Marcus Richter
Mitglied
Textklinik
Es war einmal
ein schlechtes Gedicht.
Das reimte sich manchmal
und manchmal nicht.
Aus Liebe zur Liebe schrieb es ein Poet;
es ist große Kunst, weil´s keiner versteht.
Da liegt es nun blutend und stirbt vor sich hin,
es fehlt ihm an Seele und tieferem Sinn.
Es ist massakriert, es wurde zerstört.
"Herr Doktor, die Reime sind einfach passiert
und kein Wort ist da, wo es hingehört!"
"Weg da! Sonst stirbt es noch auf dem Papier!"
Der Doktor desinfiziert ein Schreibgerät.
„Schreiben Sie nichts! Sie hören von mir.“
Das Gedicht sagt: „Ich spüre,
wie´s in mir vergeht,
als ob´s mich entführe."
Die Lebensuhr steht.
Ein Piepen ertönt; es reimt sich nicht mehr
und zeigt auch nicht mehr Reaktion.
„Bringen Sie mir was von Heine her!“,
schreit der Arzt die Reimschwester an.
„Ich lege derweil eine Goethefusion.
Wer weiß, ob man da noch was machen kann.“
Es wird operiert! Es wird malträtiert.
Das Gedicht liegt zerfetzt, zu Tode verletzt
auf einem Tisch, auf dem Hemd von Max Frisch.
Der Arzt scheidet hier, der Arzt scheidet da;
er nimmt ein Symbol, das rettete wohl.
Er nimmt einen Satz von Ringelnatz,
und auch einen Reim von Georg Heym,
einen Zungenbrecher von Johannes R. Becher,
die lyrische Form von Theodor Storm,
die buschige Braue von Hartmann von Aue,
das ganze Gekrakel von einem Herrn Trakl,
von Lessing das Pressing,
den Piller von Schiller,
die Beine Heine,
von Hesse die Fresse,
von Lenz die Tendenz;
zum Zunäh´n nimmt er Lyrikseide
von Walther von der Vogelweide.
Das Werk ist vollbracht,
das Gedicht atmet schwer,
es ist tiefe Nacht;
es reimt sich jetzt sehr.
Der Arzt presst den Dichter an seine Soutane.
„Hören Sie mal, klingt fast wie Fontane.“
Es war einmal
ein schlechtes Gedicht.
Das reimte sich manchmal
und manchmal nicht.
Aus Liebe zur Liebe schrieb es ein Poet;
es ist große Kunst, weil´s keiner versteht.
Da liegt es nun blutend und stirbt vor sich hin,
es fehlt ihm an Seele und tieferem Sinn.
Es ist massakriert, es wurde zerstört.
"Herr Doktor, die Reime sind einfach passiert
und kein Wort ist da, wo es hingehört!"
"Weg da! Sonst stirbt es noch auf dem Papier!"
Der Doktor desinfiziert ein Schreibgerät.
„Schreiben Sie nichts! Sie hören von mir.“
Das Gedicht sagt: „Ich spüre,
wie´s in mir vergeht,
als ob´s mich entführe."
Die Lebensuhr steht.
Ein Piepen ertönt; es reimt sich nicht mehr
und zeigt auch nicht mehr Reaktion.
„Bringen Sie mir was von Heine her!“,
schreit der Arzt die Reimschwester an.
„Ich lege derweil eine Goethefusion.
Wer weiß, ob man da noch was machen kann.“
Es wird operiert! Es wird malträtiert.
Das Gedicht liegt zerfetzt, zu Tode verletzt
auf einem Tisch, auf dem Hemd von Max Frisch.
Der Arzt scheidet hier, der Arzt scheidet da;
er nimmt ein Symbol, das rettete wohl.
Er nimmt einen Satz von Ringelnatz,
und auch einen Reim von Georg Heym,
einen Zungenbrecher von Johannes R. Becher,
die lyrische Form von Theodor Storm,
die buschige Braue von Hartmann von Aue,
das ganze Gekrakel von einem Herrn Trakl,
von Lessing das Pressing,
den Piller von Schiller,
die Beine Heine,
von Hesse die Fresse,
von Lenz die Tendenz;
zum Zunäh´n nimmt er Lyrikseide
von Walther von der Vogelweide.
Das Werk ist vollbracht,
das Gedicht atmet schwer,
es ist tiefe Nacht;
es reimt sich jetzt sehr.
Der Arzt presst den Dichter an seine Soutane.
„Hören Sie mal, klingt fast wie Fontane.“