Verkehrte Welt

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Nadja

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Ich lebte in einer verkehrten Welt.
Wieso und warum das so sein musste, weiß ich nicht.
Meine verkehrte Welt bestand aus vielen Illusionnen.

Da gab es Menschen, die nicht so fühlten, wie ich es mir vorstellte.
Da gab es Menschen, die mich nicht so liebten und begehrten, wie ich es mir erträumte
Da gab es Menschen, für die ich eine andere sein wollte, als ich war.

Alles, wirklich alles wollte ich von mir geben, damit die anderen und die Welt so ist, wie ich sie mir erträumte - selbst mein Leben wollte ich geben, wenn es nur endlich sooo sein könnte.

Ich bin gegen viele Türen gerannt, doch sie blieben verschlossen. Ich habe mir unendlich leid getan, dass ein so wunderbarer Mensch wie ich nicht endlich bekommt, was ihm doch zu steht.

Meine verkehrte Welt war sehr schmerzhaft
...und doch bereue ich nichts.

Wer gibt mir denn das Recht, die anderen so zu kneten, wie ich sie gerne hätte?
Selbst Gott nimmt sich dieses Recht nicht heraus. Aber ich wollte ja immer noch ein bisschen mehr sein als Gott. Ich glaubte zu wissen, wie es sein muss.
Wer gibt mir das Recht, den anderen vorzuschreiben, was sie zu fühlen haben?
Wer gibt mir das Recht, den anderen ein Maß an Liebe und Begehren nur für mich anzufertigen.
Niemand gibt mir dieses Recht.

Woher will ich wissen, wie die anderen zu leben und zu fühlen haben, wo ich doch selbst nicht wusste, wie ich zu leben und zu fühlen hatte.

Ich finde, es gibt ein wunderbares Recht in einer richtigen Welt.
Das Recht zu SEIN
...als ICH,
...als ein einzigartiges Wesen, das sich selbst, wenn es wollte von bestimmten Charakter- und Seelenzügen nicht weit entfernen kann.
Wenn ich von anderen wegschaue und auf mich blicke, so sehe ich , dass ich zwar nicht wunderbar , aber immerhin kostbar bin, so wie jedes Leben auf dieser Erde.

Ich möchte meine verkehrte Welt nie vergessen, denn sie war die Hälfte meines Lebens und sehr lehrreich. Meine richtige Welt ist noch lehrreicher, denn sie hat Ecken und Kanten, ist unperfekt und oft verletzend. Aber sie ist auch ehrlich, klar und schön.

Ich will mich nicht mehr jammernd in die Ecke legen und mir selbst leid tun. Ich will nicht mehr an diesem meinem Leben vorbei leben. Ich will es leben und fühlen mit all den Gefühlen, die da sind. Ich möchte mit dem Fluss des Lebens schwimmen. Und ich bitte Gott, dass er meine Seele nicht zu sehr sträuben lässt und dass ich in den Stürmen zu dem zurück finde, was ich hier niederschreibe.

Mein Leben ist nur ein kleiner unperfekter Lichtpunkt im Universum, der irgendwann so nicht mehr sein wird. Ich bitte darum, dass dieser kleine Lichtpunkt sich über die Verantwortung und Aufgabe seines kurzen Lebens bewußt wird und die Herausforderung annimmt.

Nadja (1998)
 



 
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