Tagebucheinträge

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Danwalker

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Mi. 18.5.
Liebes Tagebuch!
Ich hasse mein Leben. Jetzt ist es offiziell, ich hasse mein Leben. Du wirst dich sicherlich fragen wieso, nun, es ist so, dass ich zu Tinas Geburtstagsparty am Samstag eingeladen bin und mein Problem ist nicht, dass ich nichts zum Anziehen hätte, nein, das gottverdammte Problem ist, dass ich dieses Mädchen liebe. Es wird eine Qual für mich sein, da den ganzen Abend rumzuhängen und sie nur anstarren zu können. Diese Aussicht ist für mich genauso verlockend, wie einen Kopfsprung in einen leeren Pool zu versuchen.
Aber ich schweife ab, jedenfalls bin ich also eingeladen und werde wohl hingehen, denn ich muss wissen, ob sich da irgendein anderer an sie ranmacht. Am Ende macht sie mit einem dieser Typen rum, deren Kopf so hohl ist wie …, ach was weiß ich!

(Nachtrag)
Ich kann nicht schlafen! Es ist jetzt 3 Uhr nachts! Diese blöde Kuh. Jahrelang bin ich Luft für sie, dann lädt sie mich auf einmal ein. Warum? Sie wird doch kaum Interesse an mir haben. Nein, das wird es nicht sein. Wieso hat sie mich eingeladen? Wieso, wieso, wieso?


Do.19.5.
Liebes Tagebuch!
Mein Tod steht unmittelbar bevor. Immer wenn ich im Unterricht zu ihr hinsehe macht mein Herz einen Riesensatz. Entweder wird es demnächst noch platzen, oder ich sterbe an einem Atemleiden, denn in letzter Zeit bin ich sehr kurzatmig. Und sollte ich weder an Herzversagen oder Atemlosigkeit sterben, dann weil ich mich zu absoluten Trottel mache und deswegen von den „Coolen“ zusammengeschlagen werde.
Das war so, ich wollte in Kunst über dem Abfalleimer meinen Bleistift anspitzen, ging auf ihn zu, als Sie an mir vorbeikam. Was passierte? Ich starrte sie an wie ein Alien, doch zum Glück bemerkte Sie meinen irren Blick nicht. Benny Meier schon. Daraufhin hatte er nichts Besseres zu tun und mich zu schubsen. Ich fiel auf den Abfalleimer, der seinen ganzen Inhalt auf mich verschüttete. So verbrachte ich den Rest des Schultags völlig verdreckt im Unterricht. Nebenbei bemerkt: Es war nicht so, dass Benny irgendwie bestraft worden wäre, nein, ich, Moi, durfte den Boden wischen. Dass ich die Lachnummer der Klasse war, sei nicht weiter wichtig. Wichtig ist nur, dass Sie nicht gelacht hat. Ob das nun ein gutes oder schlechtes Zeichen oder überhaupt ein Zeichen ist, darüber bin ich mir noch nicht im Klaren.


Fr.20.5.
Liebes Tagebuch!
Schon oft meinte ich, schlimmer könnte es nicht mehr kommen. Ich habe mich ja so was von geirrt.
Heute in der 3. Stunde, als Herr Lehmann mal wieder irgendeinen Physikquatsch verzapfte, war mir und Max so langweilig, dass wir anfingen über die morgige Party zu reden. Max hat keine Probleme dahin zu gehen, denn er hat ’ne Freundin und die wird morgen auch da sein.
Jedenfalls fragt er mich dann irgendwann so:
„Und? Wie findest du Tina?“
Da Max mein Freund ist, antwortete ich wahrheitsgemäß: „Ich steh total auf Sie! Tina sieht so was von scharf aus.“ Ich ging noch weiter, kam richtig in Schwung: „Ich glaub, ich wird’ Sie fragen, ob sie mit mir gehen will.“
Dann passierte es. Herr Lehmann, der Godfather of Mundgeruch und Atomphysik schallte mich an:
„Es ist ja sehr schön, dass sie sich in ihre Klassenkameradin verliebt haben, aber würden sie sich die Geständnisse bitte für die Pause aufsparen?“
Ich schaute mich ein wenig ungläubig um und betete innerlich, dass „Lehmidee“ das was er gerade gesagt hatte nicht gerade gesagt hatte. Doch die schrillen „Uhhhs“ und „Ahhs“ enttäuschten mich. Es war raus. Mein Geheimnis.
Wahrscheinlich wurde ich so rot wie ein Finne, der ’ne Stunde in der Sonne verbracht hat, doch daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern. Denn ich stellte mir die ganze Zeit vor, wie ich Herrn Lehmann zu einem einzigen blauen Fleck verarbeitete.
Als wenn das nicht alles schon genug gewesen wäre kam eine Stunde später in Englisch auch noch eine Besprechung von Shakespeares „Romeo und Julia“ dran. Spielte Gott ein kleines Ich-hasse-dich.und-blamiere-dich-bis-zum-geht-nicht-mehr-Spiel mit mir ab?


Sa.21.5.
Liebes Tagebuch!
Ich brauche Urlaub! Heute Abend ist die Party und ich bin mit den Nerven völlig am Boden. Was wird sie sagen? Kann ich mich da überhaupt blicken lassen? Kann ich das? Lieber würde ich irgendwo im Busch mit Affen um Bananen kämpfen als da heute Abend zu erscheinen. Trotzdem werde ich wohl hingehen. Irgendeine dunkle Kraft treibt mich dahin. Ich muss einfach wissen, wie der Abend verläuft.


(Nachtrag)
Komisch. Ich würde nicht sagen, dass es Vorfreude ist aber ich habe mich beruhigt. So ist es wohl, wenn ein zum Tode Verurteilter mit seinem Leben abgeschlossen hat. Er soll dann ja ganz ruhig sein. Ich werde dahingehen. Ich werde ganz cool bleiben, was wohl nicht klappt, denn ich werde mich bei meinem Glück wohl einmal mehr blamieren. Egal, auch das werde ich ausbaden.


(Noch ein Nachtrag)
Vorbei. Aus. Ende. Ich bin endgültig gaga. Was passiert ist? Ich erschien da so um 9. Die Party war schon voll in Gange, Sie war irgendwie völlig beschäftigt allen ihren Gästen zuzuhören. Schließlich kommt sie zu mir. Kein „Hallo!“, in „Wie Geht’s?“. Sie schaut mich nur an, mit ihren schönen tiefen schwarzen Augen. Ich schaue sie an mit den Meinen.
Sie: „Willst du mit mir gehen?“
Ich: „Was?“
Sie: „Willst du mit mir gehen?“
Ich: „Äh…,“
Sie: „Weißt du, ich, nun ja, ich will das schon lange, ich wusste einfach noch nicht wie ich das sagen sollte.“
Ich: „Äh…“
Sie: Wäre jetzt ziemlich peinlich, wenn du Nein sagen würdest.“
Ich: „Äh…“
Sie: „Nun, was sagst du?“
Ich: „Äh…“
Sie: „Aha, das heißt?“
Ich: „Äh…. klar, ich, Äh…, wollte dich eigentlich dasselbe auch mal fragen.“
Alles was danach passierte kann ich nur schwer sagen. Die erste Umarmung, wir tanzen, wir…, nun, wir küssen uns. Einmal, zweimal, immer wieder.
So gegen 3 in der früh, gehen so die letzten. Mein Verstand meldet sich und sagt mir, dass Mutter nie ins Bett geht, bevor ich nach Hause komme.
Schweren Herzens verabschiede ich mich von Tina. Auf dem Weg zu dir, liebes Tagebuch. Ich habe eine Freundin. Einfach so. Alle Zweifel ganz um sonst, die verlorenen Nerven…für die Katz’! Der BAU ist eingetreten. Der Bestanzunehmende Umstand. Wie konnte das passieren? Das war zu leicht! Das steht einfach in krassem Kontrast zu meinen Erwartungen.

So.22.5.
Liebes Tagebuch!
Ich habe sie heute wiedergesehen, sie ist wundervoll.
Das, was gestern geschehen ist, kann ich immer noch nicht ganz begreifen. Es entbehrt jeder Logik. Wie konnte Sie mich fragen, ob ich mit ihr gehen will. Ich hätte doch fragen müssen.
Egal, ich bin glücklich mit dem Ergebnis. All die Gedanken, die ich mir gemacht habe sind unsinnig gewesen, wenn ich das heute so betrachte. Es ist doch anders gekommen. Gott sei Dank. Ich will keine weiteren Gedanken mehr verschwenden, der gestrige Abend war eine Lektion. Es nützt nichts, sich den Kopf zu zerbrechen. Manchmal kommt die Lösung einfach so von allein. Schön. Das nennt man Leben.
 
F

filechecker

Gast
Hallo Danwalker,

mir gefällt der erfrischende Erzählstil Deiner Geschichte. Da sieht man dann gerne über grammatikalische "Ausrutscher" hinweg, denn die passieren einem ja selbst immer wieder einmal.

Mein Lieblingsausdruck in Deiner Geschichte:
"Herr Lehmann, der Godfather of Mundgeruch und Atomphysik.."

Gruß
filecheker
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

schließe mich Filechecker an.

Und Du schreibst, finde ich, wie ein Film der abläuft.
Mich stören die Fehler auch nicht.

Sonst weiß ich nicht, was ich sagen soll.

lG
Stoffel
 

Danwalker

Mitglied
"
Und Du schreibst, finde ich, wie ein Film der abläuft"


Und ist das gut oder schlecht oder egal?

Druss, Danwalker
 

Danwalker

Mitglied
Danke sehr, es ist übrigens etwas dran an diesem Filmmäßigem Schreiben, ich ließ mich bei der Handlung ein wenig von Woody Allen-Filmen inspirieren.
 
S

Stoffel

Gast
Hi,

ja, das ist nicht hochtrabend gemeint...
ich kenne seine Filme.

Wenn ein "Film" bei mir abläuft, so wie ein Gedicht Bilder bei mir erzeugt, ist das Geschriebene für mich, schon sehr gut.
Dann stören mich manche Dinge auch nicht.
Ich hab dann auch mehr vom lesen.

Bis dann
lG
Sanne
 



 
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