Survival of the Fittest (zur Schreibaufgabe

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poppins

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Zur Schreibaufabe "Intelligenz" - na ja, fast ;)


Survival of the Fittest - oder: Die andere Seite


Sie hatte tatsächlich gewonnen. Rogell betrachtete versonnen den langsam im Aussichtsmonitor wachsenden Planeten XP3314. Wie verrückt muss man sein, sich eine völlig unbewohnte Welt auszusuchen? Abgeschieden, am äußersten Rande des Spiralarms - fern von allen Vergnügungen der kultivierten Raumsektoren. Weit jenseits aller Touristenströme. Ohne medizinische Versorgung, ohne die Zerstreuungen der modernen Welt, ohne Sicherheiten.

Endlich frei, dachte Rogell.

Die Fähre setzte zum Landeanflug an, heftiges Gerüttel begleitete den Eintritt in die Atmosphäre. Knatternd entfalteten sich die Bremsfallschirme, wenig später setzte die Fähre weich auf dem als Landeplatz ausgewählten steinernen Hochplateau auf.

Mit einem erleichterten Seufzer löste Rogell die Sicherheitsgurte und streckte die verkrampften Tentakel. Dann öffnete sie die Ausstiegsschleuse, griff sich ihre Ausrüstung und glitt schwungvoll die Rutsche herunter. Ein wunderbar idyllisches Plätzchen, dachte Rogell und betrachtete die im sanften Abendlicht schimmernden Basaltbrocken unter sich. Mit einem metallisch-melodiösen ‚Pling’ verschloss sich die Ausstiegsluke – nach 300 Rotationszyklen des Planeten würde das integrierte Zeitschloss die Luke für die Heimreise wieder öffnen.

Am Horizont konnte sie die Silhouette von einigen Dutzend der einzigartigen Quaderberge erkennen, einer der wenigen Attraktionen dieses Planeten. Eine eigenwillige Laune der Natur hatte diese bizarren Formen geschaffen: die berühmten 'bunten Winde von XP'.

Schon als winziger Klon hatte sich Rogell für die Geheimnisse des Universums begeistert - und davon geträumt, eines Tages selbst in ferne Welten reisen zu können. Nun war es endlich soweit - der Gewinn des Preisausschreibens der Firma Proxools hatte ihr geschenkt, was sie sich sonst niemals hätte leisten können: eine Raumreise. Sie hatte sich das Ziel der Reise selbst auswählen dürfen. Die Bedingungen waren nur gewesen, dass es eine Gegend ohne technische Zivilisation sein musste, und dass sie als einziges Werkzeug Proxools’ neuestes Produkt mitnehmen durfte.
Eine winzige Holokamera würde ihre Anstrengungen für ‚Survival-View’ exklusiv nach Hause übertragen – ein großartiger Werbegag zur Einführung des ‚Ultratools’.

Dieses Ultratool war schon ein tolles Ding. Es vereinigte die Funktionen von primitiven Messern, Schaufeln, Sägen, Schraubendrehern und diversen Zangen in sich, ebenso wie beispielsweise die eines kleinen Flammenwerfers, einer Lötlampe, einer kleinkalibrigen Feuerwaffe und eines Mini-Kaltfusionsreaktors mit Akkumulatorladestation. Und noch ungefähr 230 weitere Dinge des täglichen Bedarfs wurden durch dieses verblüffend kleine Meisterwerk proxotischer Technik ersetzt - Rogell hatte sich auf der Reise die Zeit damit vertrieben, mit diesem Wunderding herumzuspielen. Ihr war noch nichts eingefallen, was es nicht konnte. Sie hatte sogar eine Funktion entdeckt, mit der es ihr die Nackenhöcker massieren konnte. Sehr entspannend, wie sie befand.

Rogell beeilte sich, ihre wenigen Habseligkeiten zu sortieren und die provisorische Unterkunft für die nächsten dreihundert Rotationszyklen aufzubauen. Surrend umschwirrte sie die Miniholokamera, überwachte all ihre Bewegungen und steckte das Objektiv in jeden Winkel der Ausrüstung.
Eine Notration von drei Lotts Nahrungskonzentrat hatte sie dabei - damit könnte sie auch eine doppelt so lange Aufenthaltsdauer wie geplant überstehen. Trotzdem wollte sie natürlich versuchen, ohne die Fertignahrung auszukommen. Auch die Regenerationsröhre und das Strahlungssieb würde sie so bald wie möglich durch selbstgefertigte Möbel ersetzen. Mit Hilfe des Ultratools dürfte es ein Leichtes sein, aus den lokalen Materialien das Benötigte herzustellen.

Vergnügt brummend glitt Rogell, das Ultratool in Detektoreinstellung im Tentakel, den Abhang hinunter. Bald zeigte das Display ein kleines Kohlenwasserstoffvorkommen im Untergrund an. Rogell klappte den Detektor ein, die Bohr- und Fördereinrichtung des Geräts aus, und stillte ihren Durst. Die Miniholokamera sirrte ihr so dicht um den Kopf, dass sie sie fast mitverschluckt hätte. Langsam wurde dieses aufdringliche Ding etwas lästig.
Nachdem sie ihren Durst gelöscht hatte, begann Rogell unternehmungslustig die Umgebung zu erkunden. Hinter einem ausgedehnten Schotterfeld entdeckte sie eine schnurgerade, steinerne Rinne, die die Landschaft von Horizont zu Horizont durchschnitt. Hin- und wieder flossen in ungeheurem Tempo acrylat- und aldehydharzbeschichtete Metalltropfen die Rinne entlang, von denen sie schon in den wissenschaftlichen Berichten gelesen hatte. Seltsamerweise strömten sie in entgegengesetzte Richtungen. Kaum zu glauben, dass es sich dabei um eine Laune der Natur handeln sollte, aber zu genau diesem Schluss waren die Wissenschaftler nach diversen Untersuchungen gelangt.

Schon vor langer Zeit hatten sich die Forscher von XP3314 zurückgezogen, denn alles, was nach Ansicht des Wissenschaftsrats einer Erforschung lohnte, hatte man bis ins letzte Detail untersucht - nicht nur einmal, nein, ein gutes Dutzend Male. Und allein wegen der 'bunten Winde' und der Quaderberge verirrte sich nur höchst selten ein Besucher hierher. Genau gesagt war Rogell die bisher erste und einzige Reisende, die diese Phänomene herlockten.
‚XP3314: dritter Planet des XP-Systems. Besitzt einen großen, silikatischen -, und zahlreiche kleine, metallische Trabanten. Atembare Atmosphäre, verträgliche Temperaturen. Kruste besteht hauptsächlich aus Silikaten, unter der Oberfläche geringe Kohlenwasserstofflager. Überwiegend ist die Oberfläche von lebensfeindlichem Wasser bedeckt. Dieses kontaminiert auch weite Teile der Landmasse im Untergrund. In der Chemosphäre des Planeten findet sich kein Ununoctium, von dem auch keinerlei Zerfallsprodukte nachweisbar sind, die auf ein früheres Vorkommen schliessen lassen. Damit gilt eine Entstehung von Leben auf diesem Planeten als unmöglich. Es findet sich entsprechend keine Biosphäre, XP3314 ist ein von jeglicher Lebensform freier Planet.’ So lautete der knappe Eintrag im ‚Weisen’, wie die zentrale Informationsausgabe Proxos’ genannt wurde.

Nach vierunddreißig Dunkelperioden hatte sich Rogell eine sehr nette, kleine Unterkunft zusammengebastelt – mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet, auf die kein moderner Proxot mehr verzichten mochte. Das Ultratool hatte ihre kühnsten Erwartungen noch weit übertroffen, seit sie auch noch die Wolkenwischfunktion entdeckt hatte, mit der sie das Wetter über dem Strahlungssieb ihren Vorstellungen anpassen konnte. So konnte sie die vereinzelt aufziehenden, dichten Metallocumulus-Hohlwolken einfach beiseiteschieben.

Die Zeit des Aufenthalts verging Rogell wie im Fluge, und ihr Respekt vor den Fähigkeiten des Ultratools steigerte sich stetig. Nur ein Problem hatte sie noch nicht mit dessen Hilfe lösen können: Die Miniholokamera umschwirrte sie, neugierig wie eh und je. Rogell ging dieses kleine Ding mittlerweile derart auf die Nerven, dass sie es bei jeder Gelegenheit loszuwerden versuchte. Über zweihundert Rotationszyklen hatte sie die Kamera nicht in Ruhe gelassen – Rogell fand, dass es nun langsam reichte, auch hatte das Ding doch längst genügend Aufnahmen für ‚Survival-View’ gesendet. Sie fand, dass sie ihre Schuldigkeit gegenüber der Firma getan hatte. Doch leider: Der kleine ‚verrutschte’ Flammwerferstoß aus dem Ultratool hatte den schrillsirrenden Quälgeist nicht vom Himmel holen können. Ebenso wenig das zufällig auf höchster Saugstufe in seine Richtung zeigende Vakucleanrohr, die etwas danebengeschossene Frugelharpune und der versehentlich eingeschaltete Notdurfthäcksler.
Die verflixte Holokamera war aber auch der einzige Makel dieses Aufenthalts.

Ansonsten hatte sich Rogell gut eingewöhnt. Auch an den hektischen Hell-Dunkelrhythmus des Planeten, obwohl der Unterschied zu Proxos’ Tagesdauer extrem war. XP3314 rotierte rund dreißigmal schneller als Proxos – die absurde Geschwindigkeit der Sonnenauf- und Untergänge hatte ihr zu Beginn ziemlich zu schaffen gemacht. Die Einsamkeit aber genoss Rogell in vollen Zügen. Proxos war so dicht besiedelt, und die Mentalität der meisten Proxoten eine so Gesprächige, dass Rogell zuhause nur in der Regenerationsröhre überhaupt zur Ruhe kam.

Es nahte die Saison der bunten Winde, der Höhepunkt ihrer Reise. Doch damit war auch bald das Ende des Aufenthalts erreicht, wie Rogell mit einem bedauernden Blick in die Chronotaktik des Ultratools feststellte. Sie brach das Lager auf dem Plateau ab, packte ihre Habseligkeiten mit Hilfe der Minimatorfunktion des Ultratools ins Reisepäckchen, und glitt hinunter zu der Steinrinne. Dort angelangt, folgte sie dem Verlauf der Rinne zu den Quaderbergen, die sich am Horizont abzeichneten. Dort sollte das Phänomen der bunten Winde am besten zu beobachten sein – wie sie Geröllmassen zu solch bizarren Gebilden wie den Quaderbergen aufwarfen, so hatten es jedenfalls die wissenschaftlichen Berichte der XP3314-Forscher behauptet.

Massenhaft flossen ihr die acrylatüberkrusteten Metalltropfen entgegen, sie naschte ein paar, wie würde sie diese Delikatesse auf Proxos vermissen ...
Je näher Rogell den Quaderbergen kam, desto dichter umwehten sie die bunten Winde XPs. Doch launisch, wie die Natur manchmal ist, konnte sie keinerlei in Bewegung geratende Gesteinsmassen entdecken. Sie wartete, regenerierte sich zwischendurch in der selbstgebauten und re-maximierten Regenerationsröhre, und beobachtete weiter.
Das Abreisedatum rückte unaufhaltsam näher, sie musste sich zurück zum Plateau begeben, wo die Fähre in nur acht Rotationszyklen die Luke entriegeln, und wenig später in Richtung Proxos abheben würde. Den Aufenthalt zu verlängern war unmöglich, die Fähre hatte ihren festprogrammierten Fahrplan, sie würde nicht warten. Enttäuscht machte sich Rogell auf den Rückweg.

Was für ein Reinfall, nach all der Zeit des Wartens und Hoffens, endlich diese Möglichkeit, und jetzt so ein Pech ...
Rogell kratzte die zahlreichen, juckenden Frustbeulen, die sich auf den Nackenhöckern gebildet hatten und glitt niedergeschlagen zurück in Richtung Plateau. Nicht mal die knackigsten Metalltropfen wollten ihr mehr schmecken. Die wässrige Füllung kratze ihr im Hals. Wie zum Hohn tanzte die Holokamera vor Rogells Saugrüssel herum, wütend schlug sie mit dem Schwanz nach ihr. Was bisher nie gelungen war, nun hatte sie es geschafft: klatschend traf sie den kleinen Quälgeist, der taumelte zu Boden - Rogell nutzte die Gelegenheit und sprang mit einem triumphierenden Grunzer flink obendrauf. Als flachgewalzter Überrest Prolektroschrott blieb die ehemalige Mobilkamera auf dem Weg zurück.
Rogells Laune besserte sich nach diesem kleinen Erfolg merklich – beschwingt schlängelte sie sich den Rest des Wegs die Rinne entlang. Eben wollte sie sich an den Aufstieg zum Plateau machen, als sie mit dem Rückauge seltsame Lichterscheinungen am im Moment mal wieder dunklen Himmel bemerkte: in hellleuchtenden Bahnen durchzogen Projektile mit feurigem Schweif den Nachthimmel – ungläubig wandte Rogell sich dem Schauspiel zu. Sie roch noch einmal genauer hin. Kein Zweifel, das waren metallische Projektile mit einem Antriebssystem, angefüllt mit hochenergetischen Konzentraten.
Konnte das möglich sein? Dass ein gutes Dutzend Expeditionen mit den Koryphäen der Exowissenschaften etwas so Gravierendes wie eine intelligente Zivilisation auf XP3314 übersehen hatten? Staunend betrachtete Rogell die Fütterungszeremonie. Oder war das die Art, wie hier Handel getrieben wurde? Oder ein Fruchtbarkeitsritual? Eine eigenwillige Art Sport? Die Gedanken jagten einander in Rogells Kopf, sie konnte den Blick nicht abwenden. Mit dumpfem Knall explodierten die Projektile über der Quaderberggruppe am Horizont, diese löste sich in einem Feuerball auf, der die Landschaft taghell erleuchtete. Rogell konnte trotz der großen Entfernung gut den Energiereichtum der geworfenen Nahrungsmittel riechen – wer aß das bloß alles da hinten? Und wie fingen sie die Energie wieder zur Lagerung ein? Oder war sie hier Zeuge einer Düngungsaktion? Eines Massengelages? Oder war das doch ein Lebensmittelopfer für die Fruchtbarkeit? Sie entwickelte und verwarf Hypothesen in einem Tempo, dass ihr selbst davon schwindelte.

Sie brauchte einen Beweis für die Wissenschaftler auf Proxos, sie musste dieses Spektakel aufnehmen ... suchend irrte Rogells Blick herum, dann fiel es ihr wieder ein, die Miniholokamera ... Rogell fluchte laut - dieses fiese kleine Ding, das sah ihm ähnlich, sich ausgerechnet kurz bevor es sich mal wirklich nützlich machen konnte von ihr erwischen zu lassen.
Die Zeit zum Abflug wurde langsam knapp – während Rogell eilig wieder in Richtung Fähre glitt, suchte sie am Ultratool mit fliegenden Tentakeln die Bildspeicherfunktion. Die Lebensmittelpakete fielen immer dichter, ein paar trafen ziemlich nahe auf. Rogell stellte besorgt fest, dass dieses Konzentrat für sie ohne vorherige Zubereitung vermutlich nicht sehr bekömmlich wäre – und erhöhte noch mal ihr Tempo. Im Inneren der Fähre könnte sie unter deren stärkerem Strahlungssieb die freundlichen Gaben auffangen, ohne Schaden zu erleiden. Jedenfalls dann, wenn ihr die netten Unbekannten noch rechtzeitig vor dem Abflug ein Päckchen zuwarfen.

Sie hatte die Fähre erreicht – hektisch nestelte sie am Ultratool – da ertönte pünktlich das erwartete metallische „Pling“ des Türöffnungsmechanismus. Doch nichts weiter geschah, die Luke blieb verschlossen. Irgendwo klemmte da etwas im Getriebe. Nun sonderte Rogell, die eigentlich nicht zu übertriebener Hast neigte, doch ein wenig Unruhesekret ab – die Suche nach der Bildaufnahmefunktion am Ultratool musste sie erst mal unterbrechen. Hinter einer kleinen Klappe neben der Luke befand sich der Notöffnungsmechanismus. Auf einem Aufkleber befand sich die Bedienungsvorschrift. „Beruhigen sie sich, Panik beeinträchtigt die Zielgenauigkeit ihrer Bewegungen.“
Köstlicher Humor, dachte die wirklich ziemlich unentspannte Rogell, und las weiter: „Setzen sie zunächst ihren Sechskanttorxkegelschlüssel in Vertiefung A, dann halten sie mit ihrem Metzenbaumoberhubgreifer Nut B in Position. Mit einer einfachen Linksdrehung von Nut B entriegeln sie die interne Sicherung und können die Luke aufschieben.“
Es wurde also ein simpler Sechskanttorxkegelschlüssel benötigt – dieses Werkzeug hatte eigentlich jeder Proxot an einer Kette um den Hals ständig dabei, denn es diente der Schuppenpflege. Auch einen Metzenbaumoberhubgreifer trug jeder kultivierte Proxot mit sich herum – da er bei der umweltgerechten Entsorgung der Notdurft gebraucht wurde. Rogell hatte weder das eine, noch das andere Werkzeug extra dabei – sie hatte ja das Ultratool. Selbstverständlich befand sich auch ein Sechskanttorxkegelschlüssel am Ultratool. Und ein Metzenbaumoberhubgreifer natürlich ebenfalls. Leider war es nicht vorgesehen, am Ultratool zwei Werkzeuge gleichzeitig zu nutzen. Und selbst wenn das möglich gewesen wäre – Vertiefung A befand sich am linken Lukenrahmen, Nut B rechts davon.

Rogell hörte durch die verschlossene Luke gedämpft die mechanische Stimme des Oxonengehirns, die mit dem Start-Countdown begann. Rogell klappte den Sechskanttorxkegelschlüssel aus dem Ultratool, setzte ihn in Vertiefung A, und versuchte mit nacktem Tentakel Nut B zu drehen. Die rührte sich nicht. Das Unruhesekret strömte in kleinen Rinnsalen an ihr herunter, die Lebensmittelpäckchen der großzügigen unbekannten Intelligenz fielen mittlerweile hageldicht. Die zusehends unentspannter werdende Rogell riss und rüttelte an Nut B – bis sie schließlich mit einem Wutschrei der Luke einen kräftigen Schlag mit dem Schwanz verpasste. Sanft quietschend glitt die Tür daraufhin zur Seite. „Erst mal gut zureden“, knurrte Rogell und beeilte sich hineinzukommen. Noch acht Mikropel verblieben vom Countdown, Rogell machte sich wieder - völlig unproxotisch hastig - auf die Suche nach der Bildspeicherfunktion des Ultratools.

„Sechs -, Fünf -, Vier -“, zählte emotionslos das Oxonengehirn.

Da! Rogell hatte das Gesuchte gefunden, klappte es aus, richtete das Ultratool auf das Panorama jenseits der Luke, und löste aus.

„Drei -“, die Lukentür knallte zu.

„Klick“, machte das Ultratool.

„Zwei -, Eins -, Null -, Volle Kraft voraus - Startsequenz planmäßig abgeschlossen, künstliches Gravitationsfeld aktiviert“, schnarrte die mechanische Stimme.


Noch etwas außer Atem vom Herumspringen auf dem Ultratool, das sich nun untrennbar in den Fährenboden einschmiegte, betrachtete Rogell den im Aussichtsmonitor schrumpfenden Planeten. Rundum von den Detonationen der Lebensmittelpäckchen erleuchtet, strahlte XP3314 fast heller als seine Sonne ... Die Bewohner mussten sich wirklich sehr gern haben, so großzügig, wie sie sich mit Delikatessen beschenkten ...

Ihre Entdeckung hätte DIE Sensation des Zeitalters werden können: Eine intelligente Lebensform auf diesem Planeten – wo sich nach den herrschenden Vorstellungen nie Leben entwickeln konnte!

Eine bisher unbekannte Zivilisation!
Noch dazu so freundliche Wesen.

Aber wer würde ihr schon glauben, so ganz ohne Beweise.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
:D

Als ich schon bei der "Rinne mit den Tropfen" sofort wusste, was läuft, dachte ich noch: „Schade um die Pointe.“ Aber ich muss mich revidieren: Diese Erkenntnis bringt erst die echte Spannung in den Text…

…aber ich wüsste doch zu gern, was die „bunten Winde“ sind, die angeblich so regelmäßig über die Erdoberfläche fegen
 

poppins

Mitglied
Hallo jon,

eigentlich ist für gewiefte SF-Leser wie dich doch schon ein bisschen früher alles klar - oder?;)

- so circa im vierten Satz:

>"... Abgeschieden, am äußersten Rande des Spiralarms - "
Und dann noch die Quaderberge ...

Die "bunten Winde", das sind - nee, nee, das verrate ich noch nicht, es kommt doch BESTIMMT noch jemand Anderes drauf?;)

Machen wir doch ein Preisausschreiben draus:) (passt ja auch gut zur Geschichte):
Wer bis kommenden Sonntag, 25.1.2004 um 23:59 Uhr hier eine erschöpfende Erklärung zu den bunten Winden, und deren rhythmischen Aktivitäten einstellt, bekommt von mir das Buch "Der Unbesiegbare" von Stanislaw Lem geschenkt (und geschickt). (Das Buch hat nichts mit meiner Geschichte zu tun, aber ich hab's doppelt ;).)

Sollte bis Sonntag das Rätsel wirklich nicht von anderer Seite gelüftet werden, verrate ich es.:D:D
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Stimmt, irgendwie wusste ich's von (fast) Anfang an. Aber bei der "Rinne" erst dachte ich "Schade"…

Natürlich hab ich eine Idee, was die bunten Winde sein könnten, nur dass sie rhythmisch auftauchen, passt nicht ganz rein. Andererseits: Wenn die proxotischen Wissenschaftler so arbeiten wie unsere, muss man das regelmäßig vielleicht gar nicht soooo wörtlich nehmen. Aber noch andererseits: Wenn meine Vermutung stimmt, dürfte Rogell die Tropfen in der Rinne nicht (zumindest nicht als einzelne Tropfen) wahrnehmen…
 

poppins

Mitglied
Hallo jon, für dich und andere eventuelle Miträtsler ein
kleiner Tipp;):

Zeit(gefühl) einerseits spielt eine wichtige Rolle. Und andererseits die physikalische Dichte der verschiedenen Elemente/chemischen Verbindungen.

Och, jetzt ist es aber potteneinfach :D:D

Noch eine Konkretisierung zum Preisausschreiben: Das Buch gewinnt natürlich nur der oder die Erste mit der richtigen Lösung (... ich habe schließlich nur eins übrig;))
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo poppins,

meine Begeisterung ist riesengroß!

Wahrscheinlich bin ich mit meiner Vermutung falsch, dachte da an Leiterplatten und Computer, zumindest hat mich dieses XP da hin geführt, aber Den Unbesiegbaren habe ich eh schon.
;)

Hab noch ein überflüssiges Wörtchen gefunden:
" Damit gilt [strike]als[/strike] eine Entstehung von Leben auf diesem Planeten als unmöglich."

cu
lap,
mit dem Lila Tentakel winkend
 
E

Edgar Güttge

Gast
10 Punkte - Pling Klick ;)

Hallo poppins,

ein reines Lesevergnügen. :)
Witzig, anspruchsvoll, regt zum Nachdenken an, gut aufgebaute Struktur, konsequent durchgezogener Stil, jede Menge lustiger Ideen, und eine tolle Pointe am Schluss - m.E. dein bester Text bisher.

Weiter so!!! ;)

Viele Grüße
Edgar
 

poppins

Mitglied
Hallo lapismont, hallo Edgar -

so viel Lob! Hach, kommt richtig gut;) ...
Das überflüssige 'als' habe ich getilgt, Danke für den Hinweis. Manchmal glaube ich, es gibt kleine, bösartige Wichtel, die heimlich in meinen Texten rumkritzeln und zeitweilig unsichtbare Orthographie-Klöpse drin verstecken ;)
Ach nee, ich bin wohl manchmal etwas :cool: - (das soll in diesem Fall ein sehbehinderter Smilie sein)

Mir gefällt der Titel der Geschichte noch nicht so ganz - euch scheint der ja nicht allzu übel aufgestossen zu sein ...?
 

Mazirian

Mitglied
bunte Winde

den Unbesiegbaren hab ich zwar auch schon, aber ich komm eh nicht drauf.
Was ist für die Proxoten "bunt"? In welchem Bereich des elektromagnetischen Spektrums liegen bei ihnen die Farben? Ist nicht wirklich wichtig, ne? :)

Also wenn sie die Quaderberge aufgetürmt haben, würde ich sagen: Schwärme von Bauarbeitern in buntkarierten Hemden.

Aber das hat nichts mit Dichte zu tun... höchstens mit Maurern die "dicht" sind....

ich geb auf und warte auf Mitternacht

Gruß

Achim
 

poppins

Mitglied
Also, wenn ihr denn alle den Unbesiegbaren schon habt ;) – hier die Lösung:

Achim hat’s fast gehabt: die bunten Winde, das sind Menschen. Die rhythmische Aktivität – die meisten Bauwerke werden im Sommer hochgezogen, vorzugsweise zu Schulferienzeiten. Also sind im Sommer zweierlei verstärkte Menschen-Wuseleien zu beobachten: der Wandertrieb zum Urlaubsort, und der saisonale Bauboom.

Die innere Uhr der Proxoten tickt dreißigmal langsamer als die menschliche, ihnen erscheinen alle Bewegungen auf der Erde dreißigmal schneller, als uns. Dazu kommt noch, dass die Körper der Proxoten eine viel höhere Dichte haben (Ununoctium als lebenswichtiges Element, Uran, Plutonium und Blechiges als Nahrung ... ;))
Deshalb werden Menschen als ‚Winde’ gesehen, Autos jedoch als einzelne, scharf umrissene Partikel wahrgenommen – trotz der höheren Geschwindigkeit von Autos. Da sie aus Metall bestehen, können ihre Umrisse (noch) wahrgenommen werden, Menschen sind dagegen für die Proxoten nur ein feuchter Luftzug. Bunte Wölkchen, die aber nicht gar so schnell treiben.;)


... und was mach ich jetzt mit dem Unbesiegbaren? ;)
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lesen!

Hey, das Buch ist super!
Und Deine Erklärung:
:(

Aber erstaunlich, was solche Ideen für spannende Auswirkungen haben!

cu
lap,
manchmal auch netter Mod
:)
 

jon

Mitglied
Teammitglied
…dass sich beim „langsamen Kucken“ Baustellen-Aktivität zu bunten Schemen verwischt, kann ich nachvollziehen (und das dachte ich auch). Die Sache mit dem Dichte-Sehen ist allerdings bedenkenswürdig: Das setzt meiner Meinung nach ein völlig anderes "Sehen" voraus, eher sowas wie Radar. Was aber bedeutet, dass die Winde nicht von den Menschen bunt werden – die können nur "verwischen" wenn sie im Ruhezustand (Schlaf) gut sichtbar sind – sondern von den Kranen & Co. Die Aliens einfach nur andere Wellenlängen sehen zu lassen, ist nicht die Lösung, da der Bereich, in dem Metall sichtbar ist auch der Bereich ist, der alle anderen Körper sichtbar sein lässt…
Das ist wohl ein Fall für eine gründliche Recherche zum Thema "Sehen"…
 

poppins

Mitglied
Ich sehe schon, die war doch sehr verkürzt, die Erklärung gestern ... war aber auch etwas müde ;) – jetzt noch mal etwas ausführlicher:

Proxoten leben in einer anderen zeitlichen Dimension (ein proxotischer Tag entspricht 30 irdischen)
Proxoten sind VIEL größer als Menschen (ein Auto entspricht einem Lecker-Häppchen für zwischendurch)
Die stoffliche Grundlage der proxotischen Körper ist viel dichter, als die des Menschlichen. Und dementsprechend ist der Ausschnitt des elektromagnetischen Spektrums, den Proxoten als sichtbar wahrnehmen, ein kräftiges Stück in den kurzwelligen Bereich verschoben. Fängt so etwa beim Ultraviolett an ...

*
Mir hat das Rumphilosophieren für diese Geschichte einen Riesenspass gemacht -
Was ist Intelligenz? Da streitet sich die Wissenschaft ja schon, was die Menschliche betrifft ... Ist es überhaupt möglich und sinnvoll, die menschlichen Definitionen auf Außerirdische zu übertragen?
Was, wenn es da völlig andere Maßstäbe gibt – so anders, dass alle Zeichen der menschlichen Zivilisation einfach unerkannt durch ein solcherart gestricktes außerirdisches Untersuchungsraster rutschten?
Hintergrund:
Die Voyager-Raumsonde war’s, glaube ich, die hatte einen in den USA entwickelten Versuchsaufbau mit einem Programm zur Suche nach Zeichen intelligenten Lebens per Ferndiagnose an Bord. Als dieses Testsystem nach dem Start versuchsweise auf die Erde gerichtet wurde, (nicht mal aus besonders großer Entfernung, die Sonde war da erst ca. in Höhe des Mondes) funkte sie das verblüffende Ergebnis zur Erde, dass der Planet Erde zweifelsohne frei von intelligentem Leben sei ... (als ob wir es nicht schon immer geahnt hätten ...) – und da hatten MENSCHEN die Parameter festgelegt!!!

(Ich fand es übrigens eine reizvolle Idee, dass die wohl größte mögliche Dummheit, die Menschen je ersinnen könnten, zur Entdeckung ihrer ‚Intelligenz’ führt.:D)

Was ist Leben? Die menschliche Wissenschaft hat da eine sehr stark auf irdische Bedingungen zentrierte Definition entwickelt – bei der Suche nach Leben im Weltraum konzentriert sich die Forschung (fast) seit Beginn auf erdähnliche Planeten/Monde – es wird postuliert, ohne WASSER gäbe es kein Leben. Und, dass Leben nur auf Grundlage der Kohlenstoffchemie funktionieren könne.
Ebenso, wie menschliche Forscher wasserloses Leben z.B. unter reinen Methanatmosphären oder in Ammoniakseen für unmöglich erklären, ist die Wissenschaft Proxos’ davon überzeugt, dass Wasser und Leben einander ausschließen. Und Ununoctium unerlässlich sei.

Ich habe selbst viele Jahre in der biologischen Forschung gearbeitet (... und genug Murks dabei gemacht ...) um zu wissen, dass Messergebnisse ohne Interpretation absolut wertlos sind. Diese Interpretationen, die Hypothesen, die formuliert werden, hängen sehr stark vom ‚Vorgedachten’ ab. Manchmal ist „die Wahrheit“ unsichtbar, obwohl sie direkt vor der Nase liegt – einfach nur, weil sie nicht ins Denkschema passt.

Wenn ich mit dem ‚naivem’ Blick eines Kindes z.B. das Wachstum und die Struktur von Kristallen betrachte, oder die Muster, die das Meer im Sand hinterlässt – das Ebenmaß von Sanddünen in der Wüste, oder Basaltsäulen usw.usf. – könnte ich durchaus zu dem Schluss kommen, dass das (Bau)werke intelligenter Wesen sind. Aber Wissenschaftler gucken ja nicht ganz naiv hin und machen sich Gedanken, sondern gucken hin und machen sich ausgehend von dem, was als gesichert gilt, Gedanken. Es gibt einen ganzen Haufen Axiome, die ich nicht in Frage stelle, obwohl ich sie nicht richtig begreife. (Z.B., dass die Lichtgeschwindigkeit die maximal mögliche in diesem Universum ist. Ich kapier’s nicht, aber weil Einstein so ein Schlauer war und einen Nobelpreis gekriegt hat und alle das Gleiche sagen, glaube ich es mal;).)
‚Spiritualität’ ist ein anderes gutes Beispiel dafür, was eine Dimension angeht, die in der Wissenschaft unberücksichtigt bleibt. O.K., es gibt ein paar versprengte PSI-Forscher, und in der Bevölkerung ist Esoterik auch gerade sehr in Mode, aber in der ‚anerkannten’ Wissenschaft spielt all das keine Rolle. (Ich bin nun kein sonderlich spiritueller Mensch, sondern eher wisssenschaftsorientiert-dröge – aber als Beispiel fiel mir gerade nix besseres ein;))
 

Buffy

Mitglied
Tief beeindruckt

Hi,
Mit Spnnung und wachsendem Interesse bin ich deiner Geschichte gefolgt.
Eine hervoragende Idee, intelligent umgesetzt und mit einem Überraschungseffekt.
Was sind die Päckchen, die vom angeblichen Himmel fallen.
Buffy muß einfach so dumm fragen?
Bin neugierig oder hat etwas nicht verstanden.
Tolle Leistung
 

Buffy

Mitglied
Nein

Liebe Poppins,
"Der Unbesiegbare" kenne ich nicht, da ich bis jetzt SF nur in dem Forum lese.
Werde mir das Buch aber besorgen.
Ja, ich meinte die Lebensmittelpäckchen. Sind das die Autos von dem ihr gesprochen habt?
Es grüßt dich Buffy
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Bewertung:

Liebe Buffy,
unter dem Text findest du eine Skala von "Misslungen" bis "Perfekt". Klicke irgendwo dorthin, wo der Text steht…
 
G

Gerhard Kemme

Gast
Survival of the Fittest

Hallo!
Da hat sich der Ausdruck gelohnt. Dein Erzählstil ist wirklich prägnant und leicht eingängig. Von der Logik her ist mir nicht ganz klar, warum sie zum Schluss noch mit der Luke so in Bedrängnis gekommen ist. In einer so technisierten Raumfahrtwelt, wäre der selbständige Start des Flugkörpers eher unwahrscheinlich. Wann fährt das eigene Auto schon ohne uns ab. Da hätte ich irgendeinen mitreisenden Bösewicht eingebaut oder einen Gestrandeten, der alleine abhauen möchte. Wie gesagt, es war ein Genuß den Text zu lesen.
MfG Gerhard Kemme
 



 
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