Sünde macht Bock

Janosch

Mitglied
Wie es sich ja heuterdings geziemt, erscheint es äußerst unerlässlich, als Student auf einen regelmäßigen Unibesuch zu achten und das nicht zuletzt, da jenes mühsame Unterfangen einen hoffentlich erfolgreichen Abschluss voraussetzt. Und wer Eins und Acht Komma Fünf zusammen zählen kann, wird gar von selber darauf kommen, dass ein adrettes Diplom sich proportional zum potentiellen Berufserfolg verhält und darauf läuft es ja letztendlich hinaus und wer dagegen Einspruch erheben will, sollte dies jetzt und sofort tun oder für immer schweigen.
Als Patrick sich heute aus der Unibibliothek begab und gleich links abbog, weil er diesen Weg gerne zu gehen pflegte, zumal er ihn unmittelbar zu seiner Haltestelle führt, ähnlich wie eine verunglückte Flanke im Winkel eindrischt, trat er in eine übergroße Pfütze, die mit Schlamm gefüllt war, dass es nur so an ihm empor spritzte und seine ohnehin betrübte Mine bekam auch einen Klecks ab. „Das hat mir gerade noch gefehlt“, dachte sich Patrick. Er neigte den Kopf gen Himmel und spürte wie die Tropfen auf ihn darnieder prasselten, als würde es in ordentlichen Schüben kübeln. Folgerichtig fügte er seinen Gedanken hinzu, dass dieser Regen wohl verantwortlich für die Schelte mit der Pfütze gewesen sein dürfte und ging dann seines Weges. Patrick war gegen Uni, gegen Lernen. Und er war sich durchaus dessen bewusst, dass er mit dieser Einstellung nicht gänzlich alleine da stand. Seine Vorstellungskraft reichte also im Grunde dafür aus, sich vor Augen zu führen, dass es auch andere Menschen und Studenten gibt, die Arbeit, Mühe und Fleiß am liebsten ein Veto an die Backe klatschen würden. Patrick war sich sicher, dass alles, woran man auch nur im Ansatz einmal gedacht hatte, bereits von Millionen Menschen in den vollkommensten Formen und Facetten praktiziert wurde oder noch vollzogen wird. Wenn jemand also lediglich den Gedanken daran verschwendet, dass es etwas mühsam ist Tag für Tag zur Arbeit zu gehen, dann gibt es auf dem Planeten bereits Millionen Menschen, die an ihrem Stuhl erstickt sind, weil sie einfach zu faul waren den Weg zur Toilette zu finden. Und ähnlich verhält es sich auch, wenn jetzt zum Beispiel jemand nur daran denkt, dass es wahrscheinlich mitunter ganz ok wäre, mal auf einem Elefanten zu reiten – und dieser Gedanke muss nicht einmal vom allergrößten Enthusiasmus genährt sein – dann gibt es auf der Welt bereits abertausend Menschen aus den verschiedensten Kulturen, die nichts lieber tun, als die Zügel eines stattlichen Elefanten zu halten und die angenehme Luft hoch droben zu genießen. Und da ja eines schnell zum anderen führt, haben bestimmt ein paar abgedrehte Köpfe bereits das Elefantenrennen eingeführt. Ohne das jetzt mit irgendwelchem Faktenwissen untermauern zu können, darf man vielleicht einfach mal davon ausgehen. Und dass sich ein potentieller Sport wie dieser nicht gleichermaßen wie das Pferderennen durchsetzen konnte, liegt vielleicht daran, dass das gemeine Pferdegebiss in seinem Verkaufswert nicht ansatzweise seinem großen Bruder Elfenbein das Wasser reichen kann. So fügt es sich also, dass sich nicht immer das Stärkste und Schönste durchsetzt, sondern manchmal auch das klapprigste Pferdegestell, da man sich nicht zu helfen weiß es anderweitig auszuschlachten.
Aber jetzt musste Patrick dann doch mal ausordentlich den Kopf schütteln und nicht unbedingt, weil er irgendetwas verneinen wollte, nein, eher ein innerliches Schütteln des Kopfes, ein „Sich-neu-ordnen“, weil seine Gedanken mal wieder abgeschweift waren. Mal alles schön auf „Zurücksetzen“ stellen und dann von vorne anfangen. Wenn das immer so einfach wäre. Ähnlich verhält es sich nämlich auch, wenn Patrick für die Uni lernen oder einfach nur einen Text lesen muss. Ist nicht ein gewisses Grundinteresse vorhanden, dann kann man den Satz noch so oft lesen, noch so oft lesen, noch so oft lesen - man kommt einfach nicht dahinter, was er bedeutet, da man beim Lesen ratzfatz komplett woanders ist. Und wer will dann eigentlich noch von einem Patrick verlangen, dass er das lesen muss, wenn er doch noch nicht mal in der Lage dazu ist. Dann sollen sich die Professoren ihre Texte sonst wohin kippen. Aber die können ja eigentlich auch nichts dafür, gibt er gerne zu. Die meisten Texte, auf die sich ein Professor in der Planung eines Semesters berufen muss, sind nun mal trocken, uninteressant und das Gegenteil von himmelhochjauchzender Freude. Und ein gewisses Pensum an Literatur muss man als Student nun einmal abgearbeitet haben, da sind schon mal ein paar schwarze Schafe drunter, das gibt allein die statistische Wahrscheinlichkeit wieder. Bei Patrick sind das schwarze Elefanten, die um die Wette heizen mit ihren Elfenbeinen. Aber wer ist dann eigentlich Schuld, wenn nicht die Professoren und Tutoren – einen Sündenbock muss es doch immer geben und das natürlich gerade dann, wenn man sich eigentlich im Klaren darüber ist, dass man die Fehler vermutlich bei sich selber suchen müsste. Aber anderen die Schuld zu geben, macht halt unverhältnismäßig großen Spaß und lenkt vom Gedanken ab, sich selbst mal vernünftig ins Gericht zu nehmen. Sünde macht halt Bock. Genauso wie auch die Ziege Bock macht. Und der Hund macht „miau“, wenn er versehentlich als Katze geboren wurde. Aber abgesehen davon, dass er dann wahrscheinlich eine Katze ist, sei dies hier nur mal am Rande erwähnt. Es geht ja vielmehr nach wie vor um die Schuldfrage - die Gretchenfrage des unmotivierten Studenten, der genau an dieser Stelle höchst diplomatisch das Wort „unmotiviert“ zu verwenden wusste, da er somit einem schnöden „faul“, fintengleich, entbehren konnte.
Am besten gefallen Patrick die Vorlesungen und Seminare, bei denen keine Anwesenheitsliste durch die Reihen kursiert. Das Wörtchen fakultativ kann man sich wirklich beherzt auf der Zunge zergehen lassen und das besonders, wenn man es versteht eine Sinnbeziehung zu „Fakultät“ herzustellen. Alles kann, nichts muss. Wenn man sich zu Hauf jedoch einer Präsenz entzieht, dann stößt am Ende des Semesters doch etwas bitter auf, dass sich enorm viel Stoff für die Klausur angehäuft hat, der dann schön selber erarbeitet werden muss. Aber damit kann man sich ja arrangieren, solange man sich zumindest für den Verlauf des Semesters ordentlich Freizeit zurecht geschippt hat, ganz wie man auch den Schnee mit der Schneeschippe beiseite schippt, um wieder eine freie Bahn zu haben. Und aus den angehäuften Schneemassen, kann man sich dann sogar ein Iglo bauen und drinnen lecker Fischstäbchen essen. Und falls mal nicht Winter ist, dann kann man sich auch alternativ die Arbeit und den Stress aus dem Weg kehren, die ganzen Klumpen, Fussel und Haare in der Suppe, die einem den Blick auf die gleißende Pracht des himmlischen Paradieses versperren, das sich da nennt: Zeitdiemanvorhergarnichthatte-Land. Gepflegt gefegt; und mit dieser kostbaren Zeit, die man sich ja durchaus ehrlich zu erwerben wusste, indem man anwesenheitsunpflichtige Veranstaltungen und Seminare mit seiner Anwesenheit gemäß der offensichtlichen Ausschreibung nicht beglückt hat, kann man natürlich einiges anfangen. Zum Beispiel diese eine Sache praktizieren, die sich ob ihrer puren Schönheit jenseits von Gut und Böse befindet, die einem die Tränen der Freude in die Augen treibt und für die man sein letztes Hemd, ja gar seine allerletzte Unterhose mitten auf der Straße hergeben würde, die Sache, die sich jeglicher Beschreibung entzieht - diese eine Sache, die so unverschämt frohlockende Herrlichkeit ausstrahlt, dass sie im Zenit der eigenen Vorstellungskräfte kulminiert und nach einem fulminanten Knall in tausend schillernden Sternschnüppchen auf die Erde darnieder zu rieseln vermag: Ausschlafen! Ja, Ausschlafen! Weil es nichts schlimmeres gibt, als sich von einem keifenden Wecker aus dem Land der Träume reißen zu lassen. Weil es einfach unfassbar ermüdend ist, sich aus den vor circa acht Stunden gerade erst warmgeschlafenen Federn zu quälen und weil es einfach exorbitant bis zum Himmel stinkt. Aber nicht nur das Phänomen des Ausschlafens treibt den ungeneigten Studenten zum Höhenflug, nein, es sind auch andere, ganze Sphären von Aktivitäten, die sich vor einem auftun, wenn man nur über die nötige Zeit verfügt, die man aus den bestialischen Fängen der Universität zu entreißen im Stande war. Vor allen Dingen widmet sich Patrick dem gepflegten vor sich hin Gammeln. Denn was gibt es schöneres (außer Ausschlafen natürlich) als einfach mal alle Vier gerade sein zu lassen, apathisch an die durchweg weiße Wand zu starren und allerhand Purzelbäume im Geiste zu schlagen? Richtig: Eine bunte Wand, auf die man apathisch sein Antlitz fixiert, damit ein wenig mehr Abwechslung ins Spiel kommt. Spannend ist es ja auch, falls einem mal nichts mehr einfällt, die ganze Zeit, die einem jetzt zur Verfügung steht schlicht und ergreifend da hinein zu investieren, wo sie her kam: Man schmiedet einfach Pläne, wie man an mehr und noch mehr Zeit gelangt. Dann verhält es sich bald fast so, wie bei Geld – dort braucht man schließlich auch ein gewisses Startkapital, um darauf fußend immer mehr und mehr Geld zu erwirtschaften. Zeit ist Geld. Und Zeit sollte wirklich an die Börse gehen. Wer sollte schon etwas dagegen haben in Zeit zu investieren, da dürften die Aktien mit der Zeit wirklich gut stehen. Zeit investieren, um Zeit zu investieren – ja, da dürfte doch der springende Hund… äh, der springende Punkt begraben liegen.
Patrick hatte mittlerweile ein Loch in die gänzlich weiße Wand gestarrt. Auch wenn er seine teuer erworbene Zeit nicht in irgend eine Form der Anstrengung investieren wollte, erhob er sich recht behäbig von seinem Stuhl und bewegte sich auf das nun doch, aus der Nähe betrachtet, recht beträchtlich große Loch zu, dass da gerade in seiner Wand entstanden war. Er fackelte nicht lange, schnaubte sich noch kurz die Nase und sprang hindurch. Nie hatte ihn jemand wieder zu Gesicht bekommen.




Anmerkung: Entstanden für einen Wettbewerb mit dem Ausschreibungsthema "Gründe, nicht in die Vorlesung zu gehen".
 
S

suzah

Gast
hallo janosch,
irgendwie nicht nur unübersichtlich, weil keine absätze, sondern auch vom inhalt reichlich kraus. außerdem kannst du dich sprachlich nicht für einen einheitlichen stil entscheiden.

"Er neigte den Kopf gen Himmel"
wenn man den kopf "neigt", sieht man nicht in den himmel sondern auf die erde.

falls der "wettbewerb" noch läuft, solltest du deinen text vorher überarbeiten.

lg suzah
 



 
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