Und jeden Tag ein kleines Glück (Tag 22 u. 23)

Astrid

Mitglied
Auf der Suche nach der Woche
Tag 22

Es ist ein Samstag. Der vierte bereits in diesem Jahr. Das Thermometer ist etwas gesunken, dafür gibt es reichlich Sonne. In den Geschäften drängeln sich die Kunden beim Wochenendeinkauf, Autos verstopfen die Straßen – die Stadt ist in Bewegung.
Ob es wohl Menschen gibt, die an so einem Tag so etwas wie eine Bilanz ziehen, was sie in den letzten Tagen erreicht haben, welche Aufgaben in der kommenden Woche auf sie warten?
Früher tat ich das und oft hatte ich das Gefühl, die sieben Tage waren lediglich wie ein Fingerschnipsen.
Doch heute bin ich ausnahmsweise mal nicht auf der Suche nach der Woche.
Weil ich weiß, dass von dieser etwas bleibt – das Kabarettspielen, die warmen Steine. Das vergrößert mein Gepäck, welches ich nun in die kommenden Tage tragen werde. Nicht als zusätzlichen Ballast, eher als eine Art Routenführer, der viele Stationen selbst abgefahren ist und auch neue Reiseziele noch entdeckt. So verschnaufe ich nun in einer kleinen Wochenend-Pause und werde mich am Montag erneut auf den Weg machen. Voller Spannung, wohin er mich führen wird.



Brot oder Büro
Tag 23

Für heute nehme ich mir vor, „Büro“ zu machen, wie ein Freund immer sagt – weil der Stapel meiner Ablagekörbe schon fast eifelturmähnliche Ausmaße angenommen hat. Zuerst einmal schlafe ich aus, um mir die nötige Ruhe und Energie dafür zu holen und ohne ein richtiges Frühstück lässt es sich auch nur schlecht arbeiten. In der Küche stehen noch die beiden Tüten Brotteig, die wir gestern gekauft haben. Ich habe meinem Sohn versprochen, endlich einmal Brot zu backen. Na ja, Teig einrühren kann ich ja nebenbei.
Weil es sich nicht lohnt, jetzt mit der Ablage zu beginnen, schaltete ich den Computer ein und schreibe ein wenig. Schließlich muss ich mich nun ständig um den Teig kümmern - nachsehen ob er richtig geht, nicht den Zeitpunkt verpassen, wo er für den Ofen vorbereitet wird und dann auf die korrekte Temperatur achten. ’Bis dahin kann ich ja noch mal schnell ins Internet’, denke ich. Immer wieder lüfte ich in der Küche das Tuch über dem Brotteig. Im Internet versuche ich, Theaterkarten zu bestellen, doch die Vorstellung, die wir uns ausgesucht haben, ist ausverkauft. Ich rufe meine Freundin an und wir einigen uns, dass ich bei unserer Theaterkasse nachfragen werde.
Das Brot kann in den Ofen. Ich habe die obere Seite mit Wasser bestrichen und längs eingeschnitten, so vorsichtig und gewissenhaft, als würde ich ein kostbares Gemälde restaurieren. Ich schreibe wieder ein bisschen. Die Ablagekörbe neben mir können ja zum Glück nicht schreien. Das Brot duftet herrlich. Ich falle über das Frischgebackene her. Doch die drei heißen Scheiben, die ich mir abschneide, liegen mir schwer im Magen. Ich koche mir einen Kamillentee und ruhe mich aus.
Als ich mich schließlich wieder fit fühle, mache ich mich auf den Weg zur Theaterkasse. Das Einkaufszentrum hat einen verkaufsoffenen Sonntag, mir bleibt noch eine Stunde Zeit. Ich bekomme die gewünschten Karten und denke – was war es doch für ein erfolgreicher Tag!
 
B

bonanza

Gast
astrid

klare, gute sprache. die alltagseindrücke der autorin
wirken: der simple kampf um das kleine glück, um sein
seelenheil in und außerhalb der vier wände, wenn man
auf sich selbst zurückgeworfen ist und viel zeit
zum "grübeln" hat. deine texte machen mut.

bon.
 

Astrid

Mitglied
Re: astrid

Mut machen mir auch deine Worte. Sehr sogar. Weil natürlich immer wieder aufs neue die - ja auch so wichtigen, aber lästigen - Zweifel kommen und ich Angst habe, mich in eine Art Betriebsblindheit zu verrennen. Ich ahne, dass diese "Geschichte" hier ein kleines Abenteuer auch für mich wird.
Also Danke.
 



 
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