfetzen Urwaldgürtel grob mit Sägezähnen.

VIII

Zerfetzen Urwaldgürtel grob mit Sägezähnen
Denn nur die Holzhyänen? Uns beliefern sie.
Weswegen? Weil wir zahlen. Schuld sind wir und die.
Euch schwirrt der Kopf? Auf, rauft Euch Eure Haaressträhnen.

Verwirrung mögt ihr jetzt empfinden, Euch geschmäht,
"Nein wirklich, Wir hau'n keine Urwaldriesen um,
Wer das behauptet, der verleumdet, der ist dumm!
Wir trennen doch so sorgsam Müll und Altgerät!"

"Wir wollen auch Atomkraftwerke in der Nähe nicht.
Na gut, wenn die in Frankreich steh'n, hierher den Strom,
Die Windkrafträder sind zu häßlich für ihr Geld."

Nun schau nicht so verdrossen, starr mir ins Gesicht!
Nun frag ich Dich und bitt' und setze kein Axiom:
"Und Du, du Gaiajünger? Jetzt, jetzt nimm die Welt!"

IX

"Und Du, du Gaiajünger? Jetzt, jetzt nimm die Welt!"
"Und bitte, wie ist das gemeint?" Ist das die Frage?
Nun gut, ich hole etwas aus, es ist 'ne Plage
Mit uns'rer Gaia, sie ist leicht verschnupft, verprellt.

Was vor Dekaden Du mit ihr hast angestellt,
Welch Unbill Du auf sie gegossen Tag um Tage,
Sie schilt Dich deshalb heut', als Mutter, "Oh, Du Blage,
Vergessen kann ich nichts, zur Hitze wird die Kält'!"

"Und was Du heute tust, wirkt früh'stens übermorgen,
Wenn Flüsse weiter Du ertränkst in Säurelaugen,
Von wem kannst Du Dir morgen reines Wasser borgen?"

"Du wirst die Einzeltropfen bald vom Blatte saugen.
Gesunde jetzt die Welt mit Dir, von ihren Sorgen,
Sie soll nicht einen Tag dem Raubgetier noch taugen!"

X

Sie soll nicht einen Tag dem Raubgetier noch taugen,
So bittet Gaia Dich, Dein einziger Planet,
Der, wenn Du gar nichts tust, sich trotzdem weiterdreht,
Erloschen zwar, wenn dann erloschen alle Augen.

Doch etwas wird Dir folgen, Augen aus Facetten,
Es schaufelt tiefe Gräber Dir von früh bis spät,
Die große Zahl, sie nutzt Chitin als Grabgerät,
Nährt sich von Deinem toten Fleisch, um sich zu retten.

Ich hoffe noch, dass Du nun endlich Dich besinnst,
Dass Du dem Pack Dich stemmst entgegen, das vergällt
Dir Deine Welt, Dich Lust befällt, dass Du beginnst.

Zu säubern Deinen Sinn sei erstes Arbeitsfeld.
Als zweites bringe Klarheit ins Profitgespinst
Und nimm, Hyänen jagend, jenen Pelz und Geld.

XI

Und nimm, Hyänen jagend, jenen Pelz und Geld.
Zumindest gib Dein Geld nicht her zu Gaias Schaden.
Dein Blick sei scharf, durchdringe dichte Nebelschwaden,
entdeckst Du Raub auf Gaias Flanken, den vermeld'!

Benebelt ist, dem Reichtum ist der einzig' Held,
Der Nebelbomben wirft als Schleier seiner Taten,
Den schicke ins Exil aus allen Deinen Staaten,
Noch besser in ein Loch, bevor er mehr anstellt.

Besetze jeden Turm mit Wächtern Deiner Wahl,
Beschütze jedem Baum, und sei er schon fast kahl,
Und suche nach Ideen, und bete, dass sie taugen.

Verzweifle nicht, Du wirst die Rufe And'rer hören,
Denn viele Wächter gibt es schon, ich will's beschwören:
Es kreisen Gaias Geier hoch mit scharfen Augen.

XII

Es kreisen Gaias Geier hoch mit scharfen Augen,
Sie sehen auch der Menschen wechselvolles Treiben,
Wie die um Habgier willen schneiden dicke Scheiben
Aus Lebensräumen, die für alle Arten taugen.

Sie wissen's nicht, doch sie sind Gaias erste Wachen,
Wie auch Polareis wacht und schmilzt, ist's gar zu heiss,
Bis dann der Golfstrom stoppt und Engeland wird weiss
Und kalt, wird's kälter noch, gefriert Europas Lachen.

Es träumen viele noch von kurzen Nordpolrouten,
Ist's dort im Sommer eisfrei, wird sich vorgestellt,
Erhofft man reichen Fischfang bei den Aleuten,

Sie fragen nicht, wem's in den Meeren noch gefällt,
Ob es noch Wasser gibt. Es trinken Blut die Guten,
Sie haben ihre harten Schnäbel vorgeschnellt.

XIII

Sie haben ihre harten Schnäbel vorgeschnellt,
Und harren auf das Blut der armen Opfertiere
Des Mammons, das sind nicht nur wilde Herdenstiere
Und Vögel, Vipern, Fische, das sei festgestellt,

Des Menschen Blut, der zu den Opfern sich gesellt,
Wird auch vergossen werden, fraglos, akzeptiere,
Du Mensch, den harten Urteilsfluch und alarmiere,
Wem noch liegt etwas an dem bess'ren Lauf der Welt.

Der Seuchen Spur, des Mammons Wahn, des Hungers Wut,
Dies Dreigestirn des Elends droht, sei auf der Hut,
Den Leichen End' in Bottichen voll Säurelaugen,

Den Mägen Blähung, Leere, Schmerzen, Hungerschrei,
Aus Gold wird Blei, die Geier machen Schnäbel frei,
Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.

XIV

Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.
Dies ist ihr Motto, zwingt uns endlich zur Vernunft.
Es ist nun mal der Menschen einz'ge Unterkunft
Die Erde, Gaia, Mutter, muss für Leben taugen.

Nur wenig Zeit bleibt zur Entscheidung, zum Beschluss,
Ob dieses letzte Leben auf der Welt nicht stirbt,
Und wer, selbst wenn wer lebt, sich Lebensrecht erwirbt,
Wer Überlebt. Dem Mensch droht Gaias Überdruss.

Ergreifen wir die letzten Möglichkeiten schnell,
Besteht noch Hoffnung. Zögern kostet uns das Fell,
Das Leben, mir ist dies ein gar zu hoher Preis.

Doch Gaia, gnadenlos, hält ihre strenge Wacht.
Lasst uns noch träumen von der vollen Erdenpracht.
Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis.


XV - Meistersonett

Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis,
Sie spähen nach den üpp'gen Aaskadaverresten,
Die übrig liegen nach den wüsten Schlachtefesten,
Und schreien geirig, gierig auf die Leichenspeis'.

Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen
Dem Dschungel ab den harten Edelholzschatzraub,
Sie wollen Gold, verwandeln aber Grün zu Staub,
Zerfetzen Urwaldgürtel grob mit Sägezähnen.

Und Du, du Gaiajünger? Jetzt, jetzt nimm die Welt,
Sie soll nicht einen Tag dem Raubgetier noch taugen,
Und nimm, Hyänen jagend, jenen Pelz und Geld.

Es kreisen Gaias Geier hoch mit scharfen Augen,
Sie haben ihre harten Schnäbel vorgeschnellt,
Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.
 

HerbertH

Mitglied
Hallo Walther,

vielen Dank für Kritik und die Hinweise. Das Erste war ein echter Fehler, das zweite nur bei "falscher" Betonung auf dem "Dir". Ich habe beide Stellen verbessert.

Hinsichtlich der Längen gebe ich Dir insofern recht, als das Meistersonett nicht notwendigerweise optimal für einen Sonettenkranz gewählt war, wie ich beim Schreiben feststellen mußte. Und Du hast völlig recht, wo man zugunsten der Einhaltung der Form nicht so schreiben kann, "wie einem der Schnabel gewachsen ist", da sind gewisse Kompromisse unausweichlich und dies weiß man in der Tat als Autor mit am besten. Die liegen manchmal auch in der Form, wie zum Beispiel Abweichungen vom "cdc dcd" Reimschema der Terzette in die Form "cde cde", aber auch beim Inhalt, wo die Reime auf "-augen" zu gewissen Wiederholungen zwangen, weil es relativ wenige Worte für diesen Reim gibt.

Mich würde noch interessieren, welche Sonette Du als nicht ganz so gelungen einschätzt und ob Du hinsichtlich des flüssigen Lesens die Meinung von presque teilst, dass es mit Alexandrinern besser lesbar wäre.

Insgesamt war ich aber erleichtert, als ich nach der etwas enttäuschenden, kommentarlosen anonymen "5" jetzt von Dir eine Einschätzung bekam, die auch die Schwächen ansprach, aber doch wohlmeinend und bestärkend war.

Vielen Dank dafür und die gute Wertung.

Liebe Grüße

Herbert
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Herbert,

wertungstechnisch schließe ich mich Walther an, vor allem in der Aufteilung seiner Punktzahl. ;)

Auch ich möchte dir meinen Respekt für dein "Lebenswerk" nicht verhehlen. - Ein solcher Kranz ist sicherlich eine Superübung und dient dem Sprachgefühl. - Doch verlangt er dem Leser einiges ab und löst deshalb vermutlich nicht nur Freude aus.

Dir herzliche Grüße
Heidrun
 

HerbertH

Mitglied
Liebe Heidrun,

ich gebe Dir vollständig recht, dass es nicht immer eine Freude ist, lange Texte online zu lesen.

Meine Vermutung: Viele hat es in die Lyrik-Foren verschlagen, weil es in den Prosa-Foren zu viele Buchstaben gibt ;)

Danke für den Kommentar und die Wertung (ich hab noch nicht drauf geschaut :D, mache ich aber gleich )

Liebe Grüße

Herbert
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber Herbert,

ich habe erst jetzt Zeit und Muse gefunden, Deinen Sonettenkranz mit großer Aufmerksamkeit zu lesen. Dein Thema und Deine Sprache haben mich überzeugt und gefesselt. Es geht um die Gefahren, die auf uns alle lauern, wenn wir die Geier unter uns weiter ungestört kreisen lassen.
Es wäre auch für eine Leserschaft außerhalb der Leselupe interessant und wichtig.

Nochmals, große Klasse.

Liebe Grüße
Helmut
 

helmut ganze

Mitglied
s.o.

Lieber Herbert,

noch einmal vielen Dank und Anerkennung, für Deinen Mut, dieses für manche Zeitgenossen unangenehme Thema aufzugreifen und in der Sonettform überzeugend darzulegen.
Zu diesem und anderen Themen habe ich mich unter http://www.gereimte-prosa.de in den vergangenen Jahren ebenfalls geäußert.

Liebe Grüße
Helmut
 

presque_rien

Mitglied
Hallo Herbert,

so, jetzt habe ich's endlich mal gelesen! Hat auch nur ein paar Wochen gedauert ;).

Vorab: Vielen Dank für die vielen interessanten Beispiele für "langversige" Sonette! Ich sehe also, dass es anscheinend mein ganz persönliches Problem ist. (Gut, dass das jetzt geklärt ist, denn ich habe mich schon öfter auch bei Walther über diese formale Besonderheit beschwert.) Bei mehr als fünf Hebungen kann ich einen Jambus nicht mehr im Rhytmus lesen, er "zerfällt", es sei denn ich baue eine Mittelzäsur ein. Deshalb habe ich deine Sonette einfach mal mit künstlicher Zäsur gelesen - so ging's!

Dein Meistersonett finde ich wirklich klasse, soviel einmal vorweg!

Bei der Bewertung der "Einzelteile" des Kranzes stimme ich Walther und Heidrun nicht ganz zu. Eine 10 für Mut und Fleiß, das ist natürlich klar, ein solcher Kranz verlangt einem Dichter jede Menge ab. Ich jedenfalls hätte niemals die Geduld dazu (hab's öfter mal versucht, bin immer gescheitert). Aber während ich deine Sprache insgesamt sehr gut - sehr intensiv - finde, gibt es leider viele Wortverdreher, umständliche Satzgebilde etc. Hingegen gefallen mir der grobe Inhalt und der Aufbau ausgezeichnet: Du holst zu einem Rundumschlag aus und deckst so viele Themen ab, dass ich keine wirklichen Längen entdecken kann. Die Entwicklung des Kranzes ist toll: Erst die quasi dokumentarische Perspektive auf die Geier, über den Elefanten kommt der Mensch wie beiläufig ins Spiel, steht plötzlich im Zentrum, wird auf einmal direkt angesprochen, die Tierdoku wird zum Plädoyer, und die Geier stehen nun auf der anderen Seite von Gut und Böse. Natürlich kann man deinem Kranz Plakativität und Bombast vorwerfen, und normalerweise würde ich das auch tun, aber ich muss sagen, er entwickelt in seinem Verlauf eine unheimliche Kraft und Intensität, der man sich nur schwer entziehen kann, ganz egal, wie man zu dieser Thematik steht. Im Kleinen allerdings, im Detail betrachtet, sind einige Inhalte auch leider weniger gelungen.

Besonders schön finde ich übrigens III, VII & XII.

***

Hier mal ein paar detailliertere Anmerkungen, insbesondere zu den ersten fünf Sonetten (damit ich meine Kritik auch begründen kann):
Es kreisen über Gaia Geier weit im Kreis
Ein toller Einstieg, ich liebe diesen Spiegel-Effekt!
Es sind meist große, selten auch mal kleine Runden
Das ist hingegen leider nur ein Füllsatz. Dass es "meist große" sind, wird schon aus dem vorausgehenden Vers klar, und diese Information ist generell eher irrelevant, oder?
Der Flugwind [red]fächelt[/red] ihren [red]Federflügeln[/red] leis'
Kann man "jemandem fächeln"? Also ich kenne "jmdm Wind zufächeln", aber kann der Wind "jmdm fächeln"? Und natürich gibt es auch Flügel ohne Federn, aber das ist eher eine Ausnahme, deshalb gefällt mir das Kompositum Federflügel nicht. Vielleicht:
Der Flugwind [blue]fächert[/blue] ihre [blue]Flügelfedern[/blue] leis'
Naja, auch nicht so gut. Aber natürlich ist es bei einem Sonettkranz schwierig, "Füller" zu vermeiden.
ihrer Bäuche weite Räume
Das hört sich unfreiwillig komisch an. Auch wenn Geier große Vögel sind.
Und suchen nach dem kranken Kalb, dem [red]toten[/red] Stier,
Was übrigließen Katzenräuber, große Greife.
Und and're hocken auf den Ästen [red]toter[/red] Bäume,
Da ist mir zuviel des Toten. Vielleicht: [blue]starrer[/blue] Bäume?
Vom Fleisch der grauen Riesen nehmen die sich [red]keins[/red]
[blue]nichts[/blue]?
Das finden [red]dann[/red] die Geier an der Tat [red]am besten[/red]
[red]Dann[/red] ist wieder ein Füller. Und der Leser fragt sich, was die Geier sonst noch gut an der Tat finden.
Bevor den Löwen in die Nase weht [red]von Westen[/red]
Warum [red]von Westen[/red]?
Es zählen [red]dort[/red] für sie nur Kalorien, nicht Gesten.
Wo ist [red]dort[/red]? Es geht doch um eine Aktivität, keinen Ort.
Mit scharfen Beissern, Millionen hausen in Moränen.
Hier stimmt das Metrum nicht.
Nichts wollen sie,
Als ihre Existenz und ihre Gene wahren,
Und diese mehren, Nachwuchs grad in schlechten Jahren
Sagt ihr Instinkt
Hier verstehe ich die Syntax nicht.
Zumal die ersten Katzen schnell auf ihren Tatzen
Unnötig (unfreiwillig?) komisch.
schneidigen Insekten
dito
Man muss auf jeden Fall Hyänen noch erwähnen
das sei festgestellt
Solche Wendungen finde ich sehr unlyrisch, da redundant.
Noch weit're Beutesucher gibt es in der Schlange,
Man muss auf jeden Fall Hyänen noch erwähnen,
Und auch die schneidigen Insekten sind nicht bange,

Mit scharfen Beissern, Millionen hausen in Moränen.
Die Wälder nimmt ein and'rer Räuber in die Zange:
Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen.
Hier ist der Übergang zu plötzlich: Man versteht nicht, wo auf einmal der Wald herkommt.
Wie Elefanten nimmt der Mensch nur Elfenbein
Du meinst wahrscheinlich: Wie [blue]im Falle des[/blue] Elefanten. So wie's da steht macht's keinen Sinn.
Das Geld ist Gott
Viel zu plakativ, das hat dein Gedicht gar nicht nötig.
So gieren sie und jagen weiter, schadend [red]A[/red]llen,
Dem Dschungel ab den harten [red]Edelholzschatzraub[/red].
Verstehe ich nicht. Meinst du: Sie jagen dem Dschungel den [blue]Edelholzschatz[/blue] ab? Ich glaube, [blue]a[/blue]llen schreibt man klein. (Oder?)
Wir wollen auch Atomkraftwerke in der Nähe nicht
Rhytmusfehler
"Und was Du heute tust, wirkt [red]früh'stens übermorgen[/red],
Wenn Flüsse weiter Du ertränkst in Säurelaugen,
Von wem kannst Du Dir [red]morgen[/red] reines Wasser borgen?"
Also wie jetzt? Du musst dich schon entscheiden. ;)
Um weiten Kreisen Dollaraugen auszusaugen.
Dies ist [red]ihr[/red] Motto, zwingt [red]uns[/red] endlich zur Vernunft.
Versteh ich als Sonettbeginn nicht. Wer ist [red]ihr[/red] und [red]uns[/red]?
[red]Für das[/red] er Kohle kriegt
[blue]wofür[/blue]?
Wie die um Habgier willen schneiden dicke Scheiben
Wirklich unschön, die Weglassung des Artikels in Kombination mit dem Wortverdreher. Ich glaube, hier fände ich es sogar besser, wenn du das schneiden ans Ende setzt und so einen unreinen Reim riskierst.
das Blut der [red]armen[/red] Opfertiere
Auch wieder etwas zu viel des Guten.
selbst wenn wer lebt
???

Das sind nur so'n paar Dinge, die mir aufgefallen sind. Es ist vielleicht auch Haarspalterei, aber es stört leider den Gesamteindruck. Ich finde, bei einem solchen Riesenwerk würde es sich lohnen, es nochmal gründlich zu überarbeiten und zu versuchen, die Dichte und Flüssigkeit zu erhöhen.

***

Hier übrigens auch nochmal ein paar Wendungen, die ich richtig gut fand:

wüsten Schlachtefesten

Es zählen dort für sie nur Kalorien, nicht Gesten.

Die sind noch warm, der Blutgeruch macht sie so heiß,

Es jagen täglich Raubtier'n gleich die Holzhyänen.

Die er nicht brauchen will

"Wir wollen auch Atomkraftwerke in der Nähe nicht.
Na gut, wenn die in Frankreich steh'n, hierher den Strom,
Die Windkrafträder sind zu häßlich für ihr Geld."

Du wirst die Einzeltropfen bald vom Blatte saugen.

Aus Gold wird Blei

üppigen Aaskadaverresten

***

Gesamturteil: Hut ab, aber bitte überarbeiten!

Liebe Grüße,
presque
 



 
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