Über die Kunst, eine Sau durchs Dorf zu treiben

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Odilo Plank

Mitglied
Gar manche, liebe Leser, haben es schon auf sich genommen, diese diffizile Kunst zu praktizieren, was des Öfteren zu groben Fehlern und Peinlichkeiten führte. Deshalb wage ich hier eine an vielen Treibjagden geschulte bescheidene Einführung.
Das handwerklich schlichte Treiben der Sau, das ihr meist schon zu großem Schaden gereicht, kann getrost einem in der Politik Unbedarften anvertraut werden. Der binde dem Tier einen Kälberstrick um das rechte oder linke Hinterbein, nehme ein Stöcklein zur Hand und beginne sein Werk, treibe also ohne weitere Umschweife vom Punkte A zum Punkte B.
Zur kunstfertigen Ausführung gehört unendlich mehr Können.
Das Ereignis muss schon Wochen vorher fachgerecht angekündigt werden, am besten durch ein leidenschaftliches Dementi, niemand denke daran, eine Sau zu treiben.
Zwischendurch hat sich ein gelegentliches Malträtieren bewährt, auf dass durchdringendes Quieken das Dorf erfülle.
Hat sich nun das Gerücht, man treibe vielleicht doch, genug erhoben, dann lasse man die Sau vor Mittag, da alle Bauern zu Tische sitzen, los. Sich der plötzlichen Freiheit erfreuend, wird das Tier seinen Lauf beginnen, in Vorgärten verweilen und bereitwillig den gewünschten Schaden anrichten.
Auf das wütende Geschrei der Betroffenen hin greife man lautstark ein, mit Stangen und Mistgabeln, um für Rumor und Scharmützel gewappnet zu sein.
Ist man des Hauens und Stechens müde, so ergreife man mit einigen Helfern beherzt die ermattete Sau und führe sie, nicht ohne Beteuerung der eigenen Unschuld und Unwissenheit, zum Metzger.
Dem Pfarrer, dem Lehrer und dem Dorfbüttel reiche man am Abend ein Kännlein Wurstsuppe.
 
D

diana may

Gast
Hallo Odilo,

war dir dieses Thema viel zu ernst, um es in "Humor & Satire" einzustellen? :)
Ein guter Titel, nur ist das Treiben keine Kunst. Vielmehr ist es eine Kunst, das Treiben zu durchschauen - was dir gelungen ist und somit natürlich berechtigt eine Kurzprosa.

Gruß
Diana
 

Odilo Plank

Mitglied
Danke, Diana. Die Sache ist sehr ernst, besonders wenn man die Partei der Sau ergriffen hat. Ich kenne wenig fröhliche Säue. LG! Odilo
 
B

bluefin

Gast
eine sau durchs dorf treiben, lieber @odilo, ist keine kunst.

es erfordert neben der sau selbst nur ein schlichtes gemüt, das sich nicht scheut, psychische und physische exkremente zur erzeugung von aufmerksamkeit einzusetzen.

besonders gern angewandt wird dieses verfahren deshalb von politikern, journalisten und dem klerus.

als gelungen darf das treiben dann gelten, wenn der ganze ort - holldrio!! - daran teilgenommen und die sau ordentlich mit herumgeschubst hat - am liebsten natürlich ins wohnzimmer und ins schlafzimmer des innig gehassten nachbarn, in die schule, ins rathaus und ins mädchenpensionat.

sind die dadurch hervorgerufenen schäden hoch genug geworden, ertönt der ruf nach dem kammerjäger.

sonderbarer weise ist's in der regel immer der ursprüngliche treiber selbst, der darauf als retter erscheint und das tierchen wieder einfängt. eine leichte übung, denn die sau ist für gewöhnlich eine darauf abgerichtete! mitnichten führt man sie zur schlachtbank, @odilo, sondern nur heim in den stall; in dem hält man gleich noch ein paar ähnliche schweinderln für den nächsten eventualfall parat.

vielfach wird das tier nicht allein um des aufhebens willen von der kette gelassen, sondern um von dem dunst abzulenken, den die eigene flatulenz zuvor erzeugt hatte und die das ganze dorf zu verpesten drohte. man nennt das auch "den teufel mit dem beelzebub austreiben". es funktioniert immer und unter allen umständen!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

MarenS

Mitglied
OooooH! Habe ich fies gegrinst, beim Lesen dieses ganz hervorragenden Textes. So fein, so fein ausbaldowert, Odilo!

Maren grinst abgrundtief
 



 
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