Und jeden Tag ein kleines Glück (Tag 37)

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Astrid

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Hermann heeßt er

Wir stoßen auf den Geburtstag unserer gemeinsamen Freundin an. Wir sind zu dritt. Plötzlich fängt eine von uns an zu kichern. „Ich muss euch was erzählen. In letzter Zeit schlafe ich schlecht, habe oft Albträume. Ich habe mir jetzt einen Bären gekauft, einen Teddy. Hermann heißt er.“ Sie wird rot. „Und gestern war unsere erste Nacht.“ Hermann ist ein Eisbär. Sie ist Anfang fünfzig.
Meine Freundin krümmt sich vor Lachen und hat Tränen in den Augen. Es liegt vielleicht auch am Sekt. Ein wenig. Auch ich muss lachen, aber mehr darüber, wie verschämt und befreit zugleich sie das erzählt, nein, eher kommen die Worte nur einzeln, stets unterbrochen von einem Lachanfall aus ihrem Mund. „Einen Schwanz hat er nicht.“ Meine Freundin liegt fast neben dem Sessel. „Aber der ist so weich!“ Auch ich halte mir den Bauch und wische mir die Tränen ab. „Und wie er mich dann abends mit seinen großen dunklen Augen ansieht… Ich habe keine Albträume mehr – einfach fantastisch!“
„Das ist doch toll“ sage ich. „Hauptsache, es geht dir gut dabei. Das Alter ist doch völlig unwichtig. Als meine Oma mit einem Schlaganfall im Krankenhaus lag, habe ich ihr auch ein Plüschtier mitgebracht. Leider nur hat sie es nicht mehr gemerkt.“
Das Lachen ebbt ein wenig ab. Ich glaube, sie ist richtig froh, dass sie sich „geoutet“ hat. Doch noch mehr fasziniert mich die Geschichte, wie es dazu kam. Sie habe einer Bekannten erzählt, dass sie als Kind einen Teddy hatte, der Struppi hieß. Das geschah einfach so in einem Gespräch, nicht mehr und nicht weniger. Doch diese Bekannte überlegte nun, wie sie ihr eine Freude machen könne, welcher Teddy ihr wohl gefiele. Sie erzählte es ihrem Mann und der gab ihr einen Schein und sagte: „So, davon kaufst du ihr jetzt einen Teddy und von dem Rest geht ihr Essen.“
Uns steht fast der Mund offen. Dass es so etwas gibt.
Wir lachen noch viel an diesem Abend, Hermann ist immer wieder Aufhänger. Als sie früher als ich gehen muss, lästern wir: „Ja, ja der Hermann wartet“ und umarmen sie noch ein wenig fester als sonst.
Als ich spät in der Nacht schlafen gehe, suche ich im Bett erst nach Marco, der sich mal wieder unter dem Kissen versteckt hat. Marco ist mein kleines Kuscheltier, seit Jahren schon.
 



 
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