Unternehmerschicksal?

sailor

Mitglied
Herrn Müllers Vermächtnis

Herr Müller ist ein deutscher Arbeitgeber.
Dreihundert Leute. Und der Laden läuft.
Probleme machen ihm nur Herz und Leber,
weil Müller gerne frißt und zu viel säuft.

Bei Müller produziert man Schokolade,
Großvater Müller schuf einst das Rezept.
Sein Enkel ähnelt einer fetten Made,
die gut drei Zentner durch das Leben schleppt.

Herr Müller ist ein guter Unternehmer.
Dreihundert Leute stehn in Lohn und Brot.
Die machen ihm das Leben stes bequemer.
Bis Müller merkt, dass ihm die Pleite droht.

Man hört es oft von Arbeitgeberseite:
Dem Arbeitnehmer geht es viel zu gut.
Drum gingen viele Arbeitgeber pleite.
Und auch Herr Müller schwitzt statt Wasser Blut

Deshalb besucht Herr Müller seine Werke,
ganz überraschend, in der Weihnachtszeit.
Er zeigt als Unternehmer Macht und Stärke,
und ist zu Diskussionen nicht bereit.

So klagt er lautstark über Umsatzzahlen
und über mangelhaftes Personal,
den Sieg der Sozis bei den letzten Wahlen.
Der Kurs der Aktie, sagt er, sei fatal.

Er müsse hundertfünfzig Mann entlassen,
der Rest bekäme nur noch halben Lohn.
Die Leute riefen: „Ist ja nicht zu fassen,
was Du hier vorschlägst ist der blanke Hohn!“

Herr Müller achtet nicht auf die Proteste.
Der Pöbel, sagt er, liebe das Geschrei,
und eigentlich sei es sogar das Beste,
man setze die Gesamtbelegschaft frei.

Die Wut der Leute bringt den Saal zum Kochen.
Herr Müller leidet unter Atemnot.
Und seine Leber schmerzt schon seit drei Wochen.
Herr Müller fällt vom Sessel und ist tot.

„Herzkollaps durch Arteriosklerose“
So schreibt der Doktor auf den Totenschein
Er stellt für sich privat die Diagnose:
„Dem Müller ging’s zu gut, dem fetten Schwein.“

Wie geht es Müllers Schokoladenwerken?
»Herrn Müllers Schokolade« gibt’s nicht mehr,
denn seine Erben müssen sehr schnell merken:
Die Konten des Herrn Müller sind längst leer.

Sechs Wochen später ist die Firma pleite.
Die Erben danken Müllers Herzinfarkt.
Sie schaffen, was noch da ist, auf die Seite.
Dreihundert Leute? - Auf dem Stellenmarkt.
 

urte

Mitglied
Gut!

Auch dieses Werk - gelungen! Realistisch, Rhythmus und Reime sicher, klar aufgebaut, mit Schlußpointe, - paßt perfekt hier zu Satire, wo zuletzt doch ziemlich Ebbe war. Dies ist weniger "aggressiv" als Dein "Ich bin ein Mann", das soviele sozialkritische Erörterungen angezettelt hat und dessen sonstige Qualitäten etwas untergingen; dies hier macht dafür aber umso eher nachdenklich. Dein Talent hat offenbar viele Facetten, und ich bin gespannt auf Weiteres.
Freundliche Grüße, Urte
 



 
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