Unmittelbar danach

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Unmittelbar danach ist das Laken klamm. Unmittelbar danach wird der Kopf wieder klar. Unmittelbar danach bemerkt man vielleicht Übelkeit. Man kann dann auch schwanger sein, unmittelbar danach.
Aber unmittelbar danach kann man nicht darüber schreiben am PC, kann keine E-Mail verschicken; unmittelbar danach kann man auch nicht aufstehen und gehen. Faktisch läßt sich ein \"unmittelbar Danach\" nicht so lange dehnen, daß man doch darüber schreiben kann oder daß man doch zum Klo gehen und sich übergeben kann. Unmittelbar danach ist ein Zustand; dann ist das Laken immer noch klamm. Ein Zustand und die Zeit steht still. Aber was hindert? Die Zeit tickert weiter. Was hindert ihn? Wenn man ein Kaninchen fangen will, muß man die Kiste schließen, solange das Kaninchen vor Angst erstarrt ist. Die Angst kann nur für den Starken ein Partner sein. (...)

\"Kann ich?\"; Zigarette bereits angesteckt erwartet er keine Antwort. Der Sex ist geschehen, ebenso. Rauch schlängelt sich durch den Raum und verdrängt die scharfen Umrisse ein wenig. Was bleibt? Ein klammes Laken, Übelkeit und ein taubes Gefühl irgendwo im Gesicht, Blut im Mund.
\"Geh!\" ganz leise und verzerrt ist es aus der Ecke des Bettes an der Wand gekommen. Angefüllt mit verschiedenen Utensilien bietet das Bett wenig Platz zur freien Entfaltung, weniger noch als vor vier Stunden.
\"Gleich!\" lässig und rauchend, genießerisch geräuschvoll wird der Rauch in die Luft geblasen, in ihre Richtung. (...)

\"Weißt Du, so oft sagt ihr \"Nein!\" und dann...\" Pause, wieder an der Zigarette saugend. Ist es schon eine zweite? Die Zeit scheint gezerrt. \"Immer das Gleiche! Dann wollt ihr das! Und danach? Diese verschreckten Gesichter! ... Herrlich!\" Wieder eine Pause. \"Endlich seid ihr mal an den Richtigen geraten. So ist das nämlich! ... Und ich sag Dir noch was: ... Blödsinn ist das mit dem ganzen Vergewaltigungsquatsch. Glauben die Richter auch nicht so dran, schließlich will die Natur doch die Fortpflanzung. Und ich bin nun mal ein Mann!\" Die Brust hebt sich. \"Ein richtiger Mann muß sich nehmen, was er will. Und ihr? Ihr müßt nun mal die Beine breit machen! Gesetz der Natur.\"; das Zimmer flammt auf.
In einigem Abstand erkennt sie die kleine gläserne Statue, ein Preis. Ihr erster Preispokal für ein Stück Ton gewonnen. Ton gegen Glas getauscht. Durchsichtiges Glas wird im Wasser unsichtbar, Justus hat es gewußt. Sie erinnert sich immer wieder an andere Geschichten und an andere Inhalte aus den Büchern, die sie so liebte. Der Preis war ihre erste Anerkennung für ihre Kunst, der erste Preis für ihre jahrelangen Mühen gewesen. Endlich hatten auch andere es gesehen, aber ihre Mutter war nicht anwesend gewesen. Sie war nicht gekommen, hatte eine Verabredung nicht verschieben können. Aber sie hatte ihr gesagt, daß sie gerne dabei gewesen wäre. Der Preis ragt scharf und spitz in die Höhe, wie ein Phallus. Nicht weit. Nicht weit genug.
Zerrissene Kleider und Angst, alles in Unordnung gebracht, sie würde den Preis opfern.
Danach ist später. (...)
Es geht schnell. Sie dreht die Trophäe in der Hand und sticht schnell zu, in seine Aorta. Die Zigarette fällt auf das Bett, eine kleine Brandwunde im klammen Laken. In einer klebrigen Fontäne schießt aus dem Hals das Blut.
Es geht schnell. Er steht auf, greift ins Leere, er schwankt und sackt wieder auf das Bett zurück. Der kleine Brandt wird gelöscht. Das Laken wird feucht und warm vom Blut durchtränkt. Er atmet flach und stoßweise. Sie bewegt sich flink durch wieder ihre Wohnung. In der Küche nimmt sie das Messer von der Magnetleiste und beugt sich über ihn. \"Nein!\" zischt sie leise und sticht ihm das Messer in die Brust, und \"Nein!\" sagt sie wieder leise, sticht wieder zu. Manchmal knackt es so, als würde sie eine Schwanzflosse vom Rumpf abtrennen. Sie macht das grelle Deckenlicht an, zerfleischt seinen Leichnam, sie Achilles und er Penthesilea. Sie zerwühlt die Eingeweide und lacht hysterisch. Sie ritzt die Haut ein, so viel von der Haut sie einritzen kann. Dann sitzt sie da, stumme Tränen im Gesicht und das Messer in der Hand, mit fremden Blut verschmiert. Sie horcht in die Stille, sieht sich sein Gesicht an. Zum ersten mal ist es sichtbar, wirklich sichtbar. So sieht er aus. Ein Monster mit Gesicht.
Danach ist jetzt.
 

Rainer

Mitglied
hallo scarlettmirro,

willkommen in grünland und dir noch viel spaß hier.

ein starker einstand. nicht von der tematik her, nicht vom ausgang der geschichte, sondern von der sprache. eigenwillig, unorthodox - so gefällt es mir gut.
an ein paar stellen hätte ich anmerkungen - darf ich in deinem text herumschmieren?

viele grüße

rainer
 

Gandl

Mitglied
Hi ScarlettMirro,
klasse.
Du beschreibst sehr plastisch und originell.
Dein Schreib-Rhythmus gefällt mir sehr gut.
Ein dickes Willkommens-Pixel-Geschenk von mir.
Ich freu mich auf mehr von dir.
Liebe Grüße
Gandl
 
Anmerkungen?

Hallo Rainer,

danke für die Blumen,

um sachliche und konkrete Kritik zu bekommen, wollte ich meine Texte ja hier hereinstellen, also dann fang mal an... U ich bin inzwischen auch nicht mehr so sensibel, dass ich deswegen gleich meine Feder ins Klo werfen würde! :)

vielen Dank für die positiven Äußerungen... muss vielleicht sagen, dass das hier "nur" die gekürzte Form einer Geschichte innerhalb einer NOvelle ist.

@ Gandl, danke für die vielen Blumen, damit hab ich gar nicht so schnell gerechnet ... vielen Dank... *schäm
Ich wollte noch ein paar Texte hier reinstellen..., ja, ich will mich wirklich noch verbessern ;)

Und ein Kritikpunkt der mir in der gekürzten Form selbst schon aufgefallen ist: es macht keinen Sinn über das unmittelbar danach zu philosophieren, was dann möglich ist u was nicht ... den der Mord ist demnach ja nicht unmittelbar danach! :) In der Langfassung (und die ist mehr als das Doppelte lang) spielt aber die Ordnung u die Zeit eine wesentliche Rolle u damit bekommt das Philosphieren meiner Ansicht nach einen Sinn --- hier geht der leider verloren! :(

Aber wenn ihr noch was habt, dann bitte ... ich bin gespannt! :) und ich freu mich über den positiven Anklang hier ...

vielen Dank u liebe Grüsse
Scarlett
 

Rainer

Mitglied
hallo,

wenn ich am montag zeit habe, mache ich mich mal darüber her (sagte der böse wolf und ward nie mehr gesehen :)).

vielleicht kannst du uns ja auch etwas später mal bei erzählungen die ganze geschichte posten.


viele grüße + schönes we

rainer
 

Rainer

Mitglied
was du heute kannst besorgen...



Unmittelbar danach ist das Laken klamm. Unmittelbar danach wird der Kopf wieder klar. Unmittelbar danach bemerkt man vielleicht Übelkeit. Man kann dann auch schwanger sein, unmittelbar danach.
Aber unmittelbar danach kann man nicht darüber schreiben am PC, kann keine E-Mail verschicken; unmittelbar danach kann man auch nicht aufstehen und gehen. Faktisch läßt [blue] lässt [/blue]sich ein "unmittelbar Danach" nicht so lange dehnen, daß [blue] dass[/blue] man doch darüber schreiben [blue] oder[/blue] [strike] kann oder dass man doch[/strike] zum Klo gehen und sich übergeben kann. Unmittelbar danach ist ein Zustand; dann ist das Laken [strike] immer[/strike] noch [blue] immer [/blue] klamm. Ein Zustand [blue] optionales komma[/blue] und die Zeit steht still. Aber was hindert? Die Zeit tickert weiter. Was hindert ihn? Wenn man ein Kaninchen fangen will, muß man die Kiste schließen, solange das Kaninchen vor Angst erstarrt ist. Die Angst kann nur für den Starken ein Partner sein. (...)

"Kann ich?"; [blue] die[/blue] Zigarette bereits angesteckt erwartet er keine Antwort. Der Sex ist geschehen, ebenso. Rauch schlängelt sich durch den Raum und verdrängt die scharfen Umrisse ein wenig. Was bleibt? Ein klammes Laken, Übelkeit [strike] und ein taubes Gefühl irgendwo im Gesicht[/strike] [blue] würde ich mir nochmal überlegen. an dieser stelle wurde mir schon klar, dass es um eine vergewaltigung geht[/blue], Blut im Mund.
"Geh!" ganz leise und verzerrt ist es aus der Ecke des Bettes an der Wand gekommen. Angefüllt mit verschiedenen Utensilien bietet das Bett wenig Platz zur freien Entfaltung, weniger noch als vor vier Stunden.
"Gleich!" lässig und rauchend, genießerisch geräuschvoll wird der Rauch in die Luft geblasen, in ihre Richtung. (...)

"Weißt Du, so oft sagt ihr "Nein!" und dann..." Pause, wieder an der Zigarette saugend. Ist es schon eine zweite? Die Zeit scheint gezerrt. "Immer das Gleiche! Dann wollt ihr das! Und danach? Diese verschreckten Gesichter! ... Herrlich!" [blue] Punkt[/blue] Wieder eine Pause. "Endlich seid ihr mal an den Richtigen geraten. So ist das nämlich! ... Und ich sag Dir noch was: ... Blödsinn ist das mit dem ganzen Vergewaltigungsquatsch. Glauben die Richter auch nicht so dran, schließlich will die Natur doch die Fortpflanzung. Und ich bin nun mal ein Mann!" Die Brust hebt sich. "Ein richtiger Mann [strike] muß sich nehmen,[/strike] [blue] nimmt sich[/blue] was er will. Und ihr? Ihr müßt nun mal die Beine breit machen! Gesetz der Natur."; das Zimmer flammt auf.
In einigem Abstand erkennt sie die kleine gläserne Statue, ein Preis. Ihr erster Preispokal [blue] warum nicht einfach pokal ?[/blue] für ein Stück Ton gewonnen. Ton gegen Glas [strike] getauscht[/strike]. Durchsichtiges Glas wird im Wasser unsichtbar, Justus hat es gewußt. [blue] gewusst[/blue] Sie erinnert sich immer wieder an andere Geschichten und an andere Inhalte aus den Büchern, die sie so liebte. [blue] liebt sie die jetzt nicht mehr?[/blue] Der Preis war ihre erste Anerkennung für ihre Kunst, der erste Preis für ihre jahrelangen Mühen gewesen. Endlich hatten auch andere es gesehen, aber ihre Mutter war nicht anwesend gewesen. Sie war nicht gekommen, hatte eine Verabredung nicht verschieben können. Aber sie hatte ihr gesagt, daß sie gerne dabei gewesen wäre. Der Preis ragt scharf und spitz in die Höhe, [strike] wie ein Phallus[/strike]. [blue] würde ich als bild unkommentiert stehenlassen[/blue] Nicht weit. Nicht weit genug.
Zerrissene Kleider und Angst, alles in Unordnung gebracht, sie würde den Preis opfern.
Danach ist später. (...)
Es geht schnell. Sie dreht die Trophäe in der Hand und sticht [strike] schnell[/strike] zu, in seine Aorta. [blue] du willst die aorta als zeichen ihres kalküls? dann würde ich eine heraustretende aorta kurz beschreiben. so wie es dasteht, hatte ich ein „chirurgisches“ gefühl.[/blue] Die Zigarette fällt auf das Bett, eine kleine Brandwunde im klammen Laken. In einer klebrigen [blue] lieber zähen oder dickflüssigen?[/blue] Fontäne schießt aus dem Hals das Blut. [blue] Stossweise.[/blue] ? wäre erstens richtiger und zweitens ein kleine metapher...
Es geht schnell. Er steht auf, greift ins Leere, er schwankt und sackt wieder auf das Bett zurück. Der kleine Brandt wird gelöscht. Das Laken wird feucht und warm vom Blut durchtränkt. Er atmet flach und stoßweise. Sie bewegt sich flink durch wieder ihre Wohnung. [blue] guuute formulierung[/blue] In der Küche nimmt sie das Messer von der Magnetleiste und beugt sich über ihn. "Nein!" zischt sie leise und sticht ihm das Messer in die Brust, und "Nein!" sagt sie wieder leise, sticht wieder zu. Manchmal knackt es so, als würde sie eine Schwanzflosse vom Rumpf abtrennen. Sie macht das grelle Deckenlicht an, zerfleischt seinen Leichnam, sie Achilles und er Penthesilea. Sie zerwühlt die Eingeweide und lacht hysterisch. Sie ritzt die Haut ein, so viel [blue] sie[/blue] von der Haut [strike] sie[/strike] einritzen kann. Dann sitzt sie da, stumme Tränen im Gesicht und das Messer in der Hand, mit fremden Blut verschmiert. Sie horcht in die Stille, sieht sich sein Gesicht an. Zum ersten mal ist es sichtbar, wirklich sichtbar. So sieht er aus. [strike] Ein Monster mit Gesicht.[/strike] [blue] da soll der leser selber drauf kommen
[/blue]Danach ist jetzt.



vielleicht solltest du die dialoge anders schreiben: immer eine neue zeile beginnen mit und nach jeder wörtlichen rede. nach den anführungstrichen oben folgt ein satzzeichen (habe ich nur einmal angestrichen)
ich habe mal die neue rechtschreibung mit angestrichen. musst du aber nicht übernehmen. überhaupt MUSST du nichts übernehmen, sind alles nur persönliche anmerkungen.


viele grüße

rainer
 
Lieber Rainer,

selbstbewusst genug kann ich inzwischen Besserwisserei von mich weisen, aber deine Anmerkungen u Ideen sind wirklich ausgesprochen gut! :) Ja, ganz ehrlich! Vielleicht sind zwei dabei, die ich nicht übernehmen werde - gaub ich - aber ansonsten bin ich begeistert... toll, vielen herzlichen Dank...
Normalerweise hab ich mich als Deutschlehrerin (hüstel) an die neue Rechtschreibreform im letzten Jahr gewöhnt, aber ich gebe zu - der Text ist zwei Jahre alt. Trotzdem damit wirklich das aktuellste (ich sage nur leise "Referendariat!") bis auf eine Romanskizze ...

Tatsächlich interessant finde ich auch, dass du so "früh" bereits wusstest, dass es sich um eine Vergewaltigung handelte ... ein mir wichtiger Freund hat gemeint, man könnte es auch als zuweit gegangene SadoMaso-Geschichte verstehen ... *? Ich hatte das als Vergewaltigung gesehen, deswegen interessiert mich das schon (in der Langfassung wird es offensichtlicher) ...

Wirklich gut finde ich, dass du verstanden hast, dass sie ihre Tat wirklich kalkuliert - tatsächlich hab ich deswegen auf die Aorta gezielt ... zwar handelt sie aus dem Affekt, aber doch eben berechnend u gezielt. Mir war das sehr sehr wichtig ... Deine Korrekturen zeigen mir also auch, wie du den Text verstanden hast ... u es deckt sich wirklich mit dem, was ich in den meisten Fällen beabsichtigt habe...

Nochmals tausend dank dafür! *auch wenn es übertrieben klingt!

U die Idee mit dem stossweise schiessenden Blut finde ich sehr gut! ... bin ich noch nicht drauf gekommen, obwohl es ja so nahe liegt! :)

Scarlett
 
Tatsächlich, Rainer, es waren zwei deiner Vorschläge, die ich nicht übernommen habe, einmal habe ich es gelassen, dass sie Geschichten liebte, statt "liebt"; denn er hat ihr Reich beschmutzt u ausserdem reicht es aus der langen Vergangenheit bis in die Gegenwart ... es ist nicht mehr so wie vorher ... also deswegen hab ich es stehen lassen

und das zweite war, ich habe "klebrig" stehen gelassen u "dickflüssig" hinzugenommen ... u auch "stossweise" --- auch hier ging es mir um diese Vermischung von Blut und Sperma im Bild ...

Nochmals Danke :))

Scarlett

Schönes WE dir auch
 



 
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