Vier Richtungen Himmel (2),

4.

Ein Werk tun, und sei es das des Todes. Den verschämten Pfad fort aus unserem Dasein, verborgen von Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht, ich will ihn breittrampeln.
"Wer trampeln will, muss Boden haben!" lasse ich meine Hände auf den Tisch fallen. Die Fliegen wirbeln davon. Gleich einem Sack Asche lassen sie mich zurück.
"Kaum wird man mal laut..." fahren mir die Schultern hoch. Wie wenn ich mich ducken würde unter dem Hieb, dass selbst schwächste Stücken Nahrungskette schwerer bei Dasein sind, als ich.
Vielleicht war ich niemals Dasein genug, sondern mehr und mehr ein Fortsein: selbst frisch angebrochene Tage verdarben mir im Licht herandrängender Tage.
Gar entsetzlich kamen mir Gestrige, welche bereits reichlich von ihrem gammeligen Tagewerk herum gebracht hatten, aus was für fauligen Paradiesen sie sich einschenkten für ihr Übermorgen.

5.

Auf welche Weise gewinne ich meinem Fortsein nun Boden genug ab, letzte Reste eines Daseins dort zu vergraben? Jenes Häuflein Ich, das weiterhin klammert am Gegenwärtigen. Die Taschen schwer von Totems, abgenutzten Erinnerungen abgetrotzt. Wie soll das alles schwinden, unter Stubenfliegen und entlang von Kneipenböden?
In eine Grube wuchten will ich jene tiefe Zeit, in der mein Ich sich für wahr nahm als ein Wir. Leise, aus abseitigen Gehörgängen, rauschen mir von dorther noch die Blätter. Da klirren Schaukeln an schweren Stämmen, nirgends finden Wege ein Ende, selbst Wände sind zum Niederbrüllen. Und wie alles duftet, wie alles schmeckt! Unsere Antlitze weit geöffnet, so suchen wir, suchen, suchen immer weiter! Die Mutigsten ohne Taschenlampe. Paradiese voller Sandwälle, Pusteblumen, Ausgucke. Und um unser Wir ein Wind, der niemals Glut ist, niemals Frost.
Wo lauerte in alledem mein Baum der Erkenntnis? Jene Frucht, deren Kern süßen Nichts mir durch und durch ging, deren Kern jedes Wir entleerte. Unser aller Highscore von 99.999, wie er mir mit einem Schuss zersprang auf Null.

6.

Einer am Tresen, die Augen dreist über eisgrauem Walrossbart, er lässt nicht locker. Seine Fäuste scheinen tüchtig etwas über zu haben für mich Fliegenprediger. Warum auch nicht? Wer wie ich an Tischkanten fahndet nach einem Wohin, der kann auch mit dem Prügel toben.
Ich baue mich auf hinter meinem Einzeltischchen: "Mach Schießbude!" bin ich richtig laut.
Der am Tresen grabbelt sich eine Ladung Flips. Er wägt wohl ab, Flip für Flip, wie er mich zerdeppern kann.
"Endlich mal jemand von denen, die ihr Leben volley nehmen!" suche ich Freund Flip Treter zu machen.
Jedes Krachen der Flips im Mundwerk des stolzen Fäusteinhabers nimmt mich mehr ein für das Vergreifen an meinem Dasein, das nun endlich ins Auge gefasst ist. Vorzüglich abgefüllt mit aller erdenklichen Klugscheiße schadet es mir gewiss nicht, für meinen Marsch durchs Urnenloch tüchtig weichgeprügelt zu sein.
"Jo", klatsche ich mir auf den Leib: "Jo!"
Gerade will er vom Tresen weg auf mich lostrampeln, als sich in meinen Augen offenbar etwas blicken lässt. Ich spüre das auch, möchte noch reiben, bin aber hingerissen durch den Fortgang der Begebenheiten: Er streicht über seinen Walrossbart, als wäre ihm all die Zeit nach Sinn gewesen. Mit einem Wink gibt er gar Joppe und Prügelstock am Tresen preis. Im schlotternden Hemd macht er sich davon, völlig ohne Umstände. Schon klappt die Biedermeiertür hinaus. Als wäre eben eine Kuckucksuhr gegangen, und der Kuckuck nun fort.
 



 
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