Und manchmal bin ich müde, Mensch zu sein

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Magic

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Und manchmal bin ich müde, Mensch zu sein

Und manchmal bin ich müde, Mensch zu sein.
Wär lieber Ufer einer grünen Erde,
nur lauschend, ohne jegliche Gebärde;
verwoben mit der Zeit und doch allein.

Wär ich ein Berg aus ewigem Gestein,
geformt vom Licht, mit Quellen hin zum Leben,
könnt ich dem Namenlosen Frieden geben.
Ja, manchmal bin ich müde, Mensch zu sein.

Gebunden bin ich an das Rad der Andern,
kann nur in Träumen mit mir selber wandern,
dort Dinge häuten bis ins Nichts hinein.

Doch manchmal leg ich mich in deine Hände,
dann hebt die Liebe alle schweren Wände.
Und ich bin wach und froh ein Mensch zu sein.

© Magic, 29. 03. 06​
 

hera dam

Mitglied
Hallo Magic,

ich sehe Du beherrschst die Form (Reime und Hebungen) perfekt.

Einerseits
habe ich mich allerdings gefragt, weshalb Du, so gedankenvoll und Schweres in eine Jambus fasst (das Ufer liegt am Grünen dran (Hoffnung?), der Berg steht da, aus Stein lebendige Quellen bergend und lichtbeschienen), das lyrische Ich ist gebunden an der Anderen Rad, es legt sich in die Hände eines Du.

Andererseits
verdient es den Jambus, weil das lyrische Ich nie aufgibt - es widerspricht dem Titel des Gedichtes eher vehement!
- es lauscht,
- möchte Namenlosem Frieden geben
- wandert in Träumen und schält das zwiebelige Ich
- es erfährt Liebe und wird wach und froh, Mensch zu sein

Müssten da nicht rhytmische Wechsel erfolgen - wär mal was anderes.

So widerspricht es dem Titel - denn nur manchmal ist es müde,
da es jambisch agiert und reagiert hat es als Grundtenor aber dieses Wandern in elementaren Kräften und im selbstbewussten suchenden Ich.

Das Sonett macht in den Quartetten (wie ich es versteh) eigentlich eine Schilderung des zum Problem führenden (Anschauungen, Naturbild - das die Situation widerspiegelt, etc) und

in den beiden Terzetten eine erste Hypothese oder Lösung und eine weiterführende Bestätigung der Hypothese, einer philosophischen Antwort oder eines weiterführenden Standpunktes.

Obiges ist natürlich althergebracht. Heute darf Jede/r auch experimentieren - besonders in einem Forum - ich mache das auch. Dennoch fiel mir auf, dass der ganz durchgezogenen Jambus den durch den Titel geweckten Erwartungen nicht ganz entspricht.

Tschüss
hera dam
 
V

vexierbild

Gast
Meine Liebe, ist das Schön! So schön, dass ich Schön groß schreiben muss!

Und ich kann keine gute Bewertung abgeben, weil ich nur gute Gedichte bewerte und deshalb bei meinen immer etliches abgezogen wird.
Nimm also nur mein Lob, dafür, mir aus der Seele zu sprechen!

Heri
 

Magic

Mitglied
Liebe hera dam,

aus deinem Kommentar entnehme ich, dass du über weit mehr Kenntnisse (die Lyrik betreffend) verfügst als ich. Vor einem Jahr hatte ich keine Ahnung was ein Jambus überhaupt ist. Sonette waren für mich eine nur schwer zu entziffernde Melodie und nach meinem ersten Versuch eins zu schreiben, schwor ich mir: nie wieder!
Hinweise wie deine weckten jedoch den Ehrgeiz in mir und ich kniete mich mal ein bisserl in die Metrik hinein :)
Heute bin ich froh, ein Sonett im durchgängigen Jambus, einigermaßen korrekt zu beherrschen. Aber ich experimentiere weiter ;)

Dein feinfühliges Einlassen auf den Inhalt ist enorm und hinterlässt eine Sichtweise, die sogar mir einiges entschlüsselt, das sich aus dem Bauch heraus schrieb.
Vielleicht fällt mir auch noch ein passenderer Titel ein :)
Ich danke dir herzlich!

Liebe Heike, liebe/r heri, liebe Black Pearl,

auch euch ein herzliches Dankeschön für die lobenden Worte. Ich freu mich sehr :)

Alles Liebe und ein schönes Wochenende wünscht
Karin
 

Regenzauber

Mitglied
Lass dich nicht beirren, denn jene alten Worte von der Dichtkunst, die sich bemisst nach Länge, Zahl wie auch Akzent, sind offen für die Interpreten, die sich an Universitäten kärgliche Moneten schaffen. Wenn sie dann stolz von Anapästen sprechen oder was immer sie an ausdruckslosen termini auch finden, so wird damit kein einzig wahres Kunstwerk neu belebt, geschaffen sicher nicht, doch wie sie sich einander widersprechen, entsteht ein ständig wachsend Ungetüm aus lauter Worten, die gelehrt sich geben, doch entleerte sind, Hülsen nur , nur Schoten, deren Kern noch nie gereift.

Dein Gedicht trägt in angemessener Form einen interessanten Gedanken, der sich durch seine Klarheit wohltuend von so manchen Mystifikationen, die sich im Forum zur Schau stellen, abhebt.
 

Magic

Mitglied
Hallo Regenzauber,

mir genügt es, die Grundregeln der Metrik einigermaßen zu beherrschen. Der Rest ist "Inhalt".

Dankeschön :)

Alles Liebe
Karin
 



 
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