Viron

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bluesnote

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„Can not found error“, Viron, der alte Datenvampir schlug wieder zu, zog sich Dateien in Massen rein, verjüngte sein Aussehen mit jedem Update, das er fand.
Das wirklich bösartige daran war, dieses Mal wollte er mich. Er suchte einen Weg zu mir, schlüpfte durch jedes Kabel, floss über jede Datenautobahn, versuchte, alle Modem zu erreichen. Jeden Drucker, sämtliche Ausgabegeräte sah er als Möglichkeit, endlich in die reale Welt zu schlüpfen, um mich zu kriegen.
Um Himmels Willen, was sollte ich tun, ein seit Ewigkeiten süchtiger Netizen, den jetzt nicht nur Gefahr im Cyberspace drohte, der ab heute auch vor der realen Welt Angst haben musste. Hatte ich alle Cookies gelöscht, mich wirklich überall ausgeloggt? Ich besuchte bereits Millionen elektronischer Seiten, viele davon begrüßten mich inzwischen mit meinem Namen.

Wie soll ich da vor ihm sicher sein, plötzlich springt der Drucker an – oh Gott, nein! Das reine Weiß der PC-Peripherie stößt mich ab, was mag aus dem dunklen Schacht heraus kommen? – Ach nein, ich bin ein Dummkopf-, Linda, meine heimliche Göttin sendet eine Nachricht, wir sind vernetzt. Die virtuelle Welt ist verdammt löchrig, was ist, wenn er von Linda und mir weiß? Wenn er einen günstigen Moment abwartet, mitten hinein zu schlüpfen in den Datentransfer zwischen uns beiden.

Ich bin ein Guru auf dem Gebiet der Datenvampirerei, diese Monster tauchen im Net immer häufiger auf, viele Leute halten mich für hysterisch. Sie alle waren ja auch nicht dabei, als ich heute morgen mein Portal öffnete und die übliche Seite mit den News ansprang. Alles geriet bestens, keine Störungen, bis plötzlich ein erster langer Reißzahn auftauchte.
Mann, das war ein Hammer. Plötzlich erschien ein ganzes Gesicht, spitz zulaufend, widerlich! Mit großen, kugelrunden und weit geöffneten Augen beobachtete ich weiter, wie dieser Golem zusammengesetzt aus dem Datenmüll dieser Welt seine lange Zunge herausstreckte; langsam fuhr sie hoch über sein Gesicht zu meiner Symbolleiste hinauf. Lüstern umspielte die Zungenspitze dieses Instrument voller Links und Adressen, drückte aufreizend langsam den Knopf, welche die Schublade „Favoriten“ öffnete. Der Schalk saß in seinen Augen, er blitzte mich an –oh nein, er weiß alles über mich-, zielstrebig tippte die geile Spitze seiner Zunge auf die Adresse „Sex der Präriehunde“. Genüsslich balancierte er seinen Diebstahl quer über den Bildschirm, um sie dann endgültig in seinem Maul verschwinden zu lassen. Er unterließ es dabei nicht, mir zu zuzwinkern, dann verschwand er. Da, wo vorher sein Maul, entstand jetzt ein Schriftzug: „Get you“ stand dort zu lesen. Ich verstand.

Ausgerechnet meine Lieblingsadresse (von der Linda niemals etwas erfahren durfte), hatte dieser Lump gefressen.
Das waren die Fakten. Ich saß mit einem Glas warmer Milch in der Küche und dachte über Viron nach. Diesmal wollte er es also nicht bei einem Flame War belassen. Er wollte den offenen Krieg in der Meat Space. Ich kam darauf, weil so direkt hatte er sich mir nie gezeigt. In vorigen Treffen äußerte er seine Nähe darin, das er mal hier in einem Programm ein paar Daten fraß, mal dort im Betriebssystem bastelte und es zu seinem Willen umfunktionierte. Kleinigkeiten, über die jeder Wirehead eine Freude verspürte; hatte er doch wieder einen Grund an seiner Kiste herum zu basteln. Ärgerlich für andere; ja, aber etwas, womit jeder PC-Eigner auf dieser Welt leben musste.

Man kann wohl sagen: es lag eine Naivität des Seins darin, als ich das erste Mal ein Portal zur Startseite machte, ein Sprungbrett schuf ins World Wide Web. Ich klinkte hier einen Link an, sprang dort zu einer Adresse, sah mir alles an. Ich lernte, den Haien aus dem Weg zu gehen, handelte an Börsen zum besten Preis, hielt große Reden in allen Chats. Ich holte mir Infektionen und Viren, kurierte mein System und schuf mir einen Schutzwall. Doch eines Tages zog ich aus, das Fürchten zu lernen, fragte irgendeinen Crawler - wohnt auch das Böse in dir?
Als Antwort schlugen mir Suchmaschinen die Spiele vor. Ich ließ mich als Gladiator eintragen. Siegreich schlug mein karikiertes Ich so manche Schlacht und steckte Niederlagen ein. Zuletzt trat ich aus der Riege der Kämpfer und legte mich als ehrloser Camper auf die Lauer, schoß auf alle, die ich vorher kennen und schätzen lernte.
Sie fragen, warum ich das tat? Nun, ich werde ihnen sagen, warum! Weil es so einfach ist. Darum!
Doch mit meinem Verhalten erregte ich jemandes Aufmerksamkeit. Viron nahm sich meiner an. Er lehrte mich, zu hacken, zu cracken, eine Menge böser Späße zu machen mit den Bewohnern des Internets. Allein, er lehrte mich zuviel, eines Tages lockte ich ihn in die Zone eines Anti-Viren Programmes, er wurde in Stücke zerrissen und von dort ins Aus verfrachtet. Ich rief ihm nach – du hast in mir deinen eigenen Wizard geschaffen -, er schrie zurück – das habe ich so gewollt. Er hatte mich über seines gleichen aufgeklärt, ich wähnte mich einer von ihnen zu sein, und alles über Datenvampire zu wissen. Ich saß vor dem Monitor und fühlte mich auf der sicheren Seite.
Trügerisch?

Das leere Glas stellte ich auf die Spüle, wollte Linda besuchen, die ich länger nicht gesehen, da setzte ich mich zurück auf meinem Platz.
Wie glühender Stahl, der in meinen Nacken dringt, kam mir der furchtbare Gedanke, was würde sie davon halten, wenn er mein Geheimnis zu ihr trägt, und weiter; was würde dann geschehen? Könnte er ihr darüber hinaus etwas antun? Es wurde Zeit, das ich zu ihr kam; Erklärungen waren fällig, so oder so.

Draußen ging es zugig zu.
Diese Welt erschien mir seltsam, die Menschen, die sich tatsächlich an mich erinnerten, mich begrüßten, um ein paar Worte zu wechseln, konnte ich nicht wie gewohnt per Knopfdruck ausschalten. Die Dreidimensionalität, die hier vorherrschte, überforderte mich, in rascher Abfolge veränderten die Körper ihre Entfernungen und brachten meine Augen zum tränen. Hier gab es natürlich auch Farben, aber nicht in 256 Bit-Auflösung und höher, das gewohnte grelle und schreiende Farbenbild fehlte hier; ich fühlte mich nicht heimisch. Ich dachte einen Augenblick daran, was das Internet für Viron darstellte: seine Heimat! Und so verschlungen wie die Datenleitungen eines jeden Netzwerkes auch sein mochten. Elektronen finden ihren Weg. Meine Vermutung ging dahin, er habe heimlich eine versteckte Leitung in meiner DFÜ – Datei installiert, während ich verzweifelt versuchte, POP – UP Fenster zu schließen. Wahrscheinlich ein getarnter Schalter, den ich dabei anklickte. Natürlich würde ich weiter suchen; ich war nicht ganz so dumm, wie er dachte, vorerst würde ich ihn in Sicherheit wiegen. Ich wollte Linda informieren, dann einen Guru aufsuchen, von dem ich meinte, das er mir weiterhelfen könnte.

Den Finger auf den Klingelknopf, wenn es jemanden gab, dem ich gerne leibhaftig gegenüberstand, dann war es Linda. Mir war klar, das ich mich zwischen einer heftigen Umarmung und einer deftigen Ohrfeige bewegte, sofern sie bereits von meiner Vorliebe für das Liebesleben der Präriehunde wusste. Barfüssiges Getrippel auf Holzdielen, die Tür flog auf, Linda sprang mir lachend in die Arme.
Wir taten, was wir taten, schlossen diskret alle Türen. Der Besuch war kurz, bei einer letzten Zigarette versuchte ich ihr klar zu machen, das sie in nächster Zeit ihre Flatline nicht all zu sehr beanspruchen sollte. Sie antwortete mir, das ihre Zugangssoftware gerade neu installiert sei, und daher so was für einen Net-Junkie unmöglich ist. >Viron wird mich schon nicht ins Internet versklaven <, antwortete sie.

Ich war um sie besorgt, mit schwachen Knien schloss ich die Haustür. Um den Eckpfosten des Treppengeländers sah ich etwas kleines, weißes aus meinem Blickfeld wuseln. Es zog eine dünne Schnur hinter sich her. Eine gemeine Vermutung überkam mich. Ich raste den Treppenflur hinunter, dem kleinen flinken Ding hinterher. Mit Wucht warf ich meinen Körper gegen die schwere Außentür, trat nach draußen und schaute hektisch nach links und rechts. Sie legte mich rein, zu langsam schloss ich die Tür; Zeit genug für meine verräterische Maus ins Freie zu fliehen. Ich schrie: > Bleib, du Luder!< Ich rannte wie besessen hinter ihr her, Viron hatte sie geschickt, mich aus zu spionieren. Dieses verräterische Aas eilte mit ihrem Scrollrad und halsbrecherischer Geschwindigkeit auf ein Kaufhaus zu. Was sie dort wollte, konnte ich mir gut vorstellen – eine Verbindung herstellen mit einem der Vorführrechner. Schon erreichte sie die Eingangspforte, eine Drehtür.
Sie drehte, ich drehte, ich ein halbes Mal hinein, sie ein ganzes Mal wieder hinaus. Ich wollte ihr nach – also hinaus, sie flitzte abermals in ein Viertel der Tür hinein ins Kaufhaus, ich stand wieder draußen. Ich schlug gegen das Glas, als sie zwischen den Füssen der Kunden verschwand folgte ich ihr wütend ins Innere; zwei stabilen Herren in die Arme. Ich stand wieder draußen, sie hatte gewonnen. Das Miststück sollte mir unter die Augen kommen.

Vorerst gab ich mich geschlagen, doch das nagte im Moment wenig an mir. Und es war mir jetzt nicht so wichtig.
Ich hätte einen anderen Weg ins Kaufhaus suchen können, wollte aber nicht für noch mehr Aufsehen sorgen. Außerdem ging ich davon aus, das meine PC-Maus bereits Aufklärung über mein Tun in der Meat-Space gegeben hatte. Eine Niederlage konnte ich hinnehmen, Linda wollte ich schützen; wenn ihr was passierte, würde ich mir das nicht verzeihen.
Wieder drückte mein Finger einen Klingelknopf, ein Objektiv visierte mich an, durch das Gitter einer Sprechanlage knurrte eine Stimme: > Jetzt nicht! <
Hartmut Hogward hockte mit Sicherheit vor seinen Monitoren und war nicht dazu aufgelegt, Besuch zu empfangen. > Diggit, es ist wichtig.< Der Türöffner schnarrte, ich trat ein. In seiner verkabelten Wohnung konnte nicht ein Bild an der Wand Platz finden, Kabelkanäle schlängelten am Rauhputz entlang. Man brauchte den Kabeln nur zu folgen, an deren Ende fand man Ihn.
Er war unser Mann, wenn es Ärger mit Internetphänomenen gab; Diggit war sein geheimer Spitzname für gute Bekannte und stammte von Digital ab. Er bearbeitete Tastaturen in einem abgedunkelten Raum, eine Wand beanspruchten Monitore gestapelt bis hoch zur Decke. > Was gibt’s? < Sein Blick wanderte nicht fort von den Bildschirmen. > Viron ist wieder aufgetaucht, du musst mir helfen! Ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit der Hilfe eines Rechners ins Internet geladen. Geht das? <
> Woher weißt du, was ich vorhabe? <
> Es ist mein Ziel, Viron zu besiegen. Wie ein Golem erschaffen aus Schlamm und Wasser, so ist er geboren aus sämtlich abgelegten Dateien der modernen Menschheit! < Im Grunde konnte ich mich nicht beklagen, das war doch die Action, die ich immer wollte. Den Kampf der gezeichneten Gladiatoren.
Ich ging wieder hinaus in die reale Welt. Sie kam mir roh und kalt vor, an keinem der Menschen kam ich heran, die um mich herum ihren Zielen nachliefen; als würde mich ein durchsichtiger Wall umgeben. Ich war in einer Parallelwelt gefangen. Ganz anders die Welt der Elektronen, dort kam ich aus mir heraus, zwiespältig der Gedanke; aber ich hatte einen hervorragenden Lehrer und Mentor: Viron!

Zurück in meiner Wohnung, Linda sollte wie versprochen eine Nachricht erhalten, das ich sicher heimgekommen war. Ich klappte den Kühlschrank auf, nahm mir eine Dose Roaring Dollar heraus, trank einen Schluck, als mein Drucker im Wohnzimmer zu rattern begann.
Das Gerät tat diesmal seinen Dienst ungewohnt langsam, ungeduldig fasste ich das Blatt an seinem Rand, als wolle ich es ihm mit Macht entreißen; in diesem Moment begann er allerdings zu rasen. Statt das Papier weiter aus seinem Schacht zu schieben, fraß er es auf, hangelte sich blitzschnell heran an meine Hand. Noch bevor ich reagieren konnte, erfassten seine Walzen meine Finger, bogen sie ganz entgegen ihrer Natur. Ich schrie und war im gleichen Augenblick froh, das die Ära der Nadeldrucker Vergangenheit war. Mit der freien Hand stemmte ich mich gegen das Gehäuse, bemüht, ein wichtiges Körperteil seinem gierigen Schlund zu entziehen, doch er hatte Helfer. Plötzlich umschlang das Kabel der Tastatur meinen Hals, zog sich zusammen und nahm mir den Atem. – Das Keyboard also auch - , nun musste meine stemmende Hand herhalten, um die Schlinge zu lösen, das gab den Drucker Gelegenheit, meine Finger weiter zu traktieren. Ich schaffte es, das Kabel zu lockern, ein Geruch von verschmorten Plastik stieg in meine Nase; Qualm stieg zwischen den Tasten des Boards auf. Die Tastatur erhob sich mit der Kraft von Myriaden von Elektronen und schlug mir auf den Kopf. In meiner Verzweiflung ließ ich ab und ergriff die neu installierte Maus, in der Systemsteuerung klickte ich auf „Drucker anhalten“. Hatte im Moment noch der verfluchte Drucker meine Finger in der Mangel wie ein altgedienter Catcher einen freiwilligen Narr im Ring, während die qualmende Tastatur auf meinen Schädel einschlug, so war in der nächsten Sekunde Ruhe. Als letzten gemeinen Gruß bekam ich einen Schwall Druckerschwärze ins Gesicht gespritzt. Bevor Viron weitere Maßnahmen ergreifen konnte, zog ich den Hauptstecker, dann befreite ich mich von allen Geräten.

Ich schob die schmerzenden Finger in den Mund, nach dieser letzten Eskapade zog ich Bilanz, ich konnte nicht viel auf meiner Haben Seite verbuchen. Eigentlich sollte es mir doch leichter fallen, etwas gegen diesen Unhold zu unternehmen. Einen kurzen Blick schenkte ich noch der Bescherung, dann marschierte ich ins Bad; Wasser rauschte, ich hielt die Finger unter den Hahn. Ich verdiente etwas Geld mit Check Out’s von PC-Spielen, „Taste the Devil“ pflegte ich zu sagen, wenn es darum ging, neue Software durch zu spielen und deren verschiedene Teufel zu besiegen.
Meine verwundete Hand hielt zaghaft eine Scheibe Morning Dew mit Marmelade, auf dem Küchentisch stand ein ordentlicher Pott Kaffee vor mir.
Das Telefon klingelte. Ein Blick auf das Display – Diggits Nummer, ahh – er wählte den klassischen Weg. > Hallo Randolf, wieso ist dein Computer „Out of Space“ ? <
> Hmm, Dateivampire am Werk, hast du was neues? <
> Komm her und sieh es dir an! <

Himmel, was für eine andere Welt in Diggits Keller.
Ein spinnenbeiniger Megacrawler, ganz in Aluminium ausgekleidet trug auf seinen ausgefahrenen Kiefern ein Tablett mit diversen Getränken hinter uns her, derer wir schon einigermaßen zugesprochen hatten, während wir durch die Flure seiner heiligen Hallen schritten. In kurzen Sätzen hatte ich ihm bereits mein letztes Missgeschick beschrieben. Er trank einen Schluck Dozzy Melly’s, nahm dann die Limonenscheibe vom Glasrand und warf sie geschickt dem Crawler zwischen die Kiefer direkt ins Maul. Das Ungetüm kaute mit kurzen Schmatzern, dann schob es das Tablett mit den geleerten Gläsern darauf kurzerhand mit den kräftigen Kiefern hinterher. > Willst du Doktor Rob mitnehmen, er könnte dir bei deiner Sache behilflich sein. < Mit stieren Augen sah er auf seine Kreatur – ganz klar, er hatte da etwas geraucht. > Du hast also eine Möglichkeit gefunden? < Hatte er; doch bevor wir dazu kamen, seine neueste Errungenschaft zu bestaunen, heulten Sirenen auf.
Grelle Leuchtpfeile wiesen uns den Pfad zum Mittelpunkt des Auslösers allen Übels, ich wusste, wer es nur sein konnte.

Licht kann vieles verzerren, mal grell, mal düster. Und Dunkelheit? Dunkelheit kann manchmal auch Geborgenheit bieten, und ich wünschte, die Monitore mit der miesen Szene, die sich uns bot, wären dunkel geblieben.
Ich hätte es besser wissen müssen, Viron hatte schon längs reagiert, nach dem Bericht meiner über gelaufenen Maus führte er seinen gemeinen Plan aus.
Das Bild erstreckte sich über die gesamte Monitorwand, er hatte Linda gefangen genommen und ich schätzte, er würde es überheblich verraten, wie er das vollbracht hatte. Er saß auf einem hölzernen Thron, die Arme ausgebreitet auf ausladenden Lehnen, dessen geschwungene Ausläufer in Pferdeköpfe endeten. Schleimende Würmer krochen überall um ihn herum: auf dem Boden, an den Wänden, hingen über ihm an der Decke. Mein Mädchen stand sichtlich erschöpft links neben ihm, gefesselt an einem Winsocket.

> Sieh meine Rache! <
Viron setzte sich in Pose, dieser verknitterte, faltige Bitsauger und Dokumentenhecht hatte sicherlich wieder eine Menge Mist abzulassen. Und er spannte uns nicht lange auf die Folter. > Ich werde deine Freundin zu meinem Vergnügen opfern, oh ja, Dirty Randolf; und ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn du deinen Freund dazu einlädst. < Er stieg hinab von seinen Thron, glättete seine Falten. Sein Outfit bestand jetzt aus einem schwarzen Smoking, einen hohen Zylinder trug er auf dem Kopf. Mit einer theatralischen Handbewegung wies er auf Linda, Würmer traten vermehrt aus Augen und Nüstern der Pferdeköpfe. > Meine Dame, meine Herren < , er nickte uns beiden innerhalb des Monitors zu, > es ist mir eine Freude, eine Vorstellung der ganz besonderen Art zu bieten. Fräulein Linda, die zweite Muse meines ehemaligen Zöglings wird sich heute meinen gehorsamen Würmern zum Fraß vorwerfen! <
> Wir machen dir ein Angebot! < Diggit sprach den Satz. Ich selbst war nicht fähig, zu verhandeln. Kalter Schweiß lag auf meiner Haut, meine Lippen begannen zu zittern.
> Was hast du zu bieten? <
> Ich habe nicht umsonst die Schriften von Lovespace und Poeke studiert, damit ich heute das kann, was ich kann! Wenn du sie nur freigibst, hol ich dich in die reale Welt. < Viron zeigte auf Linda, > sie kam ihrem Bildschirm zu nah, mit meiner Macht über alle Elektronen und Magnetfelder zog ich sie in meine Welt. Meinst du nicht auch, das ich umgekehrt hinaus treten könnte. <
> Nicht in Fleisch und Blut. In deiner Form hast du hier draußen keine Chance! <

Wir ließen einen staunenden Datenvampir zurück und drangen diesmal noch tiefer ein in diesen seltsamen Keller. Die langen Flure besaßen runde Deckengewölbe, Stränge an Kabeln, dicht an dicht, von verschiedener Farbe und Umfang. Man konnte meinen, aneinander gelegt, umspannten sie leicht die Erde. Die Wände zierten Bilder mit den schrillsten Farben von Website-Hintergründen. Räume gingen links und rechts ab, in den aufgestellten Regalen lagerte Computerschrott, Diggits Ersatzteillager. Hier und da setzten sich kleine mechanische Wächter in Bewegung, vom Aussehen her wie in Stahl und Chrom nachgebildete Tiere mit einem Objektiv auf der Stirn. Während einer dieser stählernen Aufpasser um unsere Beine wieselte, betrachteten wir einen Raum, der hauptsächlich aus Licht verschiedener Farben bestand; der Rest war eine einzige Apparatur. Wir bewegten uns in die Mitte, Diggit startete einen Rechner, lauter werdendes Summen begleitete eine elektrische Aufladung.
> Ich sende Viron jetzt eine Adresse, eine URL wird erstellt und eine IP vergeben, somit hat er den Code für das erste Rendezvous außerhalb seines Planeten. < Ich nickte bescheiden und sagte, > denk dran, er soll erst Linda freigeben! <
Das Summen schwoll an zu einem stetigen Heulen, Laserkanonen schossen Lichtblitze aufeinander ab. Es wurde verdammt heiß in den Raum, zwischen den Kanonen entstand ein nebliges Rechteck, mit Blicken nicht zu durchdringen. > Die künstlich erzeugte Urmaterie wird Fleisch um die austretenden Pixel bilden. < Wieder nickte ich.

> Wagt es nicht, mich zu täuschen! < Viron war begierig darauf, endlich den ersten Schritt in unsere Welt zu tun. Linda erschien als erste aus dem Nebel, sobald sie den zweiten Fuss auf festen Boden setzte, schrie sie etwas mir unverständliches, aber Diggit verstand.
Hastig wendete er sich zum PC, öffnete im dargestellten Browser die Option „Verlauf leeren“ und betätigte den Button. Im Augenwinkel sah ich Virons Arm mit der Klaue, die Linda hielt, wieder im Nebel verschwinden; sie hatte den richtigen Tip gegeben. Diggit schaute mich an: >Du wolltest doch deine Freundin retten und Viron besiegen! Also, deine Show, Cowboy! <
Ich öffnete mit einem Mausklick den Papierkorb und bestätigte den richtigen Befehl: „Datei unwiederbringlich gelöscht“ erschien auf dem Bildschirm. Mir war, als hörte ich einen dünnen Schrei im Nichts, so als würde jemand in die unendlichen Weiten des Universums fallen.

„Patsch“, ich rieb meine schmerzende Wange. > Hast du mir nicht etwas zu sagen! <
> Ähh, nö! < „Patsch“, die andere Wange schmerzte mir. > Reiche ich dir nicht. Musst du mit deinen sexuellen Phantasien auch noch die Präriehunde belästigen? < Ich schaute sie an, so war halt meine Linda.
> Ich bin einfach nur froh, das ich dich wieder habe. In Fleisch und Blut. <
> Das ist alles, was du dazu zu sagen hast? <
> Das ist alles! <
> Und das reicht dir? <
> Das reicht. Das reicht voll und ganz! <

Ende

Auf ein Wort. Was wichtig wäre.
Schon wieder habe ich das letzte Wort. Wenn ich das Wort Ende unter einer meiner Geschichten setze, muss ich immer noch eine Runde auf dem Papier auslaufen, wie ein Pferd nach schnellem Galopp.
Was bleibt nun noch zu tun? Eigentlich nichts.
So erhebe ich denn in Demut mein Glas CDTS ( Cat dance the Sundown ) und möchte mich bedanken.
Bei den Lesern, die etwas Zeit erübrigen für meine Geschichten, bei den Autoren, neben deren Storys ich meine Texte ausstellen darf und bei den Machern der Leselupe, die dafür sorgen, das der Laden läuft.
Ride on your Pencil, Cowgirls and Cowboys.

Westen, im Juli 2002
 
Klasse Geschichte, ich bin beeindruckt.

Obwohl, der Schluß ist steigerungsfähig, tut der Geschichte aber keinen Einbruch.
Ich habe auf jeden Fall herzhaft gelacht. Weiter so.
 

GabiSils

Mitglied
Hallo bluesnote,

herrlich aberwitzig! Ich bin noch ganz erschlagen und habe daher keine Logikprüfung vorgenommen <g>, sondern nur Rechtschreibung und Grammatik korrigiert.


...willkommen an Bord, Capt’n!
Leonard N[red] i[/red]moy begrüßt
William Shatner an Bord
der Enterprise.

„Can not f[red]i[/red]nd error“, Viron, der alte Datenvampir schlug wieder zu, zog sich Dateien in Massen rein, verjüngte sein Aussehen mit jedem Update, das er fand.
Das wirklich [red]B[/red]ösartige daran war, dieses Mal wollte er mich. Er suchte einen Weg zu mir, schlüpfte durch jedes Kabel, floss über jede Datenautobahn, versuchte, alle Modem[red]s[/red]zu erreichen. Jeden Drucker, sämtliche Ausgabegeräte sah er als Möglichkeit, endlich in die reale Welt zu schlüpfen, um mich zu kriegen.
Um Himmels Willen, was sollte ich tun, ein seit Ewigkeiten süchtiger Netizen, de[red]m[/red] jetzt nicht nur Gefahr im Cyberspace drohte, der ab heute auch vor der realen Welt Angst haben musste. Hatte ich alle Cookies gelöscht, mich wirklich überall ausgeloggt? Ich besuchte bereits Millionen elektronischer Seiten, viele davon begrüßten mich inzwischen mit meinem Namen.

Wie soll ich da vor ihm sicher sein, plötzlich springt der Drucker an – oh Gott, nein! Das reine Weiß der PC-Peripherie stößt mich ab, was mag aus dem dunklen Schacht heraus kommen? – Ach nein, ich bin ein Dummkopf-, Linda, meine heimliche Göttin sendet eine Nachricht, wir sind vernetzt. Die virtuelle Welt ist verdammt löchrig, was ist, wenn er von Linda und mir weiß? Wenn er einen günstigen Moment abwartet, mitten hinein zu schlüpfen in den Datentransfer zwischen uns beiden.

Ich bin ein Guru auf dem Gebiet der Datenvampirerei, diese Monster tauchen im Net immer häufiger auf, viele Leute halten mich für hysterisch. Sie alle waren ja auch nicht dabei, als ich heute morgen mein Portal öffnete und die übliche Seite mit den News ansprang. Alles [blue] geriet[/blue] lieber: gelang bestens, keine Störungen, bis plötzlich ein erster langer Reißzahn auftauchte.
Mann, das war ein Hammer. Plötzlich erschien ein ganzes Gesicht, spitz zulaufend, widerlich! Mit großen, kugelrunden und weit geöffneten Augen beobachtete ich weiter, wie dieser Golem zusammengesetzt aus dem Datenmüll dieser Welt seine lange Zunge herausstreckte; langsam fuhr sie hoch über sein Gesicht zu meiner Symbolleiste hinauf. Lüstern umspielte die Zungenspitze dieses Instrument voller Links und Adressen, drückte aufreizend langsam den Knopf, welche die Schublade „Favoriten“ öffnete. Der Schalk saß in seinen Augen, er blitzte mich an –oh nein, er weiß alles über mich-, zielstrebig tippte die geile Spitze seiner Zunge auf die Adresse „Sex der Präriehunde“. Genüsslich balancierte er seinen Diebstahl quer über den Bildschirm, um sie dann endgültig in seinem Maul verschwinden zu lassen. Er unterließ es dabei nicht, mir zu zuzwinkern, dann verschwand er. Da, wo vorher sein Maul [red] war[/red], entstand jetzt ein Schriftzug: „Get you“ stand dort zu lesen. Ich verstand.

Ausgerechnet meine Lieblingsadresse (von der Linda niemals etwas erfahren durfte), hatte dieser Lump gefressen.
Das waren die Fakten. Ich saß mit einem Glas warmer Milch in der Küche und dachte über Viron nach. Diesmal wollte er es also nicht bei einem Flame War belassen. Er wollte den offenen Krieg in der Meat Space. Ich kam darauf, [red] weil so direkt hatte er sich mir nie gezeigt[/red] weil er sich mir noch nie so direkt gezeigt hatte. In vorigen Treffen [red] hatte[/red] er seine Nähe [strike] darin[/strike][blue] dadurch geäußert[/blue], das s er mal hier in einem Programm ein paar Daten fraß, mal dort im Betriebssystem bastelte und es [strike] zu[/strike] nach seinem Willen umfunktionierte. Kleinigkeiten, über die jeder Wirehead [strike] eine[/strike] Freude verspürte; hatte er doch wieder einen Grund , an seiner Kiste herum zu basteln. Ärgerlich für andere; ja, aber etwas, womit jeder PC-Eigner auf dieser Welt leben musste.

Man kann wohl sagen: es lag eine Naivität des Seins darin, als ich das erste Mal ein Portal zur Startseite machte, ein Sprungbrett schuf ins World Wide Web. Ich klinkte hier einen Link an, sprang dort zu einer Adresse, sah mir alles an. Ich lernte, den Haien aus dem Weg zu gehen, handelte an Börsen zum besten Preis, hielt große Reden in allen Chats. Ich holte mir Infektionen und Viren, kurierte mein System und schuf mir einen Schutzwall. Doch eines Tages zog ich aus, das Fürchten zu lernen, fragte irgendeinen Crawler - wohnt auch das Böse in dir?
Als Antwort schlugen mir Suchmaschinen die Spiele vor. Ich ließ mich als Gladiator eintragen. Siegreich schlug mein karikiertes Ich so manche Schlacht und steckte Niederlagen ein. Zuletzt trat ich aus der Riege der Kämpfer [blue] aus[/blue] und legte mich als ehrloser Camper auf die Lauer, schoß auf alle, die ich vorher kennen und schätzen [strike] lernte.[/strike] [blue] gelernt hatte.[/blue]

Sie fragen, warum ich das tat? Nun, ich werde ihnen sagen, warum! Weil es so einfach ist. Darum!
Doch mit meinem Verhalten erregte ich jemandes Aufmerksamkeit. Viron nahm sich meiner an. Er lehrte mich, zu hacken, zu cracken, eine Menge böser Späße zu machen mit den Bewohnern des Internets. Allein, er lehrte mich zuviel, eines Tages lockte ich ihn in die Zone eines Anti-Viren Programmes, er wurde in Stücke zerrissen und von dort ins Aus verfrachtet. Ich rief ihm nach – du hast in mir deinen eigenen Wizard geschaffen -, er schrie zurück – das habe ich so gewollt. Er hatte mich über seinesgleichen aufgeklärt, ich wähnte mich einer von ihnen zu sein, und alles über Datenvampire zu wissen. Ich saß vor dem Monitor und fühlte mich auf der sicheren Seite.
Trügerisch?

Das leere Glas stellte ich auf die Spüle, wollte Linda besuchen, die ich länger nicht gesehen [blue] hatte[/blue], da setzte ich mich zurück auf meinem Platz.
Wie glühender Stahl, der in meinen Nacken dringt, kam mir der furchtbare Gedanke, was würde sie davon halten, wenn er mein Geheimnis zu ihr [strike] trägt[/strike][blue] trüge[/blue], und weiter; was würde dann geschehen? Könnte er ihr darüber hinaus etwas antun? Es wurde Zeit, dass ich zu ihr kam; Erklärungen waren fällig, so oder so.

Draußen ging es zugig zu.
Diese Welt erschien mir seltsam, die Menschen, die sich tatsächlich an mich erinnerten, mich begrüßten, um ein paar Worte zu wechseln, konnte ich nicht wie gewohnt per Knopfdruck ausschalten. Die Dreidimensionalität, die hier vorherrschte, überforderte mich, in rascher Abfolge veränderten die Körper ihre Entfernungen und brachten meine Augen zum Tränen. Hier gab es natürlich auch Farben, aber nicht in 256 Bit-Auflösung und höher, das gewohnte grelle und schreiende Farbenbild fehlte hier; ich fühlte mich nicht heimisch. Ich dachte einen Augenblick daran, was das Internet für Viron darstellte: seine Heimat! Und so verschlungen wie die Datenleitungen eines jeden Netzwerkes auch sein mochten[blue] :[/blue] Elektronen finden ihren Weg. Meine Vermutung ging dahin, er habe heimlich eine versteckte Leitung in meiner DFÜ – Datei installiert, während ich verzweifelt versuchte, POP – UP Fenster zu schließen. Wahrscheinlich ein getarnter Schalter, den ich dabei anklickte. Natürlich würde ich weiter suchen; ich war nicht ganz so dumm, wie er dachte, vorerst würde ich ihn in Sicherheit wiegen. Ich wollte Linda informieren, dann einen Guru aufsuchen, von dem ich meinte, das er mir weiterhelfen könnte.

Den Finger auf den Klingelknopf, wenn es jemanden gab, dem ich gerne leibhaftig gegenüberstand, dann war es Linda. Mir war klar, dass ich mich zwischen einer heftigen Umarmung und einer deftigen Ohrfeige bewegte, sofern sie bereits von meiner Vorliebe für das Liebesleben der Präriehunde wusste. Barfüssiges Getrippel auf Holzdielen, die Tür flog auf, Linda sprang mir lachend in die Arme.
Wir taten, was wir taten, schlossen diskret alle Türen. Der Besuch war kurz, bei einer letzten Zigarette versuchte ich ihr klar zu machen, dass sie in nächster Zeit ihre [blue] Flatline[/blue] Flatrate? nicht all zu sehr beanspruchen sollte. Sie antwortete mir, das s ihre Zugangssoftware gerade neu installiert sei, und daher so was für einen Net-Junkie unmöglich ist. >Viron wird mich schon nicht ins Internet versklaven <, antwortete sie.

Ich war um sie besorgt, mit schwachen Knien schloss ich die Haustür. Um den Eckpfosten des Treppengeländers sah ich etwas kleines, weißes aus meinem Blickfeld wuseln. Es zog eine dünne Schnur hinter sich her. Eine gemeine Vermutung überkam mich. Ich raste den Treppenflur hinunter, dem kleinen flinken Ding hinterher. Mit Wucht warf ich meinen Körper gegen die schwere Außentür, trat nach draußen und schaute hektisch nach links und rechts. Sie legte mich rein, zu langsam schloss ich die Tür; Zeit genug für meine verräterische Maus ins Freie zu fliehen. Ich schrie: > Bleib, du Luder!< Ich rannte wie besessen hinter ihr her, Viron hatte sie geschickt, mich aus zu spionieren. Dieses verräterische Aas eilte mit ihrem Scrollrad und halsbrecherischer Geschwindigkeit auf ein Kaufhaus zu. Was sie dort wollte, konnte ich mir gut vorstellen – eine Verbindung herstellen mit einem der Vorführrechner. Schon erreichte sie die Eingangspforte, eine Drehtür.
Sie drehte, ich drehte, ich ein halbes Mal hinein, sie ein ganzes Mal wieder hinaus. Ich wollte ihr nach – also hinaus, sie flitzte abermals in ein Viertel der Tür hinein ins Kaufhaus, ich stand wieder draußen. Ich schlug gegen das Glas, als sie zwischen den Füssen der Kunden verschwand folgte ich ihr wütend ins Innere; zwei stabilen Herren in die Arme. Ich stand wieder draußen, sie hatte gewonnen. Das Miststück sollte mir unter die Augen kommen.

Vorerst gab ich mich geschlagen, doch das nagte im Moment wenig an mir. Und es war mir jetzt nicht so wichtig.
Ich hätte einen anderen Weg ins Kaufhaus suchen können, wollte aber nicht für noch mehr Aufsehen sorgen. Außerdem ging ich davon aus, das meine PC-Maus bereits Aufklärung über mein Tun in der Meat-Space gegeben hatte. Eine Niederlage konnte ich hinnehmen, Linda wollte ich schützen; wenn ihr was passierte, würde ich mir das nicht verzeihen.
Wieder drückte mein Finger einen Klingelknopf, ein Objektiv visierte mich an, durch das Gitter einer Sprechanlage knurrte eine Stimme: > Jetzt nicht! <
Hartmut Hogward hockte mit Sicherheit vor seinen Monitoren und war nicht dazu aufgelegt, Besuch zu empfangen. > Diggit, es ist wichtig.< Der Türöffner schnarrte, ich trat ein. In seiner verkabelten Wohnung konnte nicht ein Bild an der Wand Platz finden, Kabelkanäle schlängelten am Rauhputz entlang. Man brauchte den Kabeln nur zu folgen, an deren Ende fand man Ihn.
Er war unser Mann, wenn es Ärger mit Internetphänomenen gab; Diggit war sein geheimer Spitzname für gute Bekannte und stammte von Digital ab. Er bearbeitete Tastaturen in einem abgedunkelten Raum, eine Wand beanspruchten Monitore gestapelt bis hoch zur Decke. > Was gibt’s? < Sein Blick wanderte nicht fort von den Bildschirmen. > Viron ist wieder aufgetaucht, du musst mir helfen! Ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit der Hilfe eines Rechners ins Internet geladen. Geht das? <
> Woher weißt du, was ich vorhabe? <
> Es ist mein Ziel, Viron zu besiegen. Wie ein Golem erschaffen aus Schlamm und Wasser, so ist er geboren aus sämtlich abgelegten Dateien der modernen Menschheit! < Im Grunde konnte ich mich nicht beklagen, das war doch die Action, die ich immer wollte. Den Kampf der gezeichneten Gladiatoren.
Ich ging wieder hinaus in die reale Welt. Sie kam mir roh und kalt vor, an keine[red]n[/red] der Menschen kam ich heran, die um mich herum ihren Zielen nachliefen; als würde mich ein durchsichtiger Wall umgeben. Ich war in einer Parallelwelt gefangen. Ganz anders die Welt der Elektronen, dort kam ich aus mir heraus, zwiespältig der Gedanke; aber ich hatte einen hervorragenden Lehrer und Mentor: Viron!

Zurück in meiner Wohnung, Linda sollte wie versprochen eine Nachricht erhalten, dass ich sicher heimgekommen war. Ich klappte den Kühlschrank auf, nahm mir eine Dose Roaring Dollar heraus, trank einen Schluck, als mein Drucker im Wohnzimmer zu rattern begann.
Das Gerät tat diesmal seinen Dienst ungewohnt langsam, ungeduldig fasste ich das Blatt an seinem Rand, als wolle ich es ihm mit Macht entreißen; in diesem Moment begann er allerdings zu rasen. Statt das Papier weiter aus seinem Schacht zu schieben, fraß er es auf, hangelte sich blitzschnell heran an meine Hand. Noch bevor ich reagieren konnte, erfassten seine Walzen meine Finger, bogen sie ganz entgegen ihrer Natur. Ich schrie und war im gleichen Augenblick froh, das die Ära der Nadeldrucker Vergangenheit war. Mit der freien Hand stemmte ich mich gegen das Gehäuse, bemüht, ein wichtiges Körperteil seinem gierigen Schlund zu entziehen, doch er hatte Helfer. Plötzlich umschlang das Kabel der Tastatur meinen Hals, zog sich zusammen und nahm mir den Atem. – Das Keyboard also auch - , nun musste meine stemmende Hand herhalten, um die Schlinge zu lösen, das gab de[red]m[/red] Drucker Gelegenheit, meine Finger weiter zu traktieren. Ich schaffte es, das Kabel zu lockern, ein Geruch von verschmorte[red]m [/red]Plastik [blue] stieg[/blue] in meine Nase; Qualm [blue] stieg[/blue] zwischen den Tasten des Boards auf. Die Tastatur erhob sich mit der Kraft von Myriaden von Elektronen und schlug mir auf den Kopf. In meiner Verzweiflung ließ ich ab und ergriff die neu installierte Maus, in der Systemsteuerung klickte ich auf „Drucker anhalten“. Hatte im Moment noch der verfluchte Drucker meine Finger in der Mangel wie ein altgedienter Catcher einen freiwilligen Narr[blue]en[/blue] im Ring, während die qualmende Tastatur auf meinen Schädel einschlug, so war in der nächsten Sekunde Ruhe. Als letzten gemeinen Gruß bekam ich einen Schwall Druckerschwärze ins Gesicht gespritzt. Bevor Viron weitere Maßnahmen ergreifen konnte, zog ich den Hauptstecker, dann befreite ich mich von allen Geräten.

Ich schob die schmerzenden Finger in den Mund, nach dieser letzten Eskapade zog ich Bilanz, ich konnte nicht viel auf meiner Haben[blue]-[/blue]Seite verbuchen. Eigentlich sollte es mir doch leichter fallen, etwas gegen diesen Unhold zu unternehmen. Einen kurzen Blick schenkte ich noch der Bescherung, dann marschierte ich ins Bad; Wasser rauschte, ich hielt die Finger unter den Hahn. Ich verdiente etwas Geld mit Check Out’s von PC-Spielen, „Taste the Devil“ pflegte ich zu sagen, wenn es darum ging, neue Software durch zu spielen und deren verschiedene Teufel zu besiegen.
Meine verwundete Hand hielt zaghaft eine Scheibe Morning Dew mit Marmelade, auf dem Küchentisch stand ein ordentlicher Pott Kaffee vor mir.
Das Telefon klingelte. Ein Blick auf das Display – Diggits Nummer, ahh – er wählte den klassischen Weg. > Hallo Randolf, wieso ist dein Computer „Out of Space“ ? <
> Hmm, Dateivampire am Werk, hast du was [red]N[/red]eues? <
> Komm her und sieh es dir an! <

Himmel, was für eine andere Welt in Diggits Keller.
Ein spinnenbeiniger Megacrawler, ganz in Aluminium ausgekleidet trug auf seinen ausgefahrenen Kiefern ein Tablett mit diversen Getränken hinter uns her, [red] denen[/red] wir schon einigermaßen zugesprochen hatten, während wir durch die Flure seiner heiligen Hallen schritten. In kurzen Sätzen hatte ich ihm bereits mein letztes Missgeschick beschrieben. Er trank einen Schluck Dozzy Melly’s, nahm dann die Limonenscheibe vom Glasrand und warf sie geschickt dem Crawler zwischen die Kiefer direkt ins Maul. Das Ungetüm kaute mit kurzen Schmatzern, dann schob es das Tablett mit den geleerten Gläsern darauf kurzerhand mit den kräftigen Kiefern hinterher. > Willst du Doktor Rob mitnehmen, er könnte dir bei deiner Sache behilflich sein. < Mit stieren Augen sah er auf seine Kreatur – ganz klar, er hatte da etwas geraucht. > Du hast also eine Möglichkeit gefunden? < Hatte er; doch bevor wir dazu kamen, seine neueste Errungenschaft zu bestaunen, heulten Sirenen auf.
Grelle Leuchtpfeile wiesen uns den Pfad zum Mittelpunkt des Auslösers allen Übels, ich wusste, wer es nur sein konnte.

Licht kann vieles verzerren, mal grell, mal düster. Und Dunkelheit? Dunkelheit kann manchmal auch Geborgenheit bieten, und ich wünschte, die Monitore mit der miesen Szene, die sich uns bot, wären dunkel geblieben.
Ich hätte es besser wissen müssen, Viron hatte schon längs[red]t [/red]reagiert, nach dem Bericht meiner über gelaufenen Maus führte er seinen gemeinen Plan aus.
Das Bild erstreckte sich über die gesamte Monitorwand, er hatte Linda gefangen genommen und ich schätzte, er würde es überheblich verraten, wie er das vollbracht hatte. Er saß auf einem hölzernen Thron, die Arme ausgebreitet auf ausladenden Lehnen, dessen geschwungene Ausläufer in Pferdeköpfen endeten. Schleimende Würmer krochen überall um ihn herum: auf dem Boden, an den Wänden, hingen über ihm an der Decke. Mein Mädchen stand sichtlich erschöpft links neben ihm, gefesselt an einem Winsocket.

> Sieh meine Rache! <
Viron setzte sich in Pose, dieser verknitterte, faltige Bitsauger und Dokumentenhecht hatte sicherlich wieder eine Menge Mist abzulassen. Und er spannte uns nicht lange auf die Folter. > Ich werde deine Freundin zu meinem Vergnügen opfern, oh ja, Dirty Randolf; und ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn du deinen Freund dazu einlädst. < Er stieg hinab von seinen Thron, glättete seine Falten. Sein Outfit bestand jetzt aus einem schwarzen Smoking, einen hohen Zylinder trug er auf dem Kopf. Mit einer theatralischen Handbewegung wies er auf Linda, Würmer traten vermehrt aus Augen und Nüstern der Pferdeköpfe. > Meine Dame, meine Herren < , er nickte uns beiden innerhalb des Monitors zu, > es ist mir eine Freude, eine Vorstellung der ganz besonderen Art zu bieten. Fräulein Linda, die zweite Muse meines ehemaligen Zöglings wird sich heute meinen gehorsamen Würmern zum Fraß vorwerfen! <
> Wir machen dir ein Angebot! < Diggit sprach den Satz. Ich selbst war nicht fähig, zu verhandeln. Kalter Schweiß lag auf meiner Haut, meine Lippen begannen zu zittern.
> Was hast du zu bieten? <
> Ich habe nicht umsonst die Schriften von Lovespace und Poeke studiert, damit ich heute das kann, was ich kann! Wenn du sie nur freigibst, hol ich dich in die reale Welt. < Viron zeigte auf Linda, > sie kam ihrem Bildschirm zu nah, mit meiner Macht über alle Elektronen und Magnetfelder zog ich sie in meine Welt. Meinst du nicht auch, das[red] s [/red]ich umgekehrt hinaus treten könnte. <
> Nicht in Fleisch und Blut. In deiner Form hast du hier draußen keine Chance! <

Wir ließen einen staunenden Datenvampir zurück und drangen diesmal noch tiefer ein in diesen seltsamen Keller. Die langen Flure besaßen runde Deckengewölbe, Stränge an Kabeln, dicht an dicht, von verschiedener Farbe und Umfang. Man konnte meinen, aneinander gelegt, umspannten sie leicht die Erde. Die Wände zierten Bilder mit den schrillsten Farben von Website-Hintergründen. Räume gingen links und rechts ab, in den aufgestellten Regalen lagerte Computerschrott, Diggits Ersatzteillager. Hier und da setzten sich kleine mechanische Wächter in Bewegung, vom Aussehen her wie in Stahl und Chrom nachgebildete Tiere mit einem Objektiv auf der Stirn. Während einer dieser stählernen Aufpasser um unsere Beine wieselte, betrachteten wir einen Raum, der hauptsächlich aus Licht verschiedener Farben bestand; der Rest war eine einzige Apparatur. Wir bewegten uns in die Mitte, Diggit startete einen Rechner, lauter werdendes Summen begleitete eine elektrische Aufladung.
> Ich sende Viron jetzt eine Adresse, eine URL wird erstellt und eine IP vergeben, somit hat er den Code für das erste Rendezvous außerhalb seines Planeten. < Ich nickte bescheiden und sagte, > denk dran, er soll erst Linda freigeben! <
Das Summen schwoll an zu einem stetigen Heulen, Laserkanonen schossen Lichtblitze aufeinander ab. Es wurde verdammt heiß in den Raum, zwischen den Kanonen entstand ein nebliges Rechteck, mit Blicken nicht zu durchdringen. > Die künstlich erzeugte Urmaterie wird Fleisch um die austretenden Pixel bilden. < Wieder nickte ich.

> Wagt es nicht, mich zu täuschen! < Viron war begierig darauf, endlich den ersten Schritt in unsere Welt zu tun. Linda erschien als erste aus dem Nebel, sobald sie den zweiten Fuss auf festen Boden setzte, schrie sie etwas mir unverständliches, aber Diggit verstand.
Hastig wendete er sich zum PC, öffnete im dargestellten Browser die Option „Verlauf leeren“ und betätigte den Button. Im Augenwinkel sah ich Virons Arm mit der Klaue, die Linda hielt, wieder im Nebel verschwinden; sie hatte den richtigen Tip gegeben. Diggit schaute mich an: >Du wolltest doch deine Freundin retten und Viron besiegen! Also, deine Show, Cowboy! <
Ich öffnete mit einem Mausklick den Papierkorb und bestätigte den richtigen Befehl: „Datei unwiederbringlich gelöscht“ erschien auf dem Bildschirm. Mir war, als hörte ich einen dünnen Schrei im Nichts, so als würde jemand in die unendlichen Weiten des Universums fallen.

„Patsch“, ich rieb meine schmerzende Wange. > Hast du mir nicht etwas zu sagen! <
> Ähh, nö! < „Patsch“, die andere Wange schmerzte mir. > Reiche ich dir nicht. Musst du mit deinen sexuellen Phantasien auch noch die Präriehunde belästigen? < Ich schaute sie an, so war halt meine Linda.
> Ich bin einfach nur froh, das ich dich wieder habe. In Fleisch und Blut. <
> Das ist alles, was du dazu zu sagen hast? <
> Das ist alles! <
> Und das reicht dir? <
> Das reicht. Das reicht voll und ganz! <

Ende

***
Lieben Gruß, Gabi
 

bluesnote

Mitglied
dateivampire und dokumentenhechte

Die Geschichte ist aus morgendlichen Schreibübungen entstanden. Ganz ohne Planung. Vielen Dank für die Korrekturen.
 

GabiSils

Mitglied
Planung

Lieber Udo,

Die Geschichte ist aus morgendlichen Schreibübungen entstanden. Ganz ohne Planung.
Was willst du damit sagen? Möchtest du die Geschichte selber als unausgereift abqualifizieren oder eventuelle Fehler damit erklären?
Eine derartige Bemerkung macht mich immer etwas ratlos. Du schreibst doch, um gelesen zu werden; die Geschichte ist gut, witzig und lesbar, könnte aber mit etwas Feinarbeit noch besser werden - die (relativ wenigen) Rechtschreibmängel zu beseiigen ist ein erster Schritt.

Bist du an Textarbeit interessiert?

Gruß
Gabi
 

Renee Hawk

Mitglied
Hallo Bluesnote,

deine Geschichte ist in einem Affentempo geschrieben und zieht mich als Leser in einen Rausch der Geschwindigkeit. Kaum aus der Puste von lesen, das Nachwort, was ein sehr schöner Epilog war.
Es war ein Lesevergnügen.

liebe Grüße
Reneè
 
E

Edgar Güttge

Gast
eine Story, die das Leben schreibt

Hallo Bluesnote,

Gabi hat mir den Tipp gegeben, hier mal reinzuschauen, auch an dieser Stelle nochmals vielen Dank.

Das ist echt eine Geschichte, die das Leben schreibt. Ich traue mich auch manchmal tagelang nicht an meinen Computer. Wer weiß, was da einem so alles um die Ohren fliegen kann. Toll, wie du meine Ängste noch gesteigert hast.
Stellenweise fand ich die Geschichte etwas zu lang, könnte gestrafft werden, aber dennoch: ein Gewinn für die LL.

Gruß
Edgar
 

bluesnote

Mitglied
die Längen von Text im Net - ein wichtiges Thema

Hallo Edgar.

Danke für deine positive Bewertung. Ja, es stimmt. Die Textlängen, gerade, wenn man im Internet schreibt, müssen möglichst vermieden werden.
Alles muss kurz, kürzer, am kürzesten. Damit habe ich immer zu kämpfen.
Werde mir mal die Zeit nehmen und etwas von dir lesen.

Viele Grüsse.

Udo
 



 
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