Sterntalerlandsuche

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LeseWurm

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Ein Märchen in zwölf kurzen Abschnitten mit 12 passenden Zeichnungen (hier nur beschrieben).
Für einen Kinder-Monats-Kalender gedacht.


Sterntalerlandsuche

1. --------------------------
Eines Tages fiel der kleine Sterntaler vom Himmel auf die Erde. Da es gerade Winter war, landete er im weichen Schnee. Er machte sich sofort auf die Suche nach seinem Sterntalerland. Aber weil er so klein war, kam er in dem tiefen Schnee nur mühsam voran. Gut dass er nicht frieren konnte, sonst hätte er sich wohl stark erkältet. So aber kämpfte er sich durch die weiße Masse und suchte einen Weg, nach Hause.
Auf einmal sah er eine riesige, dicke, weiße Figur mit einer langen, spitzen Nase und großen, schwarzen Augen vor sich und war zu Tode erschrocken.
"Ich will Dir nichts tun, Du großer Mann", sagte der kleine Taler mutig und machte einen großen Bogen. Er sah sich auch noch um, ob der Schneeriese ihm nicht folgte.
<Zeichnung: Sterntaler schaut zum Schneemann auf>
Wir wissen natürlich, dass Schneemänner nicht laufen können und auch sonst nicht gefährlich sind. Aber das konnte der Sterntaler natürlich nicht wissen, weil er noch niemals auf der Erde war.
Er stapfte weiterhin durch den Schnee und suchte seinen Heimweg.

2. --------------------------
Nach einiger Zeit wurde es dem kleinen Sterntaler langweilig, immer durch die eintönige, verschneite Gegend zu wandern. Er sehnte sich danach, mit anderen zu reden und einmal etwas anderes zu sehen als nur große, weite, weiße Flächen, schneebedeckte Bäume und weißverschneite Sträucher.
Und tatsächlich ? als hätte jemand den Wunsch gehört -, tauchte vor dem Sterntaler eine kleine Holzhütte auf, aus deren Schornstein dicker schwarzer Rauch aufstieg.
"Sieh an!" dachte der Sterntaler, als er die Rauchspur sah, "Da hat doch jemand für mich einen Weg nach Hause gebaut."
<Zeichnung: Sterntaler nähert sich einer Hütte, aus dessen Schornstein dichter, schwarzer Rauch aufsteigt>
Er wusste nämlich nicht, dass man auf Rauch nicht laufen kann. Und er rannte froh zu der Hütte.

3. --------------------------
Als der Sterntaler zu der Hütte kam und durch einen Spalt bei der Tür hineinschlüpfte, sah er einen bärtigen Mann, der am Tisch saß und aß. Kaum hatte dieser Mann gesehen, wie das Sterntalerchen durch sein Zimmer lief, da hob er es auch schon geschwind mit seiner großen Hand auf. Er meinte, die Münze wäre heruntergefallen und rollte über den Boden.
<Zeichnung: eine große Hand greift das Sterntalerchen>
"Oh, welch schönen Goldstück! Ich wusste gar nicht, dass ich solch eine Münze besessen habe. Aber es wird schon etwas damit zu kaufen sein", sprach er und steckte den Sterntaler in seinen Geldbeutel zu den anderen Münzen. Da war das Sterntalerchen gefangen.

4. --------------------------
Aber nun war der Sterntaler nicht mehr allein. Zwar konnte er jetzt nicht mehr den Rauchweg entlang nach Hause laufen ? was ja sowieso nicht möglich ist -, aber er konnte mit den anderen Münzen sprechen.
Aber diese Münzen wussten nicht, was Schnee, Blumen, Musik oder Kinder sind, und erst recht nicht wie man ins Sterntalerland kommt. Sie führten unverständliche Gespräche über Sparkonto, Börsenkurse, Inflation, Zinsen und andere seltsame Dinge, so dass es dem Sterntaler bald wieder langweilig wurde.
<Zeichnung: in einem (aufgeschnittenen) dunklen Beutel wird Sterntaler zwischen geschniegelten Münzen eingezwängt>
Vor allem aber konnte er die Dunkelheit und Enge im Beutel nicht mehr ertragen. Er wollte wieder frei sein.

5. --------------------------
Der Sterntaler war schon sehr lange im Geldbeutel des bärtigen Mannes, als sich ihm eine Gelegenheit zur Flucht bot.
Der Mann ging nämlich auf die Straße um einzukaufen. Als er dann auf dem Markt Brot, Gemüse, Fleisch und andere wichtige Dinge kaufen wollte, zeigte er dem Händler die unbekannte Goldmünze. Er wollte erfahren, welchen Wert diese schöne Münze wohl habe.
Doch als er das Sterntalerchen dem Händler reichte, nahm die kleine Münze die Chance wahr und sprang tapfer von der Hand.
<Zeichnung: Sterntaler hüpft von der ausgestreckten Hand>
Sie lief so schnell zwischen den Marktständen davon, dass keiner sie wiederfinden konnte.

6. --------------------------
Bis zum nächsten Tag versteckte der Sterntaler sich voller Furcht in einer Mauernische. Als es Mittag war, dachte sich das Talerchen: "Wenn ich hier sitze und warte, werde ich nie wieder nach Hause kommen." Also setzte es seine Suche nach dem Heimweg fort. Kaum war es losgelaufen, da fing es an zu regnen. Es war nur ein leichter Regen. Aber der Sterntaler, der noch nie regen gesehen hatte, dachte an sein Sterntalerland dort oben.
"Woher kommen all diese Tränen?" fragte er sich.
"Bei uns dort oben muss etwas schrecklich Trauriges passiert sein."
<Zeichnung: Sterntaler sitzt in einer Mauernische zwischen großen Backsteinen. Die Tränen tropfen in das Rinnsal am Boden>
Da wurde auch der Sterntaler sehr traurig und vergoss zwei große Tränen, die sich mit dem Regenwasser in der Pfütze vermischten. dann ging er weiter auf der Suche nach dem Sterntalerland.

7. --------------------------
Das Sterntalerchen kam auf seiner Suche auch an einen Bach, der lustig dahinplätscherte.
"Oh", sagte der Taler, "da muss jemand sehr traurig sein."
"Nein, nein!" flüsterte der Bach hastig. "Ich bin ein Bach und auf meinem Weg zum Meer. Ich gebe den Pflanzen zu trinken und den Fischen eine Wohnung."
"Aber warum hast Du es so eilig?" fragte der Sterntaler.
"Würde ich zaudern, so würde ich im Boden versickern und nie das Meer erreichen. Und das Meer braucht mich dringend. Deshalb bin ich beständig unterwegs und darf nicht rasten. Ich muss jetzt weiter. Leb wohl!"
<Zeichnung: Sterntaler blickt in einen diagonal fließenden Bach>

8. --------------------------
Auf seiner Suche kam der Sterntaler an einem Feld vorbei. Dort pflügten zwei Männer. Einer zog den schwere Pflug, während der andere von hinten lenkte.
"Dieser arme Mann!" dachte der Sterntaler, "Er muss so schwer arbeiten und der andere geht nur hinterher."
Doch gerade in diesem Augenblick legte der Mann das Geschirr ab und der andere spannte sich vor den Pflug. Dabei lachten beide fröhlich.
"Siehst Du", sprach der eine zu Sterntaler, "wir sind Freunde. Ist der eine traurig, tröstet ihn der andere. Ist der eine froh, so freut sich auch sein Freund. Ist die Arbeit für einen zu schwer, so können sie zwei Freunde leicht schaffen."
<Zeichnung: Sterntaler trifft die schwer auf der Scholle arbeitenden Männer>
Da sagte sich der Sterntaler: "Freundschaft ist etwas Schönes. Sie macht alles leichter und doppelt so gut. Ich werde es mir merken."
Er verabschiedete sich von den beiden Freunden und suchte weiter nach dem Sterntalerland.

9. --------------------------
Bald darauf kam der Sterntaler in einen Wald. Die vielen großen Bäume machten ihm Angst, so dass er ganz schnell rannte, um von den Bäumen fortzukommen. Doch der Wald war ziemlich groß und das Talerchen wurde bald müde vom Laufen. "Ich muss eine Pause machen", dachte es und legte sich auf einer Waldwiese unter einen großen Baum. Dort schlief es ein.
Der Baum sprach mit seiner tiefen, knarrenden Stimme: "Na, Du kleines Sterntalerchen, Du bist wohl auf der Suche nach dem Heimweg ins Sterntalerland!"
"Woher weißt Du das?" fragte der Sterntaler. "Und woher kennst Du mich?"
"Ich bin schon sehr alt und habe viele Winter und Sommer erlebt. Schon mancher Wanderer hat sich bei mir ausgeruht. Mit vielen habe ich gesprochen."
"Wenn Du mich kennst und so viel weißt, dann sage mir doch, wie ich ins Sterntalerland komme!" bat das Sterntalerchen.
"Geh nur nach links", sagte der weise, alte Baum. "Dort findest Du, was Dich dem Sterntalerland näher bringt." Er wusste nämlich etwas, was der Sterntaler nicht wissen konnte.
<Zeichnung: Sterntaler schläft auf den Wurzeln eines dicken, knorrigen Baumes. Im Stamm ist ein Gesicht erkennbar.>
Dann wachte der Sterntaler auf. Er dachte sich: "Ich habe wohl einen Traum gehabt. ? Und doch will ich dem Rat des alten Baumes folgen. Aus welchem Grund sollte er mich in die falsche Richtung schicken?"

10. --------------------------
Der Sterntaler war also vom alten Baum aus nach links gegangen. Und wirklich war bald der Wald zu Ende. Es folgten Wiesen und die Steppe.
Das Sterntalerchen ging immer weiter.
Bald wurde aus der Steppe eine Sandwüste. Im Sand ist das gehen ziemlich schwer und der Taler dachte oft: "Hätte der alte Baum in meinem Traum doch nur gesagt, wie weit es ist und wie schwer. Dann hätte ich mich besser vorbereiten können."
Oftmals zweifelte er auch daran, dass es richtig sei weiterzugehen.
"Es war doch nur ein Traum. Und Träume sind Schäume", sagte er sich.
Doch seine Sehnsucht nach dem Sterntalerland war so groß, so groß, noch größer.
Schließlich erschien am Horizont eine Oase, die mitten in der Wüste lag. Hier trank der Sterntaler von dem Wasser und ruhte sich aus. Er freute sich über das Wasser, die Palmen, die Büsche und über den einzigen Vogel, der die Oase bewohnte.
<Zeichnung: Sterntaler sitzt am Fuße von Palmen, die an einem See wachsen. Auf einer Palme sitzt klein ein Vogel>
Kurz bevor er einschlief dachte er noch: "Gut dass ich nicht umgekehrt bin. dann hätte ich nicht diese herrliche Oase mit dem klaren Wasser, den grünen Palmen und Büschen und dem kleinen Vogel gefunden."
Dann schlief er ein.

11. --------------------------
Als der Sterntaler wieder erwachte, saß der Vogel neben ihm und beobachtete ihn. Das Talerchen betrachtete den Vogel. Es sah, dass es eine Schwalbe war und dass diese Schwalbe traurig war.
Und weil der Sterntaler Mitleid hatte, fragte er: "Kann ich Dir helfen, kleine Schwalbe. Du siehst so traurig aus."
Darauf antwortete die Schwalbe: "Ich bin froh, dass Du hier bist. Ich bekomme so selten Besuch. Dabei habe ich so gerne Gesellschaft."
"Warum fliegst Du nicht zu Deinen Schwestern und Brüdern im fruchtbaren Land?" frage das Talerchen.
Da senkte die Schwalbe traurig den Kopf: "Wir machten im Frühling auf dem Weg zu den grünen Wiesen hier Rast. Doch ich bin eingeschlafen und die anderen sind ohne mich fortgeflogen. Allein habe ich aber nicht den Mut, mich auf den Weg zu machen. Also lebe ich hier in der Oase."
Als der Sterntaler diese Worte hörte, nahm er die Schwalbe in die Arme und tröstete sie: "Da hast Du aber Glück, dass ich vorbeigekommen bin. Ich bin ganz allein durch Wald, Wiesen, Steppe und durch die Wüste gegangen und habe keine Angst. Zwar bin ich eigentlich auf dem Weg ins Sterntalerland. Aber wir wollen gemeinsam zurückgehen, damit Du Deine Freunde wiedersiehst."
<Zeichnung: Sterntaler steht unter einer Palme und bewundert den Looping der Schwalbe>
Die Schwalbe strahlte vor Freude, erhob sich in die Luft und flog ihren Riesen-Lieblings-Spezial-Looping für den Sterntaler. Dieser sah die Freude der Schwalbe und war auch selbst ganz froh darüber.

12. --------------------------
Am nächsten Morgen brachen beide auf. Zu zweit war das Reisen viel schöner. Sie konnten sich erzählen, was sie gesehen hatten, was sie geträumt hatten und keiner hatte Angst. Wenn einer traurig war, tröstete der andere ihn. Brauchte einer Hilfe, so kam sofort der andere. Und freute sich der eine, dann war es auch eine Freude für den anderen.
Ich glaube, die beiden waren Freunde geworden. - Ob es das war, was der alte Baum aus dem Traum gemeint hatte?
Durch die Freundschaft mit der Schwalbe vergaß der Sterntaler völlig, dass er doch auf der Suche nach dem Sterntalerland war. Auf einmal war die Suche gar nicht mehr so wichtig.
Oder war sie vielleicht schon zu Ende?
<Zeichnung: Schwalbe und Sterntaler Arm in Arm sehen den Leser lächelnd an>
Der Sterntaler hatte einen Freund gefunden, hatte sich einen Traum erfüllt und war glücklich.

Ob das etwa das gesuchte Sterntalerland ist? ...
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

dieses niedliche märchen hat mich zu einer sterntalergeschichte inspiriert, "Die chinesische Münze".
deine geschichte könnte ich mir auch gut als kinderbuch vorstellen, auf einer seite die texte und auf der anderen die zeichnungen. das wären 24 seiten plus dem üblichen drumrum.
ganz lieb grüßt
 

LeseWurm

Mitglied
Re: hallo,

Ursprünglich veröffentlicht von flammarion
dieses niedliche märchen hat mich zu einer sterntalergeschichte inspiriert, "Die chinesische Münze".
Danke flammarion,
freut mich sehr. Es war - wie so viele Kindertexte - ein Geschenk innerhalb der Familie. Ich habe mich bemüht, einfache kindgerechte Sprache zu verwenden und nicht zu ausschweifend zu werden. Ich habe den Eindruck, dass der eher knappe Platz auf den Kalenderblättern mir Nutzen gebracht hat.
 



 
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