Sonnenbank

3,30 Stern(e) 4 Bewertungen

Kalle

Mitglied
Es war ein langer, trübseliger, alkoholreicher Winter. Es war die Zeit, in der Horst am liebsten gemütlich mit einer Röhre in der einen Hand, die andere beim kleinen Horst, in der Unterhose vor dem Fernseher sitzt, Al Bundy oder noch besser Mini Max genießt. Rauchende Colts und die Leute von der Shilo Ranch kommen leider nur noch selten.
Ab und zu eine der Nachbarinnen glücklich macht (die kichernde Holländerin mit dem Mördercharakter will noch nicht so richtig). Mit Werner lecker Zigarren im Herrenzimmer raucht und über die Weltpolitik philosophiert.
Ja, so romantisch können Winter sein. Auf Dauer aber, neigt sich der schönste und intensivste Winter dem Ende entgegen.
Der Frühling stand vor der Tür. Die Miniröcke wurden in den Schränken nervös, die Sonnenbrillen klapperten und die Hormone der Damen richteten sich auf Horst aus.
Also, so schwer es fällt, es müssen die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden: Moped anmelden (die Schlacht bei der Zulassungsstelle steht unmittelbar bevor), Pariser mit Geschmack bunkern (Kirschgeschmack kam letztes Jahr gut an), temporary Tattoos (ich liebe Mutti) beschaffen, duschen (Weihnachten ist 12 Wochen vorbei), Badeshorts bügeln, Fußpilzspray auffüllen, und so weiter. Und: Sommerbräune künstlich erzeugen („Hey, warum sind die alle so weiß hier“).

Die freundliche Natascha aus Königsberg, die genau gegenüber wohnt, hat Horst am Vormittag zweimal versorgt (am Sonntag bleibt immer genug Zeit, während der Woche gibt es meistens Zielkonflikte mit der Arbeit). Vier Halbe sind über Mittag vernichtet worden, drei Cognac (ja, Cognac passt halt gut zur Zigarre) und eine Romeo und Julia hat Horst mit Werner am Nachmittag genossen. Die Sonnenbank ruft.
Den Augenschutz gegriffen und ab zur „Super Solarium Freizeit Spaß“ Geschichte.
„Hallo, ich bin`s, Horst und ich will mich sonnen“
Keine Antwort. Es war ziemlich ruhig und Personal war auch keins da. Das war nicht ungewöhnlich, aus Kostengründen kam ab und zu eine freundliche polnische Putze. Horst ging in die „Super Sonne 5000Plus Maschine“. Die schien neu zu sein. Der beschissen kleine Raum, in dem man so schlecht poppen konnte war mit der neuen Maschine kaum wiederzuerkennen. Die Liegefläche war flach wie Horst’s Auto, schien leuchtend blau, hatte rundherum kleine Turbinen, die Liegefläche bestand aus einem merkwürdigen Schaum und nicht wie üblich aus Neonröhren unter Plexiglas.
„Meine Maschine“ dachte sich Horst, machte sich frei und nahm im Sandwich zwischen Ober- und Unterschale Platz.
Offensichtlich gewichts- oder lichtschrankengesteuert begann die Maschine lautlos Ihre Arbeit. Horst setzte seine mit Spiegelglas beschichtete Sonnenbank Brille auf. Es ging los. Ein angenehmes, wärmendes Gefühl breitete sich aus.
„Jetzt noch die polnische Putze dann wäre hier alles optimal“ dachte sich Horst, als sich das Gerät offensichtlich leicht von der Erde entfernte. Die „Super Sonne 5000Plus“ war mulifunktional, war flugfähig. Und so war es. Mit einem soften Ruck löste sich die Maschine von dem Raum (wahrscheinlich mittels Materietransmitters), und sie schoss mit Zisch drei in den Subraum. Zur Sicherheit ließ Horst seine Brille auf. Er hatte sein Handy vergessen, konnte daher Werner nicht um Rat fragen. Gut, er brauchte natürlich keinen Rat, aber mehrere Ansichten zu einer Problemstellung können durchaus interessant sein.
Es ging weiter mit Zisch vier, eine angenehme Reisegeschwindigkeit, eigentlich wurde sie von Frauen bevorzugt. Aus den Harman Kardon Lautsprechern klang in beruhigender Weise Black Betty, Highway to Hell und Wolfsbane, nur ausgewählte Stücke. Horst war nicht allzu beunruhigt, schielte durch die Schlitze nach draußen und sah den ein- oder anderen Planeten vorbeigleiten. „Es scheint noch unsere eigene Milchstrasse zu sein“ , und da die Maschine langsamer wurde, ist das Ziel vermutlich bald erreicht.
„Scheiße und ich hab nix an. Das kann ja heiter werden. Hoffentlich vertragen die hier den Anblick von Stahl und 25 cm Arbeitsmaschine“ denkt sich Horst.
Durch den Schlitz kann er ein gigantisches Solarium erkennen. „Eine Super Sonne Plus5000 in supergroß“. Horst war interessiert, allein schon wegen der Bräunleistung. Mit der konnte er sich auf ein Niveau einbräunen, wozu er in konventioneller Arbeit mindestens 20 Sitzungen bräuchte.
Er flog mitten in die große Maschine. Nein es war keine fliegen, es war ein lautloses Gleiten. Als sich das Oberteil seiner kleinen Maschine öffnete, hörte er Damenstimmen, die Geräusche von sich gaben, die auf ein Erstaunen schließen ließen. Er konnte seine Brille nicht abnehmen, da das Raumschiff innen mit Sonnenbankbestrahlung beleuchtet war. Er erkannte jedoch Umrisse von Damen, die abgesehen von Schürzen nichts anzuhaben schienen. Das war grundsätzlich schon mal in Ordnung.
Nur: Warum sprach keiner mit Horst? Eine der Putzkolonnendamen näherte sich Horst in bedrohlicher Weise. Sie sagte nix. Er spürte, dass es warm und feucht um den kleinen Horst wurde und genoss erst einmal die Situation. Ein Kopf bewegte sich schemenhaft auf und ab. Als sich der kleine Horst nicht mehr zurückhalten konnte, und 50 Millionen Nachkommen zum Ausgang drängten, schoss Horst unvermittelt mit Zisch 8 zurück zur Erde.
Von der Geschwindigkeit beeindruckt, blinzelte Horst unter seiner Spiegelbrille durch. Ihn lächelte ein sanftmütiges, etwas blödes Gesicht an.
„Danke Horst“ sagte das Gesicht.
„Gern geschehen, was macht das Putzgeschäft?“
„Wenn Du öfter zu uns kommst, bau ich es aus“. Sie lachte, zog sich das Höschen unter der Schürze wieder an und streifte ein Oberteil über.
„ Weißt Du, es wird Sommer und ich brauche jede Menge Sonne vorab. Auf mich kannst Du zählen“
Sie lachten, die Polin putzte weiter und Horst ging seiner Wege.

Zu Hause angekommen, kletterte er durch das Fenster seiner Wohnung (obwohl es eine Dachwohnung war, die 10 Stockwerke erklimm er oft in Notsituationen), um den lustigen Schwedinnen nicht über den Weg zu laufen. Die hatten sich drei Tage nicht gemeldet und waren vermutlich stark an Horsts Anwesenheit interessiert.

In der Wohnung griff Horst zum Telefon.
„Werner, geht noch was?“
„Jo, ich bringe ein paar Dosen Hansa mit“
Sie hatten einen entspannten Abend (die Klingel war abgestellt).
 

Rainer

Mitglied
da wellt sich der zehennagel, und ich dachte schon, ich krieg` keinen horst mehr zu lesen!
gewohnt treffsicher und daher unterhaltsam.

zwei flüchtigkeitsfehler:

"Ab und zu eine der Nachbarinnen glücklich macht (die ..."

gemacht, denke ich

"...die 10 Stockwerke erklimm er oft in Notsituationen), um..."

erklimmt


grüße

rainer
 
D

Denschie

Gast
Hallo Kalle,

ziemlich coole geschichte, ich habe mich sehr gut amüsiert!
Auf die Idee des "Mitsonnens" bin ich noch gar nicht gekommen...
Ein Flüchtigkeitsfehler:
"...Zigarren im Herrenzimmer geraucht..." muss es glaub ich heißen.
Grüße,
Denschie
 



 
Oben Unten