Tschernobyl (gelöscht)

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G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Hallo Val,

ich rätsele herum: Was genau soll der Text eigentlich aussagen?

Weil die Japaner dann vielleicht so weit sein werden, wie die Russen vor zwanzig Jahren in Tschernobyl waren: Mist machen und in der Erde verbuddeln – wie meine Katze.

Ist das die Quintessenz? Die Gleichstellung eines harmlosen tierischen Geschäftes mit den Vorgängen in Tschernobyl und Fukushima erscheint mir sehr weit hergeholt. Wenn es so einfach wäre, die Hinterlassenschaften eines GaU zu beseitigen, bedürfte es keines Sarkophages, keiner künstlich gefrosteten Böden, keiner leckenden Sammelbehälter für kontaminiertes Wasser...

Ich überlege, wie ich als Katze dazu Stellung nehmen würde.

Schöne Grüße

P.
 

Val Sidal

Mitglied
Penelopeia,

danke für das Lesen und den Kommentar.
Was genau soll der Text eigentlich aussagen?
... als ich meine Katze beobachtete, musste ich daran denken, dass
die Japaner dann vielleicht so weit sein werden, wie die Russen vor zwanzig Jahren in Tschernobyl waren ...
... denn sie müssen erst noch die Voraussetzungen für das Einbetonieren schaffen.
Ist das die Quintessenz?
Vielleicht dies: Ist die Erde groß genug, um all den Mist aufzunehmen, den der Mensch produziert? Die Katze macht mir keine Sorgen ...
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Okay, jetzt wird es klarer! Leider lassen sich die Überbleibsel der Katastrophen nicht so einfach in der Erde verbuddeln. Dem Vergleich der Handlungen von Katze und Mensch zur Beseitigung "diverser Hinterlassenschaften" kann ich nur teilweise folgen, aber vielleicht sehen das andere Leser anders?

Schöne Grüße

P.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Andere Leser, in diesem Falle ich, verstehen den Text auch nicht so ganz. Jedenfalls lese ich nicht das heraus, was der Autor als Intention erklärt. Viel interessante finde ich die Passage
Oder wie die jungen Existenzangsthasen und Akademiker, die den Köder geschluckt hatten, der ihnen seit Tschernobyl aktiv vor die Nase gehalten wurde, nämlich, dass sittliche Anpassung, Flexibilität und ein Prädikatsexamen die Antwort auf alle Fragen ist, die einem das Lebensrisiko nicht nur unterm Tannenbaum beschert,
Ja, das stimmt!

Die Stelle gefällt mir am besten.

LG Doc
 

Val Sidal

Mitglied
@Doc, @ Penelopeia
Andere Leser, in diesem Falle ich, verstehen den Text auch nicht so ganz.
na ja, der Text zeigt einen Bestsellerautor in einem nicht gerade kreativen/produktiven Moment
blickte auf meine Terrasse, als lägen dort haufenweise Ideen,
Er sinniert über sich und die Welt und kommt dabei -- warum auch immer -- auf Tschernobyl.
Sich zu seinem Wohlstand zu bekennen, scheint ihm ein gutes Gefühl zu bereiten. Seine Einstellung ist einfach; im Leben muss man sich entscheiden:
Haste-was–biste-was ist eigentlich eine entweder-oder Angelegenheit.
-- eine andere Wahl hat man nicht; das scheint seine Rechtfertigungslogik zu sein.

Das (primitive) geistige Niveau, auf dem er sich bewegt, wird hier deutlich:
Die Anderen haben nichts: Habenixe – gäbe es die Bezeichnung nicht, hätte ich sie durch die Überlagerung von zwei „n“s heute erfunden – so bin ich: streiche, was nicht nötig ist – bin immer für einen Streich gut!
... peinlich! Und die unterschwellige Selbstironie macht es auch nicht besser.

Ein Zyniker, der das Scheitern zu einer (komfortablen) Schuldfrage reduziert:
Die Anderen sind freilich selber Schuld, dass sie nicht zu uns gehören: Sie haben die falsche Einstellung geerbt.
Sein Meandern um das Schuldthema herum nervt, auch wenn einige seiner Gedankengänge zeigen, dass er kein Dummkopf ist.
Und der lange, verschachtelte Satz ist freilich grammatikalisch nicht korrekt -- was man aber leicht überlesen kann ... Dabei musste ich an Franz Josef Strauss denken, der seine Satzkonstruktionsabstürze durch Leidenschaft und Lautstärke kompensierte/kaschierte.

Es hat was, wie er den Prokustes-Mythos verbiegt:
Der Prokrustes-Mythos, richtig gedeutet, bedeutet: Schuld sind immer die Anderen.
Für einen Augenblick lässt er die latente Fähigkeit zum kritischen Denken Aufblitzen:
Weil die Japaner dann vielleicht so weit sein werden, wie die Russen vor zwanzig Jahren in Tschernobyl waren
... mit der flapsigen Bemerkung:
Mist machen und in der Erde verbuddeln – wie meine Katze.
wird aber sofort klar: Er wird seine Lebensweise nicht ändern.

Ich weiß nicht, ob dies zum besseren Verständnis beiträgt. Meine Intention war schlicht, diesen Typ einfach mal zu zeigen.

@anonyme 2er Bewerter:

Wenn euch der Text nicht gefällt, ist das in Ordnung. Aber den Text als "schlecht" zu bewerten entlarvt euch als literarische Analphabeten. Ich wünsche euch für das Jahr 2014 Fortschritte bei der Entwicklung der Lesekompetenz. Ihr könntet mal mit Dostojewski anfangen.
 
A

Architheutis

Gast
Lieber Val, Frohes Neues,

mal funzt es, mal nicht. Es gibt eine Kippgrenze der Verständlichkeit, die ist aber bei jedem eine andere. Ehrlich gesagt, habe ich Deinen Text auch nur anhand der nachfolgenden Erklärung in Gänze verstanden.

Wer einen Text nicht versteht, hält ihn leicht für schlecht. Das erklärt sicher auch die Note 2. Mir selbst ist das auch schonmal passiert, hinterher tats mir richtig leid. Das hat nicht unbedingt was mit literarischem Analphabetismus zu tun, wenngleich ich Deinen Unmut ob kommentarloser Abwertung gut verstehen kann.

Deiner Texterklärung kann wenig hinzugefügt werden, ich blicke eher auf ein paar sprachliche Schätzchen:

Ich saß an meinem Schreibtisch, blickte auf meine Terrasse, als lägen dort haufenweise Ideen, wie die trockenen Birkenblätter des letzten Herbstes, die ich den bei uns häufigen Fallwinden überlassen hatte, und trank meinen Kaffee.
Hättest Du dieses Bild allein für die Ideenkrise verwendet, könnte ich es brillant nennen. Es geht Dir aber insgesamt eher um den Zyniker, den Geldmenschen, daher passt dieses Bild nicht ganz ins Bild der Geschichte, finde ich. Du verheizt es.

Die Anderen haben nichts: Habenixe – gäbe es die Bezeichnung nicht, hätte ich sie durch die Überlagerung von zwei „n“s heute erfunden – so bin ich: streiche, was nicht nötig ist – bin immer für einen Streich gut!
Eine radikale Sicht aufs Materielle, ein Neoliberalismus der Sprache. Eine gelungene Doppelung. Bravo!

Die Anderen sind freilich selber Schuld, dass sie nicht zu uns gehören: Sie haben die falsche Einstellung geerbt.
...ist natürlich eine grottenfalsche Vorstellung, aber hier spricht nicht Val, hier spricht der zynische Bestsellerautor. Daher passt es; survival of the fittest, neoliberaler geht kaum. Da kann man schonmal leicht vergessen, dass man keine Verantwortung hat, was man erbt, sondern nur, wer man selbst ist.
die den Köder geschluckt hatten, der ihnen seit Tschernobyl [strike]aktiv[/strike] vor die Nase gehalten wurde,
Passives Ködern gibt es nicht, jedem Ködern ist eine Absicht immanent: das Anbeißen. Ich streichte es.

Weil die Japaner dann vielleicht so weit sein werden, wie die Russen vor zwanzig Jahren in Tschernobyl waren: Mist machen und in der Erde verbuddeln – wie meine Katze.
Der Text ist eingerahmt in das Bild des Gartens, dies hier ist sein unterer Abschluß. Ich hätte noch sowas wie "und warten, das Laub drauf fällt" gebracht, aber gut.

In keinem Falle ist die Note "schlecht" die richtige Wahl, wie mir scheint.
Dieses Abgeklärte Nachdenken ist mir aber für einen solchen Zyniker zu nüchtern, ich hätte mir mehr Verachtung, mehr Emotion, mehr Leben gewünscht. Es sind doch recht trocken vorgetragene Gedanken. Wahrscheinlich liegt hier der Grund, warum der Text für viele schwer zugänglich, etwas sperrig ist. Es fehlt ein Stück Mitempfinden-Können.

Es wäre von mir eine 6, wären nicht die sprachlichen Schätzchen.

Lieben Gruß,
Archi
 

Val Sidal

Mitglied
Archi,

danke für die ausführliche Beschäftigung mit dem Text.
Dein Einwand ist berechtigt:
die den Köder geschluckt hatten, der ihnen seit Tschernobyl [strike]aktiv[/strike] vor die Nase gehalten wurde,
Passives Ködern gibt es nicht, jedem Ködern ist eine Absicht immanent: das Anbeißen. Ich streichte es.
... aktiv war eine Anspielung radioaktiv, ist aber -- wie Du richtig bemerkst -- unpassend, werde daher streichen.

Weil die Japaner dann vielleicht so weit sein werden, wie die Russen vor zwanzig Jahren in Tschernobyl waren: Mist machen und in der Erde verbuddeln – wie meine Katze.
Der Text ist eingerahmt in das Bild des Gartens, dies hier ist sein unterer Abschluß. Ich hätte noch sowas wie "und warten, das Laub drauf fällt" gebracht, aber gut.
... über die Idee werde ich nachdenken.

Dieses Abgeklärte Nachdenken ist mir aber für einen solchen Zyniker zu nüchtern, ich hätte mir mehr Verachtung, mehr Emotion, mehr Leben gewünscht. Es sind doch recht trocken vorgetragene Gedanken. Wahrscheinlich liegt hier der Grund, warum der Text für viele schwer zugänglich, etwas sperrig ist. Es fehlt ein Stück Mitempfinden-Können.
... Der Typ ist kein Idiot. Er ist, wie viele von uns, die materielles Glück und Erfolg haben: widersprüchlich aber nicht so hässlich, wie sein Gequatsche, und nicht im Kern verdorben/bösartig. Irgendwo -- für einen kurzen Augenblick -- schimmert auf einer verqueren Weise sogar schlechtes Gewissen durch.

P.S. Meine Haltung zu den anonymen Bewertungen habe ich schon anderswo ausführlich erläutert -- halte unter Kollegen für inakzeptabel.

Kunst zu erschließen ist eine voraussetzungsvolle Angelegenheit. Wie kann ich einen Text bewerten, den ich nicht verstehe? Welche Leser-Haltung muss ich annehmen, wenn jemand alles für schlecht erklärt, was er nicht versteht?
Mir ist nicht die Note wichtig, sondern, dass die Bewerter wissen, dass ich meine Werke nicht kommentarlos besudeln lasse.
 
A

Architheutis

Gast
Lieber Val, ich wollte die anonymen Werter nicht rechtfertigen, lediglich zu erklären versuchen. Im Wesentlichen teile ich Deine Ansicht. ;-)

Lieben Gruß,
Archi
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Val,


na ja, der Text zeigt einen Bestsellerautor in einem nicht gerade kreativen/produktiven Moment
DAS verstehe jetzt sogar ich und der Text erschließt sich mir besser. Den Rest hat Archi ja schon gut untersucht. Wünsche Dir noch ein frohes neues JAHR!
;-)

LG Doc
 
D

Dnreb

Gast
wer spricht da?

Lieber Val Sidal,

ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier etwas verspätet reinplatze wie ein dummer Ochse.

Ironie, zuweilen in zynischem Auswuchs ist mir nicht fremd, so hatte ich schon beim ersten Lesen keine Verständnisprobleme mit Deinem Tschernobyl-Text.

Etwas irritiert war ich über Deine eigene Interpretation, will sie doch Abstand schaffen zwischen dem kritischen Autor Val Sidal und einem gewiss nicht hirnlosen, aber kurzsichtigen "Homo oeconomicus", der immerhin alte Griechen zu verbiegen weiß. Beim Lesen Deines Textes empfinde ich diesen Abstand nicht. Ein wirklicher oeconomicus ist zu derart tiefsinnig ironisierender Reflexion schlichtweg nicht fähig; hier bewegt sich meiner Meinung nach niemand auf primitivem geistigen Niveau.

So kommt der Text bei mir als heiter bis stark verhangene Ironie des Erzählers Val Sidal an; eine Rollenverschiebung zum (hier auch nicht notwendigen) Protagonisten fällt einem sehr gelungenen Zuviel an intelligenter Ironie zum Opfer.


Gerne gelesen und herzlichen Dank
Bernd Sommer


P.S.
Warum immer dieser Ernst, wenn es um das hiesige Notensystem geht. Lehrling ist doch auch eine akzeptable Bezeichnung.
 

Val Sidal

Mitglied
Dnreb,

danke für den freundlichen Kommentar.
Eine Ansicht würde nichtmal Val Sidal vetreten, nämlich, dass materielles (Un)Glück eine in den Kategorien von Schuld und Vererbung diskutierbare Angelegenheit ist. Sicher ist es annehmbar, dass der Prot auch an diesem Punkt (vielleicht sogar unbewusst) ironische Selbstrechtfertigung betreibt.

P.S.
Die Sache mit den Bewertungen: Für mich ist dies eine Sache der Wert-Schätzung. Ich bin dankbar, wenn Leser sich mit meinen Texten beschäftigen. Wenn sie ihre Meinung mitteilen, dann verdienen sie meinen Respekt, ob sie mir 'ne 0,1 verpassen oder eine 10,9 -- selbst wenn ihre Auseinandersetzung mit dem Text in meinen Augen als unzutreffend, unsachlich und unbegründet erscheinen würde.

Wenn aber maskierte Gestalten die Halle betreten und kommentarlos auf meine Arbeit spucken, dann will ich ihnen mitteilen, dass ich sie gesehen habe, und ich werde sie an ihren Werken erkennen. Denn literarische Arbeit ist für mich eine ernste Angelegenheit -- egal wie oft ich an der damit verbundenen Herausforderung scheitern werde.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mensch Val,

Wenn aber maskierte Gestalten die Halle betreten und kommentarlos auf meine Arbeit spucken, dann will ich ihnen mitteilen, dass ich sie gesehen habe, und ich werde sie an ihren Werken erkennen. Denn literarische Arbeit ist für mich eine ernste Angelegenheit -- egal wie oft ich an der damit verbundenen Herausforderung scheitern werde.
man könnte ja glatt Angst vor Dir kriegen. Wenn jemand anonym wertet und kommentarlos bleibt, bespuckt er dich doch nicht. Manchmal fehlt einfach die Zeit für einen Kommi. Eine Bewertung zeigt aber, dass der Text gelesen wurde. Besser als überhaupt keine Reaktion!

LG Doc, angstfrei ;-)
 
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