Villa Bergfried

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Seit vielen Jahren arbeite ich als Schauspielerin. Und nun liegt mir dieses Drehbuch vor. Es spielt in meiner ehemaligen Heimatstadt. Fünfzehn Jahre bin ich nicht dort gewesen. Immer war ich irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs. Ab und zu hat mich das Heimweh gepackt, dann habe ich im Internet nach Neuigkeiten dieser Stadt gesucht.
Der Film handelt von einer Familie, die ein Hotel besitzt. Für die Kulisse haben die Filmemacher die Villa Bergfried mit dem großen Park vorgesehen.
Aufgeregt krame ich nach alten Fotos. Meine Güte, die sind ja noch schwarz-weiß! Ich sehe das breite, zweistöckige, weinumrankte Haus mit dem nach Süden hin offenem Hof. Und hier, den baumbegrenzten Weg, der vom Hof aus hinauf zum Weiherhäuschen führt. Davor ist ein Wasserbecken aus verputzten Natursteinen. In meiner Phantasie werden die Fotos bunt.
Schon als ich die Villa das erste Mal sah, wollte ich alles über sie wissen.
Angefangen hat es 1901. Die Brüder Mauxion aus Berlin kauften unten am Fluss eine Mühle und gründeten eine Schokoladenfabrik.
1911 wird Ernst Hüther Geschäftsführer. Und eben dieser lässt 1922-24 mitten in der Rezension auf dem 20 ha großen Grundstück für sich, seine Frau und die vier Kinder die Luxusvilla bauen. Zur Ausstattung gehören Marmorbadezimmer, Sauna, ein modernes Heizungssystem und ein Hallenbad im Keller. 5,5 Millionen Goldmark hat das gekostet. Demnach brachten ihm seine Geschäftsideen und die Schokolade mit dem blauen Band und seinen Initialen, ein liegendes E auf einem stehenden H, eine Menge Geld ein.
1944 starb er. 1948 wurde seine Fabrik aus dem Gewerberegister gelöscht, seine Familie enteignet. Die Schokoladenfabrik wurde Volkseigener Betrieb „Rotstern“. Seit 1990 gehört sie zu Stollwerck-Gruppe.
Die Villa wurde zum Erholungsheim und 1963 Diabetikersanatorium. Später wird sie sogar unter Denkmalschutz gestellt und ein Freundeskreis zur Pflege und Erhaltung des Ensembles wird gegründet.
Wie gerne lag ich mit einer Decke und einem Buch unter den Bäumen und lauschte auf das Rascheln der Blätter. Wie habe ich den kleinen japanischen Garten mit dem künstlichen Bachlauf geliebt.
Und wenn ich großes Glück hatte, konnte ich dem Glockenspiel lauschen. Zur Villa gehörte nämlich auch ein freistehender Glockenturm. Die Bronzeglocken waren von einer Klaviatur in der Villa aus bespielbar. Allerdings jagte mir die Musik immer einen unheimlichen Schauer über den Rücken. Denn dort, wo der Glockenturm steht, stand früher ein Galgen, dessen letzte Reste erst 1824 beseitigt wurden.
Ich weiß nicht, ob man das Glockenspiel heute noch hören kann, denn soviel ich weiß, steht die Villa nun leer.
Wird es noch so aussehen, wie damals, als ich mit meiner kleinen Tochter zum letzten Mal dort war. Sie teilte meine Begeisterung und kam gern zum Drachensteigen und Kastanien sammeln mit mir hierher.
In unmittelbaren Nähe soll jetzt eine große Klinik stehen. Das kann ich mir kaum vorstellen. Für die Patienten ist der Park sicherlich erholsam.
Hoffentlich kümmert sich jemand um alles. Aber verfallen kann die Villa ja nicht sein, sonst würde sie sich nicht für den Film eignen.
Ich werde es bald sehen, denn ich glaube, ich nehme die Rolle an...
 

Frank Zimmermann

Junior Mitglied
Ostwärts

Trotz Nachfrage bei einem Menschen, der sich im Osten recht gut auskennt, bekam ich nicht heraus, wo denn die Villa Bergfried nun steht. Die Enteignung legt natürlich eine klare Spur in den Osten der Republik, aber weiter bin ich nicht gekommen. Vielleicht, weil ich im äußersten Westen wohne...
Auch die Schokolade ist mir nicht bekannt. Ich bin gespannt ob jemand das Geheimnis lüftet...

Danke für Deinen Beitrag!
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo!

Ostwärts stimmt natürlich, genauer Thüringen, an der Saale...

Viele Grüße, hera
 
Liebe hera,
Kompliment! Sehr gut geschrieben.
Ich finde nicht einen Satz, der verbesserungsbedürftig ist.
Darf ich dennoch eine kleine Anmerkung machen? Dumme Frage eigentlich, denn wegen der konstruktiven Kritik stellst du die Texte ja in die Leselupe.
Wie gesagt, stilistisch ist alles bestens, ein wenig stört mich allerdings der „Werdegang“ der Villa. Wenn ich straffen müsste, würde ich diese Passage dazu auswählen. Sie hemmt den so schönen Erzählfluss etwas.
Bist doch nicht böse, oder?

Es grüßt dich ganz lieb
Willi
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Willi!
Ich bin nicht böse!! Bin doch froh über jede Meinung. Du hast auch ganz recht. Ich bin aber selbst so begeistert von der Villa. War auch gar nicht so leicht, alles rauszufinden.
Scheint aber doch keiner zu wissen, von welcher Stadt ich spreche. Es sind vielleicht nicht viele Thüringer hier. Da aber nun sicher bald eine neue Schreibaufgabe kommt, verrate ich es mal. Es ist Saalfeld.

Tschüssie, hera
 



 
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