Verhältnis im Büro

healthnut

Mitglied
Es war eindeutig, dass die beiden etwas miteinander hatten. Wie er sich jetzt gerade über ihre Schulter beugte, weil sie angeblich ein Computerproblem hatte! Wie er dabei nahe an ihrem Jochbein atmete und sie ihr mageres Bein mit der Laufmasche genüsslich am Stuhl rieb!
Wie eine läufige Hündin, dachte Marion wütend.
Wie hatte diese dermaßen blöde Gans ihn nur so um den Finger wickeln können?
Marions Schreibtisch war so zentral in dem Großraumbüro platziert, dass sie einen erstklassigen Blick auf ihren Chef und ihre neue Kollegin hatte, die hier seit ein paar Monaten alle Hengste scheu machte. Rebecca, was für ein Name war das überhaupt?
Sie waren doch hier nicht im schottischen Hochland!
Seit zwei Wochen beobachtete Marion nun schon das Techtelmechtel der beiden, die verschwörerischen Blicke, das gehauchte Lächeln, das unmerkliche Nicken, ihr laszives “Ja, Chef?”, sein hüstelndes “Becky, kommst du mal!”
Marion kauerte wie ein Polizeihund auf ihrem Platz und hackte kampfeslustig auf ihrer Tastatur herum.
Gerd Roller gehörte ihr, und sonst niemandem.
Sie Marion, war seit Jahren seine rechte Hand, sie machte alles. Alles! Wie oft er schon bemerkt hatte: ”Wenn ich Sie nicht hätte, Frau Bergner.”
Ja, wenn er sie nicht hätte! Sie war doch seine einzige wahre Seelenverwandte, niemand kannte ihn so gut, konnte ihn so lesen, so wortlos verstehen wie sie! Nicht einmal seine alberne Frau, die ihre Tage einkaufend verbrachte und keinen Gedanken an diesen herrlichen Mann verschwendete.
Sie beide gehörten zusammen, das Büro war sein und ihr natürlicher Lebensraum. Er war König der Exportabteilung, sie war seine treusorgende Königin, mehr brauchten sie nicht.
Und jetzt war dieses blutjunge, seidenhaarige Flittchen Rebecca in den Palast eingedrungen und hatte sich mit ihrem rauen, ordinären Lachen zur Schatzkammer seines Herzens vorgearbeitet.
Wo blieb da die Gerechtigkeit?

Kurz vor der Mittagspause beobachtete Marion, wie Rebecca ein e-mail öffnete, lächelte und in Gerds Richtung blickte.
Es war von ihm!
Als Rebecca schwatzend und absatzklappernd mit den anderen in Richtung Ausgang schlenkerte, thronte Marion wie ein Fels am Schreibtisch und gab vor, über einer kniffligen Abrechnung zu brüten.
“Kommst du nichts essen?”, rief Margarete überrascht.
“Keine Zeit!”, schnappte Marion.
Margarete trippelte unschlüssig im Gang herum.
“Aber wir essen doch sonst immer zusammen.”
“Heute eben nicht!”
Margarete verzog sich endlich. Nur weil sie beide ein paar Pfund zu viel auf den Rippen hatten, hieß schließlich nicht, dass sie sich immer wie siamesische Zwillinge gemeinsam vollstopfen mussten.

Die nachlässige Schlampe hatte sich nicht einmal ausgeloggt, ihre e-mails waren hübsch aufgereiht und warteten auf neugierige Leser.
Da war es:
Liebe “Julia”, bitte denke daran, dass wir es noch geheim halten müssen, bis wir ganz sicher sind, dass alles klar geht. Bis dahin bleibt es unser geheimes Vergnügen.
Freue mich auf morgen,
“Romeo”
Das war ja nicht zu fassen! Marions wulstige Wangen glühten vor Erregung. Eigentlich hatte sie nicht übel Lust, Gerd gehörig die Meinung zu sagen. In seinem Alter, in seiner Position!
Andererseits war dieser Mann einfach das Beste in ihrem Leben und es war ja offensichtlich, wer hier wen verführte. Dieses kleine Scheusal, das würde sie büßen müssen.
Ihre Gedanken verhedderten sich vor Rachelust und blindwütigem Neid.
Aber gerade jetzt kam es auf kristallklare Überlegung an! Sollte sie Gerds Frau hiervon berichten? Der Gedanke an die arrogante, desinteressierte Person, die gelegentlich durch das Büro stöckelte, ließ sie diese Idee schnell wieder verwerfen. Gerds Frau war es egal, was ihr Mann trieb, solange ihr extravagantes Leben davon unbehelligt blieb. Und Gerd würde sie, Marion, hassen, das war die Kehrseite der Medaille. Nein, das ging auf keinen Fall. Dann blieb nur noch die Drohung, eine wohldosierte Drohung an die Ehebrecherin und diese würde vor lauter Angst kündigen und in der Versenkung verschwinden.


“Rebecca!”, Marion wuchtete ihre breiten Hüften an den Stuhl der Rivalin. “Ich muss mit dir reden.”
“Ja, was gibt es denn?”
Rebecca schaute sie unschuldig von unten an, neben Marion sah sie aus wie eine kleine Grundschülerin.
“Ehm, privat.”
Marion blickte sich rasch um.
Rebecca wirkte überrascht. Oder amüsiert?
“Du möchtest also privat mit mir reden? Worüber denn, um Himmels Willen?” Sie lachte laut und fröhlich und dehnte ihren kleinen Körper wie ein launisches Kätzchen.
Als ob du das nicht wüsstest, du Schlampe, dachte Marion. Laut fragte sie: “Heute Abend, nach der Arbeit?”
Rebecca schaute doch tatsächlich in ihrem Terminkalender nach, wo bei fast jedem Tag ein anderer Name, eine andere exotische Verabredung stand. “Salsa Bar mit K”, “Kosmetikstudio Meissner”, “Jan 19.00 abholen”.
Marions eigener Kalender war von eisiger, gähnender Leere, ein Grönland unter allen Terminkalendern dieser Welt. Was hätte sie auch aufschreiben sollen, etwa “Vier Milkas verschlungen”, oder “bei Schlaflos in Seattle ( sechstes Mal) geweint” ?
“Heute Abend geht nicht”, meinte Rebecca achselzuckend, “ich habe noch eine Besprechung.”
Ihr Blick war zur Tür von Gerds Büro gehuscht.
“Morgen dann.” Marion blieb unbarmherzig stehen.
“Schön, komm halt morgen Abend kurz bei mir vorbei. Nach der Arbeit muss ich wohin, aber nach acht bin ich zu Hause.”
Rebecca griff nach ihrem Telefon und fragte die Kollegin am Nebentisch: ”Hat Herzbach zurückgerufen?”
Das Gespräch war beendet.

Marion lungerte lange nach Arbeitsschluss noch an ihrem Schreibtisch herum, schob Papiere hin und her, machte sinnlose Kreuzchen in ihrem Kalender und las zum hundertsten Mal den Kontoauszug der Firma Meierbach.
Margarete warf ihr einen neugierigen Blick zu, wagte es aber nicht, sie noch einmal anzusprechen. Nach und nach verschwanden alle, voller Vorfreude auf den Feierabend, auf Freunde, Fernsehprogramme, Fitnessklubs, Kneipen. Ein leichter Hauch von Parfüm hing in der Luft und vermischte sich mit dem eisigen Februarwind, den eine offene Tür irgendwo hereinließ.
“Huch”, fröstelte Rebecca und hüllte sich in ihren Mantel. Was zog sie auch im Winter kurzärmlige Blusen an.
Gerd stand in seinem Türrahmen und rief “ Becky, ich wäre dann soweit!”
Dann stutzte er.
“Mein Gott, Frau Bergner, was machen Sie denn noch hier? Ab nach Hause, ihr Essen wird doch kalt!”
Er lachte polternd und es blieb ihr nichts weiter übrig, als zu gehen.
Als Marion sich wie ein riesiger Maulwurf in ihrem braunen Parka durch die Tür zwängte, hörte sie noch Gerds Worte am Telefon: “Ja, es wird heute später Schatz, bin in einer Besprechung.”
Na bitte, dachte sie.

Am nächsten Tag war es noch einige Grade kälter, die Straßen waren spiegelglatt gefroren.
Im Büro war es bullig heiß und Marion, die angesichts der klirrenden Kälte einen dicken Wollpullover angezogen hatte, fühlte sich schwitzig und unwohl und starrte den ganzen Tag lang voller Neid auf Rebeccas seidenblusigen Rücken.
Heute Abend würde sich das Blatt wenden.
Um Viertel vor Acht machte sich Marion auf den Weg, wie ein menschlicher Schneepflug schob sie sich durch die stillen Straßen. Bei diesem Wetter ging nur hinaus, wer musste. Rebecca wohnte gar nicht weit von ihr, im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses mit einem kleinen Zaun, der sich schützend um den winzigen Vorgarten wand. Voller Verwunderung sah Marion einen großen Holzkasten mit der Aufschrift “Streugut” vor dem Haus.

Rebeccas ordentliche Wohnungstür bestätigte den gutbürgerlichen ersten Eindruck.Wider Erwarten wohnte sie alleine und nicht in einer WG voller zwielichtiger Subjekte, die nackt durch den Korridor schlurften.
“Komm rein”, nickte ihr Rebecca zu, sie klebte schon wieder am Telefon. Sprach sie mit Gerd, hatte sie Angst bekommen?
“Was gibt’s?”, wollte sie gleichmütig wissen, nachdem sie den Telefonhörer achtlos auf ein Schränkchen im Flur gelegt hatte. Sie wollte Marion offenbar nicht weiter hineinbitten.
Nun gut. Marion hatte beschlossen, nicht um den heißen Brei herumzureden.
“Ich weiß von dir und Gerd.”
“Was?”
Rebecca schaute sie verständnislos an.
“Ich weiß von dir und Gerd, dass ihr was miteinander habt!”
Zu ihrer grenzenlosen Verwirrung begann Rebecca zu lachen.
“Bist du verrückt geworden Marion? Zuviel Lindenstraße geguckt, was?”
Sie kicherte belustigt.
Was sollte das? Warum wurde sie von diesem dummen Ding nicht ernst genommen?
“Ich werde Gerds Frau davon erzählen, wenn du ihn nicht sofort in Ruhe lässt!”
Marions gewaltiger Arm wedelte drohend in der Luft herum.
Rebecca trat einen Schritt nach vorn. Ihr belustigter Gesichtsausdruck löste sich langsam auf.
“Hör mal Marion, ich weiß nicht, was dir in deinem verfetteten Hirn herum spukt, aber was zu viel ist, ist zu viel. Es gibt nichts zwischen mir und Gerd und du gehst jetzt mal lieber!”
Damit schob sie Marions Schulter energisch aus dem Eingang.
Verfettet Hirn! Das war es, was das Fass zum Überlaufen brachte.
Marion holte aus und klatschte ihre kräftige Hand in Rebeccas verhasstes Elfengesicht.
“Du bist ja...!” Rebecca starrte sie ungläubig an, Tränen schossen ihr in die Augen. “Mach dich raus!”
Sie kämpften einen tanzenden David und Goliath Kampf, wobei es der wieselflinken Rebecca zwar nicht gelang, auch nur einen Schlag zu platzieren, sie aber dennoch den Koloss Marion bis vor die Haustür scheuchen konnte.
Als Marion zu einem erneuten Schlag ausholte, geschah es: ihre klumpigen Schuhe rutschten auf dem glatten Gehweg aus und sie fuchtelte erschrocken mit den Armen.
Zeit ihres Lebens nicht mit Grazie gesegnet, versagte sie auch diesmal schmählich und fiel der Länge nach auf den Boden.
Ihr Kopf krachte an den Streugut-Kasten.
“Marion?”

In der Betriebszeitung fanden sich zwei Wochen später ein paar Zeilen des Bedauerns zum unverhofften Ableben der Kollegin Bergner, die bei einem tragischen, witterungsbedingten Unfall zu Tode gekommen war. Was die Zeitung taktvollerweise verschwieg, war die Tatsache, dass außer der alten Mutter der Verstorbenen kaum jemand zur Beerdigung erschienen war, fiel doch das Datum unglücklicherweise genau auf den Tag der schon seit langem geplanten Betriebsfaschingsfeier, welche dieses Jahr unter dem originellen Motto “Berühmte Liebespaare der Geschichte” stand.
Die Feier war ein grandioser Erfolg und die Zeitung bedankte sich an dieser Stelle noch einmal herzlich bei den beiden Hauptorganisatoren, Gerd Roller und Rebecca Lauer.
 
O

Orangekagebo

Gast
Die Grundidee ist nicht schlecht, healthnut, aber die Pointe plätschert zu sehr aus. Außerdem war mir spätestens bei Marions Lesen der Email klar, dass es nicht das ist, was sie vermutet.

Ihren Tod würde ich komplett weglassen, das knallt nicht und zerreißt irgendwie das ganze Ende. (M.E.n. überflüssig) Wenn sie schon tot sein soll, dann würde ich das Vorherige anders aufbauen, mehr rausklingen lassen, wie sehr sie selbst den Chef begehrt und Becky als Nebenbuhlerin sieht, dabei die anfängliche Abneigung über Hass bis zur blinden Wut ausreizen. Auch die Sätze um diese „Unfallszene“ kämen kürzer, fast stakkatomäßig, besser, um die Spannung hochzupeitschen.

Auch die vielen „wie“-Vergleiche zwängen zu sehr in die Willkür von Humor.
Insgesamt ist mir zu viel und zu detailreich beschrieben.

Les´ gern noch mal drüber :)

Gruß, Karsten
 

healthnut

Mitglied
Hallo Karsten, ja, ich bin dir eigentlich dankbar, dass du mich darauf hingewiesen hats, was nicht so richtig klickt. Ich hatte auch das unbestimmte Gefuehl, dass es weder Fisch noch Fleisch war und sehe jetzt, dass ich mich einfach verzettelt habe. Ich denke, ich werde es noch mal in anderer Form versuchen. Danke fuer deinen Rat!
gruss, healthnut
 



 
Oben Unten