Überlandbus

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Überlandbus

von Marlene Geselle

Einsteigen, Monatskarte vorzeigen, hinsetzen.
Landpartie kreuz und quer.
Vorstadtsiedlung, Ortsrand, Rübenfelder.

Mantel ausziehen, hinsetzen, Beine ausstrecken.
Alleebäume umtanzen mich.
Während des Gleitens einen Meter über'm Teer.
Getreidehalme neigen sich.
Links und rechts neben dem Asphalt.

Weiß Gott nicht meinetwegen.
An sowas nicht mal als Kind geglaubt.
Realität hat Märchenland weggeschubst.
Trotzdem schöner Film.

Fensterplatz irgendwo mittendrin.
Hohe Sitzlehne versteckt mich.
Bin gar nicht zu sehen, aber trotzdem da.
Wenn ich das will.

Nicht mehr da, wo ich nicht bleiben wollte.
Noch lange nicht da, wo ich eigentlich gar nicht hin will.
Aber trotzdem muss, jeden Tag.
Zwanzig Minuten die mir gehören.
Ganz allein.

Dritte Haltestelle nach Ortseingang.
Knopf drücken, aussteigen.
Freundliches Gesicht ist Pflicht.
Noch viele Jahre lang.
Bis ich fahren kann, wohin ich will.

Bis zum nächsten Bus.
Noch zahllose Stunden.
 

fenestra

Mitglied
Hallo, Marlene,

das ist mal ein neues Bild, eine Busfahrt, die tanzenden Alleebäume, der Schwebezustand zwischen
Nicht mehr da, wo ich nicht bleiben wollte.
Noch lange nicht da, wo ich eigentlich gar nicht hin will.
Eine stimmungsvolle Fahrt, jedenfalls vordergründig, denn im Hintergrund beschreibst du wirkungsvoll den Zwang, in den das lyrische Ich eingebunden ist:
Freundliches Gesicht ist Pflicht.
Noch viele Jahre lang.
Bis ich fahren kann, wohin ich will.
Bilder sagen oft mehr als Erklärungen. Daher könnte nach meinem Empfinden ein Satz wie dieser entfallen:
Realität hat Märchenland weggeschubst.
Viele Grüße und vergiss nicht: Der Weg ist das Ziel!
fenestra
 
Märchenland

Hallo fenestra,

danke für den prompten Kommentar.

Tja, die Sache mit dem Märchenland. Wollte dabei zum Ausdruck bringen, dass für den Prot. die Kindheit praktisch gar nicht stattgefunden hat.

Mal gespannt, was die anderen gerade zu dem Thema sagen.

Grüße
Marlene
 



 
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