Vom rechten Unrecht

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Walther

Mitglied
Was ihr auch immer nehmt, sei euch gegeben.
Euch sei auch das geschenkt, das unverdient
Erschlichen. Wenn ihr dabei hässlich grient,
Die Beute sei die eure. Und vergeben,

Vergessen sei die Tat. Und wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem ja das Urteil über euch geziemt.

Ihr habt es euch genommen, weil ihr glaubt,
Das alles dem gehört, der’s nimmt und raubt.
Die Tage kommen, da wird euch genommen.

Jetzt klagt ihr selbst. Die Stimmen wird man hören.
Dann werdet ihr das gleiche Recht beschwören,
Das erst durch euch zur Farce ist verkommen.
 

Hieronymus

Mitglied
Hallo Walther,

bezieht sich das Sonett auf die Bankenkrise?
Also ich bin nicht dafür, dass den Bankern gegeben wird, was sie sich genommen haben!
Oder liegt der Bezug doch näher (literarischer)?

LG Hieronymus
 

Walther

Mitglied
Hallo Hieronymus,

es bezieht sich nicht nur auf die Bankenkrise, aber auch. Es beschreibt die aktuellen russischen und chinesischen Verhältnisse recht gut. Eigentlich wird die Gier und der ohne Rücksicht auf Kollateralschäden agierende Erfolgsmensch unserer Zeit, dem Moral und Ethik erst dann nicht egal sind, wenn es ihn trifft, angesprochen.

Recht, Fairness, Ordnung sind selbst ein Wert an sich. Und es lohnt sich am Ende für alle, manche dieser Werte einfach als Handlungsrichtschnur selbst dann zu nehmen, wenn sie nicht fest vorgeschrieben sind.

Wobei wir einen guten Schlenker hin zum gerade beendeten Lupenwettbewerb gefunden hätten. Manchmal sind profane Anlässe der Grund für eine Reflexion, die über den Tag hinausgreift.

Liest man das Gedicht so, trifft man Auslöser, Absicht und Aussage - sowie die Adressaten exakt und auf den Punkt. :)

Danke und Gruß W.
 

Cosi

Mitglied
Tag, Walther.
Erst einmal ein paar kleine Anmerkungen zum im Ganzen nicht ungelungenen Sonett:



Was ihr auch immer nehmt, sei euch gegeben.
Euch sei auch das geschenkt, das unverdient
Erschlichen. Wenn ihr dabei hässlich grient,
[blue]Das Grienen liest sich hier etwas erzwungen ... Zumal es inhaltlich nicht an diese Stelle paßt.
Auch würde ein Hörer des Gedichtes "Erschlichen, wenn" hören.[/blue]
Die Beute sei die eure. Und vergeben,

Vergessen sei die Tat. Und wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem ja das Urteil über euch geziemt.
[blue]Das betonte "ja" ist ungünstig. Könnte man durch ein anderes, besser zur Betonung geeignetes Füllwort wie z.B. "einst" ersetzen.[/blue]

Ihr habt es euch genommen, weil ihr glaubt,
Das[red]s[/red] alles dem gehört, der’s nimmt und raubt.
Die Tage kommen, da wird euch genommen.

Jetzt klagt ihr selbst. Die Stimmen wird man hören.
Dann werdet ihr das gleiche Recht beschwören,
Das erst durch euch zur Farce ist verkommen.
Insbesondere die beiden Dreier gefallen mir - und das ist insofern selten, da die meisten Sonett-Konstrukteure oft in den Vierern was Nett-Lyrisches schreiben, was die gerne gezwungenen Endverse nicht ein-/auflösen.

Was etwas unlogisch ist:
"Die Tage (werden) kommen", aber jetzt schon klagen der/die Adressat/en, die das Recht aber noch nicht beschwören, sondern erst "dann".
Ich würde eher auf den Binnenreim kommen/genommen verzichten, wenn das Resummee in der Gegenwart stattfinden soll - dann müßte auch die vorletzte Zeile in die Gegenwart.
Oder das Fazit in die Zukunft legen und das "Jetzt" (z.B. durch "einst") entsprechend ersetzen.
 

Walther

Mitglied
Was ihr auch immer nehmt, sei euch gegeben.
Euch sei auch das geschenkt, das unverdient
Erschlichen. Wenn ihr dabei hässlich grient,
Die Beute sei die eure. Und vergeben,

Vergessen sei die Tat. Und wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem ja das Urteil über euch geziemt.

Ihr habt es euch genommen, weil ihr glaubt,
Daß alles dem gehört, der’s nimmt und raubt.
Die Tage kommen, da wird euch genommen.

Jetzt klagt ihr selbst. Die Stimmen wird man hören.
Dann werdet ihr das gleiche Recht beschwören,
Das erst durch euch zur Farce ist verkommen.
 

viktor

Mitglied
toller text, walther,
die kleineren formalen holperer stören mich nicht, allzu brennend ist der inhalt.
du brauchst nicht auf china oder russland zu verweisen - wir kennen nicht wirklich die dortigen verhältnisse, nur das, was die medien uns darüber servieren.
es reicht absolut, die hiesigen, real beobachtbaren verhältnisse zu betrachten, da herrscht genug dekadenz und gattungsverrat.
mögen die letzten vier zeilen deines sonetts sich bewahrheiten...
liebe grüße
viktor
 

Walther

Mitglied
Hallo Cosi,

vielen Dank für Deinen Eintrag. Fangen wir einmal "hinten" an:
Dann klagt ihr selbst. Die Stimmen wird man hören.
Dann werdet ihr das gleiche Recht beschwören,
Das erst durch euch zur Farce ist verkommen.
Es gab diese Version in der Tat. Ich hatte sie wegen des doppelten "Dann" verworfen, sehe aber durchaus Deine Argumente für diese Version. Das "daß" habe ich verbessert, Asche auf mein Haupt, ist mir schon lange nicht mehr passiert. Also: wieder besser aufpassen, wer sich zu sicher ist, wird erst nachlässig und dann dafür bestraft. :) Hier könnte man sich mehrere Varianten vorstellen. Diese gab es schon: Vergessen sei die Tat. U
nd wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem doch das Urteil über euch geziemt.
Sie hatte ich verworfen, weil das "Doch" in der damaligen Textversion doppelt war. Die Feinjustierung hat dieses zweite "Doch" überflüssig gemacht. Also könnte man sie nun wählen, diese Variante.

Eine weitere wäre z.B.: Vergessen sei die Tat.
Und wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem letztes Urteil über euch geziemt.
Ich bin mir noch ein wenig unschlüssig, werde das aber sicherlich in der einen oder anderen Weise die Tage noch umbauen.

Lieben Dank für Deine Hinweise.

Bester Gruß W.
 

Walther

Mitglied
Was ihr auch immer nehmt, sei euch gegeben.
Euch sei auch das geschenkt, das unverdient
Erschlichen. Wenn ihr dabei hässlich grient,
Die Beute sei die eure. Und vergeben,

Vergessen sei die Tat. Und wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem letztes Urteil über euch geziemt.

Ihr habt es euch genommen, weil ihr glaubt,
Das alles dem gehört, der’s nimmt und raubt.
Die Tage kommen, da wird euch genommen.

Dann klagt ihr selbst. Die Stimmen wird man hören:
Ihr werdet laut das gleiche Recht beschwören,
Das erst durch euch zur Farce ist verkommen.
 

Walther

Mitglied
Hallo Viktor,

danke für Deinen Eintrag. Ich habe das Gedicht nochmals ein wenig umformuliert. So sind einige Schwächen hoffentlich beseitigt.

Dank an alle für Hinweise, Tipps und Anregungen.

Lieber Gruß W.
 

Cosi

Mitglied
Scheint jetzt soweit ein gelungenes Gedicht zu sein - und auch zeitloser als vorher.

Indes:
>>Das[blue]s[/blue] alles dem gehört<<
denke ich immer noch ...
 

Walther

Mitglied
Was ihr auch immer nehmt, sei euch gegeben.
Euch sei auch das geschenkt, das unverdient
Erschlichen. Wenn ihr dabei hässlich grient,
Die Beute sei die eure. Und vergeben,

Vergessen sei die Tat. Und wen ihr mimt,
Den Heuchler, Hehler oder auch den Henker,
Es übersieht euch heut der Weltenlenker,
Dem letztes Urteil über euch geziemt.

Ihr habt es euch genommen, weil ihr glaubt,
Daß alles dem gehört, der’s nimmt und raubt.
Die Tage kommen, da wird euch genommen.

Dann klagt ihr selbst. Die Stimmen wird man hören:
Ihr werdet laut das gleiche Recht beschwören,
Das erst durch euch zur Farce ist verkommen.
 

Walther

Mitglied
Hi Cosi,

danke. Dieses "Daß /Dass" bringt mich noch um den Verstand! Jetzt habe ich es auch in der Worddatei korrigiert. Also könnte jetzt das Zeitalter der richtigen Grammatik auch dieses Gedicht ereilt haben. :)

Lieber Gruß W.
 



 
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