Traumpflückerin

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Mara Krovecs

Mitglied
Traumpflückerin


- Sie war seltsam -

stand unter der Linde
und blinzelte
in das Funkeln der Sonne
zwischen den Blättern
hob ihre alten Arme
fischte in die Luft
und aß, was sie gefangen hatte
„ ich esse die Sonne „
sang sie und tanzte


- Sie war seltsam -

ging all ihre Wege
pflückte die Luft
auch über den Seerosen
zwischen den Schwänen
griff sie nach den Federchen
blies den Löwenzahn
als das Frühjahr noch Wunder streute
„ ja ich pflücke Träume“
so lächelte sie.


- Sie war seltsam -

Selbst ihr Tod war Magie
auf der Wiese
im Tau, zwischen den Blüten
klein und zerbrechlich
ein Kranz aus Gänseblümchen
noch in ihrer Hand
ein entrücktes Lächeln im Gesicht
auf den jungen Lippen
dieser alten Frau.
 
Hi Mara,

ich gebe zu, ich las den Titel "Traumpflückerin", erwartete schwärmerische Poetisierung und wollte mein Vor-Urteil beständigt sehen und fand es wunderbarerweise widerlegt.

Ich finde zwar, dass der Titel romantisierend und poetisierend wirkt (Traum ist ja ein so schwieriges, weil unendlich oft benutztes Wort in der Lyrik in nahezu allen Kombinationen), aber das Gedicht ist eine gekonnte, anteilnehmende und doch nicht distanzlose Schilderung der alten Frau mit den jungen Lippen.

Man spürt die Sympathie und trotz der (sehr) lyrischen Grundstimmung gerät das Gedicht nicht in die Nähe der Banalität ("Gänseblümchen" sind natürlich auch sprichwörtlich für gewisse Lyriktendenzen, also nicht ganz unbedenklich. Könnten es nicht auch andere Pflanzen sein? Disteln? Löwenzahn? Was weiß ich.)

Tolle Poesie! Bravo!

Danke für diese seltsame Alte. Für die Luftpflückerin mit den jungen Lippen.

Beste Grüße
 

Vera-Lena

Mitglied
zufrieden

Liebe Mara,

wunderbar wiedergegeben die alte Frau,die mit sich selbst zufrieden ist und dementsprechend einen friedlichen Tod sterben durfte.

Liebe Grüsse Vera-Lena
 
M

mako

Gast
Hallo, Mara,

sehr stimmungsvolle Bilder in Deinem Gedicht und ein schönes Plädoyer für all die seltsamen und kauzigen Menschen, die in unseren Augen so sind, weil wir sie nicht verstehen (wollen).

Gefällt mir sehr gut.

Lieben Gruß
Mako
 

Mara Krovecs

Mitglied
Lieber Vivian,

wir alle kennen sie, die träumenden Wesen, oft geschmäht,
belächelt doch in unserem Inneren wissen wir um ihre liebenswürdige Zerbrechlichkeit..........
und sie sind es, die für immer tief in unserer Erinnerung bleiben;

Seengrüße und ein Lächeln Mara :)
 

Mara Krovecs

Mitglied
Lieber Monfou Neuveau,

ich habe mich über Deinen Kommentar wirklich sehr gefreut;
Du hast wunderbar überschaubar geschildert was Dir daran
gefallen hat und worüber Du Dir während des Lesens Gedanken
gemacht hast.
Das Wort "Traum" ist bestimmt in hunderten von Variationen benutzt worden; mir geht es damit ähnlich wie mit Lavendelseife oder Parfüm: es riecht nach alten Zeiten, nach Nahtstrümpfen und Nachthäubchen und man stellt sich grauhaarige Damen damit vor..................
aber dann entdeckte ich wie wundervoll lila der Lavendel sein kann und wie unschuldig duftend.

Die Gänseblümchen sind in der Tat sehr klischeehaft.
Aber irgendwie so herrlich kindlich; im Alter von fünf, sechs Jahren habe ich meine ersten Blumenkränze geflochten,
aus Gänseblümchen natürlich *gg*

Ich danke Dir, Monfou Neuveau, L.G. Mara :)
 

Mara Krovecs

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

so wie die alte Dame im Leben immer etwas sah, was andere nicht sehen konnten und wollten,so sah sie gewiß auch im Tode über allgemeine Grenzen hinaus, so konnte sie lächeln.


Ganz liebe Grüße aus meinem Norden Mara :)
 

Mara Krovecs

Mitglied
Lieber Mako,

ja,die kauzigen Wesen bleiben stets lange in unserer Erinnerung;
sie sind wie wunderbaren Lichter an unseren manchmal grauen Himmeln.
Danke für Deine Worte und liebe Grüße Mara :)
 



 
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