Unerfüllte Liebe

Masterofweil

Mitglied
Schmetterlingsküsse

Dem alten Stadtpark hatte in seinen Augen schon immer ein besonderer Zauber innegewohnt, dem die wenigsten Besucher sich verschließen konnten. Auch jetzt, als er durch eines der bei-den großen gusseisernen Tore, die an beiden Seiten in den die Anlage umgebenden Zaun ein-gelassen waren, trat, erschien es ihm, als sei er unversehens in eine Art Zwischenwelt hin-übergewechselt. Der Lärm der Stadt schien so unsagbar fern zu sein. Hier konnte man all sei-ne Sorgen getrost draußen lassen und zur Ruhe kommen, hier herrschte eine Art entrückte Zeitlosigkeit vor.
Der gesamte Park, der von gewaltigen Ausmaßen war, lag besonders an Frühlingstagen wie diesem da wie in bunte Stille getaucht. Ruhesuchende gingen einen der vielen Wege entlang und versuchen, jede der sich am Wegrand befindenden Pflanzenarten zu benennen. In der Tat war es gerade während des Frühlings, wenn die Natur sich gleichsam wieder ihrem neuen Leben entgegenstreckte, keine Seltenheit, dass er Schulklassen beobachten konnte, die unter Anleitung ihrer Lehrerin die lateinischen Namen der vielen Pflanzen aufsagten. Dies geschah freilich in der Stille und Andächtigkeit, die diesem besonderen Orte angemessen zu sein schien. Ganze Familien gingen in den zahlreichen Alleen, die von Platanen gesäumt waren, spazieren oder setzten sich auf eine der Holzbänke, um den Blick auf den herrlichen Teich zu genießen. Enten schwammen darin umher und steckten, sobald sie etwas besonders Schmack-haftes erspäht hatten, ihre Schnäbel in das Wasser.
Schon als Kind war er gerne in den Stadtpark gegangen, hatte dort mit seinen Freunden ver-stecken gespielt oder war auf einen der Bäume geklettert, wobei er sich mit seinen Spielge-fährten nicht selten einen Wettstreit darin lieferte, wer am höchsten klettern konnte. Im Laufe der Jahre war der Park ihm praktisch zur zweiten Heimat geworden, in der er stets Ruhe und Entspannung fand. Diesmal allerdings vermochte auch das wohl vertraute Ambiente ihn nicht zu beruhigen, wenngleich der Stadtpark ihm noch nie so zauberhaft erschienen war wie eben gerade an jenem Tag. Dennoch schlug das Herz ihm bis zum Halse, und in seinen Ohren rauschte das Blut so laut, als hielte er sich eine Muschel davor, wie er es als Kind ebenfalls gerne getan hatte. Diesmal allerdings war er nicht zum Verweilen hierher gekommen wie un-gezählte Male zuvor. Das Rauschen des Windes in den Zweigen der Bäume und der sanfte Frühlingsduft vermochten ihm keine innere Ruhe zu spenden. Heute nämlich war er mit ei-nem Ziel in den Stadtpark gekommen.
Vorerst aber hieß es für ihn zu warten. Sie betrat den Park stets um Punkt 15 Uhr, keine Mi-nute früher. Er hatte sie lange genug beobachtet, um jeden ihrer Schritte vorauszusehen. Da-bei hatte er es natürlich stets verstanden, selbst nicht gesehen zu werden, wobei ihm seine gute Kenntnis des Stadtparks sehr gelegen kam. Oft war sie nur eine Armlänge entfernt an ihm vorbeigelaufen, ohne dass sie auch nur eine Sekunde geahnt hätte, dass er hier war. Dass sie ihren Hund im alten Stadtpark ausführte, wusste er noch von früher. So war es, nachdem er erst einmal den Plan gefasst hatte, sie direkt zu konfrontieren, für ihn ein Leichtes, ihre Gewohnheiten herauszufinden. Monatelang hatte er sie nun schon in dieser Manier beobach-tet, wobei er manchmal kurz davor gestanden hatte, sich zu erkennen zu geben, weil er die unerträgliche Ungewissheit nicht mehr ertragen konnte. Doch der richtige Zeitpunkt für etwas wurde durch Warten erreicht, wie seine Großmutter ihn stets gelehrt hatte, und daran hielt er sich, auch wenn es ihm unerträgliche Seelenpein verursachte und er manchmal eine Hand vor den Mund halten musste, um ein Schluchzen zu unterdrücken, wenn sie an ihm vorüberging. Doch alles Warten machte sich letztendlich bezahlt, und heute war nun der Zeitpunkt ge-kommen.
Er trat etwas tiefer in das Unterholz, um nicht den Argwohn der anderen Besucher zu erregen, dabei sah er auf die Uhr. Fünf Minuten vor drei. Die Zeiger der Uhr schienen stehen geblie-ben zu sein. Er hielt sie sich an das Ohr, wobei er aufgrund seines lauten Herzschlages tat-sächlich für kurze Zeit meinte, der Mechanismus habe seinen Geist aufgegeben. Doch als er sich schließlich einigermaßen beruhigt hatte, hörte er tatsächlich das leise und gleichmäßige tick tick der Uhr. Erleichtert atmete er auf, doch schon gleich darauf hielten ihn wieder beun-ruhigende Vorahnungen in ihrem Bann.
Was, wenn sie ausgerechnet heute nicht kam? Vielleicht musste sie mit ihrem Hund zum Tierarzt, er war nicht mehr der Allerjüngste. Vielleicht hockte sie gerade im Wartezimmer, ohne auch nur einen Gedanken an den Stadtpark zu verschwenden, wo sie miteinander verab-redet waren. Wo er mit ihr verabredet war, verbesserte er sich in Gedanken und musste ein bösartiges Lächeln unterdrücken. Es wäre doch immerhin möglich. Schließlich gab es auch in seiner präzisen Planung Faktoren, die er unmöglich voraussehen konnte. Vielleicht war sie selbst krank und musste das Bett hüten, so etwas ging ja schnell. An einem Tag war man noch gesund und stand mitten im Leben, am nächsten fühlte man sich schlecht und hatte Fieber. Was aber würde er tun, wenn sie ausgerechnet heute tatsächlich nicht kam? Hätte er die Kraft, sich weiterhin jeden Tag auf die Lauer zu legen in der Hoffnung, sie irgendwann wieder anzu-treffen? Er glaubte es nicht. Nein, er wusste, dass er dazu nicht imstande wäre. Die Zeit des Wartens war für ihn ein für allemal zu Ende.
Fünf nach drei. Noch immer war sie nicht in Sicht. Er fühlte, wie ihm langsam der Schweiß ausbrach. Wo blieb sie nur? Einen verrückten Moment lang glaubte er sogar, sie hätte sein Spiel durchschaut und erschien nun absichtlich nicht, um ihn zum Narren zu halten. Er fühlte Zorn in sich aufsteigen, doch schon im nächsten Moment sagte er sich, dass das unmöglich war. Sie mochte für ihr Alter ungewöhnlich reif sein und über eine beachtliche Menschen-kenntnis verfügen, aber Gedankenlesen konnte sie definitiv nicht. Aber es konnte ja wer weiß was dazwischengekommen sein. Es gab so vieles, was außerhalb seines Einflussbereiches lag.
All diese Gedankengänge kamen zu einem abrupten Ende, als er sie vorne um eine Ecke des Weges biegen sah. Sie war noch zu weit weg, als dass er ihre Gesichtszüge erkannt hätte, aber ihr langes blondes Haar, das in der Frühlingssonne golden schimmerte, war unverkennbar. Doch was war das? Sie schien in Begleitung zu sein, denn mit ihr bog ein älterer Mann um die Ecke, der sich mit ihr unterhielt, wobei er heftig gestikulierte. Vielleicht ihr Vater. Den hatte er in all der Zeit niemals zu Gesicht bekommen und wusste demzufolge auch nicht, wie er aussah. Als die beiden näher kamen, hörte er sie lachen, was ihm im Herz weh tat und ihn an bessere Zeiten erinnerte. Er überlegte sich schon, was er tun sollte, wenn sie zu zweit an sei-nem Versteck vorbeikamen, da hörte er sie sagen: „Also nochmals vielen Dank dafür! Wissen Sie, mein Hund ist etwas lebhaft, und manchmal kann auch ich ihn nicht mehr halten, wenn er die Enten im Teich sieht!“
Das Ende des gemeinsamen Weges war nun offenbar erreicht, denn auf ihre Worte hin wandte der Mann sich nach rechts, um einen anderen Weg einzuschlagen, streichelte den Hund kurz und winkte beim Weggehen noch einmal. In seinem Versteck atmete er daraufhin so laut auf, dass er befürchtete, sie würde es hören, da sie nun schon direkt vor ihm war. Als sie nur noch wenige Schritte von der Stelle trennten, an der er abseits des Weges im Unterholz saß, trat er aus dem Dickicht hervor und sagte etwas gedämpft: „Hallo.“
Falls sie über sein plötzliches Auftauchen erschrocken war, achtete sie sorgfältig darauf, es sich nicht anmerken zu lassen. Stattdessen fragte sie nur kühl: „Was willst du?“
Unzählige Male hatte er diese Situation in Gedanken durchgespielt, hatte sich Dinge überlegt, die er sagen würde, wenn er nur noch ein einziges Mal die Chance erhielte, mit ihr zu spre-chen, und hatte überlegt, was sie wohl jeweils antworten würde. Aber als das, was er so oft theoretisch durchgespielt hatte, nun zur Realität wurde, wusste er nicht, was er erwidern soll-te. Deshalb meinte er nur zögerlich: „Eigentlich… wollt ich nur mit dir reden.“
„Klar, ständig kommen irgendwo Leute aus Gebüschen, die nur mit einem reden wollen. Das ist das normalste auf der Welt.“ Sie lachte kurz auf, konnte ihre Nervosität nun aber nicht mehr länger verbergen. Sie schien zu überlegen, ob sie um Hilfe rufen sollte, denn ihr unbe-kannter Helfer war noch immer in Hörweite. Deshalb beeilte er sich zu sagen: „Nein, wirk-lich, ich möchte nur mit dir reden.“
Sie schien ihm zu glauben, denn ihr Gesichtsausdruck entspannte sich etwas. Vielleicht war sie auch nur zu dem Schluss gekommen, dass sie den Typen vor sich notfalls auch ohne frem-de Hilfe ins Reich der Träume schicken konnte – schließlich beherrschte sie nicht umsonst drei Kampfsportarten.
Der Typ vor ihr hatte indes alle Mühe, Realität und Phantasie in Einklang zu bringen. Im Lau-fe der Zeit hatte er sie in Gedanken zu einem Idealbild von Frau stilisiert und Erwartungen an sie geknüpft, die kein Mensch der Welt erfüllen konnte. Selbst wenn sie eine Mischung aus Greta Garbo und Grace Kelly gewesen wäre, hätte die bloße Realität niemals seinen Traum-vorstellungen genügen können. Sie jetzt tatsächlich vor sich zu sehen – abzuschätzen, dass sie etwa einen Kopf kleiner war als er, zu sehen, dass sie heute offenbar vergessen hatte, ihr lan-ges blondes Haar, das ihr über das rechte Auge fiel, allzu eingehend zu frisieren – war eine neue Erfahrung für ihn. Eine, die das ganze nicht unbedingt schlechter machte, aber ihn doch in gewisser Weise enttäuschte. Natürlich hatte er sie oft aus dem Gebüsch heraus gesehen, wenn sie an ihm vorüber lief, ohne von seiner Anwesenheit Notiz zu nehmen, aber das war doch irgendwie distanzierter gewesen, und er war dabei stets so in seine romantischen Tag-träume versunken, dass er alles, was nicht seinem unerfüllbaren Ideal entsprach, einfach aus-geblendet hatte – James Stewart als hoffnungsloser Romantiker in der langen Verfolgungs-szene in „Vertigo“. Doch hier vor ihm stand ein Mensch – eine junge Frau, sicherlich von außergewöhnlicher Schönheit und sehr liebenswürdig, aber keine Gottheit.
Er merkte, dass er sie wie ein Geistesgestörter anglotzte, konnte aber den Blick nicht von ihr wenden. „Also, was jetzt?“, fragte sie. „Soll ich mich vielleicht noch ein paar Mal drehen? Wir können hier ja schlecht Wurzeln schlagen. Wenn du nun schon da bist, können wir auch genau so gut weitergehen.“
„Weitergehen wäre prima“, stimmte er ihr stockend zu, wobei seine Stimme für ihn selbst wie die eines Fremden klang und er sie noch immer aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, unfä-hig, irgendetwas zu tun. Als sie merkte, dass er keine Anstalten zum weitergehen traf, wollte sie an ihm vorbei und schien damit die Starre zu lösen, denn er trat schnell zur Seite, um sie vorbei zu lassen. Dann blieb er noch kurz stehen, bis sie einigen Abstand gewonnen hatte, rief sich wieder in Erinnerung, weswegen er eigentlich hierher gekommen war, und holte sie mit einigen schnellen Schritten wieder ein.
„Du hast vielleicht Nerven, mir hier aufzulauern“, meinte sie kopfschüttelnd, als er neben ihr war. „Aber weißt du was? Es überrascht mich nicht einmal. Eigentlich hätte ich dich sogar schon früher erwartet.“ Sie wandte sich zu ihm um und blieb stehen. „Also, was jetzt? Kommt jetzt der große Vortrag? ‚Es tut mir ja alles so leid, lass es uns doch noch mal versuchen.’ Mann, du lässt wirklich kein Klischee aus.“ Sie ging weiter, ohne eine Antwort abzuwarten, die er auch nicht parat gehabt hätte. Sein ganzes Denken hatte sich während der vergangenen Monate auf diesen Moment hin ausgerichtet. Alles, was er getan hatte, hatte diese Situation entweder vorbereitet oder hinausgezögert. Und jetzt, als es soweit war, kam ihm das alles so unerträglich leer und sinnlos vor.
Er war von ihren Worten getroffen, weil er wusste, dass sie Recht hatte. Sein Verhalten war peinlich, das musste sogar er zugeben. Aber wie es seine Art war, floh er vor der Selbster-kenntnis in den Zynismus. „Weißt du, es geht mir schon wesentlich besser“, meinte er mit einem aggressiven Unterton in der Stimme. „Sie können jetzt im Radio sogar wieder ‚17 Jahr, blondes Haar’ spielen, ohne dass ich schreiend aus dem Raum renne.“
Das war so dumm wie kindisch, und sie gab ihm darauf die einzige angemessene Reaktion, indem sie sagte: „Genau das ist dein Problem. Du bist so zynisch und verbittert, dass du stän-dig meinst, beißen und stechen und den Menschen um dich herum wehtun zu müssen. Darauf hab ich keine Lust mehr.“
Seine Aggression war schon wieder verpufft, und er kam sich dumm und hilflos vor. „Bist du jetzt enttäuscht?“, fragte er fast flehend.
„Nein, denn um enttäuscht zu sein, müsste ich mich ja vorher Täuschungen über dich hinge-geben haben. Aber das hab ich schon vor langer Zeit aufgegeben. Am Anfang, ja, da war es vielleicht so. Ich hielt dich für witzig und charmant und dachte, ich könnte dir vertrauen. Du wärst ein guter Kollege und Freund, dachte ich. Aber die Quittung dafür hab ich ja mittlerwei-le bekommen.“
Er dachte daran zurück, wie schön und unbeschwert am Anfang alles gewesen war. Sie hatten sich schon fast instinktiv verstanden, und es war ihm vorgekommen, als würde er sie schon seit Jahren kennen. Sie hatte ihm vertraut und vieles von sich preisgegeben, und er hatte ihr im Gegenzug ebenso vertraut. Sie hatten so unendlich viel Spaß gehabt, weil jeder vom ande-ren wusste, wie er ihn aufziehen konnte, ohne ihm weh zu tun. Es hätte eine großartige Freundschaft werden können, die jahrelang Bestand gehabt hätte. Nur dass ihm das in diesem Fall nicht reichte. Fortan hatte er alles falsch gemacht, was man nur hatte falsch machen kön-nen. Wenn jemand sagte, seine Versuche, ein normales Verhältnis zwischen ihnen beiden aufzubauen, seien gescheitert, war das in etwa so, als stellte man die Behauptung auf, bei der Jungfernfahrt der „Titanic“ sei eben ein klein bisschen etwas schief gelaufen. Er hatte zu ihr gesagt, sie könne sich immer melden, wenn sie Probleme hätte, und als sie das tatsächlich getan hatte, reagierte er beleidigt und verletzte sie dadurch. Er hatte ihr gesagt, sie könne ihm vertrauen, und ihr im Gegenzug erfundene Grüße ausgerichtet, um sie anzulocken. Er hatte ihr am ersten Arbeitstag Blumen und weitere Geschenke ins Geschäft bringen lassen, und als sie darüber nicht aus dem Häuschen war, sondern ihn bat, das zu lassen, reagierte er auf melo-dramatische Weise und versicherte ihr, er werde sie künftig in Ruhe lassen und wünsche ihr alles Gute auf dem weiteren Lebensweg. Während er so darüber nachdachte, musste er zugeben, dass er tatsächlich zu einem Großteil dafür verantwortlich war, dass die Sache derart nach hinten losging. Aber sie hatte ihn auch lange hingehalten und war stets den für sie ein-fachsten Weg gegangen, der da hieß, seine Bemühungen einfach zu ignorieren. Er wurde schon wieder wütend, als er daran dachte, wie er tage- und wochenlang vergeblich auf ein Zeichen von ihr gewartet hatte.
Sie war in der Zwischenzeit kurz abgelenkt gewesen, weil ihr Hund sich wieder im Unterholz vergnügte, und hatte ihn seinen Gedanken überlassen. Jetzt meinte sie: „Gehst du eigentlich noch zu dieser Therapeutin?“
Überrascht über diesen Gedankensprung, musste er kurz überlegen und fragte dann: „Du meinst Doctor Love?“ Sie musste lachen, und er konnte nicht anders, als einzustimmen, als er daran dachte, wie eine gemeinsame Arbeitskollegin, die das ganze Spektakel aus einiger Ent-fernung hatte verfolgen können, sich diesen Spitznamen gegeben hatte.
Es war ein schöner Moment, der sein Herz mit Wärme füllte, als sie für kurze Zeit in gemein-samen Erinnerungen schwelgen konnten. Doch unversehens wurde sie wieder ernst und mein-te: „Nein, ich dachte eigentlich an einen richtigen Therapeuten.“ Das Thema war ihm unange-nehm, deshalb murmelte er nur kurz etwas von „Langen Wartezeiten“ und hoffte, dass sie nicht weiter darauf eingehen würde.
Den Gefallen tat sie ihm jedoch nicht. „Kannst du es nicht wenigstens mal versuchen? Du bist so verdammt stur.“ Sie verdrehte die Augen. „Aber was reg ich mich überhaupt noch auf? Ist ja schließlich nicht mein Problem.“
Sie gingen eine Weile weiter schweigend nebeneinander her durch den Park, der ihm nun schon weit weniger zauberhaft erschien als zu Beginn. Das ganze entwickelte sich völlig an-ders, als er sich das vorgestellt hatte, und das gefiel ihm kein bisschen. Eine Weile suchte er nach einer Möglichkeit, das Gespräch in Bahnen zu lenken, die ihm mehr zusagten, dann meinte er: „Es tut mir leid, dass ich…“ Sie unterbrach ihn: „Was tut dir leid? Dass du mich im Stich gelassen hast, als ich dich tatsächlich einmal gebraucht hätte? Dass du mich angelogen hast? Dass du mir wehgetan hast?“ Sie lachte bitter auf. „Komm, erspar uns das doch am bes-ten.“
Ihre Vorwürfe brachten ihn auf die Palme. „Du hast mir auch wehgetan. Ich hab dich so ge-liebt.“
„Ja, natürlich. Ich vergaß, dass du ja der großartige Künstler bist, der alles Leid der Welt für sich gepachtet hat. Du kannst dich ja benehmen wie die Axt im Walde und wunderst dich noch, wenn es dir jemand übel nimmt. Aber selber suhlst du dich in Selbstmitleid.“
Sie machte eine Pause und bemühte sich sichtlich, wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Auch er sagte nichts, weil er im tiefsten Inneren wusste, dass sie den Nagel damit auf den Kopf traf. Nachdem sie eine Weile wieder schweigend nebeneinander hergegangen waren, meinte sie: „Hast du schon einmal Ernest Dowson gelesen?“
Überrascht über diesen Gedankensprung, brummte er nur mürrisch: „Du weißt, was ich mir aus diesem Mist mache. Du bist die Literatin von uns.“
Sie ließ sich nicht beirren, sondern fuhr fort: „Das ist schade. Dowson war ein Brite, der zu Ende des 19. Jahrhunderts lebte. Die einzige romantische Liebe in seinem Leben galt einer englischen Kellnerin und war vermutlich nur ein Produkt seiner Phantasie. Überzeugt davon, dass er die wahre Liebe niemals finden würde, wollte er die Möglichkeiten dafür schon im Vorfeld ausschalten, um ihren Verlust dann endlos beklagen zu können.“ Sie sah ihn direkt an. „Denkst du, deine Begeisterung für mich wäre auch so lang anhaltend gewesen, wenn tat-sächlich etwas aus uns geworden wäre?“
Er wollte schon wieder aufbrausen, musste dann aber daran denken, wie er vorhin aus dem Gebüsch getreten und sie direkt angesehen hatte und wie das einer Art Entmystifizierung gleich gekommen war. Sie nahm ihm die Antwort ab: „Wahrscheinlich nicht, oder? Es ging dir mehr darum, einem Idealbild von Frau hinterher zu jagen, nicht wahr? Hinzu kommt, dass es dir wahrscheinlich gar nicht so sehr um mich gegangen ist. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte eben irgendjemand anderes irgendwann diesen Wahn in dir ausgelöst.“ Sie seufzte. „Das festzustellen, ist nicht sehr schmeichelhaft für mich, weißt du?“
Er wollte ihr eine Antwort geben, brachte aber nur ein „Ich hab dich so geliebt“ heraus.
„Ja, das hast du sicherlich“, fuhr sie fort. „Aber wahrscheinlich hast du nicht so sehr mich geliebt als die Vorstellung, die du dir von mir gemacht hast. Hättest du mich auch noch ge-liebt, wenn du gemerkt hättest, dass ich schlechten Atem habe und jeden Morgen furzen muss? Wahrscheinlich wärst du eher angewidert gewesen, weil ich in deinen Augen ja perfekt bin. Hab ich Recht?“
Er konnte ihr darauf nichts erwidern, woraufhin sie nur verächtlich meinte: „Mein Gott, be-nimm dich doch endlich wie ein Mann.“
Damit hatte sie, ob sie es nun wollte oder nicht, seinen wunden Punkt erwischt. „Das hör ich schon seit meiner Kindheit“, herrschte er sie an. „Seit meinem vierten Lebensjahr heißt es, ich solle mich wie ein Mann benehmen. Was soll das ganze? Wieso kann ich meine Gefühle nicht einfach zeigen? Immer habe ich alles unterdrückt, von Geburt an. Auch Männer leiden.“ Er hatte sich in Rage geredet und sie zuletzt regelrecht angeschrieen, wodurch einige etwas ent-fernt gehende Leute sich umdrehten. Kurz darauf blickten sie jedoch wieder nach vorne und setzten ihre Wanderung mit etwas schnelleren Schritten fort.
Sie blickte ihn nun offen erschrocken an, und er musste erst etwas warten, bis er sich wieder soweit in der Gewalt hatte, dass er nun immer noch erregt, aber mit deutlich leiserer Stimme fortfahren konnte: „Seit ich auf der Welt bin, habe ich nur resolute und beherrschende Frauen um mich gehabt. Ein männliches Vorbild, an dem ich mich hätte orientieren können, fehlte völlig.“ Er wandte sich von ihr ab, weil sie sein Gesicht nicht sehen sollte, als er nun weiter-erzählte: „Bereits als Kind war ich immer zutiefst verunsichert. Einmal habe ich am Abend vor Weihnachten meine Mutter gefragt, ob denn das Christkind auch bestimmt wisse, dass ich ein Junge sei, und mir die richtigen Geschenke unter den Baum legen würde. Später dachte ich, dass ich meine Unsicherheit mit einem aggressiven und zynischen Auftreten kompensie-ren könnte. Ständig wollten mich alle Frauen immer nur beschützen.“ Er blickte sie nun wie-der direkt an und fuhr dann langsam fort: „Du warst die Einzige, bei der ich mich als Be-schützer fühlen konnte. Als du mir das ganze Schlimme in deinem Leben erzählt hast, hast du nicht nur Vertrauen zwischen uns aufgebaut, sondern mir auch das Gefühl vermittelt, als ob ich dich vor irgendetwas beschützen müsste – als ob ich das könnte. Das war mindestens ge-nauso ein Grund für das ganze Theater wie alles andere.“ Während seiner Worte war er inner-lich ganz ruhig geworden, und auch sie schien ihre kurzzeitige Nervosität zu verlieren. Der Abscheu in ihren Augen hatte sich in so etwas wie Mitgefühl verwandelt, und da war auch – ja, da war so ein Hauch von Verstehen. „Also war ich einfach nur dafür da, dich in deiner Männlichkeit zu bestärken, das ist es doch, was du mir sagen willst“, meinte sie bitter. „Das ist ebenfalls nicht gerade ein Kompliment für mich.“
„Jedenfalls – jedenfalls wollte ich dir niemals wehtun“, sagte er. Dann, nach einer kurzen Zeit des Schweigens, fuhr er fort: „Du gehst weg, nicht wahr?“ Sie fragte nicht, woher er das wusste, sondern erwiderte nach kurzem Nachdenken nur leise: „Ja, ich gehe nach Irland. Das habe ich mir schon immer gewünscht, wie du weißt.“ Sie lächelte, und in diesem Moment fühlte er eine so starke Welle der Zuneigung in sich aufbranden, dass er ihr am liebsten um den Hals gefallen wäre. Sie war liebenswürdig, daran bestand kein Zweifel. Sie hatte etwas Besseres verdient als jemanden, der immer jedem um sich herum Schmerzen zufügte.
Mit einer Stimme, die vor Müdigkeit und Trauer fast erstickte, meinte er: „Du weißt, wenn etwas ist…“ Er ließ den Satz unvollendet.
Sie lächelte noch einmal, doch diesmal schien auch sie traurig zu sein. „Ja, ich weiß, der gro-ße Beschützer, nicht wahr? Du wirst nach Irland kommen und mich aus jedem Schlamassel heraushauen, oder? Der große Bruder für die kleine Schwester, die du nie hattest.“ Sie schüt-telte leicht den Kopf und sagte dann, immer noch milde lächelnd: „Aber ich denke, das wird eher nichts. Wir hatten unsere Chance bereits.“ Sie überlegte kurz, dann trat sie ganz nahe an ihn heran und sagte leise: „Eines Tages wirst du eine wundervolle Freundin haben, die du verwöhnen und umsorgen kannst und die dich so liebt, wie du bist.“ Sie kam noch etwas nä-her und flüsterte ihm ins Ohr: „Aber ich werde es nicht sein.“ Sie drückte vorsichtig ihr Ge-sicht an seinen Hals, dann blinzelte sie zweimal kurz, wobei sie ihn mit ihren Augenbrauen kitzelte – eine Berührung, so sanft und zart wie der Kuss eines Schmetterlings. Die Berührung schien vieles zu enthalten, unter anderem vielleicht so etwas wie Vergebung dafür, dass er so war, wie er war.
Sie wandte sich von ihm ab, dann ging sie langsam den Pfad entlang, wobei ihr Hund, der die gesamte Szene aus einiger Entfernung beobachtet hatte, ihr folgte. Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er ihr nachgehen sollte, dann entschied er sich jedoch dagegen. Dies war das Finale, das er sich so sehr gewünscht hatte, so wollte er sie in seiner Erinnerung aufbewahren wie einen unendlich kostbaren Schatz. Alles, was er noch hätte tun oder sagen können, wäre unvermeidbar ein Rückschritt und damit eine Herabwürdigung gewesen, verglichen mit die-sem Moment. Außerdem hätte er ihr nichts sagen können, was sie nicht schon wusste.
Sie hatte nun die Wegbiegung erreicht und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen oder zu winken, weiter, hinaus aus seinem Blickfeld.
Danach sollte er sie niemals wieder sehen.

Ende
 

Masterofweil

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Schmetterlingsküsse

Dem alten Stadtpark hatte in seinen Augen schon immer ein besonderer Zauber innegewohnt, dem die wenigsten Besucher sich verschließen konnten. Auch jetzt, als er durch eines der beiden großen gusseisernen Tore, die an beiden Seiten in den die Anlage umgebenden Zaun eingelassen waren, trat, erschien es ihm, als sei er unversehens in eine Art Zwischenwelt hinübergewechselt. Der Lärm der Stadt schien so unsagbar fern zu sein. Hier konnte man all seine Sorgen getrost draußen lassen und zur Ruhe kommen, hier herrschte eine Art entrückte Zeitlosigkeit vor.
Der gesamte Park, der von gewaltigen Ausmaßen war, lag besonders an Frühlingstagen wie diesem da wie in bunte Stille getaucht. Ruhesuchende gingen einen der vielen Wege entlang und versuchen, jede der sich am Wegrand befindenden Pflanzenarten zu benennen. In der Tat war es gerade während des Frühlings, wenn die Natur sich gleichsam wieder ihrem neuen Leben entgegenstreckte, keine Seltenheit, dass er Schulklassen beobachten konnte, die unter Anleitung ihrer Lehrerin die lateinischen Namen der vielen Pflanzen aufsagten. Dies geschah freilich in der Stille und Andächtigkeit, die diesem besonderen Orte angemessen zu sein schien. Ganze Familien gingen in den zahlreichen Alleen, die von Platanen gesäumt waren, spazieren oder setzten sich auf eine der Holzbänke, um den Blick auf den herrlichen Teich zu genießen. Enten schwammen darin umher und steckten, sobald sie etwas besonders Schmackhaftes erspäht hatten, ihre Schnäbel in das Wasser.
Schon als Kind war er gerne in den Stadtpark gegangen, hatte dort mit seinen Freunden verstecken gespielt oder war auf einen der Bäume geklettert, wobei er sich mit seinen Spielgefährten nicht selten einen Wettstreit darin lieferte, wer am höchsten klettern konnte. Im Laufe der Jahre war der Park ihm praktisch zur zweiten Heimat geworden, in der er stets Ruhe und Entspannung fand. Diesmal allerdings vermochte auch das wohl vertraute Ambiente ihn nicht zu beruhigen, wenngleich der Stadtpark ihm noch nie so zauberhaft erschienen war wie eben gerade an jenem Tag. Dennoch schlug das Herz ihm bis zum Halse, und in seinen Ohren rauschte das Blut so laut, als hielte er sich eine Muschel davor, wie er es als Kind ebenfalls gerne getan hatte. Diesmal allerdings war er nicht zum Verweilen hierher gekommen wie ungezählte Male zuvor. Das Rauschen des Windes in den Zweigen der Bäume und der sanfte Frühlingsduft vermochten ihm keine innere Ruhe zu spenden. Heute nämlich war er mit einem Ziel in den Stadtpark gekommen.
Vorerst aber hieß es für ihn zu warten. Sie betrat den Park stets um Punkt 15 Uhr, keine Minute früher. Er hatte sie lange genug beobachtet, um jeden ihrer Schritte vorauszusehen. Dabei hatte er es natürlich stets verstanden, selbst nicht gesehen zu werden, wobei ihm seine gute Kenntnis des Stadtparks sehr gelegen kam. Oft war sie nur eine Armlänge entfernt an ihm vorbeigelaufen, ohne dass sie auch nur eine Sekunde geahnt hätte, dass er hier war. Dass sie ihren Hund im alten Stadtpark ausführte, wusste er noch von früher. So war es, nachdem er erst einmal den Plan gefasst hatte, sie direkt zu konfrontieren, für ihn ein Leichtes, ihre Gewohnheiten herauszufinden. Monatelang hatte er sie nun schon in dieser Manier beobachtet, wobei er manchmal kurz davor gestanden hatte, sich zu erkennen zu geben, weil er die unerträgliche Ungewissheit nicht mehr ertragen konnte. Doch der richtige Zeitpunkt für etwas wurde durch Warten erreicht, wie seine Großmutter ihn stets gelehrt hatte, und daran hielt er sich, auch wenn es ihm unerträgliche Seelenpein verursachte und er manchmal eine Hand vor den Mund halten musste, um ein Schluchzen zu unterdrücken, wenn sie an ihm vorüberging. Doch alles Warten machte sich letztendlich bezahlt, und heute war nun der Zeitpunkt ge-kommen.
Er trat etwas tiefer in das Unterholz, um nicht den Argwohn der anderen Besucher zu erregen, dabei sah er auf die Uhr. Fünf Minuten vor drei. Die Zeiger der Uhr schienen stehen geblieben zu sein. Er hielt sie sich an das Ohr, wobei er aufgrund seines lauten Herzschlages tatsächlich für kurze Zeit meinte, der Mechanismus habe seinen Geist aufgegeben. Doch als er sich schließlich einigermaßen beruhigt hatte, hörte er das leise und gleichmäßige tick tick der Uhr. Erleichtert atmete er auf, doch schon gleich darauf hielten ihn wieder beunruhigende Vorahnungen in ihrem Bann.
Was, wenn sie ausgerechnet heute nicht kam? Vielleicht musste sie mit ihrem Hund zum Tierarzt, er war nicht mehr der Allerjüngste. Vielleicht hockte sie gerade im Wartezimmer, ohne auch nur einen Gedanken an den Stadtpark zu verschwenden, wo sie miteinander verabredet waren. Wo er mit ihr verabredet war, verbesserte er sich in Gedanken und musste ein bösartiges Lächeln unterdrücken. Es wäre doch immerhin möglich. Schließlich gab es auch in seiner präzisen Planung Faktoren, die er unmöglich voraussehen konnte. Vielleicht war sie selbst krank und musste das Bett hüten, so etwas ging ja schnell. An einem Tag war man noch gesund und stand mitten im Leben, am nächsten fühlte man sich schlecht und hatte Fieber. Was aber würde er tun, wenn sie ausgerechnet heute tatsächlich nicht kam? Hätte er die Kraft, sich weiterhin jeden Tag auf die Lauer zu legen in der Hoffnung, sie irgendwann wieder anzutreffen? Er glaubte es nicht. Nein, er wusste, dass er dazu nicht imstande wäre. Die Zeit des Wartens war für ihn ein für allemal zu Ende.
Fünf nach drei. Noch immer war sie nicht in Sicht. Er fühlte, wie ihm langsam der Schweiß ausbrach. Wo blieb sie nur? Einen verrückten Moment lang glaubte er sogar, sie hätte sein Spiel durchschaut und erschien nun absichtlich nicht, um ihn zum Narren zu halten. Er fühlte Zorn in sich aufsteigen, doch schon im nächsten Moment sagte er sich, dass das unmöglich war. Sie mochte für ihr Alter ungewöhnlich reif sein und über eine beachtliche Menschenkenntnis verfügen, aber Gedankenlesen konnte sie definitiv nicht. Aber es konnte ja wer weiß was dazwischengekommen sein. Es gab so vieles, was außerhalb seines Einflussbereiches lag.
All diese Gedankengänge kamen zu einem abrupten Ende, als er sie vorne um eine Ecke des Weges biegen sah. Sie war noch zu weit weg, als dass er ihre Gesichtszüge erkannt hätte, aber ihr langes blondes Haar, das in der Frühlingssonne golden schimmerte, war unverkennbar. Doch was war das? Sie schien in Begleitung zu sein, denn mit ihr bog ein älterer Mann um die Ecke, der sich mit ihr unterhielt, wobei er heftig gestikulierte. Vielleicht ihr Vater. Den hatte er in all der Zeit niemals zu Gesicht bekommen und wusste demzufolge auch nicht, wie er aussah. Als die beiden näher kamen, hörte er sie lachen, was ihm im Herz weh tat und ihn an bessere Zeiten erinnerte. Er überlegte sich schon, was er tun sollte, wenn sie zu zweit an seinem Versteck vorbeikamen, da hörte er sie sagen: „Also nochmals vielen Dank dafür! Wissen Sie, mein Hund ist etwas lebhaft, und manchmal kann auch ich ihn nicht mehr halten, wenn er die Enten im Teich sieht!“
Das Ende des gemeinsamen Weges war nun offenbar erreicht, denn auf ihre Worte hin wandte der Mann sich nach rechts, um einen anderen Weg einzuschlagen, streichelte den Hund kurz und winkte beim Weggehen noch einmal. In seinem Versteck atmete er daraufhin so laut auf, dass er befürchtete, sie würde es hören, da sie nun schon direkt vor ihm war. Als sie nur noch wenige Schritte von der Stelle trennten, an der er abseits des Weges im Unterholz saß, trat er aus dem Dickicht hervor und sagte etwas gedämpft: „Hallo.“
Falls sie über sein plötzliches Auftauchen erschrocken war, achtete sie sorgfältig darauf, es sich nicht anmerken zu lassen. Stattdessen fragte sie nur kühl: „Was willst du?“
Unzählige Male hatte er diese Situation in Gedanken durchgespielt, hatte sich Dinge ausgedacht, die er sagen würde, wenn er nur noch ein einziges Mal die Chance erhielte, mit ihr zu sprechen, und hatte überlegt, was sie wohl jeweils antworten würde. Aber als das, was er so oft theoretisch durchgespielt hatte, nun zur Realität wurde, wusste er nicht, was er erwidern sollte. Deshalb meinte er nur zögerlich: „Eigentlich… wollt ich nur mit dir reden.“
„Klar, ständig kommen irgendwo Leute aus Gebüschen, die nur mit einem reden wollen. Das ist das normalste auf der Welt.“ Sie lachte kurz auf, konnte ihre Nervosität nun aber nicht mehr länger verbergen. Sie schien zu überlegen, ob sie um Hilfe rufen sollte, denn der unbekannte Retter ihres Hundes war noch immer in Hörweite. Deshalb beeilte er sich zu sagen: „Nein, wirklich, ich möchte nur mit dir reden.“
Sie schien ihm zu glauben, denn ihr Gesichtsausdruck entspannte sich etwas. Vielleicht war sie auch nur zu dem Schluss gekommen, dass sie den Typen vor sich notfalls auch ohne fremde Hilfe ins Reich der Träume schicken konnte – schließlich beherrschte sie nicht umsonst drei Kampfsportarten.
Der Typ vor ihr hatte indes alle Mühe, Realität und Phantasie in Einklang zu bringen. Im Laufe der Zeit hatte er sie in Gedanken zu einem Idealbild von Frau stilisiert und Erwartungen an sie geknüpft, die kein Mensch der Welt erfüllen konnte. Selbst wenn sie eine Mischung aus Greta Garbo und Grace Kelly gewesen wäre, hätte die bloße Realität niemals seinen Traumvorstellungen genügen können. Sie jetzt tatsächlich vor sich zu sehen – abzuschätzen, dass sie etwa einen Kopf kleiner war als er, zu sehen, dass sie heute offenbar vergessen hatte, ihr langes blondes Haar, das ihr über das rechte Auge fiel, allzu eingehend zu frisieren – war eine neue Erfahrung für ihn. Eine, die das ganze nicht unbedingt schlechter machte, aber ihn doch in gewisser Weise enttäuschte. Natürlich hatte er sie oft aus dem Gebüsch heraus gesehen, wenn sie an ihm vorüber lief, ohne von seiner Anwesenheit Notiz zu nehmen, aber das war doch irgendwie distanzierter gewesen, und er war dabei stets so in seine romantischen Tagträume versunken, dass er alles, was nicht seinem unerfüllbaren Ideal entsprach, einfach ausgeblendet hatte – James Stewart als hoffnungsloser Romantiker in der langen Verfolgungsszene in „Vertigo“. Doch hier vor ihm stand ein Mensch – eine junge Frau, sicherlich von außergewöhnlicher Schönheit und sehr liebenswürdig, aber keine Göttin.
Er merkte, dass er sie wie ein Geistesgestörter anglotzte, konnte aber den Blick nicht von ihr wenden. „Also, was jetzt?“, fragte sie. „Soll ich mich vielleicht noch ein paar Mal drehen? Wir können hier ja schlecht Wurzeln schlagen. Wenn du nun schon da bist, können wir auch genau so gut weitergehen.“
„Weitergehen wäre prima“, stimmte er ihr stockend zu, wobei seine Stimme für ihn selbst wie die eines Fremden klang und er sie noch immer aus weit aufgerissenen Augen anstarrte, unfähig, irgendetwas zu tun. Als sie merkte, dass er keine Anstalten zum weitergehen traf, wollte sie an ihm vorbei und schien damit die Starre zu lösen, denn er trat schnell zur Seite, um sie passieren zu lassen. Dann blieb er noch kurz stehen, bis sie einigen Abstand gewonnen hatte, rief sich wieder in Erinnerung, weswegen er eigentlich hierher gekommen war, und holte sie mit einigen schnellen Schritten wieder ein.
„Du hast vielleicht Nerven, mir hier aufzulauern“, meinte sie kopfschüttelnd, als er neben ihr war. „Aber weißt du was? Es überrascht mich nicht einmal. Eigentlich hätte ich dich sogar schon früher erwartet.“ Sie wandte sich zu ihm um und blieb stehen. „Also, was jetzt? Kommt jetzt der große Vortrag? ‚Es tut mir ja alles so leid, lass es uns doch noch mal versuchen.’ Mann, du lässt wirklich kein Klischee aus.“ Sie ging weiter, ohne eine Antwort abzuwarten, die er auch nicht parat gehabt hätte. Sein ganzes Denken hatte sich während der vergangenen Monate auf diesen Moment hin ausgerichtet. Alles, was er getan hatte, hatte diese Situation entweder vorbereitet oder hinausgezögert. Und jetzt, als es soweit war, kam ihm das alles so unerträglich leer und sinnlos vor.
Er war von ihren Worten getroffen, weil er wusste, dass sie Recht hatte. Sein Verhalten war peinlich, das musste sogar er zugeben. Aber wie es seine Art war, floh er vor der Selbsterkenntnis in den Zynismus. „Weißt du, es geht mir schon wesentlich besser“, meinte er mit einem aggressiven Unterton in der Stimme. „Sie können jetzt im Radio sogar wieder ‚17 Jahr, blondes Haar’ spielen, ohne dass ich schreiend aus dem Raum renne.“
Das war so dumm wie kindisch, und sie gab ihm darauf die einzige angemessene Reaktion, indem sie sagte: „Genau das ist dein Problem. Du bist so zynisch und verbittert, dass du ständig meinst, beißen und stechen und den Menschen um dich herum wehtun zu müssen. Darauf hab ich keine Lust mehr.“
Seine Aggression war schon wieder verpufft, und er kam sich dumm und hilflos vor. „Bist du jetzt enttäuscht?“, fragte er fast flehend.
„Nein, denn um enttäuscht zu sein, müsste ich mich ja vorher Täuschungen über dich hingegeben haben. Aber das hab ich schon vor langer Zeit aufgegeben. Am Anfang, ja, da war es vielleicht so. Ich hielt dich für witzig und charmant und dachte, ich könnte dir vertrauen. Du wärst ein guter Kollege und Freund, dachte ich. Aber die Quittung dafür hab ich ja mittlerweile bekommen.“
Er dachte daran zurück, wie schön und unbeschwert am Anfang alles gewesen war. Sie hatten sich schon fast instinktiv verstanden, und es war ihm vorgekommen, als würde er sie schon seit Jahren kennen. Sie hatte ihm vertraut und vieles von sich preisgegeben, und er hatte ihr im Gegenzug ebenso vertraut. Sie hatten so unendlich viel Spaß gehabt, weil jeder vom anderen wusste, wie er ihn aufziehen konnte, ohne ihm weh zu tun. Es hätte eine großartige Freundschaft werden können, die jahrelang Bestand gehabt hätte. Nur dass ihm das in diesem Fall nicht reichte. Fortan hatte er alles falsch gemacht, was man nur hatte falsch machen können. Wenn jemand sagte, seine Versuche, ein normales Verhältnis zwischen ihnen beiden aufzubauen, seien gescheitert, war das in etwa so, als stellte man die Behauptung auf, bei der Jungfernfahrt der „Titanic“ sei eben ein klein bisschen etwas schief gelaufen. Er hatte zu ihr gesagt, sie könne sich immer melden, wenn sie Probleme hätte, und als sie das tatsächlich getan hatte, reagierte er beleidigt und verletzte sie dadurch. Er hatte ihr gesagt, sie könne ihm vertrauen, und ihr im Gegenzug erfundene Grüße ausgerichtet, um sie anzulocken. Er hatte ihr am ersten Arbeitstag Blumen und weitere Geschenke ins Geschäft bringen lassen, und als sie darüber nicht aus dem Häuschen war, sondern ihn bat, das zu lassen, reagierte er auf melo-dramatische Weise und versicherte ihr, er werde sie künftig in Ruhe lassen und wünsche ihr alles Gute auf dem weiteren Lebensweg. Während er so darüber nachdachte, musste er zugeben, dass er tatsächlich zu einem Großteil dafür verantwortlich war, dass die Sache derart nach hinten losging. Aber sie hatte ihn auch lange hingehalten und war stets den für sie einfachsten Weg gegangen, der da hieß, seine Bemühungen einfach zu ignorieren. Er wurde schon wieder wütend, als er daran dachte, wie er tage- und wochenlang vergeblich auf ein Zeichen von ihr gewartet hatte.
Sie war in der Zwischenzeit kurz abgelenkt gewesen, weil ihr Hund sich wieder im Unterholz vergnügte, und hatte ihn seinen Gedanken überlassen. Jetzt meinte sie: „Gehst du eigentlich noch zu dieser Therapeutin?“
Überrascht über diesen Gedankensprung, musste er kurz überlegen und fragte dann: „Du meinst Doctor Love?“ Sie musste lachen, und er konnte nicht anders, als einzustimmen, als er daran dachte, wie eine gemeinsame Arbeitskollegin, die das ganze Spektakel aus einiger Ent-fernung hatte verfolgen können, sich diesen Spitznamen gegeben hatte.
Es war ein schöner Moment, der sein Herz mit Wärme füllte, als sie für kurze Zeit in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen konnten. Doch unversehens wurde sie wieder ernst und meinte: „Nein, ich dachte eigentlich an einen richtigen Therapeuten.“ Das Thema war ihm unangenehm, deshalb murmelte er nur kurz etwas von „langen Wartezeiten“ und hoffte, dass sie nicht weiter darauf eingehen würde.
Den Gefallen tat sie ihm jedoch nicht. „Kannst du es nicht wenigstens mal versuchen? Du bist so verdammt stur.“ Sie verdrehte die Augen. „Aber was reg ich mich überhaupt noch auf? Ist ja schließlich nicht mein Problem.“
Sie gingen eine Weile weiter schweigend nebeneinander her durch den Park, der ihm nun schon weit weniger zauberhaft erschien als zu Beginn. Das ganze entwickelte sich völlig anders, als er sich das vorgestellt hatte, und das gefiel ihm kein bisschen. Eine Weile suchte er nach einer Möglichkeit, das Gespräch in Bahnen zu lenken, die ihm mehr zusagten, dann meinte er: „Es tut mir leid, dass ich…“ Sie unterbrach ihn: „Was tut dir leid? Dass du mich im Stich gelassen hast, als ich dich tatsächlich einmal gebraucht hätte? Dass du mich angelogen hast? Dass du mir wehgetan hast?“ Sie lachte bitter auf. „Komm, erspar uns das doch am besten.“
Ihre Vorwürfe brachten ihn auf die Palme. „Du hast mir auch wehgetan. Ich hab dich so geliebt.“
„Ja, natürlich. Ich vergaß, dass du ja der großartige Künstler bist, der alles Leid der Welt für sich gepachtet hat. Du kannst dich ja benehmen wie die Axt im Walde und wunderst dich noch, wenn es dir jemand übel nimmt. Aber selber suhlst du dich in Selbstmitleid.“
Sie machte eine Pause und bemühte sich sichtlich, wieder etwas zur Ruhe zu kommen. Auch er sagte nichts, weil er im tiefsten Inneren wusste, dass sie den Nagel damit auf den Kopf traf. Nachdem sie eine Weile wieder schweigend nebeneinander hergegangen waren, meinte sie: „Hast du schon einmal Ernest Dowson gelesen?“
Überrascht über diesen Gedankensprung, brummte er nur mürrisch: „Du weißt, was ich mir aus diesem Mist mache. Du bist die Literatin von uns.“
Sie ließ sich nicht beirren, sondern fuhr fort: „Das ist schade. Dowson war ein Brite, der zu Ende des 19. Jahrhunderts lebte. Die einzige romantische Liebe in seinem Leben galt einer englischen Kellnerin und war vermutlich nur ein Produkt seiner Phantasie. Überzeugt davon, dass er die wahre Liebe niemals finden würde, wollte er die Möglichkeiten dafür schon im Vorfeld ausschalten, um ihren Verlust dann endlos beklagen zu können.“ Sie sah ihn direkt an. „Denkst du, deine Begeisterung für mich wäre auch so lang anhaltend gewesen, wenn tatsächlich etwas aus uns geworden wäre?“
Er wollte schon wieder aufbrausen, musste dann aber daran denken, wie er vorhin aus dem Gebüsch getreten und sie direkt angesehen hatte und wie das einer Art Entmystifizierung gleich gekommen war. Sie nahm ihm die Antwort ab: „Wahrscheinlich nicht, oder? Es ging dir mehr darum, einem Idealbild von Frau hinterher zu jagen, nicht wahr? Hinzu kommt, dass es dir wahrscheinlich gar nicht so sehr um mich gegangen ist. Wenn ich nicht gewesen wäre, hätte eben irgendjemand anderes irgendwann diesen Wahn in dir ausgelöst.“ Sie seufzte. „Das festzustellen, ist nicht sehr schmeichelhaft für mich, weißt du?“
Er wollte ihr eine Antwort geben, brachte aber nur ein „Ich hab dich so geliebt“ heraus.
„Ja, das hast du sicherlich“, fuhr sie fort. „Aber wahrscheinlich hast du nicht so sehr mich geliebt als die Vorstellung, die du dir von mir gemacht hast. Hättest du mich auch noch geliebt, wenn du gemerkt hättest, dass ich schlechten Atem habe und jeden Morgen furzen muss? Wahrscheinlich wärst du eher angewidert gewesen, weil ich in deinen Augen ja perfekt bin. Hab ich Recht?“
Er konnte ihr darauf nichts erwidern, woraufhin sie nur verächtlich meinte: „Mein Gott, benimm dich doch endlich wie ein Mann.“
Damit hatte sie, ob sie es nun wollte oder nicht, seinen wunden Punkt erwischt. „Das hör ich schon seit meiner Kindheit“, herrschte er sie an. „Seit meinem vierten Lebensjahr heißt es, ich solle mich wie ein Mann benehmen. Was soll das Ganze? Wieso kann ich meine Gefühle nicht einfach zeigen? Immer habe ich alles unterdrückt, von Geburt an. Auch Männer leiden.“ Er hatte sich in Rage geredet und sie zuletzt regelrecht angeschrieen, wodurch einige etwas entfernt gehende Leute sich umdrehten. Kurz darauf blickten sie jedoch wieder nach vorne und setzten ihre Wanderung mit etwas schnelleren Schritten fort.
Sie blickte ihn nun offen erschrocken an, und er musste erst etwas warten, bis er sich wieder soweit in der Gewalt hatte, dass er nun immer noch erregt, aber mit deutlich leiserer Stimme fortfahren konnte: „Seit ich auf der Welt bin, habe ich nur resolute und beherrschende Frauen um mich gehabt. Ein männliches Vorbild, an dem ich mich hätte orientieren können, fehlte völlig.“ Er wandte sich von ihr ab, weil sie sein Gesicht nicht sehen sollte, als er nun weitererzählte: „Bereits als Kind war ich immer zutiefst verunsichert. Einmal habe ich am Abend vor Weihnachten meine Mutter gefragt, ob denn das Christkind auch bestimmt wisse, dass ich ein Junge sei, und mir die richtigen Geschenke unter den Baum legen würde. Später dachte ich, dass ich meine Unsicherheit mit einem aggressiven und zynischen Auftreten kompensieren könnte. Ständig wollten mich alle Frauen immer nur beschützen.“ Er blickte sie nun wieder direkt an und fuhr dann langsam fort: „Du warst die Einzige, bei der ich mich als Beschützer fühlen konnte. Als du mir das ganze Schlimme in deinem Leben erzählt hast, hast du nicht nur Vertrauen zwischen uns aufgebaut, sondern mir auch das Gefühl vermittelt, als ob ich dich vor irgendetwas beschützen müsste – als ob ich das könnte. Das war mindestens genauso ein Grund für das ganze Theater wie alles andere.“ Während seiner Worte war er innerlich ganz ruhig geworden, und auch sie schien ihre kurzzeitige Nervosität zu verlieren. Die Abscheu in ihren Augen hatte sich in so etwas wie Mitgefühl verwandelt, und da war auch – ja, da war so ein Hauch von Verstehen. „Also war ich einfach nur dafür da, dich in deiner Männlichkeit zu bestärken, das ist es doch, was du mir sagen willst“, meinte sie bitter. „Das ist ebenfalls nicht gerade ein Kompliment für mich.“
„Jedenfalls – jedenfalls wollte ich dir niemals wehtun“, sagte er. Dann, nach einer kurzen Zeit des Schweigens, fuhr er fort: „Du gehst weg, nicht wahr?“ Sie fragte nicht, woher er das wusste, sondern erwiderte nach kurzem Nachdenken nur leise: „Ja, ich gehe nach Irland. Das habe ich mir schon immer gewünscht, wie du weißt.“ Sie lächelte, und in diesem Moment fühlte er eine so starke Welle der Zuneigung in sich aufbranden, dass er ihr am liebsten um den Hals gefallen wäre. Sie war liebenswürdig, daran bestand kein Zweifel. Sie hatte etwas Besseres verdient als jemanden, der immer jedem um sich herum Schmerzen zufügte.
Mit einer Stimme, die vor Müdigkeit und Trauer fast erstickte, meinte er: „Du weißt, wenn etwas ist…“ Er ließ den Satz unvollendet.
Sie lächelte noch einmal, doch diesmal schien auch sie traurig zu sein. „Ja, ich weiß, der große Beschützer, nicht wahr? Du wirst nach Irland kommen und mich aus jedem Schlamassel heraushauen, oder? Der große Bruder für die kleine Schwester, die du nie hattest.“ Sie schüttelte leicht den Kopf und sagte dann, immer noch milde lächelnd: „Aber ich denke, das wird eher nichts. Wir hatten unsere Chance bereits.“ Sie überlegte kurz, dann trat sie ganz nahe an ihn heran und sagte leise: „Eines Tages wirst du eine wundervolle Freundin haben, die du verwöhnen und umsorgen kannst und die dich so liebt, wie du bist.“ Sie kam noch etwas näher und flüsterte ihm ins Ohr: „Aber ich werde es nicht sein.“ Sie drückte vorsichtig ihr Gesicht an seinen Hals, dann blinzelte sie zweimal kurz, wobei sie ihn mit ihren Augenbrauen kitzelte – eine Geste, so sanft und zart wie der Kuss eines Schmetterlings. Die Berührung schien vieles zu enthalten, unter anderem vielleicht so etwas wie Vergebung dafür, dass er so war, wie er war.
Sie wandte sich von ihm ab, dann ging sie langsam den Pfad entlang, wobei ihr Hund, der die gesamte Szene aus einiger Entfernung beobachtet hatte, ihr folgte. Für einen kurzen Moment überlegte er, ob er ihr nachgehen sollte, dann entschied er sich jedoch dagegen. Dies war das Finale, das er sich so sehr gewünscht hatte, so wollte er sie in seiner Erinnerung aufbewahren wie einen unendlich kostbaren Schatz. Alles, was er noch hätte tun oder sagen können, wäre unvermeidbar ein Rückschritt und damit eine Herabwürdigung gewesen, verglichen mit diesem Moment. Außerdem hätte er ihr nichts sagen können, was sie nicht schon wusste.
Sie hatte nun die Wegbiegung erreicht und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen oder zu winken, weiter, hinaus aus seinem Blickfeld.
Danach sollte er sie niemals wieder sehen.
 

Wipfel

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Nabend und willkommen an Bord!

erster Tipp: setze deine Story nicht einfach hier so rein, sondern formatiere sie in kürzeren Absätzen. Die Lesegewohnheiten im Netz sind andere...

zweiter: Eine Kurzgeschichte braucht keine fabulösen Ausmalungen. Rechne ruhig mit dem mündigen Leser, der ungefähr weiß, wie ein Stadtpark aussieht.

dritter Tipp: ergibt sich aus dem zweiten - streichen, streichen, streichen. Du schreibst gut! Doch viele Adjektive, Erklärungen und sonstiges barockes Gedöns kannst Du einfach streichen - niemandem wir es fehlen...

Grüße von wipfel
 



 
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