Straßenfest

Ronja

Mitglied
Rauchend sitzt sie auf dem harten Küchenstuhl. Ein unangenehmes Gebühl breitet sich aus. Krampfhaft sucht sie nach jemanden, den sie anrufen könnte, jemand der sich mit ihr unterhält, jemand der ihre leeren Gedanken für kurze Zeit füllen könnte. Verloren schaut sie aus dem Fenster. Ein Warten, daß kein Warten mehr ist. Keine Wünsche mehr, die ihr Herz erhellen könnten, kein Traum mehr, der ihre Seele trösten könnte. Sie hat den Draht zu ihm verloren. Dieses untrügliche Gefühl, dass der Bann nun gebrochen ist, wirkte sich lähmend auf sie aus. Es ist fast so als wäre die Beziehung, die sie fast zwei Jahre lang geführt hatte, nie Wirklichkeit gewesen. Wie ein Traum, aus dem sie nun erwacht ist.
Es fing alles an mit einem Straßenfest.
Erschöpft kam sie mit ihrem Sohn von einem Schwimmbadbesuch zurück. Die drückende Hitze machte ihr zu schaffen. "Mami, wann gehen wir endlich zu dem Fest?" Aufgeregt hüpfte der Kleine von einem Bein zum anderen. Sie bekam immer ein schlechtes Gewissen, wenn sie die Freude über die Aussicht auf Abenteuer nicht mit ihm teilen konnte. Seit einem Jahr wohnten sie nun in diesem kleinen Dorf. Mit einer übertriebenen Vorsicht hatte sie sich hier ganz ruhig verhalten, ja fast versteckt, und war allen Nachbarn aus dem Weg gegangen. Nun wurde der Kleine älter, und das Alleinesein mit seiner Mutter befriedigte ihn nicht mehr. Er wollte Menschen um sich herum. "Das Fest hat doch noch gar nicht angefangen!" Sie wollte Zeit gewinnen, vielleicht würde er es ja vergessen. "Mami, Du hast mir versprochen, wir gehen dort was essen." Sie stellte sich vor, wie sie dort hingehen würde, jeder würde sie anstarren, jeder würde sich fragen, wer das wohl sei. Bei dem Gedanken an diesem Spießrutenlauf wurde ihr ganz übel. "Mami, ich habe Hunger!" Es nutzte nichts, hatte sie ihm doch beigebracht, Versprechen müsse man halten. "Ich dusche mich erst und ziehe mich um, dann können wir gehen."
"Ich gehe schon mal vor." Schon lief er die Straße entlang. Sie überlegte, was sie nun tun sollte, entschloß sich aber kurze Zeit später, ihm nachzugehen. Was sollten die Leute denken, wenn ihr Sohn so mutterseelenallein auf einem Fest stehen würde. Herzklopfend machte sie sich auf den Weg, ein gekünsteltes Lächeln auf den Lippen um einen halbwegs guten Eindruck zu machen. Schon auf halbem Wege lief der Kleine auf sie zu, und begrüsste sie mit einem lauten "Maami". "So, dann lernen wir die Mami auch mal endlich kennen." Eine nette Stimme hinter ihr begrüßte sie, und verscheuchte ein wenig ihre Angst. Es ging alles wie von selbst, irgendwann saß sie mit ein paar netten Leuten plaudernd am Tisch, ließ sich ein bißchen ausfragen über ihre Person, und fand irgendwie den Mittelweg zwischen Höflichkeit und nicht zu viel über sich verraten zu müssen.
Die Versuche sich nach einer Weile zurückzuziehen scheiterten an der Freundlichkeit der Nachbarn. Außerdem war es schön mal wieder im Mittelpunkt des Interessens zu stehen. Es wurde ein wenig kühler, und mit dem Versprechen sofort wieder zu kommen verließ sie den Tisch, um sich Jeans und Strickjacke zu holen.
Jetzt freute sie sich darüber, daß ihr Sohn sie dorthin geführt hatte. Sie freute sich auf den Abend.
Als sie zurückkam, war der Tisch aufgelöst. Da war wieder die Angst. Sie stand verloren inmitten von Menschen, die sich kannten. Sie kannte niemand. Ihre plötzliche Panik hat sie sogar die Gesichter vergessen lassen, die sie eben erst kennengelernt hatte. Sie setzte sich an einen Tisch und wartete. Ihre Haltung verriet den anderen nicht, wie unsicher sie war.
Fortsetzung folgt..
 



 
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