Supernanny

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healthnut

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Ein kleiner Junge klettert flink auf den Küchentisch und fegt mit einer gezielten Handbewegung alles darauf Befindliche hinunter. Diabolisches Lachen erklingt aus seinem milchzahnigen Mund, aber noch ehe der erschrockene Zuschauer zur Besinnung kommt, schwenkt die Kamera auf seine kleine Schwester, die mit Nutella ein Bild an die Wand malt.
„Ihr beschissenen Blagen!“, hört man die völlig überforderte Mutter schreien, die sich ihren Weg durch auf dem Fußboden verstreuten Krempel bahnt. Die zwei Hunde des Hauses ergreifen entsetzt die Flucht, bevor sie vom Fuß des nach Hause polternden Vaters zermalmt werden.
„Mal Ruhe hier!“, meckert dieser ins Leere hinein, bevor er sich auf die Suche nach der Fernbedienung macht. Es besteht kein Zweifel: bei Familie Thieme geht die Post ab. Muttertier Thieme zerknüllt ratlos ein Tempotaschentuch zwischen den Fingern und heult mit roten Augen in die Kamera, sie ist nur noch ein verwittertes Denkmal ihres früheren Selbst, wie eine Nahaufnahme des Hochzeitsbildes den werten Zuschauern zeigt.
Da nichts so erregend ist, wie das Elend der anderem und die Dummen Gott sei Dank nie aussterben, ist es somit Zeit für die dreihundertfünfzigste Folge der Supernanny! Eine Art Domina für Kinder mit dem Charme eines Blockwarts und dem Humor einer Leiche, die in das entfesselte Tollhaus einrücken und die ganze Bagage zur Räson bringen wird.

Doch erst mal macht sie eine Art Bestandsaufnahme, indem sie kopfschüttelnd die kläglichen Erziehungsversuche der Thiemes beobachtet und wie die Klassenstreberin aufschreibt. Um Thiemes ist es schlecht bestellt. Jede Nacht kriechen die Kinder wie Alpträume in das Elternbett und haben den hohlwangigen Vater schon längst daraus vertrieben.
„Frank schläft seit zwei Jahren auf der Couch!“, gesteht Mutter Thieme errötend den sabbernden Zuschauer, die hiermit für ihre Quotentreue belohnt werden, auch wenn sie insgeheim der Meinung sind, dass es ihm bei der Frau wohl kaum einer verdenken kann.
Dass sich diese strunzblöden Leute nicht noch weiter vermehren ist ja endlich mal eine gute Nachricht, aber die Supernanny darf ihre Erleichterung darüber nicht zeigen. So schaut sie nur eintrainiert betroffen zu Vater Thieme, der verlegen vor sich hin grinst, die Hand schützend über seine -wie nun allseits bekannt - nutzlosen Genitalien gelegt.
Was folgt, ist eine Art Boot Camp, bei dem die Supernanny eine Woche lang in dem Reich aus wildgemusterten Teppichen, bellenden Hunden und zügellosen Gören den Ton angibt. Sie schreibt Regeln in riesiger Schrift auf riesige Plakate, damit die dilettantischen Thiemes vielleicht doch mal einen Blick darauf werfen und zwingt die rastlosen Kinder zu Auszeiten auf der Treppe. Da eins der Kinder ständig auf Auszeit ist, entwickelt sich die Treppe zum gesellschaftlichen Zentrum der Familie. Nach zwanzig Minuten Voyeurismus ist allen Zuschauern klar, dass hier Hopfen und Malz verloren ist, auch wenn alle so tun, als ob sie mitspielen. Nach einer Woche kann die Supernanny endlich wieder abhauen und ihren Scheck abholen. Eigentlich hat sie ja mal Lust auf eine neue Show, Frauentausch oder Fette, aber wie es aussieht, hat man sie jetzt für immer und ewig auf diese Primaten mit ihrem schrecklichen Nachwuchs festgenagelt.

Die Thiemes sind in einem Zustand momentaner Verwirrung zurücklassen worden – sind sie das wirklich, diese gut funktionierende Familie, mit den höflichen Kindern und dem Mensch-ärgere-dich-nicht spielendem Vater? Ist das gar Mutter Thieme, die da kompetent mit frisch gemachten Haaren am Familientisch sitzt und zur Feier des Tages mal nicht heult? Natürlich nicht. Nach zwei Tagen ist alles wieder beim Alten: Vater Thieme kann endlich wieder in Ruhe Sport gucken und muss nicht mehr so tun, als ob es ihn ins Ehebett zieht, Mutter Thieme kann die alten Schlabberpullover rausholen und mal wieder einen Brüller loslassen.
Die Kinder dekorieren die Wand über der Treppe, die sieht noch so leer aus und planen ihre Karriere. Irgendwas beim Fernsehen, vielleicht gibt es ja in dreißig Jahren eine Erziehungsshow für nervende Alte, die zur Auszeit in ihrem Rollstuhl vor die Tür geschoben werden.
Rache ist süß.
 
Liebe/r healthnut,
der erste Teil deiner Satire ist nicht einmal ironisch, weil er ja bis dahin absolut der Realität entspricht. Das Ende, als die Familie wieder zu ihrer außertelevisionistischen Wirklichkeit zurückkehrt, aber hat Witz.
Ich glaube, der Text wäre besser, wenn dieser Teil im Vordergrund stehen würde und die Satire sich von dort entwickeln würde.
Ich hoffe, du nimmst mir meine Kritik nicht übel.
Herzliche Grüße
Karl
 

healthnut

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Hallo Karl, ja da hast du schon recht, der erste Teil ist mehr ueberzogene Realitaet ( ich hoffe ja hier mal fuer alle Beteiligten, dass es so, wie es da steht NICHT der normal Alltag ist ...) Aber deine Idee hat etwas - sich nicht auf das altbekannte Fernsehprogramm zu konzentrieren, sondern mehr auf das danach. Hm, danke fuer den Tipp und nein - ich nehme das nicht uebel!!!
Gruss, helathnut
 

healthnut

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Hallo Marius, ja dein Text ist auch witizig, geht in diesselbe Richtung. Kleine Kinder bieten doch endlosen Stoff ...
gruss, healthnut
 



 
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