Vereinzelt

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Vera-Lena

Mitglied
Vereinzelt

Ich suchte nach mir
im Gedränge.
Wie Kerne einer Feige
erschienen wir
einander alle gleich.

Als ich mich
in das Erdreich geschmiegt
fand,
weitete ich mich,
wurde mir zum Baum,
vom Sturm verzerrt,
vom Blitz gezeichnet,
unverwechselbar nun,
aber voller Sehnsucht
nach den einstigen
Kerngeschwistern,
dem umarmenden Wir.

Von dem Meinigen
möchte ich euch geben
jetzt,
und empfangen
von dem Eurigen
ihr Selbste,
dass wieder Nähe sei
durch alles Anderssein hindurch.
Mir ist so kalt.​
 

Elias

Mitglied
Von dem Meinigen
möchte ich euch geben
jetzt,
und empfangen
von dem Eurigen
ihr Selbste,
dass wieder Nähe sei
durch alles Anderssein hindurch.
Mir ist so kalt.[/center]

Liebe Vera-Lena,

der letzte Teil ist sehr innig und gefällt mir gut. Eine Elegie der Distanz, des Gebens und Nehmens. Er könnte auch für sich stehen, ohne den oberen Abschnitt, der etwa ablenkend wirkt.

Liebe Grüße

Elias
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Elias,

danke für Deine Antwort!

Irgendwo habe ich das schon einmal geschrieben in der LL, aber ich möchte es trotzdem gerne hier noch einmal wiederholen:

Ich ernnere mich noch sehr genau, wie das war, als mir als Kind plötzlich durch den Kopf schoss: "Ich bin ja ich." Denn zunächst hat der Mensch ein Wir-Gefühl, das heißt er erlebt alles gleichwertig. Wenn Mama weint, weint das Kind auch usw.

Ist man nun aus diesem Wir-Gefühl herausgeschleudert,( und bei mir war das sehr spät der Fall, weil diese Art der Entwicklung durch die Kriegserlebnisse bei mir verzögert wurde, es gab ja so viel zu verarbeiten,) also hat man das Empfinden des Aufgehens in allem eingebüßt, lässt es sich niemals mehr zurück holen.

Jetzt müssen immer wieder Ebenen des Wir gefunden werden. Und die Begegnung im Sich-schenken und gleizeitigem Empfangen dessen, was den anderen zutiefst ausmacht, also das nun eroberte Selbst bei jedem, ist eine Möglichkeit, wieder zu einem Wir zu gelangen.

Diese Entwicklung und diese Möglichkeit, aus einer schicksalhaften, durch das allgemein menschliche Wachstum hervorgerufenen Isolation wieder herauskommen zu können, wollte ich aufzeigen.

Die Kerne in der Feige, die so dicht beieinander sind, erschienen mir als ein stimmiges Bild.

So viel zu den ersten beiden Strophen.

Dir einen schönen Tag! :)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Elias

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

die Bilder im ersten Teil sind treffend und schön. Durch Deine Erläuterung sehe ich jetzt auch den Zusammenhang deutlicher. Mitunter hat man es als Leser schwer, den biographischen Hintergrund richtig zu deuten.
Stört mich eigentlich nicht weiter, aber da hier Textarbeit erwünscht ist, hab ich einfach ich ein paar Eindrücke dazu wiedergegeben.

Liebe Grüße

Eberhard
 

plosiv

Mitglied
Hallo Vera-Lena,

es regnet gerade so schön hier bei mir, deine Stimmung passt sehr gut dazu.

Man sehnt das herbei, was man nicht hat. Lebt man in Gemeinschaft will man Individuum sein und grenzt sich ab, will wachsen, sich entwickeln, doch dann erlebt man, dass ein Individuum nur in Gemeinschaft existieren kann und will zurück ins scheinbar sorgenlose Einerlei. Ein langer Weg vom 'Wir' zum 'Ich' über das 'Du' zurück. Ich mag deine Sprache.

Liebe Grüße

p.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe plosiv,

ja, diese Wege muss man wohl immer wieder gehen.
Es freut mich, dass Dich, das Sprachgebilde, diese Dinge auszudrücken,anspricht.

Bei uns regnet es auch, da kommt man wirklich auf die Idee, sich einzuigeln. ;)

Dir alles Liebe!
Vera-Lena
 



 
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