Von Dichtern, Hunnen und Rittersleuten

Wir Dichter sind seit alter Zeit
beliebt ob unsrer Fähigkeit,
in kunstvollen, gereimten Sätzen,
die unsre Leser an uns schätzen,
in Epen, Dramen und Gedichten
Geschichtliches so zu berichten,
dass jeder Leser glaubt beim Lesen,
der Dichter sei dabei gewesen.
Geschichte, so gereimt betrachtet,
wird gern als Wissenschaft erachtet.

Was wüsste man von Odysseus
und von dem Göttervater Zeus,
wenn nicht ein Dichter wie Homer
Verkünder ihrer Taten wär,
der die Olympier, die antiken,
samt ihren Helden, ihren Kriegen
kunstreich beschrieb und überdies
sie erst unsterblich werden ließ?
Der Dichter nur verleiht der Zeit
den Kranz der Unvergänglichkeit.

Die Helden liegen längst im Grab,
auch ihre Götter traten ab,
sie wurden abgesetzt und floh´n
verschreckt von ihrem Himmelsthron,
verjagt von Hunnen und Barbaren,
die fürchterliche Wilde waren!
Sie kreuzten auf in wüsten Herden,
wie festgewachsen auf den Pferden.
Das Wesen dieser Reiterhorden
bestand im Rauben und im Morden,
sie schlugen blutig eine Spur
quer durch Europas Hochkultur.

Die Dichter hielten sich voll Grausen
weitab von den Kulturbanausen.
Fiel so ein Wüstling tot vom Pferde,
versank er ruhmlos in der Erde,
kein Dichter lieh dem toten Leib
den Nimbus der Unsterblichkeit.
Kein Epos, kein Gedicht bezeugen
der Hunnen ungehobelt Treiben,
(sie selber konnten ja nicht schreiben)
und deshalb weiß man nur von ihnen,
dass man sich freute, als sie gingen.

Worauf die neue Zeit begann
und kühne Ritter traten an:
Die Kämpfer ohne Fehl und Tadel,
von hohem und von mindrem Adel.
Die Siegfriede und Parsivale,
mit weichem Herz und harter Schale,
Beschützer für bedrängte Damen
und Gründer von berühmten Namen.
Fromm speisten sie im hohen Saal,
gruppiert um ihren heil´gen Gral.
Die ganze Welt vernahm die Kunde
von König Artus Tafelrunde.

Doch, leider Gottes, war nicht jeder
ein Siegfried oder Drachentöter,
so mancher trieb noch nebenbei
gemeine Wegelagerei!
Wer zahlte, durfte weiterfahren,
um Geld erleichtert, oder Waren.
Wer ohne Mittel war, den stieß
er roh ins finstre Burgverließ,
wo ihn, zumeist nach wenig Tagen
die Ratten aufgefressen haben.
Der arme Mensch erfuhr sodann,
wie man von Armut zehren kann.

Verließ ein Ritter je sein Weib
einmal für eine längre Zeit,
und war die selbe schön und jung,
so brachte er (zur Vorbeugung)
am Morgen früh, bevor er schied,
sie noch zum alten Wagenschmied.
Der hieb von einem Eisenreifen
einen genügend breiten Streifen
und schmiedet den dem jungen Weib
um ihren zarten Unterleib,
auf dass der ritterliche Gatte
auch unterwegs Gewissheit hatte:
Der schwere Eisengürtel hemmt
des Weibes Lust,
sie geht nicht fremd!

Zwar war der Gürtel unbequem,
sowohl beim Sitzen und beim Gehn,
jedoch erfüllt er seinen Zweck:
Der Ritter ritt beruhigt weg.
Die Einsamkeit bedrückt sie sehr,
der schwere Gürtes noch viel mehr,
der scheuerte am Leib und rieb,
sie ging daher zum jungen Schmied
und klagte diesem ihren Schmerz.
Der hat, zum Glück, ein gutes Herz!
Er schafft der Frau, die noch so jung,
sogleich etwas Erleichterung.
Vielleicht, da sein Bemühen frommt,
ist´s möglich, dass sie wieder kommt!

Was dann geschah, darüber spricht
ein wohlerzogner Dichter nicht,
er meint jedoch, bei Licht besehn,
ist diesem Ritter Recht geschehn!
Denn der, in seines Kaisers Heer,
zog in dem Heilgen Land umher,
wo er den Muselman bekriegt,
manchmal verliert und manchmal siegt.
Zuletzt bekam er einen Orden
vom Kaiser, mit viel warmen Worten
worauf er ehrenvoll verschied.
Das freut die Witwe und den Schmied,
womit die Sage noch am Ende
ein sagenhaftes Ende fände.
 
B

Bruno Bansen

Gast
lang, lang...

Hi Bernhard! zuvörderst dachte ich, Mann Gottes, bei dem Ding mußt du dir ja'n Tag freinehmen und, damit angefangen zu lesen, enpfindest du den natürlichen Alterungsprozess sehr, sehr deutlich. Man ist nach Beendigung desselben, merklich älter geworden. Das, wie gesagt, dachte ich und fing dann an, las es bis zum Ende, was nicht bitter war und muß sagen, daß es großen Spaß gemacht hat. (an ganz wenign Stellen 'n kleines Schlagloch, jedoch ganz leicht zuzuschütten) Schön, daß es wieder einige Leute hier gibt, die Wert legen auf das, was ein Gedicht, was gereimt ist ausmacht, eben den Reim und nicht so'ne Art von Reim oder Fast-Reim, welcher nur peinlich ist.

Hast Du gut gemacht! Glückwunsch

von Bruno
 
Von Dichtern....

Danke, Bruno,
wenn Du diese unendliche Geschichte bis zum Schluss gelesen und für gut befunden hast, dann mag ich nicht widersprechen.
-Bernhard-
 
S

Silvi Degree

Gast
Ja, ja, die alten Rittersleut'!

Hallo,lieber Bernhard - prima, dein Werk!Man "erlebt" irgendwie sämtliche Geschehnisse mit.Besonders schmunzelte ich bei den letzten drei Strophen.
Wochenendgrüße aus Sachsen
Silvi
 
Von Dichtern....

Hallo Silvi,
vielen Dank für das Kompliment! Ich hoffe, dass Du keine grauen Haare bekommen hast, ob der Länge des Geschriebenen,
es hat sich halt so entwickelt. Dass Dir gerade die letzten drei Strophen gefallen haben, kann ich nachvollziehen.
-Bernhard-
 



 
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