Selbstbestimmung - Fremdbestimmung
Hallo Otto,
danke für deinen Kommentar. Hm, was antwortet man am besten auf solche Fragen. Eine bestimmte Deutung vorzugeben, erstickt oft andere, ebenso richtige Interpretationen im Keim. Na dennoch. Hier also ein paar Gedanken als eine mögliche Betrachtungsweise des Gedichts:
"Bestellen" ist das Wort um das sich alles dreht, wie eben diese einzige, rhetorische Frage, aus der das Gedicht besteht und es umklammert. Bestellen bedeutet, dass etwas von irgend jemandem geordert wurde. Das Georderte, hier das lyrische Du, scheint sich in einem stadtartigen Ort zu befinden. Ein lyrisches Ich, möglicherweise eine konkrete oder abstrakte Person oder auch die eigene innere Stimme, deutet durch ihre Frage an, dass das lyrische Du vielleicht nicht freiwillig in seine gegenwärtigen Lage geraten ist.
Durch wen diese Fremdbestimmung bewirkt worden sein soll, wird nur durch scheinbar widersprüchliche oder falsche Vergleiche angedeutet zu werden. Tauben, Veilchen, Schneeflocken sind eine Erscheinung der Natur und werden nicht durch Menschen "beordert". Aber sind sie wirklich selbstbestimmt? Hätte sich das Veilchen im Betonriss tatsächlich diesen gefährlichen Lebensraum ausgesucht, wenn es die Wahl gehabt hätte? Oder wäre eine Schneeflocke gerne auf der Jacke eines Passanten gelandet? Tappt die Taube gerne auf Kaugummiresten herum? Oder stellt dieser Widerspruch die Annahme, die in der Frage steckt nicht selbst in Frage?
Der andere Typus sind die menschengemachten Dinge, der Dom und die Skulpturen. Hier steht ein Konflikt zwischen gewollt (bestellt) und den ungewünschten oder unbeabsichtigten Folgen und Ergebnissen der Handlung.
All diese Dinge stehen oder erscheinen scheinbar sinnlos him Hier und Jetzt. Und das ist das Gefühl, das das lyrische Du offentsichtlich hat. Es fühlt sich fremdbestimmt. Als Opfer und Ergebnis verschiedenster äußerer Einflüsse. Das könnten zum Beispiel natürliche Gegebenheiten, wie in einem Geschlecht in einer Zeit an einem Ort geboren zu sein, oder Beeinflussungen durch andere Menschen und deren Vorgaben oder Erwartungen sein.
Doch die Beeinflussenden können seiner Existenz keinen Sinn verleihen, es nicht "abholen". Das muss das lyrische Du ganz alleine tun. Und dann bleibt noch dieser leise Zweifel durch den Widerspruch der "bestellten" Dinge aus der Natur. Vielleicht ist das lyrische Ich gar nicht fremdbestimmt, fühlt sich aber dennoch in seinem Schicksal gefangen.
Ich hoffe, das konnte dir ein paar Anregungen zu möglichen Betrachtungsweisen geben.
Viele Grüße
Daja