Ungewollter Weggefährte

Ungewollter Weggefährte

Ich habe ein in Hinsicht auf die Liebe bescheidenes Jahr hinter mir. Ein Jahr, das angereichert war mit Unsicherheit, Verlust und Schmerz. Und nun hatte ich gedacht, ich hätte es endlich geschafft. Die Sicherheit, die er mir bot, war beruhigend und in dem Maße bisher noch nicht erlebt. Mit Kleinigkeiten hat er mir gut getan.

Jetzt stehe ich erneut alleine da. Die Unruhe, mein ständiger Begleiter in Zeiten der Einsamkeit ist wieder da. Eigentlich kann ich aus dem Grund auch nicht behaupten, alleine zu sein. Und doch wäre mir das lieber als meine Reise mit diesem Weggefährten zu teilen. Tagsüber hält er sich zurück, doch abends erinnert er mit grausamer Beharrlichkeit an sein Recht, sich mir beizugesellen. Ob ich nun will oder nicht. Dieser Wanderer nimmt, was er bekommen kann, mit stoischer Gelassenheit reagiert er auf mein Unbehagen und meinen Unwillen ihm gegenüber.

Sicher, ich habe auch viel gelernt in dieser Zeit. Und ich habe Menschen kennen gelernt, die mir heute sehr wertvoll sind. Doch sie sind zu weit fort, um mir helfen zu können, zu weit weg, um meinem unliebsamen Kameraden die Stirn bieten zu können. Kurzweilig drängen sie ihn in den Hintergrund durch die moderne Technik, doch auf Dauer kommt niemand gegen ihn an.

Aufgrund dessen kämpfe ich. Ich kämpfe zwar gegen einen übermächtig erscheinenden Gegner, aber ich bekriege ihn mit allem, was ich bieten kann. Auch wenn mir das oft als recht spärlich erscheint.

Ich frage mich, was er gerade macht. Der Mann, der mein Denken durcheinander gewirbelt und mich dann auf diesem Chaos sitzen gelassen hat. Und das alles innerhalb einer kürzesten Zeitspanne. Gerne, nur zu gerne hätte ich ihn an das Chaos gebunden und ihm aufgezwungen, es wieder zu beseitigen, so wie ich nun vor dem Haufen stehe und diesen mit hilflosem Blick mustere.

Doch ich denke, er hat seinen eigenen dornigen Weg, dem er sich mit bloßen Füßen stellen muß. Seine unbeschuhten Füße werden bereits jetzt geziert von einigen nicht schön anzusehenden Dornen, die empfindsame Haut ist dem hilflos ausgesetzt und muß noch lernen, was es heißt, barfuß mit solchen Wegen fertig zu werden.

Ich sehe ihn, will ihm Schuhwerk reichen, doch ich komme nicht mehr an ihn heran, er hat den Weg absichtlich so gewählt, dass mein Haufen Chaos und seine Dornengestrüppe zwischen uns stehen. Unsere traurigen Blicke begegnen sich über diese Hindernisse hinweg und ich glaube für einen Moment, einen Pfad hindurch finden zu können.

Wenn er mich nur ließe, würde ich es versuchen.

Die Zeit, unser beider gnädiger Beschützer, wird schon zeigen, was passieren wird.

(02. Mai 2002)
 



 
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