Vision im Kopf (erstes Kapitel)

mustafa

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Hallo liebe Leselupe-Menschen. Habe mal angefangen etwas "längeres zu schreiben". ... sonst mach ich mehr Gedichte. Weiß also nicht ob es passt... also bis denn mustafa.



Vision im Kopf

Morgens steh ich auf, und merke, dass ich etwas aus meinem Traum mitgenommen habe.
Ich glaube es ist ein Ring!

Hab Acht auf dich.
Der Ring wird dir helfen – deinen Traum zu finden.
Der Ring wird dir helfen – dich zu finden.
Der Ring wird dir helfen – uns in deinen Träumen zu finden.
Nimm ihn.
Er soll so lange dir gehören – solange du willst ihn besitzen ...


Ring Ring, Ring Ring,
der Wecker klingelt wie jeden Wochentag in aller Frühe.
Ich erwache und döse noch vor mich hin und wundere mich ein wenig über meinen eigenartigen Traum.
Nun, wenigstens hab ich noch schöne, bunte Träume.

Die Arbeit und mein Leben kommen mir wieder in den Sinn.
Ja, die Arbeit. Einen Job hab ich.
Doch es heißt lange nicht, dass das Geld reicht. Es reicht nicht.
Lust hätte ich, meine Sachen zu packen und ins Irgendwo zu verschwinden.
Doch wo sollte ich hin? Die Sorgen wären mein treuester Begleiter.

So, jetzt los. Einen Kaffee noch. Jeden Morgen dasselbe Spiel, bei dem ich fast immer verliere. Der Kampf des „Wachwerdens“, das warme Bett einzutauschen gegen kalte, trostlose Wände und einen furchtbar dünnen Kaffee.
Das warme Bett einzutauschen gegen den Gedanken, 10 Stunden Rumzustehen und zu bedienen, irgendwelche Menschen. Es ödet mich mehr und mehr an. Diese Monotonie.
„Toll, weit hast du es gebracht. 30 Jahre alt, verschuldet und einen wahrlich lausigen Job. Bei deinem Phlegma wirst du nur älter. Sonst ändert sich nicht viel. Dein Job, der dich anödet und deine Schulden, die dich fesseln an deinen Job, bleiben dir.“

Nein, meine wahre Leidenschaft sträubt sich dagegen.
Ich bin ein Schreiber. So fühle ich mich.
Je trostloser die Tage werden, desto mehr überkommt mich das Gefühl, diese Trostlosigkeit umzuwandeln in meinen Gedichten und Geschichten.
So entsteht in ihnen immer etwas Neues, Buntes, etwas, nachdem ich sonst lange suchen müsste. Nennen wir es „die Hoffnung“. Die Hoffnung, dass es besser wird. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit. Irgendwann blüht der Keim der Hoffnung auf, und viele Probleme lösen sich von selbst. Der Knoten, indem sich mein momentanes Leben - mein Chaos verfangen hat, wird entwirrt.

Genug gedacht.
Jetzt aber los, sonst kommst du wieder zu spät. Ich strecke mich ein letztes Mal unter meiner warmen Decke und stehe auf.
Mein Bett mach ich mir zurecht und ein Ring neben meinem Kopfkissen fällt mir ins Auge.
Auf den ersten Blick eigentlich kaum zu erkennen. Zwischen den Falten meines Kopfkissens sehe ich nur was glänzen. Es ist wirklich ein Ring. Ich fühle etwas Metallenes in meinen Händen. Ich halte diesen Ring in meinen Händen.
Überrascht und ratlos bin ich.
„Hatte ich nicht etwas über einen Ring geträumt?“. Ist der Gedanke von mir, als ich auf dem Bett sitze und mir den Ring ansehe.“

„Er soll so lange dir gehören, so lange du willst ihn besitzen“, kommt mir plötzlich in den Sinn.

Ach mist, die arbeit.
Die arbeit, diese sollte heute ruhen, wie sooft in der letzten Zeit. Ich hab in den letzten Wochen überhaupt keine Lust, mich in diesen Trott zu begeben. Ich melde mich krank. Hab nen guten Arzt und somit einen weiteren freien Tag.
Ein Grund mehr, nicht hinzugehen.

Was hab ich bloß geträumt?
An den letzen Satz meines Traumes glaube ich mich erinnern zu können.
Den Gedanken an den Ring, den kann ich nicht verdrängen.
Woher ist er?
Wieso fällt mir mein Traum nicht mehr ein?
Was hab ich bloß geträumt und wieso fällt mir mein Traum nicht ein?
Doch ich sitze jetzt wieder auf dem Bett und halte den Ring in meinen Händen und werde das Gefühl nicht los, ihn mitgenommen zu haben aus meinem Traum.
Ja, er ist aus meinem Traum.

Verlassen hat mich meine Müdigkeit.
Nun stehe ich in der Küche, an meinem Tisch mit den zwei Stühlen.
Mach mir Wasser heiß und schneide nicht mehr ganz so frisches Brot in Scheiben, die ich mir dann toaste. So schmeckt das Brot wenigstens noch annähernd wie Brot. Dazu trinke ich noch meinen dünnen Kaffee. Über diesen Kaffee ärgere ich mich schon einiger Zeit. Weil ich gerade Pleite bin, habe ich am Kaffee gespart, was sich jetzt bitterböse rächt.
Dieser Kaffee schmeckt furchtbar!

Den Ring, den ich immer noch in der Hand halte, sehe ich mir jetzt ganz genau an.
Es ist ein goldener Ring. Ein schwerer goldener Ring. Eingelassen in das Gold sind zwei erbsengroße, blaue Steine. Sieht verdammt wertvoll aus. Ein wirklich schöner Ring.

Was mache ich jetzt nur?
Ratlos wähle ich die Nummer meiner besten Freundin.
„Eva, Morgen mein Liebes“.
Müde ist sie noch. Sie ist Illustratorin. Es kommt häufig vor, dass sie nächtelang durcharbeiten muss, um mit ihrer Arbeit zu einem festen Abgabetermin fertig zu werden.
„Zieh dir was über und komm auf einen Kaffee vorbei. Ich hole uns noch Brötchen, Butter und Marmelade.
Erzählen muss ich dir etwas Eigenartiges, aber nicht am Telefon.“
Mit einem gut bis später verabschiede ich mich von ihr.
Wohler ist mir jetzt. In zwei Stunden ist sie da.

Um die Zeit zu nutzen und vor allem den Gedanken an den Ring ein bisschen zu verdrängen, gehe ich kurz einkaufen.
Den Ring lass ich am Küchentisch neben den Brotschnitten, welche jetzt beim besten Willen nicht mehr zu genießen sind. Angebrannt und hart sind sie geworden.
Kaffee muss ich auch noch holen, fällt mir ein. Diesen furchtbaren dünnen Kaffee, den will ich Eva nicht unterjubeln.
So suche ich noch in Schubladen nach Geldstücken, die ich nach dem Einkaufen immer achtlos hinein geschmissen hatte, kratze Geld zusammen, und verlasse meine Wohnung.
Den Gedanken, woher wohl dieser Ring sein mag, den nehme mit.

Die Entscheidung zu Hause zu bleiben ist gar nicht so schlecht, denke ich mir, als ich wie ein Tourist, der alle Zeit der Welt hat, zum Supermarkt schlendere.
Kaffee, Milch, Brot & Marmelade bringe ich mit vom Supermarkt.

Zu Hause angekommen gehe ich gleich in die Küche, und der Ring liegt wieder vor mir.
Kein Traum.

In den Müll schmeiße ich das, was auf dem Tisch steht.
Den Tisch decke ich jetzt liebevoller. Die Krusten vom Brot, die Flecken vom Kaffee... mit einem Tuch wische ich über den Tisch und der Dreck von den letzten Tagen verschwindet. Endlich sauber ist mein Tisch. Für meinen frischen Kaffee wasche ich meine Lieblingstasse ab. Zwei Teller brauche ich auch noch. Eines für das Brot und ein anderes für die Eier, die ich mir noch dazu brate.
Zeit habe ich. „Wieso dann nicht ausgiebig Frühstücken“. Mit Eva werde ich dann einen Kaffee trinken und vielleicht ein kleines Brötchen mitessen.

So versuche ich mich abzulenken vom Ring, den ich zwischen Kaffee und Brötchen gelegt habe. Nichts, was ich mache, lenkt mich ab von dem Gedanken.
9.00 Uhr ist es erst, als ich auf meine Küchenuhr blicke, die eine Stunde früher anzeigt. Vorstellen muss ich sie noch. Seit Wochen ist nun schon die Umstellung zur Sommerzeit. Ich trinke meinen Kaffee und beiße in mein Brötchen.
Es ist für mich ein Genuss, einfach so in den Tag hineinzuleben, besonders dann, wenn ich weiß, dass ich eigentlich in der Arbeit sein müsste.

„Das ist ein Kaffee. Den kannst du deiner Eva anbieten“, denke ich mir, als ich den Ring, der immer noch vor mir liegt, in die Hand nehme.
Ich sehe ihn mir genauer an und streife ihn über meinen Finger. Er passt mir. Ich bekomme ihn, als wäre er mein eigener, ganz leicht auf den Finger.
Ich hebe meine Hand vor mein Gesicht und betrachte den Ring an meinem Finger genauer.
Die Farbe der Steine, täusche ich mich oder leuchten sie nicht?
Ich fühle, wie der Ring an meinem Finger anfängt zu pulsieren.
Ungefähr so, als ob ich meine Hand auf Evas Herz legen und es schlagen fühlen würde. Ein leuchtendes, mattes blau nehmen die beiden Steine an, seit ich den Ring an meinem Finger habe.
Angst verspüre ich keine. Nur Neugierde.

Gebannt und überrascht starre ich auf die beiden Steine und hab das Gefühl, in meinen Gedanken in den Ring eingesogen zu werden!
Ich komme mir vor wie eine Papiertüte, die an einem sonnigen Herbsttag in einen Windstrudel gerät. Als würde der Wind mit mir spielen, mich nicht mehr loslassen und mich
mitnehmen, wohin er sich auch bewegt.
Irgendwo lande ich dann. So fühle ich mich, leicht wie eine Papiertüte im Wind.

Die Küche, mein doch recht lieb gedeckter Tisch, verblassen allmählich in ihren Farben und Formen vor mir.


Vor einem Augenblick saß ich in der Küche. jetzt stehe ich im nächsten Augenblick auf einer grünen Wiese – in freier Natur und blicke hinunter auf ein weites Tal.
Wach ich – oder träume ich? Müsste ich
nicht in meiner Küche sitzen? Tue ich aber nicht!
Geordnet sind meine Gedanken, sie sind sehr klar. Meine Logik sagt mir, dass ich nicht dort sein kann, wo ich gerade bin. Ich verspür keine Panik. Das einzige, was ich spüre ist Ratlosigkeit.
Was ist denn jetzt geschehen? Mir fällt ein, dass es kurz nach 9.00 Uhr sein müsste. Was für ein unnutzer Gedanke.
Der Ring pulsiert immer noch. Er liegt angenehm an meinem Finger.
Das Pulsieren fühlt sich immer noch so an, als ob ein fremdes Herz in den beiden Steinen schlagen würde. Tam tam, tam tam.

Die Steine, sie sind nicht mehr blau. Sie strahlen in einem dunklen, satten rot.

Ohne Angst gehe ich den Weg vor mir, runter in ein weites Tal.

Ich laufe auf einem kleinen Pfad inmitten von Grün. Wenn ich hochblicke, scheint die Sonne. Sie wirkt, als sei sie gemalt. Ihre Strahlen streicheln mich, und doch blendet sie mich nicht. Es ist angenehm warm.
Der Himmel über mir ist strahlend blau. Rechts und links neben mir sind Felder voll Blumen. In allen Farben strahlen sie mich an – und ein Geräusch, welches ich für den Wind hielt, entpuppt sich als die zarten Gespräche der Blumen untereinander.
Ja, dieses Meer von Blumen redet mit mir.

„Ein neues Gesicht“ vernehme ich von einer Blume. Es ist ein zarter Rosenstrauch. 3 Rosen zieren ihn und er hat viel Blatt und viel Grün.
„Sei gegrüßt Fremder“, diese Worte richtet der Strauch an mich. Ich kann ihn nur in meinen Gedanken hören.
„Gruß zurück an euch alle“. Mit einem Lächeln sag ich diese Worte zu dem Rosenstrauch.

Angst, Furcht – kenne ich nicht. Es fällt mir überhaupt nicht ein, mich zu fürchten. Ich fühle mich, als ob ich mich in einem schönen Traum befände. Im Traum, wenn ich unbekanntes Land betrete und mit allerlei Wesen rede, verspüre ich sie ja auch nicht – diese Angst.

„Schön hier, könnt ihr mir sagen, wo ich mich hier befinde?“
„Du bist unter der Sonne – unter einem blauen Himmel auf einem Weg in Richtung Tal. Genügt dir das nicht!
Öffne deine Augen – öffne deine Sinne und geh den Weg, der führt herunter in Richtung Tal“.

Lust habe ich, meine Schuhe auszuziehen. Ich ziehe sie mir aus und binde sie an beiden Schnürsenkeln zusammen und gehe Barfuss weiter meinen Pfad.
Um mich herum höre ich das Flüstern der Blumen. ich lächele, weil ich dieses Meer von Blumen nun jetzt auch rieche. Ein süßer, reiner Duft begleitet mich meines Weges.

Aufpassen muss ich, wohin ich trete. Auf meinem Weg wachsen alle paar Meter kleine rote Pilze mit weißen Punkten auf ihrem Hut. Sie sehen aus wie Fliegenpilze, nur etwas größer. Zertreten will ich sie nicht.
Sobald ich diesen Gedanken gehabt habe, begrüßen mich die Pilze.
Eine tiefe Stimme ertönt nicht laut nicht leise aus dem Hut des Pilzes.
„Sei gegrüßt. Schön dass du gedacht hast an uns. Wir zeigen dir den Weg. Folge einfach uns. Alle paar Meter entdecke ich einen Pilz auf meinem Weg, den ich folge dann.
Die Pilze haben Namen. Immer wenn ich an einem vorbeikomme, stellt er sich mir vor und bestellt grüße an den nächsten, den ich dann antreffe auf meinem Weg in Richtung Tal.
Sie heißen immer gleich. Der erste nennt sich Tanike, der Grüße ausrichten lässt an den nächsten Pilz, den ich ein paar Meter später antreffe. Der nächste Pilz wir Sebios genannt.
Der Wiederum lässt wieder einen Tanike grüßen, den ich wiederum ein paar Meter später auf meinem Weg antreffe. So begleiten mich auf meinem Weg lauter Sebiosse und Tanikes.
Ich wundere mich ein wenig!

Weg sind die Gedanken an gestriges. Es ist so furchtbar schön hier. Verbannt sind die Sorgen – erinnern fällt mir in dieser Schönheit schwer. Genießen tue ich den Moment.

Barfuss spaziere ich nun Richtung Tal. Die Sonne, wie gemalt über mir. Die sprechenden Blumen und das grüne Gras links und rechts neben mir. Die lustigen roten Pilze vor mir auf meinem Weg.

Eine kleine, eine kleine weiße Katze beobachtet mich. Sie steht seitlich vor mir. Langsam kommt sie auf mich zu. Stehen bleibe ich und lächle dieses Wesen an.
Ein „hallo“ gleitet mir von den Lippen und ich bin voller Freude sie zu sehen.
„Wer bist du“ fragt sie mich in unserer Sprache. Ich verstehe sie gut.
Es ist eine Mischung aus miauen und reden. Nur leiser als wir Menschen uns miteinander unterhalten. Ohne diese Hetze und dem Misstrauen in ihren Worten. Nur eben leiser.

Ich setze ich mich neben sie, auf den grünen Rasen, rechts neben meinem Wege. Die Katze setzt sich vor mich und wir sehen uns an.

Eine innere Ruhe kommt zu meiner Freudigkeit hinzu.
Gewillt antworte ich ihr.
„Ich bin Mustafa. Ich weiß nicht, ob ich mich in einem Traum befinde oder nicht?
Eine Sonne über mir, welche wirkt als sei sie gemalt. Ein Meer von liebreizenden Blumen links und rechts neben mir. Einen Weg vor mir mit kleinen roten Pilzen, und eine kleine sprechende Katze – direkt gegenüber von mir.“

„Deine Gedanken, die werden sich legen.
Bald wirst du dir keine mehr machen.
Nimm es als gegeben hin, dass du jetzt hier bist.
Öffne deine Augen. Öffne dein Herz und lege nicht ab deinen Verstand.
So streite deinen Weg, den dir weist so manches Tier – den dir weist so mancher Pilz.
Zeit hast du eine Ewigkeit – denke nicht an vergangene Zeit.
Gehe einfach weiter deinen Weg.“

„Verstanden habe ich kein Wort von dir“ lächele ich das kleine Tier an.
Unwohl ist mir nicht dabei. Es stört mich nicht, dass ich mit ihren Worten wenig anfangen kann.

„Hab keine Sorgen, ich bin eine Katze und ich sage dir – meine Sätze die ich pfleg zu sagen, ähneln alle diesen hier!
Ihren Sinn wirst du erfahren, wenn die Zeit meint, du seiest reif dafür!

Ich streichele die Katze. Sie leckt mit ihrer Zunge an meiner Hand und schreitet weiter
mit einem „bis bald“.

Und weiter gehe ich den Pfad. Das Meer von Blumen wird gestreichelt vom Wind. Es bewegt sich ganz sachte hin und her. Süßlich, nach verschiedensten Blumen riecht es um mich herum.
Diesen Geruch habe ich die ganze Zeit meines Weges in der Nase. Irgendwie schmeichelt es mich, und ich grinse vor mich hin.
Blicke ich hoch, sehe ich die Sonne über mir. Sie blendet mich nicht. Erkennen kann ich in ihr ein Gesicht. Die Augen, wie gemalt wirken sie, die Nase und einen breiten lächelnden Mund. Ja sie lächelt mich an, und ich nehme im Geiste ein Hallo von ihr wahr. „Hallo Mustafa, willkommen hier. Ich bin die Sonne, wie du sie nennst. Die Sonne, wie du mich kennst. Vorstellen kann ich dir den Wind. Eine Brise streichelt mich und ich vernehme im Geist die Stimme des Windes, ein fröhliches „Hallo ich bin der Wind“.
Verwundert bin ich immer weniger, je länger ich mich hier aufhalte. Ich habe das Gefühl, dass alles hier um mich herum mir wohlgesonnen ist. Während meines Weges, der mir keine Sorge bereitet, rede ich mit den beiden. Mit der Sonne und dem Wind.

Ein Stumpf von einem abgeschlagenen Baum steht zwischen dem ganzen Grün links meines Weges. An dem Stumpf der einen Meter über den Boden ragt, ist ein Bogen und ein Köcher mit einem Pfeil darin gelehnt...
Es ist ein großer Bogen. Gesehen hab ich bis jetzt nur Pflanzen und Wesen. Menschen, die einen Bogen schnitzen könnten, sind mir bis jetzt nicht entgegengekommen. Bäume hab ich auch vermisst, seit ich mich in dieser Welt befinde.
„Doch etwas von Menschenhand geschaffen in dieser Welt“, denke ich mir als ich mir den Bogen näher ansehe. Es ist wahrlich ein großer Bogen. Ornamente sind in diesem eingearbeitet. Das Holz glänzt matt in einem satten braunen Ton. Die Sehne ist sehr gespannt. Ein wirklich schöner Bogen.
Fasziniert stehe ich vor dem Bogen der gelehnt ist an einen Baumstumpf.
„Gut beobachtet“ – Ein Bogen der spricht?
„Ja, ich kann sprechen. Ich war nicht immer ein Bogen.
Ich war auch einmal ein Baum.
Früher gab es sehr viele von uns. Die Wiesen voll Grün, die Blumen, gab es weniger. Hier stand mal vor langer Zeit ein dichter Wald. Im weitem Umkreis der einzige Wald.
Kalte Winter hatten wir früher. Die Menschen brauchten uns, um ihre Häuser zu bauen. Um sich im Winter Warmzuhalten. Feuerholz, das waren wir für die meisten von ihnen. Wir waren für sie nur Dinge, Dinge ohne Seele.

Aber nicht für alle. Es gab unter den Menschen einige wenige die mit uns redeten. Es gab einige wenige, mit denen wir uns verstanden.
Sorge bereitete es uns. Je kälter die Tage wurden, desto mehr schlugen sie aus dem Wald die Bäume aus. Wir waren nur Brennholz.
Im Sommer horteten sie uns in kleinen Stücken, um ihre Öfen in ihren Küchen zu beheizen.
Sie schlugen uns, um ihre Häuser und Wägen zu bauen.
So wurden wir von Jahr zu Jahr weniger. Immer mehr verschwanden von uns im Laufe der Zeit.
Ich war nicht immer ein Bogen. Wenige sahen voraus, dass es uns bald nicht mehr geben würde. In unserer Vielfalt. In unserer Buntheit.
Menschen kamen immer öfter in den Wald, und schlugen noch öfters mit ihren Äxten, uns Bäume tot.

Dort, wo du dich befindest, war früher der dichteste Teil des Waldes.
Irgendwann brach ein Feuer aus, von Menschenhand gelegt, und verbrannte uns. Außer diesem Baumstumpf, an dem ich lehne existiert nichts mehr von uns.

Verwundert hörte ich dem Bogen zu und rätselte „wieso ein Bogen?“
Ein Geschöpf, ein Mensch, der ein Freund des Waldes war, wollte uns helfen.
Lange zerbrach er sich den Kopf, wie er es anstellen sollte. Er konnte keine Mauer um uns bauen. Der Wald war so groß, dass es ihm unmöglich gewesen wäre. Und wenn, hätten sie die Menschen ignoriert, sie eingeschlagen und weiter alles Holz was nötig gewesen wäre, aus dem Wald herausgeschafft.
Ich war der größte und älteste Baum in unseren schönen, großen Wald.
Menschen kamen uns immer näher. Ich spürte jedes Mal, wenn sie einen von uns in Stücke hackten. Enden wollte ich nicht wie die anderen. Doch es war nur eine Frage der Zeit. Irgendwann würden sie auch mich entdecken. Mich zerschlagen und verbrennen.
Das sah auch der Freund des Waldes so.
Eines Tages, als er ganz tief in seinem bedrohten Wald spazierte, entdeckte er auch mich.
Es war wahrlich nicht schwer zu erkennen, dass ich der mächtigste, der älteste Baum in diesem Wald war.
Er teilte mit mir dieselbe Sorge, welche meine Blätter nicht mehr grün werden ließ.
Die Menschen drangen immer tiefer in den Wald.
Er wollte mich retten, wusste aber nicht wie.

Wir Bäume haben auch ein Herz. In unserem dicksten und stärksten Ast ist unser gesamtes Wissen, sind all unsere Erinnerungen, die wir jemals hatten, ist unsere Seele eingeschlossen.
Um zu überleben gab es für mich nur die einzige Möglichkeit. Ich musste mein Herz aus mir herausreißen, und es dem Freund des Waldes überreichen.

Er sollte dann etwas schönes, für Menschen wertvolles aus dem Ast schnitzen.
Es sollte etwas sein, was kein Mensch vernichten würde.
Es sollte ein Bogen, ja ein Bogen sein. Diese Idee hatte der Freund des Waldes.
Ein Bogen schien ihm am unvergänglichsten.
Ein Bogen könnte einen Menschen schützen vor anderen.
Ein Bogen war schön anzusehen.
Einen Bogen konnte man zur Jagd verwenden. Einen Bogen konnte man nicht zweckentfremden.
Es käme keinen Menschen in den Sinn einen Bogen, der reich verziert ist, ins Feuer zu schmeißen und ihn zu verbrennen

Als dieser Mensch vor langer Zeit mit Kummer und Sorge vor mir stand und rätselte, wie er mich retten sollte, fasste ich den Entschluss. Ich riss mein Herz und meine Seele aus meinem Körper heraus und ließ meinen festesten Ast zu seinen Füßen herunterfallen.
Er wusste, was zu tun war.

Dieser tote Baumstumpf, an dem ich gelehnt bin, war einmal ein Teil von mir.
Abgestorben und tot ist dieser nun geworden. Meine Schwester, auch ein Baum machte es mir gleich. Da sie viel, viel jünger war als ich, schnitzte der Freund des Waldes aus ihr einen Pfeil.
Der Freund des Waldes versteckte uns bei sich dann eine Ewigkeit.

Als die Menschen den letzen Baum geschlagen hatten, das letzte Stück Holz aus dem Wald genommen hatten, gab es keinen Grund mehr für Sie wiederzukommen.
Der Weg zu uns war lang und strapaziös.

Das Meer von Blumen überdeckt die Narben des
Waldes, der hier einmal gewesen ist.
Der Freund des Waldes zog dann auch fort. Was sollte er hier noch vollbringen. Er musste weiterziehen. Er konnte uns nicht mitnehmen, weil es ihm das Herz zerriss, wenn er an das ganze Elend, wenn er an diese ganze Tragödie dachte.
Diese Erinnerung wollte er hier lassen.

So bin ich mit meiner Schwester eine Ewigkeit an meinen toten Körper gelehnt.

Aber ich lebe, und kann dir davon erzählen.

Offenen Herzens, spricht der Bogen mit seiner tiefen Stimme mit mir. Angst, verspüre ich nicht im Geringsten dabei. Das Gefühl von Mitleid mit den beiden geht mir durch den Bauch.
„Und nun stelle ich dir meine Schwester vor“. Im Köcher befindet sich eben dieser wundersame Pfeil.
„Hallo“, die Pfeilspitze zieht sich zu einem Lächeln auseinander.
Eine sanfte Stimme ist zu hören. „Hallo, ich bin die Schwester vom Bogen“.
Der Bogen meldet sich dann noch einmal zu Wort, ohne dass ich viel mit dem Pfeil reden kann.
„Nimm uns mit deines Weges. Lange sind wir an meinem toten Körper gelehnt und im Köcher verstaut gewesen. Nimm uns mit deines Weges“, ertönt es vom Bogen.
Und so binde ich den Köcher an meinen Rücken und schultere den Bogen, und gehe weiter meines Weges. Gern hätte ich diesen Menschen kennen gelernt.

Seltsam ist es, dass ich vieles als gegeben hinnehme und immer mehr und mehr das Phantastische, was um mich herum geschieht akzeptiere.
Offen bin ich für neues, für neues was ich nicht begreife. Es machte mir keine Angst.
„Wohin führt mich dieser Weg“, ist die Frage, welche ich in Gedanken an den Bogen richte. Langsam weiß ich, wie ich mit diesen ganzen Wesen um mich herum in Verbindung treten kann.
„Ach der Weg führt hinunter an ein Plateau. Wundere dich nicht über die Menschen, die dort stehen und ihre Angel in Richtung des Flusses, der ganz tief fließt, halten“.
Verstanden hatte ich wieder nicht, was gemeint war, als mich wieder ein Pilz meines Weges begrüßt. „Hallo“, entgegne ich und bestelle grüße von Tanike, der Sebios grüßen lässt.
„Hallo“ begrüßt mich Sebios, der letzte Pilz auf meinem Weg in Richtung Tal, wie er mir erzählt.
„Geh einfach weiter, bis es nicht mehr weitergeht, und bestelle Tanike, den du irgendwann siehst ganz liebe Grüße von mir“ höre ich ihn noch, als ich meinen Weg weiter schreite.



Die angenehme Wärme, der Geruch der Blumen, die bunten Farben um mich herum werden langsam von etwas anderem abgelöst.
Der Pfad mit dem moosigen Untergrund, auf dem ich bis jetzt gelaufen bin, verwandelt sich mehr und mehr in einen Schotterweg. Jetzt laufe ich nur noch auf kleinen weißen Kieselsteinen. Staubkörner in der Luft und auf der Erde halten ihn zusammen.
Es ist sehr heiß. Die Strahlen der Sonne spüre ich auf meiner Haut.

Die Luft flimmert, es scheint als ob der Weg zur selben Zeit atmen und schwitzen würde. Wenn ich vorwärts blicke, erkenne ich, wie die heiße Luft mit ihm spielt.
Die Hitze steigt hoch zum Himmel und verfremdet den Blick um mich herum. Alles wirkt unschärfer, verschwommener. Die hellen Steine reflektieren die Sonne und sie blendet mich.

Blick ich mich um, erkenne ich den Wechsel der Vegetation. Als ob ich über eine Grenzlinie gegangen wäre. Das Grün, die wohlige Wärme scheinen wie durch eine unsichtbare Grenze durch dieses karge getrennt zu sein.
Der Staub und die heiße Luft brennen in meinen Augen als ich rasch weitergehe.
Erkennen kann ich vage eine karge, trostlose Landschaft um mich herum.
Weit muss ich nicht gehen. Der Weg wird schmaler und nach ein paar Schritten stehe ich plötzlich auf einem großen Plateau.

Der Boden besteht aus rauem Fels. Kein trockener Strauch – nichts wächst drauf.
Blicke ich vor, kann ich einen größeren Berg erkennen. 50meter überragt er die Stelle auf der ich stehe. Eine glatte Felswand, getrennt von einer Schlucht von meiner Seite.
Das erste Mal sehe ich Menschen um mich herum. Ein dutzend Männer stehen am Abgrund und halten Angeln in die Schlucht?
Ich laufe vorbei an Holkarren. Etliche große Wägen verteilen sich auf diesem Stein.
2 dutzend Männer stehen vereinzelt um mich herum. 10 oder 12 von ihnen halten ihre Angeln in den Abgrund. Der Rest steht neben 2x2 m großen Holzwägen. Trocken ist das Holz von der Sonne. Es stehen etwas 2 dutzend Wägen wild auf diesem Plateau. Vereinzelt steht ein Mensch daneben und scheint auf irgendwas zu warten. Ich stehe jetzt vor einem Menschen und sehe ihn mir genauer an.
Er ist älter als ich. Tiefe Falten und leere Augen prägen sein Gesicht. Seine Kleidung ist von der Sonne ausgebleicht. Diese leeren Augen blicken in meine Richtung, als ich vor ihm stehe und in ansehe. Mitleid habe ich mit ihm. Wer er wohl sein mag. Wer sie alle sein mögen?

Blicke ich weiter zum Abgrund des Plateaus erkenne ich Menschen, die ihre Angeln in die Schlucht halten.
Der Fels ist durch eine tiefe Schlucht von einem etwas größerem auf der anderen Seite getrennt. Eine große Felswand ist vor mir zu erkennen. Steil rag sie nach oben. Die Sonne strahlt sie an. Wenn ich hochblicke kann ich Menschen erkennen, die auch Angeln in die Schlucht halten.
Was mich stört ist, dass ihre Angelschnüre nur ein paar Meter weit in die tiefe reichen.
„Was soll dass?“ denke ich mir.
Gespenstisch ist das Szenario. Jetzt stehe ich am Abgrund des Plateaus neben einen Angler.
Er wirkt genauso apathisch wie der andere Mensch der neben diesen Holzwagen stand.

Blicke ich runter in den Abgrund kann ich einen Fluss erkennen, der ganz tief fließt. Etwas blaues, rinnsall Ähnliches ist zu erkennen.
Die Angelschnur von diesem Menschen neben mir reicht vielleicht 20 m tief in den Abgrund.
Ein Witz, da der Fluss mindestens 1000m tief unter mir fließt.
Ich verstehe es nicht.

Diese sengende Hitze. Das Gefühl, nicht mehr weiterzukommen macht mich nachdenklich, bis sich mein Bogen, den ich an meinen Rücken geschultert hatte sich zu Wort meldet.

Arme, arme Menschen.
Dieses Dasein führen sie seit einer sehr langen Zeit.
Früher war es sehr schön, ein Menschendasein zu führen.
Alles hatten sie im Überfluss.
Den Fortschritt hatten sie sich zu Eigen gemacht. Von Jahr zu Jahr nahmen sie sich mehr, als für sie vorgesehen war. Die beuteten die Erde aus, auf der sie lebten.
So rissen sie nach und nach der Erde, und allen Geschöpfen, welche auf dieser weilten, ihre Seele aus dem Leib.
Weit fortgeschritten waren die Menschen. Damals.

Mich wundert es, dass dieser Bogen jetzt mehr in meiner gewohnten Sprache mit mir redet.

Auch in unserer Welt gab es so etwas, was du als Zivilisation kennst.
Die Menschen wohnten in Häusern, sie arbeiteten, sie verreisten – sie lebten.
Einige wenige von ihnen hatten die Macht über viele von ihnen. Auch in unserer Welt gab es Autos und Flugzeuge.
Sie war nicht viel besser als die Welt, aus der du bist.
Die Menschen haben es mit ihrer Habgier so weit gebracht, dass sie versuchten andere zu beherrschen. Sie beuteten die Natur aus. Sie bauten ihre Schätze ab. Sie schlugen ihre Kinder tot. Die Natur war in rechter Not.
Damals.

Irgendwann gab es nicht mehr genug zu essen auf dieser Welt.
Die Hungrigen leisteten einen Aufstand gegen Satten.
Gegen die Menschen, die mehr als genug hatten, aber es nicht teilen wollten.
So kam es zu den großen Kriegen. Es gab einen Aufstand der so wüst war, dass alles was die Menschheit erschaffen hatte, sich binnen Sekunden in Schall und Rauch auflöste.

Wenige von ihnen überlebten. Das Wissen jedoch, das war verloren. Diese Menschen, die um dich herum stehen sind die Kindeskinder von jenen, die die Welt in Schutt und Asche gelegt hatten.
Das Wissen starb mit ihnen aus.
Einige Errungenschaften konnten sie noch mit rüberbringen.
Doch ein sehr karges Dasein leben Sie. Ändern wird sich nichts mehr daran.
Sie hatten ihre Chance. Und eigentlich sind sie zufrieden. Sie sind froh, wenn sie etwas zu essen und zu trinken haben. In ihren Hütten leben sie und vermehren sich sehr langsam.
Sie sind zufrieden, weil sie keinen Vergleich zu früher anstellen können.
Kriege gab es seit dem nicht mehr. Wer hätte sie auch führen sollen. Zu wenige von ihnen haben die Zeit überlebt.

Still lausche ich den Bogen und es kommt der Eindruck auf, dass es hier vor langer Zeit gar nicht so Märchenhaft war, wie es jetzt ist.
„Nun bin ich müde“, höre ich den Bogen, der über dieses Thema nicht mehr reden will, als ich am Abgrund stehe und die Menschen beobachte.
Sie wirken immer noch apathisch und leer auf mich.
„Woher dieser Bogen das Wissen hat?“ ist der Gedanke von mir, als ich mich auf den Boden setze und dieses Szenario auf mich wirken lasse.

„Schieße mich in die Luft, ich will fliegen.
Ich will sehen von ganz oben über unsere schöne Welt.
Ich will gekitzelt werden vom Wind und gestreichelt werden von der Sonne.
So schieße mich doch hoch.“
Voller Neugierde und Freude entnehme ich die Stimme des Pfeils.
Die Pfeilspitze zieht sich auseinander zu einem Lächeln und erfüllt mein Herz wieder mit Freude.
Die Traurigkeit, welche versucht hatte sich wie ein Schatten vor mein Herz zu legen, wird verscheucht.
„Ja, ich möchte auch einmal spüren, wie es ist gespannt zu werden. Wie kann ich meiner geliebten Schwester den Wunsch verwehren, zu sehen, was alles um uns herum ist.
Spanne mich ganz fest. Nimm den Pfeil und schieße ihn ganz weit hoch in den Himmel.
Durch sie werde ich es auch spüren. Den Wind und die Sonne.“

So stehe ich am Abgrund des Plateaus und halte Pfeil und Bogen in der Hand.
Meine linke Hand mit dem Bogen strecke ich ganz von mir weg. Mit der rechten nehme ich den Pfeil und spanne mit ihm die Sehne.
Beide lachen. Sie sind in diesem Moment eins, als ich meine linke Hand in Richtung Himmel hebe und loslasse mit meiner rechten Hand den Pfeil.
Ein Freudenschrei ist vom Bogen zu hören, als der Pfeil hoch zum Himmel fliegt.
Vom Pfeil ist ein freudiges huhu zu hören. Fast Kerzengerade fliegt der Pfeil hoch zum Himmel. So hoch, bis er kaum noch zu erkennen ist. Irgendwann sehe ich ihn wieder und jetzt fliegt er tief hinunter in die Schlucht in Richtung Fluss. Ganz tief und tief weit unten.

Ich stehe mit dem Bogen in der Hand am Abgrund und versuche den Pfeil mit meinen Blicken zu verfolgen. Den Pfeil kann ich sehr gut erkennen, ich sehe um einiges besser als früher.
Ich brauche hier in dieser Welt keine Brille. Ich sehe, wie der Pfeil irgendwann im Fluss landet, und in der Mitte des Flusses verschwindet.
Verschwunden ist er nun.

Plötzlich brodelt der Fluss.
Das Plateau, trocken, staubig und vor allem heiß ist es hier oben. Eine Briese, wie am Meer ist zu spüren. Wundersames beginnt jetzt um mich herum.
Die Menschen, die armselig und grau auf mich gewirkt hatten, bekommen plötzlich Farbe in ihren Gesichtern und Gewändern. Weg ist das ganze grau.

Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was das alles um mich herum hier soll?
Ich blicke wieder in den Abgrund hinunter zum Fluss.
Tausende von Fischen fliegen aus dem Fluss die Schlucht hoch zum Plateau. Es duftet jetzt nach Feuchtigkeit und Algen. Es riecht nach Meer.
Die Fische landen auf den Wägen der Menschen, auf dem steinigen Boden des Plateaus.
Andere fliegen noch höher auf den Felsvorsprung auf der anderen Seite, wo auch die Menschen jubeln. Nach kurzer Zeit ist das Plateau mit Fischen bedeckt.
Die Menschen um mich herum höre ich lachen. Sie sammeln die Fische vom Boden auf und Wagen für Wagen füllen sie mit ihnen.
Jetzt im Tumult bemerken mich die Menschen. Ihre Augen sind nicht mehr stumpf und matt. Sie strahlen. Sie lächeln. Voll sind sie mit Leben.

Ich stehe auf dem Plateau. Frisch riecht die Luft und nass ist der Boden. Die Fische zucken, als sie auf dem Boden liegen, und von den Menschen um mich herum eingesammelt werden.
Ich beobachte wieder das Geschehen um mich herum. Die Menschen, ein lächeln haben sie im Gesicht. Wer weiß, wann sie letztmals Fisch zum essen hatten. Bei ihrer Methode zu angeln muss es sehr, sehr lang her gewesen sein.

Den Bogen halte ich immer noch in meiner Hand. Während ich das Bild um mich herum auf mich wirken lasse, meldet er sich zu Wort.
Er vermisst seine Schwester. Den Pfeil. Sie ruft ihn. Auch wenn sie nicht nebeneinander sind, sind sie zusammen. Sie bleiben in Gedanken immer in Kontakt. Das erzählt der Bogen dann mir. Er weist mich auf einen Weg, der rechts von mir hinter vertrocknetem Gebüsch kaum erkennbar ist. Ansätze von Stufen sind zu erkennen, die in den Fels geschlagen sind. Sie scheinen runter zum Fluss zu führen.

Ich blicke um mich herum. Die Menschen sind sehr mit dem aufsammeln der Fische beschäftigt. Mir scheint, als nur ich diesen Weg nach unten sehen kann. Würden sie doch unten Angeln, wenn sie die Stufen gefunden hätten.
Langsam zwänge ich mich durch das Gebüsch. Mit dem Bogen auf meinem Rücken nehme ich die ersten Stufen nach unten.
Moos wächst auf den in den Stein gehauenen Treppenstufen. Schier endlos ist mein Weg nach unten. Der Fels gegenüber von mir reflektiert die Sonne und ich kann die Stufen vor mir gut erkennen. Das Gelächter der Menschen über mir kann ich noch vage hören.

Wieder stellt sich die Frage nach dem Warum und Weshalb.
Antwort kann ich nicht drauf geben.
Ich spüre aber, dass es sich bald klären wird. Nur ein Gefühl.
Seit ich in dieser Welt bin, höre ich besonders meinen Gefühlen zu. Sie sind mein. Sie sind immer bei mir und leiten mich. Sie wollen mir nichts Negatives. Das Gefühl über mein Gefühl habe ich jedenfalls.

Die Steintreppen schlängeln sich im Zickzackkurs langsam nach unten.
Eng sind sie.
Kurz bevor ich den Fluss sehe, kann ich sein Geräusch hören. Er ist gar nicht so schmal, wie es von oben aussah. Ruhig fließt er zwischen den beiden Felsen. Jetzt ist er gut erkennbar.
Der Bogen kann den Pfeil in der Mitte des Flusses ausfindig machen. Sie begrüßen sich.
Der Pfeil steckt in einem Fels, der ein Stück aus dem Fluss herausragt.

Die Treppen führen nun in eine Art Höhle. Ganz unten angelangt bin ich noch nicht. Es wird kurz dunkel um mich herum, als ich durch eine Öffnung im Fels weiter die Treppen herunter steige.
Die Stufen werden nun breiter und werden wieder zu ebenen Fels, als ich weitergehe. Ich befinde mich nun in einer Grotte. Die Höhle ist offen zum Fluss.
Ruhig ist das Wasser, welches wie ein kleiner See, einen Teil der Grotte ausfüllt.
Hell ist es um mich herum, als ich mich auf einen Stein setze und dem Fluss zusehe, wir er vor sich hinfließt und den Pfeil erkenne, der mittendrin im Fels steckt.

An der Wand der Grotte sind in den Stein kleine Fenster eingelassen. Mit Vorhängen sind sie verdeckt. „Aha, hier muss jemand hausen“, ist der Gedanke von mir, als ich mich ein wenig umsehe. 5 solche Vorhänge verdecken irgendetwas. Gedankenverloren stehe ich nun vor einem Vorhang und ziehe ihn auf.

Eine Schüssel voll Obst liegt hinter diesem. Da fällt mir ein, dass ich lange Zeit nichts gegessen hatte. Ohne zu überlegen und ohne schlechtes Gewissen nehme ich mir einen Apfel, der in der Obstschale vor mir liegt.

Als ich mich wieder umdrehe kann ich erkennen, wie eine große durchsichtige Gestalt aus dem Wasser steigt.
Es ist eine Frauengestalt. Ein weises, fliegendes Gewand hat sie an. Ihre geflochtenen lange helle Haare und ihre sehr helle Haut fallen mir gleich ins Auge. Ihr Gesicht scheint Zeitlos zu sein. Äußerlich würde ich sie so in meinem Alter schätzen. Das Gesicht ist sehr eben. Ihren hohen Wangenknochen bringen ihre Augen, grün sind sie, sehr zur Geltung. Ihre Augen strahlen eine innere Ruhe aus, von der ich nicht wusste, dass es so etwas gibt. Fasziniert stehe ich vor diesem Geschöpf.
„Schön, dass du jetzt hier bist. Lass es dir schmecken.“ höre ich, als sie auf mich zukommt. Nein, sie läuft nicht, sie schwebt auf mich zu.

„Wer bist du?“ frage ich sie, während ich meinen Apfel in der Hand halte.
„Ich bin Oranalda, die Wasserfee“, erwidert sie meine Frage und reicht mir den Pfeil, der jetzt nicht mehr im Fels steckt. Sie bewegt sich zum zweiten Fenster und zieht den Vorhang zur Seite. Ein Sitzteppich kommt zum Vorschein. Sie breitet ihn auf dem Boden aus und setzt sich.
Ich setze mich neben sie. Ich fühle mich wohl in ihrer Anwesenheit. Als ob ich sie immer schon gekannt hätte, frage ich sie nach dem Grund meines Daseins in dieser Welt.

„Ja, den Ring, den habe ich erschaffen. Seinen Träger aber hat er sich allein ausgesucht. Wieso er dich gefunden hat, dass kann ich dir noch nicht beantworten. Der Sinn wird sich irgendwann geben. Du wirst ihn verstehen. Noch ist es zu früh. Ich weiß nicht, wieso er zu dir wollte.
Dich hat er in unsere Welt gebracht.“
„Zu deiner Frage, was du hier sollst kann ich dir sagen, dass du gut beobachten sollst und das, was du siehst und erzählt bekommst niederschreibst in deinen Geschichten.
Merke dir gut die Worte des Bogens. Vergiss nie die Freude, welche ausging von den Blumen und Pilzen. Erinnere dich an die Katze, welche gegenüber von dir stand. Vergiss nichts, was du hier erlebst. Schreibe alles nieder.

„Aber warum ich? Warum?
Ich schreibe doch nur für mich. Es ist nicht einfach, sich in unserer Welt Gehör zu verschaffen. Es gibt sehr viele Menschen, sie schon etliches geschrieben haben, die bekannt sind. Die ohne die geringste Schwierigkeit sich Gehör verschaffen können.
Ich hoffe nur, dass ich der richtige bin.“

„Lasse ab von deinen Zweifel. Ja, lasse ihn los. Du wirst sehen, der Ring täuscht sich nicht. Begreifen wirst du den Sinn irgendwann und dann wirst du verstehen. Jetzt ist es noch zu früh.“

Wärme und Güte gehen von Oranalda aus. Ich sitze neben einem Wesen, welches mein Herz mit Liebe und Zuversicht füllt. Sie lächelt mich an und reicht mir Trauben, welche in der Schale voll Obst meine Blicke anziehen.

„Lange ist es her, dass jemand unsere Welt besuchte. Dein Frage von vorhin, was du hier sollst, kann ich dir ein wenig beantworten.
Du machst diese Welt ein wenig bunter als sie schon ist.
Getroffen hast du das Geschwisterpaar Pfeil und Bogen. Gespürt haben sie durch dich die Sonne und den Wind.
Ich blicke den Pfeil und den Bogen an, und eine innere Freude erfüllt mein Herz von neuem.

Du hast die Pilze aufgeweckt. Sie wissen durch dich, dass sie nicht alleine sind. Die grüße an die ganzen Tanikes und Sebiosse waren nicht umsonst. Sie haben sich, seit sie auf dieser Welt sind, noch kein einziges mal gesehen. Nur durch den Wind wussten sie, dass es viele von ihnen gibt. Durch deinen Spaziergang und das Grüße ausrichten hast du ihnen vor Augen geführt, dass sie nicht alleine sind. Wer weiß, was du damit ausgelöst hast. Irgendwann, wenn die Zeit meint es sei so weit, werden wir sehen was passiert. Alles was du machst zieht Konsequenzen in der Zukunft mit sich.
Reinen Gedankens und offenen Herzen hast du dich durch unsere Welt bewegt. Die Katze hat sich mit dir unterhalten. Seit ich in meiner Welt verweile habe ich sie noch kein einziges Mal zu Gesicht bekommen, geschweige mit ihr geredet. Sie ist das scheueste Wesen in unserer Welt.
Alles ergibt einen Sinn, wenn die Zeit meint, es sei reif dafür.

Die Menschen, von denen schon dir der Bogen erzählt hat. Geblickt hast du in ihre Gesichter. Die Mattigkeit ihrer Augen, das Grau ihrer Gesichter hast du ihnen genommen, als du den Bogen spanntest und den Pfeil richt Sonne schosst.
Diese Menschen, eingeschlafen waren sie in ihrer eigenen Mattigkeit. Haben nicht mehr das bunte um sich herum gesehen. So konnte ich ihnen endlich ein Geschenk machen.
Seit Jahrhunderten stehen sie schon oben auf dem Plateau und halten ihre Angeln in die Schlucht.
Es waren, bevor du kamst nur Wesen aus Glanzlosigkeit und Grau, die dazu verdammt waren zu hungern und zu frieren. Angetan hatten sie uns einiges schlechtes.

Ich bin Oranalda die Wasserfee.
Meine Mutter ist die Natur. Um sich zu erholen hat sie diese Menschen in eine Art Tiefschlaf versetzt.
Durch dich sind sie erwacht.
Du siehst, alles ergibt einen Sinn und aus dem Resultat geschieht neues.

Meine Mutter hat dich in deiner Welt beobachtet. Hat deine Welt beobachtet.
Und sie ist in Sorge.
Ihre Schwester weilt in deiner Welt. Sie ist in großer Gefahr.
Alles, was uns vor langer Zeit widerfahren ist, steht euch bevor, wenn ihr ihre Warnungen missachtet.

„Was soll ich machen. Wie kann ich euch helfen. Ich kann ja kaum für mich sorgen. Wie soll ich die Welt retten?“ Hilflos und mit großen Augen starre ich Oranalda an.
Sie lächelt und streicht mit ihrer Hand durch meine Haare.
„Du bist nicht alleine. Antworten auf solche Fragen gibt es nicht.“
Sie kommen einfach, wenn man weiß welche Fragen man gestellt hat.
Sie kommen einfach, wenn die Zeit meint es ist Zeit dafür.

Durch deine Anwesenheit hast du bei uns einiges geändert.
Hättest du gedacht, dass dir dies alles widerfährt als du in deiner Küche sahst!
Nein, lächelt mich Oranalda an und streicht mir wieder durch die Haare.

Lange sitzen wir unten am Fluss.
Als ich hochblicke kann ich zwischen den Felsen Sonne und Mond erkennen.
Eigenartig. Der Mond leuchtet in einen hellem weiß. Die Sonne ist schwächer.
Sie spielen Karten am Firmament!
Es ist nicht richtig Dunkel, nur ein wenig dämmrig.

Ich blicke Oranalda an und lächele, als ich über Sonne und Mond nachdenke.

„Gut, und was soll ich machen, wenn ich zurück bin? Ich habe nicht die geringste Ahnung?“
„Ich auch nicht“ sagt sie mit einer Zuversicht, welche mich ganz durcheinander bringt.
„Mutter mach nie etwas, was keinen Sinn ergeben würde. Mache einfach das, was du bis jetzt machen sollst. Schreibe deine Erlebnisse nieder und gehe mit offenen Augen durch deine Welt.
Du wirst sehen, du bist nicht allein“.

Dann steht Oranalda auf und küsst mich zum Abschied auf die Stirn.
„So, jetzt nimm den Ring ab. Wenn du denkst, du musst wieder her, dann setze ihn einfach wieder auf. Wir werden uns wieder sehen.“

Als ich den Ring abnehme, verblassen die Konturen um mich herum.
Meine Küche erscheint wieder langsam immer deutlicher vor mir.
Jetzt sitze ich wieder in meiner Küche.
Vor mir ist mein Kaffee, der noch warm ist, er dampft noch. Der Ring liegt vor mir.
Mein Gott ich war nur ein paar Minuten weg. Es ist kurz nach 9.
Still sitze ich am Küchentisch und weiß nicht, was ich denken soll…
 

Rikyu

Mitglied
Nein, zu lange finde ich den Text nicht, aber das ist Geschmackssache. Ich selbst schreibe wesentlich längere Texte.

Der Anfang kommt mir vor wie ein Text für Rapper. Der Rhythmus passt dazu, die Themen, die Art und Weise, sie anzupacken, irgendwie alles.

Später verwischt sich dieser Eindruck etwas. Aber so wirklich flüssig lässt sich der Text nicht lesen. Das macht ihn schwierig 'zu verdauen'

Vielleicht lässt sich hier noch die eine oder andere Stelle überarbeiten.
 



 
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