Viva la vida!

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HerrK

Mitglied
Heute Morgen kam sie über mich, aus heiterem Himmel, wie ein Raubvogel der im Sturzflug auf seine Beute zuschnellt. Todesangst ergriff mich. Es war nicht die Angst hier und jetzt zu sterben, es war die hämisch lächelnde Gewissheit mich mit jedem Herzschlag mehr und mehr meinem Ende zu nähern.
Es wurde mir aber nicht nur mein unausweichlicher Tod bewusst, mir wurde auch auf bittere Art und Weise klar, dass alle die ich liebe, die mir wichtiger sind als ich selbst, irgendwann als belanglose Asche auf die graue Erde regnen werden.
Wird diese meine Liebe eigentlich überhaupt erwidert?, fragte ich mich. Liebe ich überhaupt? Nichts schien mir mehr sicher zu sein, nichts außer den Sargnägeln, die jede Sekunde tiefer gehämmert wurden. Tiefer und tiefer bis der letzte Hammerschlag das Werk vollendet und zusammen mit meinem Atmen verklingt.

Wieso wurde mir all das heute so schmerzhaft bewusst? So schlagartig? Es ist ja nicht so, dass ich nicht lange genug Zeit gehabt hätte, um darüber nachzudenken. Ein großer Teil meines Lebens ist schon vorbei, verlebt, kehrt nie wieder. Ich kann nicht sagen, wieso heute und nicht etwa vor zehn oder zwanzig Jahren. Und vor allem weiß ich nicht, wie ich jetzt weiter machen soll. Das Bewusstsein vom Ende des Lebens hindert mich daran, das Beste aus dem zu machen, was mir noch bleibt. Ich sehe vor mir, wie mich mein Geist jede Sekunde daran erinnern wird, dass diese schon wieder vorbei ist und die nächste und diese und schon wieder, immer so weiter. Ich werde leben, als würde mir durchgehend die oberste Schicht meines Fleisches abgeschabt und demonstrativ weggeworfen.
Ich will nicht leben mit diesem Gefühl. Das einzige was ich noch weniger will, ist nicht leben. So kralle ich mich wie ein Ertrinkender an dem Nagelbrett fest das mich vor dem Versinken in den Fluten rettet, bis die Spitzen auf der anderen Seite meiner Hand wieder hervortreten und schreie unter Tränen: „Viva la vida!“
 
E

equinox

Gast
Guten Morgen,
eigentlich mag ich Deine Gedichte, aber bei diesem Text war mein erster Gedanke: Boah, wie kann man sich an Drepression, Selbstmitleid und Angst so festklammern?

Schlechte Zeiten haben wir alle ... ich kenne das mehr als mir lieb ist.
Doch es gibt auch gute Stunden und Tage.

Ein schöner Spruch:

Nimm deine gebrochenen Flügel und flieg

Und von oben siehst Du bestimmt Dinge die Du noch nicht kennst. ;)


Liebe Grüße
equinox
 
U

USch

Gast
Hallo HerrK,
eine deprimierende, aber gut geschriebene Geschichte. Da hilft nur >Den Tag leben< und sich damit trösten, dass Alles, aber auch Alles zu Ende geht und keiner darum herum kommt.
LG USch
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo HerrK,

beim Stöbern in älteren Texten stieß ich eben auf diese Geschichte und erinnerte mich beim Lesen Deines Namens an Deine schönen Vernissage-Gedichte. Dann habe zweimal gestutzt: Einmal, weil dieser Text doch ziemlich wenig Resonanz gefunden hat, zum anderen, weil die Aussagen Deines Textes in so krassem Gegensatz zu der Altersangabe in Deinem Profil stehen.

Wie Du mit 18/19 Jahren derartig über die Vergänglichkeit und den Tod reflektieren kannst, finde ich sehr beachtlich, zum Beispiel in diesem Satz:
Ich werde leben, als würde mir durchgehend die oberste Schicht meines Fleisches abgeschabt und demonstrativ weggeworfen.
Mit den Kommas hast Du noch einige Probleme, aber ansonsten finde ich den Text sehr gelungen!

Gruß Ciconia
 
K

KaGeb

Gast
Dein Problem sind die fehlenden Kommata, da musst du noch mal ran. Die Prot-Gedanken sind tiefenwirksam, das finde ich gut, aber der Tenor ist grauenhaft. Womöglich wäre die Aussage des Textes im "Präsens" deutlicher.

LG
 

HerrK

Mitglied
Heute Morgen kam sie über mich, aus heiterem Himmel wie ein Raubvogel der im Sturzflug auf seine Beute zuschnellt. Todesangst ergriff mich. Es war nicht die Angst hier und jetzt zu sterben, es war die hämisch lächelnde Gewissheit mich mit jedem Herzschlag mehr und mehr meinem Ende zu nähern.
Es wurde mir aber nicht nur mein unausweichlicher Tod bewusst, nein, mir wurde auch auf bittere Art und Weise klar, dass alle die ich liebe - die mir wichtiger sind als ich selbst - irgendwann als belanglose Asche auf die graue Erde regnen werden.
Wird diese meine Liebe eigentlich überhaupt erwidert?, fragte ich mich. Liebe ich überhaupt? Nichts schien mir mehr sicher zu sein. Nichts außer den Sargnägeln die jede Sekunde tiefer gehämmert werden. Tiefer und tiefer bis der letzte Hammerschlag das Werk vollendet und zusammen mit meinem Atmen verklingt.

Wieso wurde mir all das heute so schmerzhaft bewusst? So schlagartig? Es ist ja nicht so, dass ich nicht lange genug Zeit gehabt hätte, um darüber nachzudenken. Ein großer Teil meines Lebens ist schon vorbei, verlebt, kehrt nie wieder. Ich kann nicht sagen wieso heute und nicht etwa vor zehn oder zwanzig Jahren. Und vor allem weiß ich nicht wie ich jetzt weiter machen soll. Das Bewusstsein vom Ende des Lebens hindert mich daran das Beste aus dem zu machen was mir noch bleibt. Ich sehe vor mir, wie mich mein Geist jede Sekunde daran erinnern wird, dass diese schon wieder vorbei ist und die nächste und diese und schon wieder, immer so weiter. Ich werde leben als würde mir durchgehend die oberste Schicht meines Fleisches abgeschabt und demonstrativ weggeworfen.
Ich will nicht leben mit diesem Gefühl. Das einzige was ich noch weniger will ist nicht zu leben. So kralle ich mich wie ein Ertrinkender an dem Nagelbrett fest das mich vor dem Versinken in den Fluten rettet bis die Spitzen auf der anderen Seite meiner Hand wieder hervortreten und schreie unter Tränen: „Viva la vida!“
 

HerrK

Mitglied
Liebe Ciconia,

danke für deinen Kommentar!
Der Tod ist in meinen Texten allgegenwärtig. Ehrlich gesagt macht es mir beinahe schon Angst. Ich habe es noch nicht geschafft ein einziges Prosawerk zu schreiben in der das Sterben keine zentrale Rolle spielt, auch wenn mich das Thema im "echten Leben" nicht derartig beschäftigt.
Kommsetzung war leider schon immer meine Schwächeund wird es wohl auch bleiben, aber bei Gelegenheit werde ich den Text noch ein Mal durchsehen.

Liebe Grüße
HerrK

Lieber KaGeb,

auch danke für deinen Kommentar. Über die Umwandlung ins Präsens muss ich mir noch etwas Gedanken machen, aber ich befürchte, dass der Text damit den Eindruck erwecken könnte, dass der Zustand des Protagonisten nur vorübergehend ist.
Zur Zeichensetzung siehe oben, wird sobald ich Zeit und Muse finde überarbeitet.

Liebe Grüße
HerrK
 

HerrK

Mitglied
Heute Morgen kam sie über mich, aus heiterem Himmel wie ein Raubvogel der im Sturzflug auf seine Beute zuschnellt. Todesangst ergriff mich. Es war nicht die Angst hier und jetzt zu sterben, es war die hämisch lächelnde Gewissheit mich mit jedem Herzschlag mehr und mehr meinem Ende zu nähern.
Es wurde mir aber nicht nur mein unausweichlicher Tod bewusst, nein, mir wurde auch auf bittere Art und Weise klar, dass alle die ich liebe - die mir wichtiger sind als ich selbst - irgendwann als belanglose Asche auf die graue Erde regnen werden.
Wird diese meine Liebe eigentlich überhaupt erwidert?, fragte ich mich. Liebe ich überhaupt? Nichts schien mir mehr sicher zu sein. Nichts außer den Sargnägeln die jede Sekunde tiefer gehämmert werden. Tiefer und tiefer bis der letzte Hammerschlag das Werk vollendet und zusammen mit meinem Atmen verklingt.

Wieso wurde mir all das heute so schmerzhaft bewusst? So schlagartig? Es ist ja nicht so, dass ich nicht lange genug Zeit gehabt hätte, um darüber nachzudenken. Ein großer Teil meines Lebens ist schon vorbei, verlebt, kehrt nie wieder. Ich kann nicht sagen wieso heute und nicht etwa vor zehn oder zwanzig Jahren. Und vor allem weiß ich nicht wie ich jetzt weiter machen soll. Das Bewusstsein vom Ende des Lebens hindert mich daran das Beste aus dem zu machen was mir noch bleibt. Ich sehe vor mir, wie mich mein Geist jede Sekunde daran erinnern wird, dass diese schon wieder vorbei ist und die nächste und diese und schon wieder, immer so weiter. Ich werde leben als würde mir durchgehend die oberste Schicht meines Fleisches abgeschabt und demonstrativ weggeworfen.
Ich will nicht leben mit diesem Gefühl. Das einzige was ich noch weniger will, ist nicht zu leben. So kralle ich mich wie ein Ertrinkender an dem Nagelbrett fest, das mich vor dem Versinken in den Fluten rettet, bis die Spitzen auf der anderen Seite meiner Hand wieder hervortreten und schreie unter Tränen: „Viva la vida!“
 



 
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