Sonnenblind

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ENachtigall

Mitglied
Sonnenblind



Es werden wohl Gefallene sein
die den Himmel bestellen
mit Licht von verlöschenden Sternen

Bleiben wir unter Bäumen
sonnenblind für den Moment
der Routine die Zähne gefletscht

Vor dem Unvermeidlichen
bis ins Fleisch der Frucht
der Erkenntnis verbittert und müde

Spucken wir die Schalen
aus entkernten Gehäusen unserer Wünsche
in die Wolken der geweihten Nacht



© Dezember 2009
Elke Nachtigall
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Elke,

ein interessantes Weihnachtsgedicht hast Du da geschrieben.

Aus allen Himmeln sind wir gefallen, nachdem wir vom Baum der Erkenntnis gegessen und uns durchwursteln so mühselig auf dieser Erde. Und wenn wir schon nicht selbst Schuld sind am Erlöschen der Sterne, so müssen wir es doch mitansehen, wie es immer dunkler wird, verbittert und müde.

Die Wünsche sind uns noch geblieben, aber sie haben keine wirkliche Kraft mehr. Immerhin spucken wir ihre Hülsen himmelwärts in der Nacht, die uns Erlösung verheißt.

Was mir an dem Text inhaltlich so gefällt, ist diese Hoffnungslosigkeit, die aber doch einen winzigen Hoffnungsschimmer enthält, weniger als ein Strohhalm, aber etwas davon ist doch anwesend.

Die wahre Sonne, einst konnten wir sie sehen, aber dann hat uns der Blick dorthin immer wieder blind gemacht.

So lese ich Deinen Text.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

ENachtigall

Mitglied
Lieber Karl,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Es war nicht ein bewusst gewähltes Thema (Umweltschutz), das ich vermitteln wollte. Es beschäftigt mich das "wie fühle ich mich eingebettet in diese Welt" und "wie gelingt es mir, mich damit zuverweben". Allerdings stelle ich fest, dass es die selben Themen sind, die uns innerlich wie äußerlich bewegen; im Privaten wie im Öffentlichen, im Ganzen wie im Teilbereich.

Liebe Grüße von Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

wie schon so oft zuvor hast Du meinen Text hervorragend entschlüsselt; allein das "sonnenblind" - möchte ich hinzufügen - kann noch eine andere Bedeutung haben. Blind für das Klare, Strahlende, Bejahenswerte. So entspringt die Hoffnungslosigkeit hier dem Blick auf das Vergängliche, Gescheiterte, Gefallene, Entledigte.
Wenn nichts zu wünschen übrig bleibt, mag die Zeit reif sein - auch für ein neues Lebensgefühl.

Danke für Deinen Kommentar. Mit lieben Grüßen,

Elke
 
I

Ivor Joseph

Gast
Schöne Metaphern, gute Ver- und Entschlüsselung.
Allein - nach meinem persönlichen und durch nichts gerechtfertigten Urteil - zuviel Spekulatius: erreichen kaum unmittelbar das Herz.
LG; Ivor
 

ENachtigall

Mitglied
Danke, Ivor, für Deine nette und ehrliche Leseresonanz. Ja, manche Stimmungen bohren sich hölzerne Wege durch die Sprache.

Liebe Grüße,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Sonnenblind



Es werden wohl Gefallene sein
die den Himmel bestellen
mit Licht von verlöschenden Sternen

Bleiben wir unter Bäumen
sonnenblind für den Moment
der Routine die Zähne gefletscht

Vor dem Unvermeidlichen
bis ins Fleisch der Frucht
der Erkenntnis verbittert und müde

Spucken wir die Schalen aus
den entkernten Gehäusen der Wünsche
in die Wolken der geweihten Nacht



© Dezember 2009
Elke Nachtigall
 

Walther

Mitglied
Lb. Elke,

ein interessanter Text zur Weihnacht, der nicht gefallen will, weil er es thematisch auch nicht soll. Bilder, besonders die scharfen, kantigen, können und müssen nicht alle Leser mitnehmen.

Ich habe den Text gerne gelesen.

Gruß und Guter Rutsch

W.
 

ENachtigall

Mitglied
Danke! Auch Dir, lieber Walther, wünsche ich, dass das Jahr in Frieden zu Ende gehen mag - mit einem Ausblick auf viele sonnige Sequenzen in 2010! (Vielleicht ist das eine poetische Zahl)

Liebe Grüße,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
My Sweet Lord

Da hat mir der Barde einen sehr netten Kommentar geschickt.

Danke, dafür!

Und rutscht mit einem zufriedenen Lächeln ins neue Jahr,

Eure Elke
 
Hallo ENachtigall

sehr schön geschrieben..lässt sich wunderbar lesen und jedes Wort wurde sorgfältig platziert.

Entkernte Gehäuse der Wünsche hat mir besonders gefallen- das ist mal was anderes.
Sonnenblind für den Moment..auch sehr schön.

Nur bei "verlöschenden"..da bleibe ich hängen..das mag mir nicht wirklich passen- klar..fügt sich sprachlich gut ein..nur; was sind verlöschende Sterne????? meinst du "erloschene"? oder "verloschene" in die Zukunft gerichtet? Ich behaupte mal; verlöschende..das gibt es nicht- aber sicher hier eine/n Deutschlehrer/in der/die auf eine Antwort nicht lange warten läßt.

Tolles Gedicht- Kompliment!

Gruß
Andere Dimension
 

ENachtigall

Mitglied
Lieber revilo,

ich persönlich kaue lange auf meinen Erkenntnissen herum (dann werden sie allmählich süß) - überlege heutzutage aber sehr viel länger, in welchen Apfel ich beißen will.

Die Wahrheit ist geschmacksneutral, bevor wir ihr unsere Wirkverstärker beimischen :)

Beste Wünsche und lieben Gruß,

Elke
 

ENachtigall

Mitglied
verlöschende Sterne

Hallo Andere Dimension,

ich vollziehe gut nach, welche Schwierigkeiten Du mit diesem Begriff hast! Ich habe selbst lange überlegt, ob ich mir gestatten darf, ihn zu verwenden, mich dann aber doch dafür entschieden.

Es ist eine bewusst pessimistische Sichtweise, die darin Ausdruck findet; etwa vergleichbar mit der Bezeichnung "aussterbende Arten" für sämtliche die Erde bevölkernde Lebewesen - allein aus dem Wissen einer unabwendbaren Vergänglichkeit. Und sei sie auch wer weiß wie fern.

Sorry, wenn das apokalyptisch klingt oder an den Haaren herbei gezogen. Mich fasziniert die beängstigende Dynamik von Begriffen wie Endlich- und Ewigkeit. Diese leuchten mir zwar mathematisch ein, bleiben meinem realen Empfinden aber unzugänglich. So stehe ich quasi auf zwei Seiten einer Brücke gleichzeitig und schaue auf Paradoxien, das Land, durch das Spiritualität - die vielleicht Flüchtigste unter den Unfassbaren - trägt.

In diesem Sinne möchte ich mein Gedicht umschreiben, aber nicht (z)erklären.

Danke für Dein hinterfragendes Lesen und das große Lob.

Liebe Grüße,

Elke
 



 
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