Tot geschüttelt

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Sta.tor

Foren-Redakteur
Tot geschüttelt


Ich muss heut nicht im Grauen schuften,
hab Zeit sie anzuschauen: Gruften!

Bin schließlich Fan von Leichen, Toten.
Man kann sie auch in Teichen loten.

Doch schau ich mir die Trauerschau
weil ich noch meinem Schauer trau

am liebsten an in hohlen Gängen,
wo Knochen von Mongolen hängen.

Auch das Skelett von Otto Maus
liegt dort nach einem Motto aus,

dass selbst der Dümmste gar versteht,
dass man nicht nur als Star vergeht.

Die Führerin ins Totenreich
führt mich vorbei am roten Teich

vom Eingang, hin zu Hammerstellen
die einen Säulenstamm erhellen.

Der ist gespickt mit Leichenrippen.
Nichts zeugt hier mehr von reichen Lippen

die einstmals nippten Badenwein.
Mein Blick fällt auf ein Wadenbein,

gekreuzt mit einem Oberschenkel.
Bekam auch Friedrich Schober Enkel?

Nun liegt er hier, ist sehr vergammelt.
Ich spüre den Begehr. Versammelt

hat sich in schaurig’ Schabengruft
doch schon so mancher Grabenschuft.

Da fällt mir ein, in blanken Tüten
erstand ich nach dem Tanken Blüten

von Blumen rot, was Bleiche lieben,
wenn die bei ihrer Leiche blieben.

Ich kram hervor die Nelken wieder,
leg duftend sie zum welken nieder.

Doch strömt durch die verlässlich’ Gruft
ganz unvermittelt grässlich’ Luft.

Da! Das Gebein „Graf Rubenstein“
erscheint mir nicht grad ‚stubenrein’.

„Weshalb klebt hier am Torso Kot?
Ist nicht der ganze Korso tot?“,

frag ich die Frau. Ihr weicht die Glut.
Ein kleiner Satz begleicht die Wut.

Sie schließt verschämt die weichen Lider.
Ihr Wort schallt von den Leichen wider:

„Hast du am Arsch erst keine Backen,
musst du durch die Gebeine kacken.“
 
H

Heidrun D.

Gast
Trotz der vielen "bösen" Wörter (oder etwa wegen???) gibts`s von mir eine glatte 10.

Ich weiß, wie schwierig es ist, gute Schüttelreime zu finden & noch lustige dazu ...

Das Mützchen schwenkt und Ohrenschützer lüftet:
Heidrun


Schön auch, dass du wieder unter uns weilest, o StaTor. Deine Unverschämtheiten fehlten mir in der LL. :D
 
Dies gefällt mir aber sehr gut sehr,
vielleicht mal hoffentlich gibts davon mehr ...

(das gefällt mir so gut, ich drucke es mir aus!)
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Vielen Dank für die freundlichen Kommentare und Bewertungen.
Hätt ich nich jedacht.:D

Viele Grüße in die Runde

Sta.tor
 

Vera-Lena

Mitglied
Wahnsinn! :)

Die vielen Schüttelreime, alle astrein, dann ein durchgängiges Thema, metrisch alles korrekt und dann auch noch eine Superpointe!!!!!

Von mir "gefühlte" 12 Punkte, meine Wertschätzung und meinen Glückwunsch.

Vera-Lena

PS.: Was sich Herr oder Frau Anonymus bei den 5 Punkten gedacht hat, ist mir ein Rätsel.
 
H

Heidrun D.

Gast
In memoriam Hai-Kuh

Eben bei yahoo gefunden:

[blue]
Ungebetener Gast

Ein Hai hat in Australien eine Trauerfeier für ein Hai-Opfer gestört.
[/blue]
Ich schmeiß mich weg ... gut für einen neuen Text!
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Aber Hallo :)

das ist ja heute hier wie Geburts-, Namens- und Vatertag auf einmal.

Vielen Dank nochmal.
Schön, dass hier noch einige Spaß verstehen, obwohl der Titel wahrscheinlich wieder Schlimmstes vermuten ließ:D

Liebe Grüße
Sta.tor
 

Vera-Lena

Mitglied
Nö, lieber Sta.tor,

bei dem Titel sah ich einen Barkeeper vor meinem inneren Auge und hörte den ungeduldigen Gast sagen: "Es hat sich auch schon mal jemand totgeschüttelt.:D
 

erbsenrot

Mitglied
Aber Hallo

das ist ja heute hier wie Geburts-, Namens- und Vatertag auf einmal.

Vielen Dank nochmal.
Schön, dass hier noch einige Spaß verstehen, obwohl der Titel wahrscheinlich wieder Schlimmstes vermuten ließ

Liebe Grüße
Sta.tor
Lieber Stator,

nimm's einfach hin! Hier ist dir ein besonders schönes pechschwarzes Meisterwerk gelungen und das muss belohnt werden! Einfach Klasse! :D

Liebe Grüße
erbsenrot
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Der rege Zuspruch und die unverschämt guten Wertungen, haben das Werk im Ranking auf Platz eins katapultiert.
Dafür noch mal vielen Dank.

Gleichzeitig möchte ich mit diesem Gedicht an den Großmeister des geschüttelten Unsinns erinnern, nämlich an einen gewissen Steffen H., besser bekannt als Lachmalwieder. Seine absolut genialen Gedichte sind es immer wieder mal wert nachgelesen zu werden.

Viele Grüße

Sta.tor
 
I

Iphi

Gast
Also ich hab im Moment gar nix, aber auch wirklich gar nix zum lachen. So'n richtig dämlicher Tag. Aber DAS Gedicht hier hellt wirklich Herz und Seele auf. Danke! Und fix 'ne 10!
 
D

Dominik Klama

Gast
Ich habe, zwar nur ganz flüchtig und schnell, reingeschaut in das eine oder andere frühere Werk von Sta.tor. Und da scheint es mir angemessen zu bemerken, dass es nicht notwendig immer „ein Gedicht ist, wenn es sich reimt“. Sta.tor mag diese sehr klassischen, etwas altertümlichen Gesetzmäßigkeiten von Versfüßen (vierhebiger Jambus) und gnadenloser Folge von Paarreimen: A - A - B - B - C - C - usw. So eine unheimlich alte, deswegen auch etwas abgenutzte Form bekommt aber leicht einen Beiklang des Komischen, des Parodistischen. Den sie in diesem speziellen Fall auch ruhig haben darf. Das Gedicht will ja wie eine Kinderreimerei wirken. Es will auf groteske Art komisch sein, was die Zeilenenden mit ihren Schüttelreimen deutlich zum Ausdruck bringen: Badenwein und Wadenbein, gar versteht und Star vergeht, Nelken wieder und welken nieder...

Aber wer eine so rigide Reglementierung seines Schreibens für sich wählt, muss sich gefallen lassen, pingelig auf jegliche kleine Unsauberkeit, jeden winzigen Regelbruch aufmerksam gemacht zu werden.

„Da! Das Gebein Graf Rubenstein“ ist zum Beispiel kein guter vierhebiger Jambus. Als Ausruf und als Ein-Wort-Satz kann „Da!“ gar nicht anders als betont gesprochen werden. Es müsste an dieser Stelle aber eine akzentlose Silbe stehen. „Da! Das Gebein...“ kann nur so gesprochen werden: ’- - ’. Schiebt zwischendurch einen Trochäus mal eben also ein.

Und auch mit den Schüttelreimen passt es nicht immer. Wen wundert’s? Ich sage ja nicht, dass mir selbst da immer welche eingefallen wären. Aber ich hatte es auch nie drauf angelegt, so einen Text zu erzeugen! „Hammerstellen / Säulenstamm erhellen“ ist erzwungen. „Weicht die Glut / begleicht die Wut“ ist nicht gut. „In hohlen Gängen / von Mongolen hängen“ ist ebenfalls alles andere als perfekt.

Dagegen, das ist gerade der Effekt von so launigen Schüttelreimgedichten, nehmen komische, kleine Überraschungen, bei denen man das Gefühl hat, selber wäre man nie darauf gekommen, für sich ein: „von Leichen, Toten / sie auch in Teichen loten.“ Das ist gutes Amüsement. Leider geht das Sprachspiel hier mit einer inhaltlichen Schwäche einher. Jemand hat uns gerade erklärt, dass er gerne in Gruften unterwegs ist (Grüften? Word unterschlängelt es nicht im Gegensatz zu Gruften), um sich Leichen anzusehen, und legt nach, auch in Teichen finde man sie öfter. Das wirkt gezwungen. Und so viele Teichleichen wird es auch nicht zu finden geben, denke ich. Die Wirkung, die solche formale Spielerei immer hat, wenn man sie nicht überaus perfekt beherrscht: Die Form geht auf Kosten des Inhalts! „Badenwein / Wadenbein“, „Nelken wieder / welken nieder“. Ja! Wenn es so nur immer wäre!

„Hast du am Arsch erst keine Backen,
musst du durch die Gebeine kacken.“

Nein, mag ich gar nicht! Sind die letzten beiden Zeilen, also wohl das, was der Autor sich als seinen größten Clou dachte, bevor er sein Publikum verlässt. Arsch, Arschbacken, kacken. Ich behaupte ja gar nicht, dass man so eine Sprache nicht in Literatur verwenden sollte! Aber dann sollte sie vom „Geist der Werkes“ bzw. von der beschriebenen Situation (ich selbst schreibe Geschichten, da spielt das eine Rolle) gefordert sein. Das ist sie hier nicht. Erst war es ein schwarz-humoriger Horror-Bänkelsang (und die Geister von densölben spuken nachts in den Gewölben), nun, ganz zum Schluss wird es eine Exkrementenschweinigelei. Und warum? Weil der Klang der Wörter, also die Form, es gebot, der Inhalt letztlich nicht so wichtig war? Inhaltlich ist das sowieso völlig absurd: Tote verdauen nichts. Hätte der Autor auf solche „graphic details“ tatsächlich Wert gelegt, hätte er wohl besser Zuflucht zu Maden und verrotteten, stinkenden Fleischteilen und auslaufenden Augäpfeln genommen als zu Kot. (Reimt sich halt gar zu gut auf „tot“, kann man einfach nicht umkommen lassen, nicht wahr?)

Ich erlaube mir, die Form zu ignorieren, die Inhalte in geglätteter Form zu referieren: „Nach dem Motto, dass nicht nur Stars vergehen müssen, was übrigens selbst dem Dümmsten klar sein dürfte, liegt dort das Skelett von Otto Maus.“ Aha. Aha? Wer ist Otto Maus? Kenne ich den? Ein Star? Etwa der Sohn vom Minnie Mouse? Oder: eben nein, kein Star! Warum dann Otto Maus? Hab ich noch nie gehört, heißt doch immer Otto Normalverbraucher. Und okay, jeder muss sterben, auch der Normalste. (Warum sollten Durchschnittliche schwerer sterben als Ungewöhnliche?) Einverstanden, aber was ist an dieser Stelle der Anlass, an Stars (oder Sterne) zu erinnern? Stars und Sterne sind ständig am Sterben? Hm.

„Die Führerin vom Totenreich führt mich zu Hammerstellen, die einen Säulenstamm erhellen.“ Kapiere ich nicht. Unter Hammerstellen, stelle ich mir entweder ganz toll dotierte Jobs oder aber Stellen vor, auf die ein Hammer geschlagen hat. Beide machen nicht hell, wenn es Nacht wird in Paris.

„Ich spüre den Begehr.“ Ist der männlich? Bei mir wäre er sächlich. Aber welchen denn? Das Begehren von Friedrich Schober? Mein eigenes? Schober, der ein Grabenschuft ist? Grabenschufte, wonach steht deren Begehren denn so?

Wenn mir einer anfängt, zu raunen von so etwas, muss der ja nicht, dann will ich auch wissen, was Sache ist!

Immerhin: Klasse Titel.
 
Eh, Quatschtante!

Kauf dich mal ´n Autowagen und denn noch son Ding,
womit man telefoniern kann,
son Telefon weeste,
damit kann man denn Leute anrufen.
So Leute weeste,
die man so kennt eben
und mit die man umme Häuser zieh‘n kann.
Inne Kneipe gehn und so.
Oder mit’n Autowagen durch de Gegend brettern.
Bloss einfach so,aus Spaß,
mit Scheiben runter und Radio auf volle Pulle.
Denn wird so geredet über Andere und so.
Und wenn die Bullen kommen,
einfach Gas geben-
und denn noch so rumhängen und kein Computer an.
So leben einfach,
einfach leben,
ohne denken und son Quatsch,
sich besaufen und Weiber aufreißen
oder was auch immer.
Mach ma, dit ist schön,
manchmal is fallen lassen schöner als so schreiben verstehste?
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
wow, Dominik Klama,

das musste ich mir erst mal schnell ausdrucken, damit ichs mir an die Pinnwand heften und jeden Morgen mit einem Lächeln lesen kann. Wirklich große Satire, nur befürchte ich, das wolltest Du gar nicht.
Du wolltest vielmehr ernsthaft mein Schüttelreimgedicht kritisieren. Leider versuchst Du Dich da ausgerechnet an einem Typus, der soweit außerhalb der gängigen Regeln steht, wie kaum ein anderer.
Die gereimte Lyrik bietet dem Dichter ein breites Feld der Betätigung. Vielfältige Reimformen können benutzt und mannigfaltige Stimmungen bedient werden. Versstruktur und Strophenaufbau ordnen sich dabei idealerweise dem Reimschema unter. Mal strenger, mal lockerer.
Die Spaßlyrik ist z.B. ein typischer Vertreter der gereimten Lyrik. Sie bedarf der gereimten Form, um gerade durch den spielerischen Einsatz der Endreime, verblüffende oder amüsante Verskombinationen und Pointen zu erzeugen. Der Leser wird also weniger von streng logischen Sachverhalten angesprochen, sondern von witzigen Drehungen und Wendungen. Oder von unerwarteten Spitzfindigkeiten.
Der Schüttelreim ist nun so eine Variante der Spaßlyrik. Er ist sehr anspruchsvoll in der Erstellung, hat aber nicht den Anspruch besonders tiefgründig zu sein. Natürlich, die Königsklasse ist der Schüttelreim in einer geschlossenen Handlung, aber diese beiden Komponenten zu vereinen ist sehr schwierig. Wenn dann noch der Anspruch auf völlige logische Korrektheit zugrunde gelegt wird, ist so ein Gedicht nicht machbar, oder, wenn doch, wahrscheinlich völlig unlustig und wird vom Leser nicht beachtet. Die kleinen Unlogikkeiten und Worterfindungen machen den Reiz des Schüttelreims aus, sind Stilmittel und höchst erwünscht. Ein Spaß eben.

Versuchs doch selber mal, fang mit einem selbst erdachten, zusammenhängenden, sinnvollen Vierzeiler an, dann sechs, dann acht, usw.
Wenn Du mindestens 20 Verse zusammen hast, die dann auch noch eine zusammenhängende Geschichte halbwegs glaubhaft rüber bringen, wobei besonderer Wert auf den sauberen Schüttelreim, sprich identische Buchstaben bei den vertauschten Wörtern, zu legen ist, DANN, ja dann gehörste zu denen, deren Kritik ich zu diesem Thema hier ernst nehme.


Sta.tor, steht auch auf junge Dinger, aber anders :D
 
D

Dominik Klama

Gast
Nun gut. Tatsächlich lese ich selten komische Lyrik im Allgemeinen und Schüttelreime im Speziellen. Wie ich schon sagte, habe ich keinerlei Ambitionen, selber dergleichen zu erzeugen. "Aber ich muss doch kein Koch sein, um zu wissen, ob mir das Schnitzel schmeckt!", sagt man da immer. Und, nun gut, ich könnte natürlich auch zwei Zeilen schreiben: "Find ich superkomisch. Mach weiter so!" oder "Naja, mir gefällt das aber nicht." Finde aber, das ist nicht der Sinn von Antworten, die "tiefere Analyse" angeklickt haben. Da es mir ganz spontan nun mal nicht zusagte, kann ich nicht schreiben, was so toll dran war. Sollte aber gut begründen, was vielleicht nicht so toll dran war, wie bisher alle sagten.

An Lyrikern scheint auf der Welt ja kein Mangel zu sein. Ich habe in meiner Antwort zu Presque Riens "Frühstück im Bett" vom Vortag zwei lyrische Zeilen getextet. Und finde, für meine Verhältnisse reicht das erst einmal.

Aber talentierte Schreiber wie oben der Spätschreiber können das statt meiner tun. Sein Text ist für eine "Antwort" viel zu schade, den sollte er als "Werk" veröffentlichen.
Ich habe übrigens tatsächlich weder Handy noch Auto. Und labere lieber beim Schreiben als am Telefon. Ich finde, allein schon, weil es nachher stehen bleibt und nachgelesen werden kann, zwingt einen das Schreiben zu einer produktiven Disziplin, die "einfach leben und labern" so nicht hat. (Aber finden das denn nicht alle Schriftsteller?)
 



 
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