Trude

MarenS

Mitglied
Trude

Sie ist sicher schon achtzig Jahre alt, eine kleine Frau, die hellen Haare zum obligatorischen Knoten am Hinterkopf zusammengezwirbelt, das Gesicht wie ein Winterapfel, runzlig mit roten Bäckchen. Der Schalk hat viele Grinsefalten eingegraben. Meist trägt sie weite blaue Arbeitshosen. Des is bragdisch, verkündete sie einmal über den Zaun, viel bragdischer als wie so Röck.
Ihr Leben scheint aus dem Bestellen des Gartens zu bestehen. Alles gelingt ihr, alles wächst. Die jahrzehntelange Erfahrung trägt wohl genauso dazu bei, wie ihre Einstellung: Man muss sei Zeich in da Ordnung hebbe un wann mer nix mocht werds a nix.
So sieht man sie in aller Frühe werkeln, die Sense geschultert oder auf hohen Leitern herumturnen, selbst der uralte, haushohe Kirschbaum stellt für sie bestenfalls eine Herausforderung dar. Der Kirschbaum, der noch aus ihren Kindertagen stammt, in Kriegszeiten durch Handel und Tausch über die Nachbarn erhalten. Zwei Kirschbäume wurden damals bestellt. Den geraden, schön gewachsenen behielten die Nachbarn, den krummen, verwachsenen bekam ihre Mutter. Die wehrte sich nicht dagegen, wer war man denn schon?
Die Zeit zeigte, dass der krumme, schiefe Baum die wunderbarsten Herzkirschen in großen Mengen trug, während der Nachbarsbaum eine kleinere, weniger gute Sorte trug, erzählt Trude mit Grinsen und die Schalkfältchen vertiefen sich in ihrem Gesicht.

Kirschenzeit. Trude saß in ihrem Kirschbaum um zu ernten und erspähte durch das Laub unten an der Gartenpforte eine der gefürchteten Tratschtanten des Dorfes. Trude verhielt sich mucksmäuschenstill und wartete ab. Die Frau betrat den Garten und klopfte an die Hintertüre. Nichts. Sie rief. Nichts. Sie schaute sich um, rief abermals. Trude hockte im Kirschbaum und rührte sich nicht. Schlussendlich gab die unliebsame Besucherin auf und verzog sich, nicht ohne bissige Bemerkungen über offenstehende Küchenfenster und Abwesenheit von sich zu geben. Trude saß ungerührt im Kirschbaum und feixte. Sie muss damals so um die 70 gewesen sein.

Eine Beerdigung auf dem Dorfe zieht pflichtschuldig die halbe Bevölkerung an. Der Rest kommt aus Neugier. Trude fühlt sich verpflichtet, verkündet sie im Vorübergehen, er sei ein Schulkollege gewesen. Blumen für ins Grab müsse sie kaufen im Garten wachse noch nichts so früh im Jahr. Aber sie ginge zum Supermarkt, dafür, dass die Blumen unter die Erde kämen taugten sie allemal genug.
Hausverstand hat sie. Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt.

Eine Freundin von mir hat ihr vor kurzem von ihrer geplanten Reise nach New York erzählt. Trude war schon da. Auf einem Trip durch die USA, vor ein paar Jahren. Sie besichtigte Ground Zero und fiel den Cops unangenehm auf, weil sie jeden Morgen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle auf einer Bank ihr Frühstück aß. Dabei hatte sie ein besonders imponierendes Gebäude einer Finanzgruppe betrachtet, sie musste den Ausweis zeigen, wurde befragt.

Sie war auch schon in Frankreich, Skandinavien, Russland und...


12. August 2008
MarenS
 

MarenS

Mitglied
Trude

Sie ist sicher schon achtzig Jahre alt, eine kleine Frau, die hellen Haare zum obligatorischen Knoten am Hinterkopf zusammengezwirbelt, das Gesicht wie ein Winterapfel, runzlig mit roten Bäckchen. Der Schalk hat viele Grinsefalten eingegraben. Meist trägt sie weite blaue Arbeitshosen. Des is bragdisch, verkündete sie einmal über den Zaun, viel bragdischer als wie so Röck.
Ihr Leben scheint aus dem Bestellen des Gartens zu bestehen. Alles gelingt ihr, alles wächst. Die jahrzehntelange Erfahrung trägt wohl genauso dazu bei, wie ihre Einstellung: Man muss sei Zeich in da Ordnung hebbe un wann mer nix mocht werds a nix.
So sieht man sie in aller Frühe werkeln, die Sense geschultert oder auf hohen Leitern herumturnen, selbst der uralte, haushohe Kirschbaum stellt für sie bestenfalls eine Herausforderung dar. Der Kirschbaum, der noch aus ihren Kindertagen stammt, in Kriegszeiten durch Handel und Tausch über die Nachbarn erhalten. Zwei Kirschbäume wurden damals bestellt. Den geraden, schön gewachsenen behielten die Nachbarn, den krummen, verwachsenen bekam ihre Mutter. Die wehrte sich nicht dagegen, wer war man denn schon?
Die Zeit zeigte, dass der krumme, schiefe Baum die wunderbarsten Herzkirschen in großen Mengen produzierte, während der Nachbarsbaum eine kleinere, weniger gute Sorte trug, erzählt Trude mit Grinsen und die Schalkfältchen vertiefen sich in ihrem Gesicht.

Kirschenzeit. Trude saß in ihrem Kirschbaum um zu ernten und erspähte durch das Laub unten an der Gartenpforte eine der gefürchteten Tratschtanten des Dorfes. Trude verhielt sich mucksmäuschenstill und wartete ab. Die Frau betrat den Garten und klopfte an die Hintertüre. Nichts. Sie rief. Nichts. Sie schaute sich um, rief abermals. Trude hockte im Kirschbaum und rührte sich nicht. Schlussendlich gab die unliebsame Besucherin auf und verzog sich, nicht ohne bissige Bemerkungen über offenstehende Küchenfenster und Abwesenheit von sich zu geben. Trude saß ungerührt im Kirschbaum und feixte. Sie muss damals so um die 70 gewesen sein.

Eine Beerdigung auf dem Dorfe zieht pflichtschuldig die halbe Bevölkerung an. Der Rest kommt aus Neugier. Trude fühlt sich verpflichtet, verkündet sie im Vorübergehen, er sei ein Schulkollege gewesen. Blumen für ins Grab müsse sie kaufen im Garten wachse noch nichts so früh im Jahr. Aber sie ginge zum Supermarkt, dafür, dass die Blumen unter die Erde kämen taugten sie allemal genug.
Hausverstand hat sie. Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt.

Eine Freundin von mir hat ihr vor kurzem von ihrer geplanten Reise nach New York erzählt. Trude war schon da. Auf einem Trip durch die USA, vor ein paar Jahren. Sie besichtigte Ground Zero und fiel den Cops unangenehm auf, weil sie jeden Morgen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle auf einer Bank ihr Frühstück aß. Dabei hatte sie ein besonders imponierendes Gebäude einer Finanzgruppe betrachtet, sie musste den Ausweis zeigen, wurde befragt.

Sie war auch schon in Frankreich, Skandinavien, Russland und...


12. August 2008
MarenS
 

MarenS

Mitglied
Trude

Sie ist sicher schon achtzig Jahre alt, eine kleine Frau, die hellen Haare zum obligatorischen Knoten am Hinterkopf zusammengezwirbelt, das Gesicht wie ein Winterapfel, runzlig mit roten Bäckchen. Der Schalk hat viele Grinsefalten eingegraben. Meist trägt sie weite blaue Arbeitshosen. Des is bragdisch, verkündete sie einmal über den Zaun, viel bragdischer als wie so Röck.
Ihr Leben scheint aus dem Bestellen des Gartens zu bestehen. Alles gelingt ihr, alles wächst. Die jahrzehntelange Erfahrung trägt wohl genauso dazu bei, wie ihre Einstellung: Man muss sei Zeich in da Ordnung hebbe un wann mer nix mocht werds a nix.
So sieht man sie in aller Frühe werkeln, die Sense geschultert oder auf hohen Leitern herumturnen, selbst der uralte, haushohe Kirschbaum stellt für sie bestenfalls eine Herausforderung dar. Der Kirschbaum, der noch aus ihren Kindertagen stammt, in Kriegszeiten durch Handel und Tausch über die Nachbarn erhalten. Zwei Kirschbäume wurden damals bestellt. Den geraden, schön gewachsenen behielten die Nachbarn, den krummen, verwachsenen bekam ihre Mutter. Die wehrte sich nicht dagegen, wer war man denn schon?
Die Zeit zeigte, dass der krumme, schiefe Baum die wunderbarsten Herzkirschen in großen Mengen produzierte, während der Nachbarsbaum eine kleinere, weniger gute Sorte trug, erzählt Trude mit Grinsen und die Schalkfältchen vertiefen sich in ihrem Gesicht.

Kirschenzeit. Trude saß in ihrem Kirschbaum um zu ernten und erspähte durch das Laub unten an der Gartenpforte eine der gefürchteten Tratschtanten des Dorfes. Trude verhielt sich mucksmäuschenstill und wartete ab. Die Frau betrat den Garten und klopfte an die Hintertüre. Nichts. Sie rief. Nichts. Sie schaute sich um, rief abermals. Trude hockte im Kirschbaum und rührte sich nicht. Schlussendlich gab die unliebsame Besucherin auf und verzog sich, nicht ohne bissige Bemerkungen über offenstehende Küchenfenster und Abwesenheit von sich zu geben. Trude saß ungerührt im Kirschbaum und feixte. Sie muss damals so um die 70 gewesen sein.

Eine Beerdigung auf dem Dorfe zieht pflichtschuldig die halbe Bevölkerung an. Der Rest kommt aus Neugier. Trude fühlt sich verpflichtet, verkündet sie im Vorübergehen, er sei ein Schulkollege gewesen. Blumen für ins Grab müsse sie kaufen im Garten wachse noch nichts so früh im Jahr. Aber sie ginge zum Supermarkt, dafür, dass die Blumen unter die Erde kämen taugten sie allemal genug.
Hausverstand hat sie. Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt.

Eine Freundin von mir hat ihr vor kurzem von ihrer geplanten Reise nach New York erzählt. Trude war schon da. Auf einem Trip durch die USA, vor ein paar Jahren. Sie besichtigte Ground Zero und fiel den Cops unangenehm auf, weil sie jeden Morgen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle auf einer Bank ihr Frühstück aß. Dabei hatte sie ein besonders imponierendes Gebäude einer Finanzgruppe betrachtet, sie musste den Ausweis zeigen, wurde befragt.

Sie war auch schon in Frankreich, Skandinavien, Russland und...
...und ich schäme mich jetzt!

12. August 2008
MarenS
 
N

nobody

Gast
Hallo MarenS,
sehr schön erzählt, ich konnte mir Trude und ihren dörflichen "Suppenteller" sehr gut vorstellen. Der letzte Halbsatz
"... und ich schäme mich jetzt"
hat mich zunächst irritiert, bis ich beim zweiten Lesen dieses wohl vorschnelle Urteil des Erzählers/der Erzählerin fand:
"Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt."
Dann hatte ich die Pointe verstanden - aber irgendwo ist für mich im vorletzten Absatz ein perspektivischer und sprachlicher Bruch, etwas, was den schönen Fluss der Erzählung stört. Ich kann es nicht so gut formulieren, vielleicht ist es, weil sich die Erzählerin im vorletzten Absatz so direkt, aber etwas holprig einbringt ("Eine Freundin von mir hat ihr vor kurzem von ihrer geplanten Reise nach New York erzählt..."). Einen Vorschlag, wie man es anders formulieren könnte, habe ich im Augenblick nicht parat, aber vielleicht helfen andere, oder du kommst selbst drauf?

LG Franz
 

MarenS

Mitglied
Danke, nobody, für deinen ausführlichen Kommentar. Den Halbsatz hatte ich zuerst nicht darunter stehen, bemerkte dann aber, dass es für den Leser ganz ohne Hinweis zu schwierig wird, herauszufinden, um was es mir geht.
Der von dir monierte letzte Absatz ist mein Sorgenkind. Er muss inhaltlich da sein, gefällt mir aber so auch noch nicht. Ich lese die Geschichte immer mal wieder und hoffe, dass mir bald etwas besseres einfällt.

Grüße von Maren

P.S.: Ich ändere mal ein bißchen, was mir in den Sinn kommt.
 

MarenS

Mitglied
Trude

Sie ist sicher schon achtzig Jahre alt, eine kleine Frau, die hellen Haare zum obligatorischen Knoten am Hinterkopf zusammengezwirbelt, das Gesicht wie ein Winterapfel, runzlig mit roten Bäckchen. Der Schalk hat viele Grinsefalten eingegraben. Meist trägt sie weite blaue Arbeitshosen. Des is bragdisch, verkündete sie einmal über den Zaun, viel bragdischer als wie so Röck.
Ihr Leben scheint aus dem Bestellen des Gartens zu bestehen. Alles gelingt ihr, alles wächst. Die jahrzehntelange Erfahrung trägt wohl genauso dazu bei, wie ihre Einstellung: Man muss sei Zeich in da Ordnung hebbe un wann mer nix mocht werds a nix.
So sieht man sie in aller Frühe werkeln, die Sense geschultert oder auf hohen Leitern herumturnen, selbst der uralte, haushohe Kirschbaum stellt für sie bestenfalls eine Herausforderung dar. Der Kirschbaum, der noch aus ihren Kindertagen stammt, in Kriegszeiten durch Handel und Tausch über die Nachbarn erhalten. Zwei Kirschbäume wurden damals bestellt. Den geraden, schön gewachsenen behielten die Nachbarn, den krummen, verwachsenen bekam ihre Mutter. Die wehrte sich nicht dagegen, wer war man denn schon?
Die Zeit zeigte, dass der krumme, schiefe Baum die wunderbarsten Herzkirschen in großen Mengen produzierte, während der Nachbarsbaum eine kleinere, weniger gute Sorte trug, erzählt Trude mit Grinsen und die Schalkfältchen vertiefen sich in ihrem Gesicht.

Kirschenzeit. Trude saß in ihrem Kirschbaum um zu ernten und erspähte durch das Laub unten an der Gartenpforte eine der gefürchteten Tratschtanten des Dorfes. Trude verhielt sich mucksmäuschenstill und wartete ab. Die Frau betrat den Garten und klopfte an die Hintertüre. Nichts. Sie rief. Nichts. Sie schaute sich um, rief abermals. Trude hockte im Kirschbaum und rührte sich nicht. Schlussendlich gab die unliebsame Besucherin auf und verzog sich, nicht ohne bissige Bemerkungen über offenstehende Küchenfenster und Abwesenheit von sich zu geben. Trude saß ungerührt im Kirschbaum und feixte. Sie muss damals so um die 70 gewesen sein.

Eine Beerdigung auf dem Dorfe zieht pflichtschuldig die halbe Bevölkerung an. Der Rest kommt aus Neugier. Trude fühlt sich verpflichtet, verkündet sie im Vorübergehen, er sei ein Schulkollege gewesen. Blumen für ins Grab müsse sie kaufen im Garten wachse noch nichts so früh im Jahr. Aber sie ginge zum Supermarkt, dafür, dass die Blumen unter die Erde kämen taugten sie allemal genug.
Hausverstand hat sie. Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt.

Letzthin gab Trude einer Freundin Tips für eine Reise nach New York. Denn Trude war schon dort. Auf einem Trip durch die USA, vor ein paar Jahren. Sie besichtigte Ground Zero und fiel den Cops unangenehm auf, weil sie jeden Morgen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle auf einer Bank ihr Frühstück aß. Dabei hatte sie ein besonders imponierendes Gebäude einer Finanzgruppe betrachtet, sie musste den Ausweis zeigen, wurde befragt.

Sie war auch schon in Frankreich, Skandinavien, Russland und...
...und ich schäme mich jetzt!

12. August 2008
MarenS
 
N

nobody

Gast
Hallo Maren,
nicht, dass ich jetzt deine Geschichte schreiben wollte, so vermessen bin ich nicht. Aber nur zum Spaß und nur für mich habe ich den Schluss mal formuliert, so wie ich ihn vielleicht schreiben würde:

"...Hausverstand hat sie. Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt...

... dachte ich. Hausverstand, Suppentellerrand, eingebettet ins dörfliche Geschehen - so überheblich urteilen wir manchmal. Meine Freundin (Vorname) hat mich eines Besseren belehrt. (Vorname) bereitete kürzlich eine Reise nach New York vor. Als sie stolz (und vielleicht ein wenig herablassend) Trude davon berichtete, begann diese zu erzählen - von ihrem Trip durch die USA vor einigen Jahren, wie sie Ground Zero besichtigt hatte und den Cops unangenehm aufgefallen war, weil sie jeden Morgen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle auf einer Bank ihr Frühstück aß. Ja, und ganz nebenbei erwähnte sie auch ihre Reisen durch Frankreich, Russland, Skandinavien und, und, und - und (Vorname) war zusehends kleiner geworden. Genauso hat sie es mir weitergegeben, und ich wusste nicht, wohin ich gucken sollte..."

Hat Spaß gemacht.
LG Franz
 

MarenS

Mitglied
Trude

Sie ist sicher schon achtzig Jahre alt, eine kleine Frau, die hellen Haare zum obligatorischen Knoten am Hinterkopf zusammengezwirbelt, das Gesicht wie ein Winterapfel, runzlig mit roten Bäckchen. Der Schalk hat viele Grinsefalten eingegraben. Meist trägt sie weite blaue Arbeitshosen. Des is bragdisch, verkündete sie einmal über den Zaun, viel bragdischer als wie so Röck.
Ihr Leben scheint aus dem Bestellen des Gartens zu bestehen. Alles gelingt ihr, alles wächst. Die jahrzehntelange Erfahrung trägt wohl genauso dazu bei, wie ihre Einstellung: Man muss sei Zeich in da Ordnung hebbe un wann mer nix mocht werds a nix.
So sieht man sie in aller Frühe werkeln, die Sense geschultert oder auf hohen Leitern herumturnen, selbst der uralte, haushohe Kirschbaum stellt für sie bestenfalls eine Herausforderung dar. Der Kirschbaum, der noch aus ihren Kindertagen stammt, in Kriegszeiten durch Handel und Tausch über die Nachbarn erhalten. Zwei Kirschbäume wurden damals bestellt. Den geraden, schön gewachsenen behielten die Nachbarn, den krummen, verwachsenen bekam ihre Mutter. Die wehrte sich nicht dagegen, wer war man denn schon?
Die Zeit zeigte, dass der krumme, schiefe Baum die wunderbarsten Herzkirschen in großen Mengen produzierte, während der Nachbarsbaum eine kleinere, weniger gute Sorte trug, erzählt Trude mit Grinsen und die Schalkfältchen vertiefen sich in ihrem Gesicht.

Kirschenzeit. Trude saß in ihrem Kirschbaum um zu ernten und erspähte durch das Laub unten an der Gartenpforte eine der gefürchteten Tratschtanten des Dorfes. Trude verhielt sich mucksmäuschenstill und wartete ab. Die Frau betrat den Garten und klopfte an die Hintertüre. Nichts. Sie rief. Nichts. Sie schaute sich um, rief abermals. Trude hockte im Kirschbaum und rührte sich nicht. Schlussendlich gab die unliebsame Besucherin auf und verzog sich, nicht ohne bissige Bemerkungen über offenstehende Küchenfenster und Abwesenheit von sich zu geben. Trude saß ungerührt im Kirschbaum und feixte. Sie muss damals so um die 70 gewesen sein.

Eine Beerdigung auf dem Dorfe zieht pflichtschuldig die halbe Bevölkerung an. Der Rest kommt aus Neugier. Trude fühlt sich verpflichtet, verkündet sie im Vorübergehen, er sei ein Schulkollege gewesen. Blumen für ins Grab müsse sie kaufen im Garten wachse noch nichts so früh im Jahr. Aber sie ginge zum Supermarkt, dafür, dass die Blumen unter die Erde kämen taugten sie allemal genug.
Hausverstand hat sie. Eingebettet ins dörfliche Geschehen, nie über den Suppentellerrand hinausgeschaut aber gewitzt.

Letzthin gab Trude mir Tips für eine Reise nach New York. Trude war schon dort. Auf einem Trip durch die USA, vor ein paar Jahren. Sie besichtigte auch New York und fiel den Cops unangenehm auf, weil sie jeden Morgen zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle auf einer Bank ihr Frühstück aß. Dabei hatte sie ein besonders imponierendes Gebäude einer Finanzgruppe betrachtet, sie musste den Ausweis zeigen, wurde befragt.

Sie war auch schon in Frankreich, Skandinavien, Russland und...
...und ich schäme mich jetzt!

12. August 2008
MarenS
 

Retep

Mitglied
Hallo Maren,

ich kenne eine "Trude", wie du sie sehr anschaulich beschreibst.
Ja, der letzte Abschnitt mit dem "ich schäme mich" scheint nicht so gut zu passen.
"Ich wusste nicht, wo ich hingucken sollte", erscheint mir da besser.

LG

Retep
 

MarenS

Mitglied
Lieben Dank an euch beide, nobody und retep, für eure Kommentare.
Ja, mit dem Schluss bin ich leider auch noch nicht im Reinen.
Lieber nobody, ich werde deine Version nochmal lesen und dann schauen, ob und was ich ändere. Lieben Dank für die Auseinandersetzung damit.

Grüße von Maren
 



 
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