Talk-Show mit Erkan

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Conny

Mitglied
Ich hatte ihn schon drei Tage nicht mehr gesehen. Versuchte, mir mit oberflächlichen Sachen die Gedanken zu vertreiben. Aber was ich auch anstellte, es half nichts. Die Gedanken an ihn umlagerten mich wie lästige Stubenfliegen. Ich versuchte, etwas Neues zu lernen, lieh mir Bücher über die spanische Sprache aus der Bücherei aus, aber auch das barg keine Linderung. Stundenlang hockte ich da und starrte das Telefon an. Hatte ich denn überhaupt keine Selbstachtung mehr? Ich hatte Sehnsucht nach ihm, auch wenn ich ihn verabscheute. Wieso hatte ich mich mit ihm eingelassen? Lucie hatte mich ja gewarnt. Lass die Finger von Erkan, er ist nichts für dich. Er ist ein Weiberheld. Wer weiß, vieleicht hat er Aids, so wie der sich durch die Betten poppt!
Aids? Erkan, niemals! Er hatte so sanfte, weiche Haut, so rein.
Es klingelte, ich stürzte zur Tür. Das war er, das mußte er sein! Erkan, endlich! Er war es tatsächlich, er stand ganz cool im Türrahmen.
- Na, Baby, alles klar bei dir?
- Ja, komm rein.
Mhm, wie gut er wieder roch, nach Lavendel und Orangen. Ein Parfum, das sein Vater Orkam selbst herstellte. Familie Ötzgul stellte vieles selbst her: Brot, Pasta (sie aßen tatsächlich Pasta), Shampoo, Zahnpasta, Duschgel.
Er setzte sich mit einem Seufzer auf mein neues Zebrasofa.
- Ey, GEIL!, sagte er.
- War auch ziemlich teuer!
- Und haste mich vermißt, Schnecke?
- Wie kommste darauf?
Er grinste, nahm eines der Kissen und drückte es gegen mein Gesicht. War der verrückt geworden, auf Droge oder sonstwas?
- HÖR AUF!
- Haste deine Tage oder was?
- Nö. Aber das ist doch bekloppt!
Enttäuscht warf er das Kissen auf den Boden. Ich stand auf und stellte das Fernsehen ein. Irgendeine Talk-Show. Eine dicke Blonde saß auf einem viel zu kleinen Stuhl und schimpfte einen Jungen an. Der saß seelenruhig neben ihr und grinste sie an.
- Du hast wohl mit der Helga rumgemacht! Du bist `n fieses Schwein, weißte das! Du bist ein Lügendrucker! Sag` doch nur einmal die Wahrheit, einmal nur!
Sie fing fast an zu Heulen. Der Junge tippte sich an die Stirn.
- Und was war mit der Party, auf der du dem Kalle einen geblasen hast, hä? Das hasste wohl vergessen, was? `Ne billige Schlampe bist du!
Die Moderatorin griff ein und versuchte zu schlichten. Erkan war ganz gebannt, er starrte auf das Fernsehen, als hinge sein Leben davon ab.
- Was für `ne Schlampe!, schrie er.
- Was ist los? Du weißt doch gar nicht, wer von den beiden lügt.
Der hatte ja wohl einen Lattenschuß. Wie konnte der einfach die dicke junge Dame beschimpfen! Ich meine, der kannte die nicht mal.
- Das seh` ich der an ihrer Visage an, dass die lügt. Guck doch mal, wie die guckt!
- Wie guckt die denn? Die guckt ganz normal.
Erkan lachte höhnisch.
- Und wie fett die ist! Das sagt doch wohl alles. Dicke haben keine Disziplin, deshalb lügen die eher als Dünne!
- Was laberst du da für `ne Scheiße? Biste bekloppt?
- Nö, du bist nur zu blöd, um das zu kapieren. Aber bist `ne Deutsche, mach`dir nix draus!
Das ging entschieden zu weit. Ich holte aus und trat ihn auf den Fuß, ziemlich heftig. Er schrie auf!
- Ey, du billiges Flittchen, willste gefickt werden?
- Nee, danke, von einem Kümmel bestimmt nicht.
- Ja, das sagt ihr alle, aber dann kriegt ihr die Beine nicht schnell genug auseinander, wenn ein cooler Türke kommt. Sieh es endlich ein! Du bist scharf auf mich.
Ich sagte gar nichts. Was sollte ich schon darauf sagen. Besser schweigen.
Die Dicke im Fernsehen heulte Rotz und Wasser.
- Ich habe dir schon tausend Mal gesagt, dass ich nichts mit dem Kalle angfangen hab`! Er wollte was, aber ich hab` nix gemacht. Gar nix! Nich mal einen kleinen Kuss.
Sie guckte Hilfe suchend zur Moderatorin. Die schüttelte beschwichtigend den Kopf.
- Wieso glaubst du ihr nicht, Thomas. Wenn sie dir doch versichert, das mit Kalle nichts gelaufen ist...
- Nichts gelaufen! Ha! Einen geblasen hat`se ihm! Das ist ja wohl was, oder?
Erkan grabschte sich die Schale mit den Erdnüssen.
- Erdnüsse machen dick, sagte ich.
- Guck mich an. Ich bin ein Traummann.
Er zog seinen Pulli hoch und entblößte seinen Waschbrettbauch. Erkan ging mindestens drei Mal die Woche ins Fitnesszentrum.
- Und hier, fühl mal!
Er hielt mir seinen Oberarm hin.
Ich drückte ihn ein bißchen.
- Tja, Perle. Was jetzt?
Er war sichtlich stolz, seine Augen leuchteten und hatten den gewissen Glanz, der mich immer ganz schwach werden ließ. Sie sahen aus wie flüssige Schokolade, und sein Blick war flehend. Er wollte doch nur ein bißchen Anerkennung, wieso sollte ich ihm die nicht geben? Er hatte es ja auch nicht leicht. Jetzt hätte ich ihn einfach so abknutschen können, aber ich traute mich nicht so richtig. Also rutschte ich nur ein Stück näher.
- Na, doch noch heiß geworden. Ich sag`s dir doch: ich bin unwiderstehlich. Erst gestern haben mich wieder drei geile Weiber angemacht.
- Ach ja?
Er platzte fast vor Stolz.
Die Dicke im Fernsehen schrie:
- ICH BRINGE MICH UM! WENN DU MIR NICHT GLAUBST, BRINGE ICH MICH UM!
Kurz danach kam die Werbung.
- Ey, guck Mal, geil!, rief Erkan und zeigte mit seinem Zeigefinger auf das Fernsehen. Es lief irgendeine Handywerbung.
- Das hol ich mir vielleicht. Cool, oder?
- Jaja.
Türken und Handys, eine unendlich zärtliche Liebe. Ich glaube, Türken lieben ihre Handys mehr als ihre Mama, ihre Anne.
- Du hast ein Scheißhandy, sagte er. Das ist der größte Mist, der auf dem Markt ist! Außerdem ist es viel zu groß und häßlich. Der Mustafa hat das Beste! Was meinste, der hat dafür fast siebenhundert Euro hingelegt! Aber das Teil ist geil, das sag` ich dir, Baby!
Ich zuckte mit den Schultern.
- Ich mach mir nix aus Handys.
- Wird Zeit, dass du ins Altenheim gehst und dich Füttern läßt!, sagte Erkan.
Er meinte das nicht so, ich kannte ihn doch, innen drin war er so weich wie Joghurt.
- Was ist jetzt? Poppen wir, oder nicht?
- Was? Das fragst du mich so einfach?
Er sah mich entrüstet an.
- Denkste, ich bin nur zum Quatschen gekommen? Dafür hab`ich den Mustafa. Mit dem kann ich alles bereden. Oder denkste, ich berede meine Klamotten mit Frauen?
- Könntest du ja mal versuchen.
Er lachte laut auf. Klatschte mir mit der Hand auf meinen Oberschenkel.
- Du bist echt gut, Baby!
Die Dicke war wieder da. Mittlerweile hatte sie sich etwas beruhigt. Ihre Nase war ganz rot und geschwollen. Sie hatte mehrere Taschentücher auf ihren schwabbeligen Schenkeln liegen.
- Geht`s wieder?, fragte die Moderatorin.
Die Dicke nickte und sagte:
- Ja, denk` schon.
- Also, was ist jetzt?, wollte Erkan wissen.
- Ficken oder nicht?
- Nö.
- O.k., dann hau ich wieder ab.
Er stand auf. Bitte gehe nicht, dachte ich, aber ich konnte nichts sagen. Meine Kehle war wie zugeschnürt.
Er öffnete die Wohnungstür.
- Nächstes Mal bring ich ´n Porno mit, damit du in Fahrt kommst, Baby!
Er küßte meine Wange, ich zuckte zurück.
- Machs gut, Baby, aber nicht zu oft.
Er sprang die Treppenstufen runter und pfiff dabei irgendein Poplied. Mir wollte nicht einfallen, welches. Aber ich kannte die Melodie. Er war fort. Die Wohnung leer und kalt.
Ich starrte in den Fernseher. Die Dicke klagte:
- Nur weil ich so dick bin, geht er so mit mir um. Nur weil ich so dick bin.
Sie fing wieder an zu Heulen. Ich guckte an mir herunter. Ich war nicht dick, sondern schön schlank. Warum liebte er mich dann nicht?
 

sammy

Mitglied
Authentisch

Liebe Conny,

du schreibst sehr authentisch. Deine Dialogführung ist gekonnt.
Nur die Schlussfrage gefällt mir nicht. Die würde ich weglassen.

Liebe Grüße
Sammy
 

Conny

Mitglied
Hallo Sammy,

danke für deinen Kommentar.
Den letzten Satz streichen. Mhm....ich weiß nicht so recht. Ich habe versucht, damit die Naivität, aber auch die Hilflosigkeit des Mädchens darzustellen, die ja ziemlich mies von Erkan behandelt wird.

Mich würden andere Meinungen dazu interessieren.

Danke erstmal.


Conny
 
A

Arno1808

Gast
Erkan

Hallo Conny,

ich bin bezüglich des letzten Satzes anderer Meinung als sammy. Dieser Schluß ist das logische Resultat der Geschichte. Deine Erzählerin hinterläßt bei mir einen - um in ihrem Jargon zu bleiben - ziemlich dämlichen Eindruck.
Dass sie gemerkt hat, dass er sie nicht liebt, zeugt zumindest für einen kleinen Restbestand von Intelligenz.

Die Geschichte an sich hat mir, vielleicht gerade wegen des unkonventionellen Stils, recht gut gefallen.
Allerdings muß ich gestehen, dass sie nicht länger hätte sein dürfen und dass ich diesen Stil nur tröpfchenweise mag.

Gruß

Arno
 

Conny

Mitglied
Hallo Arno!

Danke für deine Meinung. Ich weiß, dass dieser Stil vielen nicht so gut gefällt, weil er doch ziemlich krass ist. Von aller Poesie befreit und einfach nur authentisch. Ab und zu muß ich so schreiben. Ich lebe in Gelsenkirchen und es ist meine eigene Sprache. Hier ist alles cool und krass und geil. Ausländer gibt es hier viele, kam aber immer gut mit ihnen aus. Leider gibt es aber auch solche unter ihnen wie Erkan. Und zahlreihe Mädchen, die wirklich so blöd sind wie die Hauptfigur meiner Geschichte.

Grüße

Conny
 

GabiSils

Mitglied
Liebe Conny,

die Geschichte ist gut. *Mit* Schlußsatz; der paßt genau in die beschränkte Denkwelt der beiden.
Man möchte allen beiden eine reinhauen <s>. Gut gemacht!

Gruß,
Gabi
 

Conny

Mitglied
Hallo Gabi

freut mich, dass ich Gefühle in dir erzeugen konnte. :)
Ja, die beiden sind echt ätzend.
Wenn man aber genauer hinschaut, kann man sie auch als Opfer erkennen. Opfer ihrer Standes, der Gesellschaft. Erkan, Opfer der Konsumgesellschaft (Handy Handy) und dem Diktat der Türken: sei ein ganzer Kerl!
Die Erzählerin: ein Mädchen der neuen Zeit, zwischen Selbstbewußtsein und Selbtaufgabe hin- und herschwankend.

Ich glaube, Männer wie Frauen befinden sich derzeit in einem großen Konflikt.
Die Frauen, die plötzlich selbstbewußt und feministisch sein sollen, aber dem Mann doch wie ein Püppchen gegenüberstehen.
Männer, die stark sein sollen, aber gleichzeitig auch Gefühle zeigen sollen. Das ist für viele immer noch sehr schwer.
Beide Rollen definieren sich neu, und doch sehen wir, dass es im privaten Bereich, wenn es wirklich um die Wurst geht, immer noch alles so ist, wie früher.
Zumindest im Innern der Menschen.
 

GabiSils

Mitglied
Liebe Conny,

genau deshalb möcht' man sie ja am liebsten handgreiflich aus ihrer (Opfer) Rolle holen. Das Phänomen ist so neu übrigens nicht; vor dreißig Jahren konnte ich genau diese Szenen, wenn auch in anderem Umfeld, zur Genüge beobachten: Intellektuelle Linke und ihre aufblickenden Verehrerinnen - ein tristes Kapitel.

Gruß,
Gabi
 

Kalle

Mitglied
Gibts doch gar nicht

Hey Conny, was ist los mit Dir? Bist Du die gleiche Conny, die auch die schwache Geschichte Rosen geschrieben hat?. Egal. Die Geschichte ist gut, authentisch. Nur, daß Du nicht zugibst Kalle einen geblasen zu haben, gefällt mir nicht. Warum? Ist doch Ok, Kalle freut sich, Du, freust Dich, was ist also daran zu negieren?.

Gut, nach meinem Geschmack.
Wer wohl, der Kalle. Genau.
 

Conny

Mitglied
Hallo Kalle,

du verwechselst mich mit der Dicken im TV. Die hat Kalle keinen geblasen. ;) Nicht ich.

Ich schreibe unterschiedliche Sachen.
Grundsätzlich neige ich aber eher zu diesem Stil, weil er mehr zu mir passt.

Danke für deinen Kommentar.


Conny
 
M

margot

Gast
conny - geiles photo - ich verstehe auch nicht, warum
erkan dich nicht liebt.
zum text: lesbar.
aber das photo in deinem profil ist echt besser.

ralph
 

Conny

Mitglied
wovon lenke ich ab?
davon, dass du mein Foto geil findest? oder meinen text schlechter, als mein aussehen?
das interssiert mich nur nicht sonderlich.
 



 
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