Videoabend

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Hagen

Mitglied
Ich trank noch einen dünnen, von Doris gekochten Kaffee, rauchte eine Zigarette, schnackte ein wenig, diskutierte das Rauchverbot in Taxen zum hundertsten Mal; - so das Übliche. Anschließend noch schnell tanken, das Taxi aussaugen, kurz Scheiben sowie Chromleisten putzen und ab nach Hause, das Bier in den Kühlschrank stellen.
Anna-Karenina war wieder mal der Ansicht, dass ich viel zu lange weg gewesen war, behauptete, heute sei ‘Weltkatzentag’ und verlangte nach Futter und Streicheleinheiten. Sie bekam beides und ging ins Schlafzimmer. Ich legte mich zu ihr aufs Bett und wir sahen zur Entspannung den Western des Vorabendprogramms bis Rainer kam und Schorse mitbrachte.
„Weißt du, was mir eben passiert ist?“ fragte Rainer.
„Erzähl‘ mir!“
„Gleich meine erste Fahrt, zur Frauenklinik der Medizinischen. Die Frau stand unmittelbar vor ihrer Niederkunft, ich hab’ schon gedacht, die kriegt ihr Kind im Taxi. Mann, ich bin vielleicht geheizt! Hab’s gerade noch geschafft.”
„Hattest du denn das Blaulicht nicht mit?”
„Witzbold! – Aber das hätte ich gut gebrauchen können! – So, ‘muss wieder los, ‘hab‘ gleich ‘ne Flughafenfahrt. Viel Spaß beim Filmegucken!“
Er grinste Schorse an, der hatte eine Videokassette mit. Ich bin so ziemlich der Einzige, der noch einen Videorecorder hat; - außer Schorse natürlich und seiner Frau.
„Hier“, sagte Schorse, „hat meine Frau mir mitgegeben, den sollen wir gucken. Der Film schildert die Entwicklung einer Freundschaft zweier Frauen über sechzehn Jahre hinweg.“
„Was?“
„Ja, ich hab‘ gesagt, wir wollen uns Filme anschauen, da hat sie mir den mitgegeben.“
„Manchmal“, sagte ich nachdenklich, „habe ich das Gefühl, dass Frauen ungeahnte Kreativität entwickeln, wenn sie mitkriegen, dass Männer irgendwie Spaß haben wollen. Die Kreativität entwickelt sich allerdings nur in die Richtung, ihnen diesen zu verleiden. – Kann das sein?“
„Hm“, sagte Schorse, „dann willst du den Film nicht sehen?“
„Auf gar keinen Fall!“ Ich besah mir das Etikett. „Mann, der Film hat Überlänge! 183 Minuten Frauenprobleme, das sind mehr als drei Stunden! Ich stehe das nicht durch! In der Zeit schaffen wir zwei ordentliche Actionfilme! - Willst du schon mal ein Bier?“
Ich ging in die Küche, entnahm dem Kühlschrank zwei Bier und dem Geschirrschrank zwei Gläser. Das Bier hatte genau die richtige Temperatur und die Gläser je einen Griff an der Seite.
Während ich einschenkte, ertönte aus dem Schlafzimmer die Abschlussmusik des Westerns, zeitgleich kam Anna-Karenina heraus, sah Schorse kurz an, kam zu mir und sagte:
„Miau!“
„Darf ich vorstellen: Anna-Karenina“, sagte ich zu Schorse, „Anna-Karenina ist das einzige weibliche Wesen, das ich in meiner Nähe dulde, weil sie vollkommen widerspruchslos ist und mir keine Frauenproblemfilme aufzudrücken versucht. Ist dir das schon mal begegnet, bei einem weiblichen Wesen?“
„Was?“
„Sie sieht so gerne Western.“
„Ah, ja“, bemerkte Schorse.
„Hat dir der Film gefallen, meine Schöne?“ fragte ich Anna-Karenina.
Sie gab mir zwei Maunzer zur Antwort.
„Das ist schön. – Soll ich den Fernseher im Schlafzimmer ausschalten, oder willst du noch was anderes sehen?“
Anna-Karenina schüttelte den Kopf und gab eine Folge von Tönen von sich, die sie mit einem Schnurrlaut abschloss.
„Tut mir leid, meine Schöne, aber den Film mit den Raketenwürmern haben wir damals nicht aufgezeichnet.“
Schorse guckte wie ein Frosch im Eimer.
„Jetzt trinken wir erst mal einen Schluck Bier“, sagte ich öffnete die Flaschen und schenkte ein.
Anna-Karenina sah mich eine Weile nachdenklich an während wir tranken, machte den Buckel krumm und maunzte wieder einige Male.
„Ach nein“, antwortete ich, „die ‘Schüsse aus dem Geigenkasten‘ haben wir schon so oft gesehen. Das ist so eine hanebüchene Inszenierung, das müssen wir uns jetzt nicht antun. Aber, wir können Schorse ja mal fragen.“
„Häh?“ fragte Schorse.
„Naja, Anna-Karenina guckt so gerne alte Krimis, sie will dann immer wissen, ob wir uns in der äußeren Welt auch so benehmen, wie dieser stets glatt rasierte Jerry Cotton. Der ist natürlich ganz witzig, wenn man erkennt, das der in Duisburg oder so gedreht wurde, aber die wollen uns weiß machen, das der in New York spielt. – Wollen wir den gucken?“
„Was? Äh? Eigentlich nicht. Was hast du denn sonst noch?“
Anna-Karenina lief zu unseren Kassetten und stupste eine an, setzte sich davor und begann intensiv zu schnurren.
„Das ist eine gute Idee“, sagte ich, „aber wir sollten Schorse fragen, er ist heute unser Gast.“
„Was?“ fragte Schorse.
„Anna-Karenina möchte gerne ‘Lohn der Angst‘ sehen, weil da so schöne Lastwagen drin vorkommen. Anna-Karenina guckt sich auch gerne Lastwagen an. Was hältst du davon?“
„Was? Äh, ja, warum nicht? Ich wollte den schon immer mal sehen, aber meine Frau kennt den. Sie findet den nicht gut, weil die da bloß mit Lastwagen rumfahren und dann explodiert da dauernd was, hat sie gesagt. Sie steht da überhaupt nicht drauf.“
„Das ist natürlich ein Grund, den zu gucken! - Ich liebe Filme, in denen dauernd was explodiert. Oder Filme bei denen sich die Dialoge auf: „Los, raus hier!“ reduzieren, und dann erfolgt die Explosion. Leider hat meine Ex damals meine schönen Chuck Norris-Filme alle aus purer Bosheit gelöscht. Muss wohl eine Frauenspezifische Handlungsweise sein, aber egal! - Dann werde ich mal die Steaks zubereiten, das wird etwa fünfzehn Minuten dauern. Zwischenzeitlich schaust du dir bitte den Schluss sowie eine Szene im ersten Drittel des Frauenfilms an.“
„Warum?“
„Deine Frau wird mit dir darüber reden und wissen wollen, wie dir der Film gefallen hat. Du wirst ihr sagen, dass dich eine Szene besonders beeindruckt hat und beziehst dich im folgenden Gespräch nur auf die eine Szene. Ein Vokabular wie ‘zwischenmenschliche Wärme‘, ‘ergreifend‘, ‘pathetisch‘ und ‘theatralisch‘ ist in dem Fall recht angebracht.“
„Meinst, du das funktioniert?“
„Klar. – Was den Schluss betrifft, so erscheint er dir ein ganz klein wenig abstrus, und kommst noch mal auf die eingangs erwähnte Szene zurück, denn was einmal anklingt, muss später Bedeutung erlangen. Trotzdem würde dich natürlich interessieren, wie es weiter geht.“
Schorse spitze nachdenklich die Lippen, „okay, ist einen Versuch wert.“
„Und spul‘ die Kassette nicht zurück“, sagte ich, „damit deine Frau sieht, dass du den Film auch geguckt hast.“
Steaks und Bier, Bohnen mit Speck. Und dann Lohn der Angst, mit Bier und Chips.
Wunderbar!
Eigentlich wollten wir uns noch ein paar ‘Fast and Furious-Filme‘ angucken, aber Schorse musste rechtzeitig nach Hause, wegen seiner Frau.
„Geiler Abend“, meinte er, als unser Boss kurz vor Mitternacht persönlich entlang kam, ihn abzuholen, „sollten wir öfter machen.“
 
I

Inky

Gast
Ach Gottchen, Hagen! Du erschließt mir die männliche Psyche: Was für einen Aufwand betreibt Mann, um der Gattin vorschwindeln zu können, ihren Fim geschaut zu haben... und dann diese hochkapriziöse Miezekatze, für die Mann bereit ist ALLES zu tun - nur weil sie des Sprechens nicht mächtig ist. Und ich dachte immer, die ideale Frau verwandelt sich gleich nach dem Sex in einen Kasten Bölkstoff. Jetzt weiß ich endlich, daß Mann davon träumt, hinterher endlich mal unkommentiert und unwidersprochen sein Leben auf der Couch in Ruhe und Frieden leben zu dürfen. Mit seinem besten Freund. Einem Steak. Und Männer-Filmen. Ruhe in Frieden...!;)


Nachtrag: ...and who, the fuck, is "Doris"?
 

Hagen

Mitglied
Hallo Inky,

Du hast das Bier vergessen!
Aber ansonsten die männliche Psyche ganz gut erkannt.
Mit 'ganz gut' meine ich, dass vom Sex überhaupt nicht die Rede war. Sonst hätte ich das eingebracht und unter 'Erotisches' eingestellt, aber irgendwie will es nicht gelingen.
Ich glaube, da ist 'Frau' etwas anders, - oder?

Ach so, Doris ist eine Kollegin, die immer dann ihre Tage kriegt, wenn es mal zum Sex kommen könnte...

Liebe Grüße
yours Hagen

_____
nichts endet wie geplant
 
I

Inky

Gast
Mein Beileid zur menstruierenden, koitusverweigernden Doris. Und dann kocht die auch noch schlechten Kaffee.
Tztztztzzz.
 

Ironbiber

Foren-Redakteur
Hattu Probleme?

Du hast dem Thema Mann mit Katze, Kumpel, Männerfilmen und "LastunsinRuhegucken" einen angstauslösenden Background, sprich Frau, verliehen. Das finde ich eine gelungene Schilderung der Realität.

Frauenprobleme sind nun mal nix für Männer.
Problemfrauen schon gar nicht.
Problemfrauen mit Frauenproblemen bieten die Chance endlich in die Fremdenlegion einzutreten.
Aber das Problem "Frau" kann sich manchmal trotzdem sehr spannend entwickeln

Ich werde meinen Kater kraulen und ihm die Geschichte vorlesen!

So long … Ironbiber
 

Hagen

Mitglied
Hallo Inky,

das Doris schlechten Kaffee kocht usw. wäre ja garnicht so schlimm; - aber dass sie die Chromteile meines Lieblingstaxis nie putzt, das nehme ich ihr krumm!

Herzlichst
yours Hagen
______
nichts endet wie geplant!
 

Hagen

Mitglied
Hallo eiserner Bieber,

Du hast recht; - am besten man (Mann) ignoriert die Frauen, wenn man (Mann) einen schönen Abend haben will.
Trotzdem würden sich meine Katze und Dein Kater sicher gut vertragen; - ich weiß auch nicht, woran das liegen mag!

Liebe Grüße
Yours Hagen

_____
nichts endet wie geplant!
 



 
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