Verlassen zu werden - 2006

2,30 Stern(e) 3 Bewertungen
Liebevoll verpackt liegen sie da. Erste dünne Staubschichten lassen die vor wenigen Wochen noch erkennbare Winterlandschaft auf dem Geschenkpapier erblassen. Mein Blick wendet sich ab.

Ich checke meine Mails. Noch immer erhalte ich zahlreiche Newsletter, die mich an vergangene Pläne erinnern. Stelle beiläufig fest, dass der Fuchs seinen Bausparzins gesenkt hat. Klasse! So langsam wäre es an der Zeit Spießer zu werden. Wann ist der nächste Stichtag? Mir egal.
Ich entdecke die Mail „Einladung“ von Lisa, meiner besten Freundin, die ich kenne, seitdem meine Ma ihrer Ma im Wickelraum eines Kaufhauses mit einer Windel aushalf. Sie verlobt sich, mit Hannes, einem Beamten des gehobenen Dienstes. Danke Lisa, wenn es den „Elefanten im Porzellanladen“ nicht geben würde, Du würdest ihn erfinden. Mit einem „Ich freu‘ mich für Euch“ antworte ich knapp. Natürlich leite ich auch den Hinweis, dass der Bausparzins ein Rekordtief erreicht hat, direkt an das Brautpaar in spe weiter. Mittwochabend, nach „Hart aber fair“ im WDR, hatte ich den deutschen Beamten noch als mein persönliches Feindbild 2006 auerchoren. Und nun entscheidet sich Lisa mit gerade einmal 27 Jahren, ihren Lebensabend mit einem solchen Kerl verbringen zu wollen. Irgendetwas läuft hier schief, und zwar gewaltig.

Hunger - ein in diesen Tagen eher seltener auftretendes Gefühl weist mir den Weg in meine Küche. Ich öffne den Kühlschrank und entdecke, dass es nichts zu Entdecken gibt. Außer einer Flasche feinperlenden Prosecco, der auf dem Etikett als idealer Begleiter zu allem, was mein Kühlschrank derzeit nicht zu bieten hat, angepriesen wird. Keine Ahnung, wie lange die Flasche schon dort steht. Aber vermutlich sollte sie einem ganz besonderen Moment gehören. Mein Blick wandert einen halben Meter nach rechts. Ich freue mich, meinen Holz-Brotkasten zu sehen. Denn im Augenblick der Enttäuschung gähnender Leere in meinem Kühlschrank nimmt der Brotkasten so etwas wie die Rolle des stillen Hoffnungsträgers, heute nicht mehr Einkaufen zu müssen, ein. Ich lege die die Fingerkuppe meines rechten Zeigefingers unter den Griff des Kastens und rolle die Lamellenfront mit einer gekonnten Bewegung nach oben. Ha, wer sagt‘s denn? Das ist er, mein Aldi-Vollkorntoast mit der Ökotest-Wertung \"Gut\". Mit einem triumphalen Lächeln automatisieren sich die Abläufe der folgenden Sekunden. Ich entnehme zwei Scheiben, halte sie zu Prüfzwecken kurz unter meine Nase und lasse sie dann - während ich mit meiner linken Hand bereits den „Go!-Schieber“ des Toasters zum „Nachuntendrücken“ bereit halte - sanft in die entsprechenden Vorrichtungen gleiten. Nun öffne ich den Prosecco, schenke mir ein Glas ein, setze mich wieder an den Rechner und klicke auf „Neue Nachricht“.
Der Toast ist fertig. Ich entnehme beide Scheiben und lasse sie aus der Luft auf meinen Teller fallen. Warum nur wundere ich mich immer wieder, dass der Toast heiß ist, wenn ich nach dem Toastvorgang nach ihm greife? Egal, jedenfalls ist meine Abendessen nun gemacht und mein Hungergefühl in Kürze befriedigt.

Ich trinke einen Schluck, einen ungewöhnlich Großen.

Dann beginne ich zu schreiben: „Warum nur hast Du mich verlassen....?“
 
Hallo Holger,

liest sich flüssig, der flapsige Ton lässt auf eine humorvolle Geschichte hoffen.

Doch ganz klar ist mir nicht, was uns die Geschichte sagen soll. Vielleicht hilfst du mir weiter?

Verlassen wirkt der Gute eigentlich nicht, dafür ist er zu fröhlich.

Bis bald,
Michael
 
Nabend Michael,

vielen Dank für Deine Antwort.

In meiner "Spontan-Geschichte" geht es um das Verlassenwerden und um die Art, einen halbwegs erträglichen Umgang mit der neuen Situation zu finden. Demzufolge mutet die Geschichte vordergründig fröhlich an, hat im Kern jedoch einen zwischen den Zeilen verborgenen, tief traurigen Kern. Aus diesem Grund erfreut sich der "Liebeskummerhabende" an Banalitäten.

Bis dann.
Holger
 

Inu

Mitglied
Lieber Holger

Ich würde mir das Ganze etwas klarer wünschen.

Warum die Einladung ein Wink mit dem Zaunpfahl ist und ihn so fertig macht, hast Du meines Erachtens nicht gut herausgearbeitet.Ist Lisa die Liebste, die ihn verlassen hat? Im Text wird Lisa aber als 'beste Freundin', bezeichnet, was doch eigentlich ein Frauenausdruck ist, also auf eine Frau als Ich-Erzählerin hindeuten könnte

Was ich nicht so stark finde, ist die Sache mit dem Päckchen und dem Geschenkpapier am Anfang. Da kommen dann ungeklärte Fragen auf wie: was ist da drin? Warum liegt es noch hier? Wollte er es versenden? Hat er es bekommen?

Gut gefällt mir das Dilemma mit der Hungerbefriedigung, die Schilderung macht ohnehin den größten Teil der Geschichte aus.

Ich grüße Dich
Inu
 

MDSpinoza

Mitglied
In Mittelfranken würde man sagen: "aweng weng." Irgendwie fehlt das, was es zur Geschichte macht.
Was mich auch interessiert ist, warum Du gerade mir eine spam mail schickst, um auf Deinen Erstling hinzuweisen. Nicht gerade eine als erfolgreich bekannte Strategie, sich Freunde zu machen. was Du geschafft hast, ist bei mir auf der Liste: "verzichtbare Nervensägen" zu landen.
 

F Fuller

Mitglied
"Liebevoll verpackt liegen sie da... "

Willst Du Deine Leser mit Gewalt in die Irre führen?


" (...) als mein persönliches Feindbild 2006 auerchoren"

Mach aus dem lezten Wort ein "auserkoren" und dann passt`s - zumindest rechtschreibtechnisch.


Dann brauchst du über 200 Wörter um zu beschreiben, wie sich der Erzähler des störenden Hungergefühls entledigt. Ich überlege, ob ein Höhlenmensch in der Steinzeit es da nicht doch schneller geschafft hätte...?



"Dann beginne ich zu schreiben: „Warum nur hast Du mich verlassen....?“"


Ah... denkt man. Es geht jetzt endlich los!
Doch weit gefehlt. Statt des Pudels Kern kommt hier nur noch das Ende...
 



 
Oben Unten