Trachten statt schlachten.

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pleistoneun

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Ich hab sie alle wiedergesehen: den Herrn Bauern, seine Frau und den Latzhosen-Hermann. Prototypen, Vertreter einer gesellschaftlichen Randgruppe, sozial Ausgegliederte. Das Bild des Ungemochten sieht so aus: ungepflegtes Äußeres, Latzhose. So sehen sie aus. Jene, die ich heute alle wiedergesehen habe. Ich erinnerte mich an die Situation damals, als ich die Straße betrat, durch die Hintertür, damit ich nicht in den Verkehrsbetrieb gerate. Dort hinten standen sie alle und warteten auf mich. Der Bauer, die Frau und Hermann. Der Landwirt strickte seine Ärmel hoch, als er mich sah und ich meinte zu erkennen, dass auch Latzhosen-Hermann seine Ärmel schon oben hatte. Die Rolle der Frau schien sich - zumindest in ärmeltechnischer Hinsicht - von den beiden anderen Figuren abzuheben. Keine Latzhose, sauberes Damenhemd. Aber etwas an ihrem Äußeren, schien auch sie vom Klischee, dem sie angehören sollte, abzuheben. Es waren ihre gierigen Augen, die mich fixierten, ihr Gesicht - so blutlos und gespenstisch. Dunkle Gruben waren dort, wo Hunde einem hinblicken, wenn sie ein Stückchen Holz abortieren wollen, um dem Herrchen zu zeigen, dass es noch nicht Zeit ist, eingeschläfert zu werden. Ja, der Hund merkt, wann es mit ihm zugrunde geht und er kämpft mit müden Knochen sehr viel länger als das Schwein, das wohl gar nur sehr selten altersschwach wird. Das Schwein spürt den herannahenden Tod nicht. Es frisst bis zum allerletzten Atemzug und schaut dann etwas fragend in den Lauf des Schlachtschussapparates, noch fragender wohl, wenn dann das Leben dann im Zeitraffer vorüberzieht - eine einzige Fressorgie.

All diese Gedanken kamen mir, als ich sie allesamt wiedersah: den Polizisten, der nun mit dem Hochgekrempeln seiner Ärmel fertig war, die fahlgesichtige Frau mit dem schwarzen Star und Latzhosen-Hermann, der Gehilfe. Sie hatten mich längst entdeckt und sie wussten auch, dass ich sie als gesellschaftliche Randgruppe verachtete und mich ungesehen davonmachen werden würde. Wie Hunde wittern es, wenn des Nächtens draußen Fremde ums Haus schleichen, das Scheunentor nicht zugezogen ist oder ein naher Verwandter stirbt. Und er bellt, will das Herrchen wecken, ihn munter machen, um ihm zu zeigen, dass er ein guter Wachhund ist und ihm nichts entgeht, wenn etwas passiert. Schweinen dagegen ist das alles schnurzegal. Schlafend träumen sie von den Leckerbissen des nächsten Tages. Auch wenn es für sie keinen nächsten Tag mehr gibt, wenn sie früh morgens abgeholt werden - vom Bediener des Schlachtschussapparates. Schweine sind da wohl etwas einfältiger als der Hund.

Dieses schwere Gedankengut schoss mir noch durch den Kopf, ehe ich mich endlich aufraffen konnte, mich an den drei Witzfiguren vorbeizuzwängen. Mein Plan war der schmale Schlurf links außen. Entschlossen und zielsicher beschleunigte ich den Schritt zu dem Durchgang und ich hatte es schon beinahe geschafft, vorbei am asozialen Dreierpack, da fasste mich der Bauer, ja ich glaube der Bauer. Mit eisernem Griff umklammerte er meinen Hinterlauf und verhinderte meine Flucht. Und ich glaube der Hermann wars, der mir den Schlachtschussapparat ansetzte, abgedrückt hat die Frau, soviel ich weiß. Kurz darauf hab ich von sehr viel Essen geträumt.

Ich war dann im Schweinehimmel und traf dort neben alten Artverwandten aus vergangenen Leben viele Landwirte, deren Frauen und Gehilfen. Auch sie landeten wie wir Schweine im Schweinehimmel. Es war schrecklich. Denn obwohl ihnen am Himmelstor alle Waffen abgenommen wurden, trachteten sie uns hier weiter nach unserem Leben. Trachten statt schlachten war hier der sportliche Gedanke.

Und obwohl Schlachtschussverbot im Himmel herrschte, muss gesagt werden, dass diese himmlischen Begegnungen uns trotz unserer Einfältigkeit nie die Angst davor nehmen konnten, wenn wir erst wieder frei von Sünden an den Start des Lebens gehen würden, denn die Schlachtschussrollen werden wohl wieder sehr einseitig verteilt sein.
 



 
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