Tortur de shopping

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Druckmaus

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Die Wende in meinem Leben kam schlagartig. Sie schlug ein, wie der Blitz eines schweren Sommergewitters.
Bis zu diesem Tag verlief mein Leben wie ich es mir wünschte. Den Beziehungsstress vergangener Zeiten hatte ich erfolgreich hinter mir gelassen, und genoss meine Freiheit und Unabhängigkeit.

Eine meiner großen Leidenschaften war der Einkauf. Ich konnte einkaufen was ich wollte, wo ich wollte, wann ich wollte und wie viel ich wollte. Gesunde Lebensmittel und Ungesunde. Nützliche Dinge oder unnütze Sachen.
Kurzum ich vermisste nichts.

Dann kam dieser Tag. Es war der Tag, an dem meine Mutter mir während eines Telefonats beiläufig erwähnte:
“Ach ja..., Kind ich werde zu dir ziehn!“
Bis zu diesem Zeitpunkt trennten uns Fünfhundert Kilometer.
„Dann bin ich in deiner Nähe, vielleicht brauchst du mich
ja mal“ ,führte sie weiter aus.
„Schließlich wirst auch du immer älter. Es stört dich doch nicht oder?“
Mit diesen Worten beendete sie das Gespräch. Ich saß am Schreibtisch und starrte minutenlang mit offenem Mund auf den Hörer, den ich immer noch in der rechten Hand hielt.
Zwei Monate später begann mein neues Leben.
Jetzt trennen uns Fünfzig Meter.

Erste Rituale bestimmen nach vier Wochen bereits meinen alltägliches Leben. Ein Brauch ist der Einkauf im Supermarkt.
Gemeinsam schieben wir, jeden Freitagmittag, um dreizehn Uhr, den Einkaufswagen, durch den einzigen Supermarkt am Ort, entlang an den endlos erscheinenden prallgefüllten Regalwänden.
Im Schneckentempo erobern wir systematisch Haushaltswaren, Backwaren, Waschmittel, Teigwaren, Spirituosen, Konserven, und die Käsetheke.
„Kind wir haben doch Zeit“ , schön langsam, ich will mal in Ruhe einkaufen gehen.“ Mit diesen Worten leitet meine Mutter jeden Freitag dieses Kuriosum ein.

Ich bin gestresst, es ist Freitag, und ich würde lieber auf der Couch liegen.
Unablässig schaue ich auf meine Armbanduhr, und hibbele nervös von einem Fuß auf den anderen.
Bei diesem Einkaufstempo überwältigt mich eine bleiernde Müdigkeit. Ich lege vorsichtig Tempo zu, in der Hoffnung sie merkt es nicht, und schlendere schon mal zwei Regale weiter zu den Nudeln.
Ich habe meinen Einkaufsplan im Kopf und weiß was ich will.
Pasta, ist mein Leibgericht und ich halte mehrere Packungen in den Händen, als Mutter mit samt dem Wagen um die Ecke biegt.
„Kind, Nudeln du kannst dich doch nicht nur von Nudeln ernähren.“
Mit dem Gefühl erwischt worden zu sein, lege ich die Packungen sorgfältig wieder zurück in das Regal.
„Schau mal, Kind, da vorn am Gemüsestand gibt es Kartoffeln, Sieglinde, im Angebot, die sollten wir mitnehmen. Ich kann uns Bratkartoffeln machen, oder möchtest du lieber einen Auflauf?“
Eigentlich möchte ich gar nichts dergleichen und gehe schweigsam weiter.
„Wie, ruft Mutter hinterher, essen wir denn heute nicht zusammen?“
„Äh, vielleicht am Wochenende“ , erwidere ich, in der Hoffnung sie hat es bis dahin vergessen.

Ich haste weiter zum Käsestand, denn ich brauche noch Mozzarella.
Mozzarella, Tomaten, und frisches Basilikum, mir läuft das Wasser im Mund zusammen, dass gönne ich mir heute Abend.
Sie hastete pustend mit dem Einkaufswagen hinter mir her.
„Kind Mozzarella, hm, in der letzten Fernsehzeitung, habe ich gelesen, das dieser Käse gar nich so gesund sein soll.“
Ich lege den Mozzarella wieder ins Kühlregal, und halte nach einem anderen weniger belasteten Käse Ausschau.
„Hier“, meine Mutter hält triumphierend eine Sorte in der Hand, die ich nicht kenne.
„Nur Sechzehn Prozent Fett“ , sagt sie und inspiziert meine Figur über ihren Brillenrand hinweg.
„Das ist genug“ ,fügt sie entschlossen hinzu, und so wandert der Käse in den Einkaufswagen.

Bei den Fleischwaren, schaue ich vorsichtig nach rechts, und nach links, aber Mutter ist nirgendwo zu sehen, ich wage es, und bestelle flüsternd eiligst zwei Schweineschnitzel.
„Kind, Schweineschnitzel sind viel zu fettig, außerdem solltest du nicht so viel Fleisch essen“ , schallt es in diesem Moment hinter mir.
„Vielleicht, mageres Rindfleisch“, frage ich zögernd.
„Haste denn noch nix von BSE gehört“ ,ruft Mutter entrüstet.
„Lassene se ma junge Frau, wir nehmen zwei Hähnchenschnitzel, die sind mager und gesund.“

„Irgendwie brauche noch was Süsses“ , fährt es mir ungewollt aus dem Mund.
Ich eile zu den Süßwaren.
Mutter eilt samt Einkaufswagen hinterher.
Ich angele gerade nach einer Tüte Chips, als sie ärgerlich ruft:“ weißt du wie viele Kalorien die haben, schau dich doch mal an“, sie unterzieht meinen Hüften einem prüfenden Blick.
Zwei junge Männer bepacken sich mit sechs Tüten Erdnussflips und ziehen grinsend an uns vorbei.
„Ich muss noch mal zurück zu den Kühlregalen.“ Sie läuft mit dem Einkaufswagen eilig zurück. Ich laufe trotzig hinterher.

„Kind, das solltest du auch essen, Jogurt, der ist gesund!“ Sie packt zehn Becher fettarmen Jogurt in den Wagen.
„Ach ja, für Moritz müssen wir auch noch einkaufen.“
Mutter schiebt mit ihrem Einkaufswagen zum Tierfutterregal.
Sie packt entschlossen acht Dosen Katzenalleinfutter verschiedener Sorten und vier Tüten teure Nascherein für den Stubentiger in den Wagen.
„Mutter, das ist für den Kater nicht gesund, und außerdem gewöhnt er sich an solche Sachen“ ,rufe ich entsetzt.
„Ach Kind, das arme Tier, er solls doch gut haben.“ Schnell wirft sie noch ein quietschendes Plastikspielzeug dazu.
Nach zwei endlos erscheinenden Stunden bewegen wir uns
gemeinsam in Richtung Kasse.

Heute lebe ich von fettarmen Jogurt, er schmeckt mir wie Wasser, aber er ist gesund.
Mein Lieblingsgemüse, Tomaten, habe ich verächtlich aus meinem Leben verbannt, wegen der drohenden Gichtgefahr. Auch die verschiedenen Geschmacksrichtungen von Chips erinnere ich nicht mehr. Schokoladenriegel kenne ich inzwischen nur noch aus der Fernsehwerbung. Dafür füllen Berge von Äpfeln, sie sind gut für die Verdauung und leicht verdauliches Gemüse meine Küche.

Mit jedem Einkauf beneide ich meinen alten Kater mehr.
Mein Leben hat sich verändert.
 



 
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